Jenseits des Wassers

Der Isada brauste unter uns hinweg, wurde von einem weiteren Fluss verstärkt, der vor uns in den Strom mündete. Der Gesang lag jedoch kristallklar über dem Rauschen und wir folgten den Stimmen, den unbekannten Fluss hinauf. Er verjüngte sich immer weiter, bis wir an einen kleinen See unterhalb eines schmalen Wasserfalls gelangten. Seerosen darüber, vereinzelte Felsen glitzerten im etwas mehr als kniehohen Wasser. In der Mitte des Sees lag der größte Felsen – groß genug, um einer jungen Frau Platz zu bieten, die sich dort räkelte und mit lieblicher Stimme sang. Ihr langes Haar fiel über ihre bloße Haut, bedeckte manches, ließ vieles offen. Zu ihren Füßen hockte ein muskulöser Mann und übernahm den anderen Teil des Duetts.   
„Andonio!“, rief Klaves aus. Der Gesang verstummte. Die Blicke des Pärchens, bis gerade eben aneinandergefesselt, lösten sich und wandten sich uns zu. Während der Mann verklärt dreinschaute, machte die Frau einen amüsierten Blick.     
„Ah, Besucher! Wie schön.“      
„Seid gegrüßt“, sagte Suena. „Wir sind hier, weil unser Wegführer seinen Freund Andonio sucht. Er ist schon länger von Zuhause fort und sollte bald zurückkehren.“    
„Zurückkehren?“, fragte die Frau und blickte lustvoll zu ihrem Begleiter. „Ich würde ihn aber noch gerne eine Weile behalten.“         
„Andonio? Willst du nicht mit zurück?“                
Er schüttelte den Kopf, hatte wieder nur Augen für die Herrin dieses Sees.

   
„Andonio! Im Dorf macht man sich Sorgen.“     
„Hat es denn bisher geschadet, dass er nicht bei euch ist?“, fragte die Frau. Andonio kam indes wieder so weit zu Verstand, dass er zumindest einen Lendenschurz überstreifte.   
„Nun …“             
„Dann lasst ihn doch noch ein wenig hier verweilen. Er kann euch sicher versichern, dass es ihm hier sehr gut geht.“
Andonio lächelte sie an und sagte, ohne uns dabei anzublicken: „Ja!“
Klaves zuckte mit den Achseln, während Suena fragte: „Wir sind auf der Suche nach dem Grab des Fürsten Agostin de Serenea. Kannst du uns etwas darüber sagen?“             
Die Herrin des Sees legte ihren Kopf schräg, hob ihre langen, glatten Beine an und betrachtete ihre Zehen. Neckisch meinte sie schließlich: „Ich könnte, ja! Aber es wäre doch langweilig, würde ich euch diese Information einfach so geben. Vorher müsst ihr einen Wettstreit gegen meinen Andonio gewinnen!“

Was zunächst nach einem harmlosen Zeitvertreib klang, entpuppte sich angesichts der ersten Aufgabe als nicht ungefährlich. Ein Wettrennen zwischen Andonio und einem von uns zur Spitze des Wächterfelsens stellte die erste Disziplin dar, um dort eine Blume zu pflücken. Ein schneller Weg durch das Erklettern der Steilwand war möglich, aber ohne sorgfältige Sicherung auch höchstwahrscheinlich tödlich – klüger wäre es, den längeren Weg außen herum zu nehmen. Nachdem wir uns abgesprochen hatten, übernahm ich die Aufgabe. Im Norden hatte ich einige Erfahrung mit unwegsamen Gebiet gemacht