Ein Ende mit Schatten

Die untergehende Sonne färbte den westlichen Himmel scharlachrot. Die Farben wirkten beinahe wie ein Dunstschleier, dessen ferne Wärme Trost brachte, dachte man an die dunklen Wolken, welche im Süden verharrten – der ständige Begleiter, wenn man in Alba reiste, und nun waren sie zurückgeblieben. Die sommerliche Aura hatte dennoch auch hier ihren starken Konterpart. Der harte Wind Clanngadarns, der wohl alles schliff, außer die rauen Einwohner des Landes, begrüßte uns immer wieder, sobald wir aus den kleinen Tälern über die Hügelkämme zogen.
Die seltsame Mischung aus Spannung und Entspannung einer Reise hatte mich ergriffen. Zum einen war das Ziel klar gewählt, ein Zurück war abgelehnt und das weitere Tun benötigte keine Diskussionen mehr – doch blieb die stetige Frage nach der Sinnhaftigkeit und viel mehr nach der Erfolgsmöglichkeit unseres Unterfangens. Earn MacRathgar war dem Zorn eines gesamten Clans entronnen, sollte es da einer kleinen Gruppe an Abenteurern – die  sich erst seit einem Mond kannten – gelingen, ihn zur Strecke zu bringen?

Nach meiner Nahtoderfahrung mit einem Verstorbenen brachen wir wieder auf, der mittelgroße Tross aus einem halben Dutzend Personen, Pferde und Ponys. Es dauerte nicht lang, da bemerkte Caileass einen sauren Geschmack in seinem Wasser.
„Unsere letzte Quelle muss wohl verdorben gewesen sein“, kommentierte ich die Entdeckung missmutig und wir kippten alle miteinander die Schläuche aus. Der Lyraspieler hielt dabei seltsamerweise einen ganzen Beutel zurück, der wohl für etwas anderes als einfach nur Wasser da war…
Kurz nach dieser ärgerlichen Entdeckung hörten wir die lauten Schreie eines Kindes von jenseits eines Hügelkamms. „Das sind Hilferufe!“, erklärte Landis, wobei bereits die Tonlage keine Zweifel übrig ließ. Eilig ritten wir los und erspähten von der Kuppe, dass ein kleiner Junger inmitten eines Flusses schwamm – oder vielmehr strampelnd um sein Leben kämpfte. Olo und ich verloren nicht viel Zeit, sobald wir das Ufer erreicht hatten. Wir ließen die Pferde stehen, schleuderten lästiges Gepäck davon und stürzten uns in die Fluten. Es war kein wild strömender Fluss, der auch nicht gerade breit war, doch für einen ungeübten Schwimmer konnte er mit Sicherheit durch seine Tiefe gefährlich werden.
Aber der Halbling und ich wussten, was wir taten, waren bald bei dem Jungen und packten jeder einen Arm, um ihn zurück an Land zu ziehen. Es dauerte einen Moment, bis der Twyneddin erkannte, dass Hilfe da war und er aufhörte, uns durch sein wildes Strampeln zu behindern. Schnell hatten wir ihn dann ans Ufer gezogen, wobei insbesondere Olo durch kräftige Beinschläge – die volle Länge seiner beachtlichen Füße nutzend – einiges zum Tempo beitrug.

Wieder auf dem Trockenen atmete der kleine Junge, vielleicht elf Jahre alt, erst einmal tief durch, ehe er uns mit Worten überhäufte. Fragend blickten wir zu Landis, der sofort mit der Übersetzung begann. „Er dankt euch vielmals, der kleine Twyneddin. Yorric ist sein Name und er kommt aus einem Dorf, nicht weit von hier. Er sei wohl beim Angeln in die Fluten gestürzt.“
Natürlich begleiteten wir den heftig gestikulierenden Jungen zu seinen Sachen, die noch am Ufer lagen. Dabei war eine Angel, die er strahlend Olo in die Hand drückte, der sich wie durch Zauberhand direkt vor den Knaben geschoben hatte, um das Präsent anzunehmen. Anschließend führte er uns zu seinem Dorf, welches gerade einmal eine halbe Stunde entfernt lag.

Es handelte sich um nichts Besonderes, doch Yorrics Familie nahm uns dankbar auf, als er von seiner Rettung berichtete. Ein einfaches, aber herzliches Mahl zusammen mit einem feinen Absacker beschloss den Abend und wir nächtigten im Stall.

„Olo! Olo!“
Verwirrt blinzelte ich. Mich streckend und langsam umherblickend stand ich auf – noch lagen wir alle im Stroh und wurden einer nach dem anderen wach. Es war Morgen geworden… und eine Frau rief nach dem Halbling. Hoffnungsvoll spähte dieser durch die Stalltür nach draußen. Wir folgten hintendrein und bekamen sogleich des Rätsels Lösung: eine junge Twyneddin fegte über den Dorfplatz und rief dabei immer wieder „Olo! Olo!“ Doch das Objekt ihrer „Avancen“ war keineswegs der Händler aus dem Halfdal, sondern ein kleiner Hund, der zwischen den Häusern herumtollte und sich nicht darum scherte, was sein Frauchen davon hielt. Unserem Halbling fielen die Schultern herab, der Kopf hing durch und die Mundwinkel sanken zum Kinn. So eine Enttäuschung, so früh am Tag!
Doch Olo wäre nicht Olo, wenn er sich nicht durch das Frühstück kurze Zeit später wieder aufmuntern ließe – wir anderen amüsierten uns derweil noch darüber, dass man den Händler nach einem Hund benannt hätte.

Anschließend wurde es aber Zeit aufzubrechen, aber wir ließen eine sehr dankbare Familie zurück. So hatte unsere Reise bereits etwas Gutes hervorgebracht.
Gen Mittag kam uns eine Gruppe Reisender entgegen – allesamt Männer in grauen Roben, Fackeln und Räucherstäbchen untermalten zusammen mit einem unverständlichen Gemurmel ihre wohl spirituelle Wanderung. Mein natürliches Interesse bezüglicher der geistigen Führer dieses Landes war jedoch drastisch gesunken, nachdem wir von den Menschenopfern erfahren hatten. Auch meine Reisegefährten schienen nicht sonderlich daran interessiert mit diesen Druiden zu sprechen, sodass wir grußlos aneinander vorbeigingen.

Lediglich eine Stunde später durchquerten wir ein weiteres Dörfchen, das diesmal durch einen kniend an die Palisade gefesselten Mann auffiel. Während Olo sich mit ihm unterhielt, sprach Caileass mit einem daraufhin herbeieilenden Mann, der Comentang beherrschte – Miyako wies indes daraufhin, dass uns das gar nichts angehe. Bald stand Aussage gegen Aussage – der Gefangene sprach von Ehebruch, der „Wärter“ von einem hinterhältigen Mord an dem Dorfältesten, wobei an dieser Stelle betont wurde, ein ehrlicher Kampf hätte ihn zum Anführer gemacht.
Wir überließen die Twyneddin ihren rauen Bräuchen und akzeptierten die harte Strafe, welche in meinen Augen sogar gerechtfertigt war, sollte er tatsächlich ein Mörder gewesen sein. Miyako murmelte nur, dass ihr das gleich von Anfang an klar gewesen sein.
„Sicherlich“, kommentierte ich nur griesgrämig.
„Was hast du denn?“, fragte die KanThai verdutzt nach – oder spielte die Verwirrung wohl eher. Sie erntete mein Schweigen. Das Schicksal der sie umgebenden Menschen schien sie kaum zu kümmern, seien es Menschenopfer oder vielleicht zu Unrecht Eingekerkerte. Ihre Einstellung zum Leben allgemein schien mir sehr…fragwürdig. Ich würde nicht so weit gehen, sie als böse zu bezeichnen. Aber auch Nichts zu tun konnte falsch sein.

Wir ritten weiter und fanden des Abends einen guten Lagerplatz in einer Senke. Bald waren die Zelte aufgebaut und die Pferde angebunden und nach einem einfachen Mahl sanken die meisten in einen tiefen Schlaf, während die Wachen über die Umgebung blickten.

Es graute schon fast, da blickte ein lockiger Kopf in das große Zelt, das sich Garric, Caileass und ich teilten. Olo, er hatte gerade Wache gehalten, flüsterte leise: „Ilfarin, ich habe draußen auf dem Hügel Lichter gesehen. Irgendwelches Gesocks treibt sich hier herum!“
Rasch sprang ich auf die Beine, griff meinen Speer und die vertraute Eichenrinde, um sogleich aus ihr Kraft zu ziehen. Gemeinsam mit dem Halbling trat ich heraus und wir entdeckten direkt den Urheber des Feuerscheins: ein Mann in Lederkluft und mit einem gewaltigen Bihänder stand vor dem Zelt Miyakos und schien alles andere als freundlich gesinnt.

Ohne zu zögern spurtete Olo los, den Morgenstern bereits wild schwingend, da begann ich nach den Energien des Baumes zu greifen, der einst in diese starke Rinde gehüllt war. Wie einen Umhang versuchte ich mir diesen Schutz überzuwerfen und meine Haut zu schützen. Doch das Leben wand sich unter meinen Fingern und bewies einmal mehr seine bizarre Flüchtigkeit.
Kopfschüttelnd legte ich die Rinde nieder und umfasste meine Waffe mit beiden Händen. Ich atmete tief durch und spurtete los – die Speerspitzte direkt auf den Rücken des Angreifers angelegt. Der Bandit tauchte gerade unter Olos Angriff weg, um seinerseits mit dem Bihänder zuzuschlagen. Wäre der Halbling nur etwas weniger gewandt, die Klinge hätte ihn wohl gespalten. Doch nur einen Moment später hatte ich ihn erreicht und schmetterte den Speer in seinen unachtsamen Rücken. Ich riss die Waffe dabei im letzten Moment nach oben… und entfaltete eine tödliche Wirkung. Die Klinge drang von hinten durch die Rippen und zerschmetterte beim Herausfahren weitere Knochen, die sich im Weg befanden. Während der Mann schrie wurde er nach vorne geworfen und ging Blut spuckend zu Boden.
Keine Sekunde später trat Miyako aus dem Zelt, ihr Langschwert in der Hand. Grimmig nickte sie mir zu.

Doch weitere Angreifer hatten sich uns genähert: einer stand bei unserem großen Zelt und bekämpfte den soeben erwachten Caileass – ein anderer lieferte sich einen Zweikampf mit Landis. Während ich unserem albischen Fechter durchaus zutraute, diesen Kampf mit Leichtigkeit zu gewinnen, konnte ich unseren Reiseführer schlecht einschätzen und eilte ihm zur Hilfe – Olo kurz hinter mir.
Diesmal ging mein Sturmangriff jedoch fehl und der Angriff des Halblings wurde abgefangen. Der Mann, wenngleich nur mit einem Kurzschwert bewaffnet, bewies erstaunliche Gewandtheit und konnte selbst den drei gleichzeitig Angreifenden Schlag um Schlag entgehen.

Miyako fing wenige Sekunden später noch zwei Banditen ab, welche sich von Osten genähert hatten. Wie fließendes Wasser glitt sie zwischen ihren Angriffen hindurch und ließ wenige Treffer zu – aber doch verunzierte Schnitt um Schnitt ihre Haut.

Nachdem wir den ersten Angreifer so rasch überwunden hatten, gestalteten sich dessen Gefährten als zähe Kämpfer und einige Zeit wogte es hin und her. Schließlich versetzte ich unserem Gegner einen Treffer, stolperte allerdings tölpelhaft hinterher, dass mir der Knöchel mit einem Knacksen seinen Widerstand zubrüllte. Olo versuchte direkt in die Bresche zu springen und schaffte es die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken – doch der Bandit wich diesem überhasteten Angriff aus und der schwungstarke Morgenstern entglitt den kleinen Fingern des Halblings. Nur einen Moment später hörten wir einen lauten Schrei von unserem großen Zelt her: der dortige Angreifer stand hinter dem auf die Knie gegangenen Caileass und riss die Axt aus seinem Rücken. Der Fechter verdrehte nur noch die Augen und ging ohnmächtig zu Boden.

Doch binnen weniger Sekunden sollte sich das Kampfesglück wieder wenden. Miyakos Klinge fuhr grazil zwischen den Rippen eines ihrer Gegner hindurch, um nicht nur die Lunge sondern auch das Herz zu durchschneiden. Ohne mit der Wimper zu zucken, ging der Mann tot zu Boden. Gleich darauf hatte Olo seine Waffe wieder aufgehoben und in einer einzigen, flüssigen Bewegung schleuderte er den stachelbewehrten Eisenkopf in die Luft und traf den Banditen mitten im Gesicht. Mit einem gewaltigen Knirschen verwandelte sich der Schädel zu einer unerkennbaren Masse aus Blut und Knochensplittern.
Die Schmerzen in meinem Fuß ignorierend, spurtete ich Caileass zur Hilfe, über dem der Bandit gerade sein Werk vollenden wollte. Aus dem vollen Lauf heraus rammte ich meinen Stoßspeer in seinen Hals hinein. Der Kopf wurde nach vorne geschleudert, während es den Nacken nach hinten trieb und ein grausiges Knirschen verriet das Ende.

Und doch gab der letzte Angreifer nicht auf. Zornentbrannt schlug er weiter nach Miyako, die den Angriffen eines Einzelnen nun mühelos auswich. Gerade so entging der Twyneddin meinem nächsten Sturmangriff, stolperte dabei jedoch geradezu in die Klinge der KanThai. Chirurgische Genauigkeit führte das Eisen und beendete ein Leben – der einen Moment später ankommende Olo schmetterte den Morgenstern aus Trotz noch einmal in den Leichnam.

Nun kümmerten wir uns um unsere Wunden. Caileass war glücklicherweise nicht langwierig verletzt, lediglich der Schmerz hatte ihn zu Boden geschickt. Zuletzt verband ich sogar den ersten Angreifer, welcher durch eine Fügung des Schicksals meine Attacke überstanden hatte. Miyako übernahm schließlich sein Verhör, in der Hoffnung, von diesem Verbrecher etwas anderes zu erfahren – während Olo beschloss, dass nun Zeit für Tee sei. Doch der Twyneddin spuckte nur verächtlich den übersetzenden Landis an. Damit war die Sache geklärt und das Urteil über den Banditen verhängt. Ausgerechnet Olo war es, der Tee brauchte ja noch einige Minuten, der bereitwillig herbeieilte, um die indirekte Beleidigung Miyakos zu rächen. Ein Schlag…doch der Halbtote rollte darunter hinweg. Noch ein Angriff. Der Mann hatte sich klein gemacht und der Halbling pflügte die Erde um. Der dritte Schwung – und ein rascher Tod. Es hatte etwas Elendiges und Unwürdiges, doch diesmal empfand ich kein Mitleid. Wer sich auf diese Pfade gewagt hatte, die dieser Mann genommen hatte und nicht reute, wenn er die Möglichkeit bekam, der hatte alles verwirkt, was man ihm gegeben hatte. So zeigte sich die eiskalte Seite des Lebens, denn in der Verteidigung bleiben wir Tiere.

Wir dösten noch ein wenig am Lagerfeuer, nachdem wir die Leichen zur Seite geschafft hatten, ehe wir aufbrachen, da sich die Sonne bereits an den Himmel gekämpft hatte. Es war der siebte Tag der ersten Trideade des Feenmondes, wie Caileass uns berichten konnte. Er blieb ereignislos, abgesehen davon, dass in der folgenden Nacht das Wetter umschlug und ein wahrer Sturmwind über das Land hinwegfegte. Doch die Heringe saßen und die Pferde blieben ruhig, sodass wir diese Unbilden ertragen konnten.
Am nächsten Mittag erblickten wir wieder ein kleines Dorf von vielleicht einhundert Einwohnern – wie gewohnt mit einer Palisade versehen. Landis merkte an, dass dies bereits eine Siedlung der Olwydd sein könnte, sodass ich wiederum vorschlug, ihn vorzuschicken. Immerhin bestand die Möglichkeit, dass die neuesten „Freunde“ Earn MacRathgars Fremden nicht mehr sonderlich offen gegenüberstanden.
Doch kurz nachdem der Waldläufer das Dorf betreten hatte, winkte er uns zu und unsere kleine Karawane nahm die letzten Meter, bevor wir endlich unser Ziel erreicht hatten.

Hinter der Palisade erstreckten sich gerade genug Häuser, dass hier um die hundert Menschen leben konnten. Eine zentrale Position nahm ein großer Platz mit einer hoch gewachsenen Eiche ein, wo sich tatsächlich ein fahrender Händler einen Stand auf seiner Kutsche eingerichtet hatte und mit vorbeilaufenden Twyneddin feilschte. Ins Auge stach direkt an diesem Herz des Dorfes ein vergleichsweise großes Langhaus, das sicherlich zum Dorfvorsteher gehörte. Zuletzt konnte man einen Pfad ausmachen, welcher auf einen Hügel am Rande der Siedlung führte, wo man gerade so einen großen Menhir ausmachen konnte.
Wie ich den Händler erblickte und noch einmal unsere große Reisegruppe musterte, schlug ich meinen Gefährten vor, uns als eine Art Karawane auszugeben, die durch Clanngadarn reiste, um mit Tee und – ein Wink des Schicksals – auch den Äxten und Schwertern der Banditen zu handeln. Die Idee fand Zustimmung und keine Sekunde später war unser „Herr“ Olo Platschfuß glatt in seiner Rolle versunken und sann überdies darüber nach, wie man die Zusammensetzung seines Tees ändern könnte um ihn… waffenfähig zu machen.

So traten wir an das Langhaus heran und wurden nach kurzem Klopfen rasch nach innen gebeten, wo uns ein älterer Mann erwartete. Er stellte sich als Dorfvorsteher heraus, während unser Halbling an Landis weitergab, was unser Begehr sei:
„Nun, verehrter Herr, mein Name ist Olo Platschfuß, weit gereister und erfahrener Händler des Halfdals. Gemeinsam mit meinen Gefährten trieb es mich nach Norden, im Interesse, dem ehrlichen und starken Volk von Clanngadarn die schönsten Genüsse, die getrocknete Kräuter darbieten können, zu bringen. Und als Dreingabe, denn schließlich seid ihr alle stattliche Twyneddin, habe ich auch noch einige Waffen angesammelt, die ganz nach eurem Geschmack sein dürften. Zu meinen Begleitern: dies ist meine Frau“, wobei er auf Miyako wies, welche eisern blieb und sogar ein warmes Lächeln vortäuschte. „Und das sind meine Begleiter und Wachen“, erklärte Olo uns andere. „Zuletzt zwei Fragen: trifft es auf Eure erlauchte Zustimmung, dass meine Gruppe und ich einen Stand am Dorfplatz aufschlagen und verfügt ihr hier über einen Arzt, der sich den Rücken eines meiner Beschützer ansehen kann?“
Letztere Frage zielte bereits, wie ebenfalls vorher mit uns abgestimmt, darauf ab, womöglich etwas von Earn MacRathgar zu erfahren, sollte er doch als eine Art Heiler das Wohlwollen der Olwydd gewonnen haben.
Der Dorfvorsteher zeigte sich wenig interessiert, aber auch nicht ablehnend, sodass zumindest unsere Maskerade stand. Zur Heilung verwies er uns jedoch an die Druiden des Dorfes. Nun zumindest konnte ich hier etwas näheren Kontakt zu den Kulten Clanngadarns knüpfen und herausfinden, ob sie so korrumpiert waren, wie Menschenopfer erahnen ließen.

So war, nachdem wir unsere Pferde bei einem Stall gelassen hatten, unser nächster Halt bei dem Haus der Druiden. Ein Mann mit bereits grau meliertem Haar öffnete uns. Er trug eine schlichte, graue Kutte während um den Hals eine Kette mit Knochenscheiben hing, in die die so genannte Ogam-Schrift eingraviert war und eine Art Schutztalisman darstellte. Nachdem wir dem offensichtlichen Druiden von Caileass‘ Verwundung berichtet hatten, winkte er uns eifrig herbei und begann ein Ritual verbunden mit Räucherstäbchen und leisem Gemurmel. Zuletzt bespritzte er den Verletzten mit etwas Wasser und er wirkte tatsächlich etwas aufgefrischt. Zudem spürte ich eine kurze Woge von Leben, das sich um uns herum verdichtete.

Nun aber galt es, einen Stand aufzumachen, damit die Tarnung standhielt und wir nicht unnötigen Fragen ausgesetzt waren. Da wir allerdings mit Caileass und Landis sowie Garric genug Wachen hatten, trennte ich mich vorerst von den anderen und lief zu dem Heiligtum der Druiden auf den Hügel.

Es handelte sich um einen Kreis aus kleinen Steinen, der um den bereits gesichteten großen Menhir herumverlief. Dieser wiederum wurde von einem kunstfertigen Armreif gekrönt, der auf seiner Spitze lag. Zwei weitere Druiden knieten direkt davor und summten leise vor sich hin. Ich beabsichtigte nicht, sie zu stören und begann in angemessenem Abstand zu meditieren.
Während ich meine Sinne allmählich zurückzog und alles aus meiner Wahrnehmung entließ, was mich belastete, begann ich eine intensive Aura der Macht zu spüren, die sich an diesem Ort sammelte. Es handelte sich wahrlich um ein Heiligtum – die Twyneddin dieses Dorfes waren reich beschenkt! Ein beinahe berauschendes Gefühl überkam mich und erfüllte mich mit tiefer Zufriedenheit.
Schließlich beendete ich meine Meditation gut erholt, während die Druiden noch weiter in religiösen Melodien versunken waren. Rasch schrieb ich in der Ogam-Schrift auf einen Pergamentstück „Freund“ und hinterließ diese Botschaft unter einem Stein, sodass sie nicht von dem Wind davongetragen werden konnte.

Während meiner Abwesenheit hatte Olo tatsächlich einige der Waffen verkaufen können, mit denen die Banditen uns angegriffen hatten. Es blieb zu hoffen, dass sie nicht allzu bald den Weg zu uns zurückfinden würden. Gemeinsam warteten wir noch den Abend ab, bis wir uns in das Gasthaus am Dorfplatz begaben, um dort Nachfragen zu machen. Allerdings verabschiedete ich mich nach dem Essen, da es in der Gaststätte lediglich noch vier freie Betten gab und ich zudem nicht von mir behaupten konnte, ein Meisterdetektiv zu sein. Ich baute stattdessen ein Zelt in Sichtweite der Pferde auf.

Am nächsten Morgen besuchte ich die drei Druiden und wurde zum Frühstück aufgenommen, wie einer der ihren. Als Anhänger eines gemeinsamen Glaubens sprachen wir viel über das mehr als achthundert Jahre alte Heiligtum, ehe ich auf den „Albai“ zu sprechen kam, den ich hier im Dorf vermutete. Die drei Männer verwiesen mich auf einen mehr oder weniger einsiedlerischen Mann, der sich nur eine knappe Stunde nördlich der Siedlung eine Hütte eingerichtet hatte. Dankend verabschiedete ich mich und traf mit den anderen zusammen, welche dieselbe Information auf verschiedensten Wegen zusammengetragen hatten.

Gemeinsam setzte sich nun unsere Karawane in Bewegung nach Norden. Es dauerte nicht allzu lang, da fiel unweit des Weges an einem kleineren Steilhang die Hütte auf, die der „gelehrt aussehende Albai“, von dem die Olwydd gesprochen hatten, beinahe zwergenhaft mit dem Stein verbunden hatte. Allein das Können fehlte und so schien es eine Art Provisorium.
Wir banden die Pferde an und überließen es Landis und Maglos auf sie aufzupassen, während wir an die Tür herantraten und, tatsächlich, klopften. Insgeheim hoffte ich noch immer darauf, dass er sich ergeben und sich nach Alba überführen ließe. Doch die Tür blieb ungeöffnet, war sogar verschlossen. Miyako schob sich vor und begann sich an dem Schloss zu schaffen zu machen, was allerdings vergleichsweise lang dauerte, da es sich offensichtlich um einen äußerlich komplizierten Schließmechanismus handelte. Doch vermochte auch dieser nicht ewig der KanThai zu widerstehen und die Tür öffnete sich.

Die Einrichtung der Hütte war vergleichsweise gemütlich. Neben einfachen Möbeln gab es sogar einige Bilder und Teppiche. Allerdings war nicht sonderlich viel Platz gegeben und es wirkte auch ein stückweit vollgestopft. Wohl der verzweifelte Versuch Earns, zu verdrängen, dass seine Machenschaften gescheitert waren und er nun in einem Exil darbte anstatt die adelige Tochter eines Clangrafen zur Frau zu haben.
In einem Kleiderschrank fand Olo einen Kilt der MacRathgars, welchen er natürlich sofort einsteckte. Immerhin bestätigte dies unsere Theorie, dass es sich hierbei überhaupt um das Haus des gesuchten Albais handelte. Während wir aber gemeinsam die gesamte Hütte auf verräterische Briefe und Weiteres untersuchten, war es wieder der Halbling, welcher unter einem der dutzend Teppiche am Boden eine Falltür entdeckte! Vorsichtig hob er sie von hinten – da schnappte eine Klinge von der Unterseite des Holzes heran, um dem unachtsamen Öffnenden den Bauch aufzuschlitzen. Doch Olo stand wohlgemerkt hinter der Falltür, sodass die Falle arretierte, ehe sie ihn erreichen konnte. Schelmisch lächelnd wischte der Halbling sich die Schweißtropfen von der Stirn.

Unter der Falltür war ein 5-6 Meter tiefes Loch. Über die bereithängende Leiter kletterten wir nun hinunter, nachdem wir Landis informiert hatten, was wir entdeckt hatten. Auch Garric blieb oben, damit der Waldläufer für den Fall, dass Earn nicht hier unten versteckt war, nicht alleine war, wenn der Schwarzmagier zurückkehrte.
In der Tiefe erwartete uns ein unwirklich scheinender Raum. Er maß fünf Meter in Länge und Breite und besaß derartig glatt geschliffene Wände, dass hier eigentlich nur Magie am Werk gewesen sein konnte. Seltsamerweise gab es Licht hier unten: dutzende Kerzen waren aufgestellt und gaben eine dämmernd-schattige Helligkeit ab, die uns erkennen ließ, dass wir in einer Art Labor gelandet waren. An den Wänden waren Regale aufgereiht, die allerlei Glasgefäße verschiedenster Formen bereithielten – manche gefüllt, andere nicht. In einigen schien es unruhig zu blubbern, obwohl keine Flamme sie erhitzte. Beherrschend war jedoch eine Art… Tisch etwas versetzt von der Mitte des Raumes. Seine Platte bestand aus glatt poliertem Metall, welches jedoch einige Blutspritzer aufwies. Hie und da klebten Haare in dem getrockneten Rot. Es könnte sich um Tiere gehandelt haben, doch die Wahrheit keimte in schrecklicher Form auf und umschnürte meinen Hals.

Aus dem Labor führten vier Wege, gen Norden war eine verschlossene Tür, ebenso im Westen. Im Süden war ein Torbogen und im Osten ein Gitter aus dem ein übler Geruch von Fäule drang. Caileass zündete seine Lampe an, um mehr Licht zu schaffen und trat an die Eisenstäbe heran. Der Schein erhellte einen kurzen Gang hinter der Absperrung. Bis zur rückwärtigen Wand waren links und rechts mehrere Wandnischen eingelassen waren, wohl auf ebenso magische Weise wie im gesamten unterirdischen Komplex. Doch was in den Wandnischen war…
Menschen. Allesamt tot – umgebracht. Verschiedenste Verletzungen zeugten von ihrem grausigen Ende: ein eingeschlagener Schädel, ein abgerissenes Bein. Dort fehlte ein Arm, scheinbar durch einen Schwerthieb abgetrennt. Eine Leiche wirkte aufgedunsen und musste bereits lange im Wasser gelegen haben. Die Toten waren in den unterschiedlichsten Verwesungszuständen… bei einem schien das Blut erst getrocknet, anderen war die Haut eingefallen, das Haar abhandengekommen und das Fleisch war fleckig geworden. In grausigen Schattierungen hatten einige dieser Menschen bereits ihre größte Ähnlichkeit zum Leben abgelegt und lagen hier, um scheinbar vergessen von der Welt zu verrotten.
Das Gatter ließ sich anheben, doch keiner von uns war gewillt, in diesen Gang des Grauens zu gehen – mit Ausnahme des Halblings Olo, der eine grausige, widernatürliche Faszination für die Toten zu entwickeln schien. Doch vorerst wandten wir uns der verschlossenen Tür am nördlichen Ausgang zu, die Miyako einige Zeit lang in Atem hielt, ehe sie endlich mit ihrem Dietrich erfolgreich war und nach einem verheißungsvollen Klicken die Pforte aufschwang.

Ein Zischen und Fauchen ertönte, als grünlich-grauer Rauch uns entgegenschoss. Die KanThai blieb jedoch unbeirrt stehen und schlug direkt die Tür wieder zu, geriet dabei aber in Kontakt mit dem verfluchten Nebel, welcher sich wie Pech an ihre Haut schmiegte. Miyako ächzte vor Schmerzen, als die ersten Brandblasen über ihren Körper zogen und ging schwer schnaufend in die Knie. So hatte sie uns vor dieser Gefahr gerettet, sich aber selbst in gewaltige Gefahr gebracht. Die Verletzungen waren zwar nicht tödlich, doch hatten wir kein Antitoxin bei uns, welcher dieser Hexerei hätte Abhilfe verschaffen können. Aber die KanThai legte wenige Momente später bereits wieder ihre porzellanhafte Gesichtsmaske auf und würden nicht noch einige Wundmale ihre Haut verunzieren, so könnte man glauben, es hätte keinen Zwischenfall gegeben.

Wir wandten uns nun dem Torbogen im Süden zu, hinter welchem ein kurzer Gang lag. Linkerhand befand sich nach wenigen Metern eine Tür, ansonsten schien dies eine Sackgasse zu sein. Vorsichtig übernahm diesmal Caileass die Aufgabe, als Erster zu gehen – doch erwartete ihn keine körperliche Pein. Doch als er erblickte, was hinter der Tür lag, erstarrten seine Gesichtszüge, wenngleich die jahrelange Erfahrung als Kämpfer einen Schock verhinderte. Schweigend betrat er den Raum und schwachen Herzens folgten wir. Der Wahnsinn des abtrünnigen Magiers schlug uns ein weiteres Mal entgegen: der Boden der Kammer war von mehr als einem Dutzend Skeletten bedeckt…ein paar Tiere, doch das allermeiste waren Menschen. Dies war wohl der letzte Halt für jene, die bereits hinter dem Gitter lagen. Earn MacRathgar schien hier nicht viel mehr, als die Leichen gelassen zu haben, sodass wir dem Raum vorerst keine weitere Aufmerksamkeit schenken wollten.

Hinter der westlichen Tür befand sich lediglich eine kleine Vorratskammer, die wir nutzten, um unsere Vorräte aufzufüllen. Danach ließen wir es auf einen weiteren Versuch im Norden ankommen – Caileass trat an die Tür, riss sie blitzschnell auf und wich in bester Fechtmanier zurück. Doch der Nebel hatte sich verzogen und diesmal war es sicher, in den dahinterliegenden Raum zu treten: eine kleine Bibliothek.
In drei Regalen waren etliche Bücher aufgereiht, aber auch auf einem kleinen Tisch hatte der Magier Dokumente hinterlassen: Briefe und andere Schriften, deutlich krakeliger, als sie in den feinsinnigen Abschriften der herumstehenden Folianten zu erwarten waren. Doch Caileass hatte keine Probleme damit und überflog rasch, was dort, wahrscheinlich von Earn selbst, geschrieben worden war.

„Das sind vorbereitete Briefe, die er wohl an verschiedene Sippen im Umland abschicken wollte“, bestätigte Caileass. „Und außerdem Notizen, die er für sich selbst geschrieben hat. Es geht um dunkle Rituale: Totenbeschwörungen. Außerdem einige Bemerkungen über diesen Schwarzalb Rythvar.“
„Was schrieb er über ihn? Und erwähnt er noch weitere Helfer?“
„Hm, Earn nennt Rythvar überheblich und sogar er notiert, dass er gefährlich ist. Aber er ist sich dennoch sicher, dass dieser ihm die Axt bringen werde und schreibt, dass er ein dazu ‚passendes‘ Artefakt hätte.“
„Dann steckt tatsächlich dieser Finstermagier hinter der Bedrohung, die einmal von dieser dunklen Armee ausgehen soll“, schloss ich.
„Da sind wir wohl gerade rechtzeitig gekommen“, meinte Olo mit siegessicherem Lächeln im Gesicht.
„Aber was ist mit anderen Helfern? Und den Giftanschlägen in Haelgarde?“
„Dazu steht hier leider Nichts“, erklärte Caileass resigniert.
„Dann lasst uns hoffen, wir erhalten die Möglichkeit, ihn zu verhören.“

Wir teilten uns nach diesen Funden auf, um die bisher ausgespähten Räume noch einmal genauer zu durchsuchen, da das Offensichtliche bereits entdeckt und von Earn keine Spur zu finden gewesen war. Miyako und ich übernahmen dabei die Aufgabe, den Raum mit den Knochen zu untersuchen. Es erfüllte mich mit einem kalten Schauer, all diese Toten zu sehen, die einfach hier hineingeworfen worden waren. Wie abgenutztes Werkzeug, das keinen Nutzen mehr erfüllte. Wir suchten und suchten zwischen ihnen, doch es war bald klar, dass dieser Raum für den Schwarzmagier tatsächlich nicht mehr schien, als eine Müllhalde.
Da erklang ein Schrei – Olo rief um Hilfe!

Miyako hatte binnen eines Lidschlags ihr Schwert gezogen und eilte los, ich kurz hinter ihr. Der Halbling erwartete uns gemeinsam mit Caileass im zentralen Raum – beide standen vor dem Gitter, hinter dem sich menschliche Gestalten bewegten… Dunkles Hexenwerk lachte dem Leben Hohn und meine Eingeweide verkrampften sich, als ich die Zombies erblickte, die von scheinbar erfolgreichen Ritualen zurück in ein dämonisches Halbleben gerufen wurden. Von blindem Hass erfüllt rannten sie gegen das Gatter an und versuchten verzweifelt es zu zerstören, wenngleich sie es hätten anheben können, würde sich auch nur ein Funken boshafter Intelligenz zu ihrer übernatürlichen Kraft gesellen. So schlugen Caileass und Olo die Arme ab, welche durch die Löcher gesteckt wurden und antworteten mit Stichen und Hieben ihrerseits, bis alles, was jenseits des Gatters war derart zerschlagen worden war, dass selbst die finsterste Hexerei es nicht zurückbringen konnte. Während der albische Fechter sich mit einem Lächeln grimmiger Zufriedenheit begnügte, stieß Olo einen wilden Kriegsschrei hervor, der ihn mehr wie einen Berserker denn wie einen Halbling erscheinen ließ. Ich hingegen holte mehrfach tief Luft, um mich von dem Anblick dieses grausigen Massakers zu erholen.

Anschließend verließen wir dieses unterirdische Labor Earn MacRathgars und beschlossen, uns oberhalb des Hauses auf der Steinwand auf die Lauer zu legen – wenn der Finstermagier nicht hier war, konnte es nicht ewig dauern, bis er zurückkehrte. Caileass und Landis indes ritten nach Norden, um sich dort nach dem Flüchtigen umzuhören.
Derart in Lauerstellung verbrachten wir zwei Nächte, ehe unsere Gefährten sich im Galopp wieder näherten – mit beinah so wenig neuer Kunde, wie wir. Lediglich, dass Earn bekannt und vergleichsweise angesehen sei, konnten sie in Erfahrung bringen. Doch es blieb das Rätsel über seinen Verbleib…
„Wir haben doch diesen gesamten Komplex eingehend durchsucht!“, rief Caileass resigniert aus.
„Nun… es gäbe da noch den Gang voller Untoter. Olo, ich vermute, du konntest dich da kaum umsehen, ehe sie erwachten und dich angriffen?“ Erwartungsgemäß schüttelte der Halbling den Kopf. Somit war es entschieden: wir gingen wieder unter Tage.

Den Morgenstern in der Hand watete der Händler durch die Reste der Untoten – ein unwürdiger Anblick, der den Menschen nicht würdig war, doch darum würden wir uns später kümmern – und suchte die Nischen und die rückwärtige Wand ab, ob sie nicht doch einen Geheimmechanismus verbarg. Es dauerte nicht lange, da fand Olo eine Unebenheit und mit einem lauten Klack betätigte er sie. Die dem Gatter gegenüberliegende Wand versank beinahe geräuschlos im Boden und gab den Blick frei auf eine kleine Kammer, die kaum mehr bot als ein Bett sowie einige Säcke mit Nahrungsvorräten: eine Fluchtkammer. Und darin ein Mensch in einem schlichten, grauen Gewand, das Gesicht zu einer wütenden Fratze verzogen.

Unmittelbar riss er eine Hand klauenhaft empor und streckte sie nach mir aus – wenngleich ich etliche Meter von ihm entfernt stand. Doch es schien, als würde der Hexer einen Riss in das uns umgebende Gefüge von Leben und Tod reißen und er schleuderte mir eine Welle ungebremsten Chaos entgegen, eine Kraft, die mich in Stücke zerfetzen konnte. Instinktiv beschwor ich meine geistige Abwehr herauf und wehrte den Angriff ab – Überraschung lief über Earn MacRathgars Gesicht und ein Lächeln über meines. Dann setzte ich meinerseits zu einem magischen Angriff an und wollte jeglichen Mut der Verzweiflung aus dem Finstermagier austreiben, auf dass er auf den Kampf verzichtete und sich den wohl verdienten Fesseln hingab. Es wäre ein Kampf der Lebenskraft gegen das ungebändigte Böse gewesen, aber Earn entzog sich meiner Attacke: mit einer kleinen Geste verschluckte er das Licht um sich herum und schuf eine Sphäre reinster Finsternis, wie es sie womöglich nur meilenweit unter der Erde zu finden gab. Wenige Sekunden später trat der Halbling Olo Platschfuß, den Morgenstern wild herumschwingend, in die Dunkelheit ein. Bestürzt blickten Caileass, Miyako und ich hinterher, doch wir konnten ihm schlecht beistehen, wüssten wir doch nicht einmal, wen wir angriffen, sobald uns die Blindheit umfasst hätte.

Heftige Kampfgeräusche ertönten, wütende Kampfschreie, das Klirren des stachelbewehrten Morgensterns, wenn er auf Stein traf. Ein schmerzhaftes Jaulen des Hexers, als Olos Waffe wohl einmal traf, kurz darauf ein beinahe zischendes Fauchen, als ein übler Zauber den Halbling erwischt haben musste. Plötzlich…Stille. Es schien zunächst wie das plötzliche Ende des Kampfes, doch kein Jubel, kein Todesschrei.
„Magische Stille“, bemerkte Caileass. Entsetzt blickten wir drei in die Dunkelheit, ahnungslos, was dort vor sich ging.

Schließlich fluchte der Fechter laut, zog ein kleines Fläschchen aus seiner Tasche und rannte mitten in die Dunkelheit, ohne ein Wort der Erklärung von sich zu geben. Die Stille hielt an…bis uns jemand entgegenstolperte: es war Olo, dessen Klamotten teilweise Feuer gefangen hatten – zudem zeichnete sich ein grauer Handabdruck auf seiner Brust ab, der die dortige Kleidung beinah weggebrannt zu haben schien und von dort aus liefen schwarze Adern über die Haut. Eine dämonischer Fluch, der dem Halbling das Leben entriss. Dagegen konnte ich vorerst Nichts tun, doch der Brand ließ sich ersticken und die verbliebenen Wunden verarzten… während nun Caileass in Finsternis und Stille gegen unseren Feind kämpfte.

Verzweifelt arbeitete ich gegen die Wunden Olos an. Zu lange hatte er alleine versucht, gegen den Schwarzmagier anzutreten, zu viele Treffer erlitten. Er fieberte, flüsterte von der Dunkelheit und dem brennenden Schmerz. Zum ersten Mal in seinem Leben schien der kleine Halbling wahre Todesangst zu spüren – doch das verlieh ihm eine neue Kraft, einen seltsamen, fast schon verrückten Mut, wie er wohl nur bei diesem kleinen Volk vorkommen konnte. Während ich Wunde um Wunde verband, kam der Glanz zurück in seine Augen. Es war ein kleines, flackerndes Schimmern, doch vorerst sollte Olo überleben.
Da erlosch vor uns die Finsternis und Caileass wurde mitsamt Earn sichtbar – dem er soeben den Rapier tief in die Brust gerammt hatte. Blindheit hin oder her, die Waffe hatte ihren Weg gefunden und den Finstermagier überrascht. Den Mund zu einem stummen Laut geöffnet, sackte er vor dem Fechter zusammen. Die Gefahr war gebannt.

In dem Fluchtraum fanden wir noch einige letzte Notizen Earns, welche darlegten, dass es sich bei dem Gegenstück zur Axt, die Rythvar hätte herbeischaffen sollen, um den Armreif handelte, der sich im Heiligtum der Druiden im nahen Dorf befand. Mit beiden Gegenständen zusammen wäre der Finstermagier zu einem großen Grab bei den Penprydyn-Bergen aufgebrochen und hätte sich dort eine Armee der Dunkelheit geschaffen. Ein Plan, der nun vereitelt worden war.

Wir trennten den Kopf des Magiers ab, um ihn in Haelgarde vorweisen zu können. Eine Vorgehensweise, welche Garric als üblich ansah, mich jedoch die Stirn runzeln ließ, angesichts der Tatsache, dass er Alba für so zivilisiert hielt. Es war traurig, dass die Menschen einander so wenig vertrauen konnten.
Schließlich zeigten wir dem Dorfältesten, was Earn MacRathgar getan hatte, ehe wir das Haus und den unterirdischen Komplex den Flammen preisgaben. Zudem sprachen wir mit den Druiden, welche den Armreif beschützt hatten und überließen ihn weiterhin in ihrer Obhut – sie hatten sich bereits als fähig erwiesen, alle von Earns Diebstahlversuchen abzuwehren.

Dann lenkten wir unsere Pferde gen Süden, Haelgarde entgegen, um von der Ende der Bedrohung im Norden zu berichten.

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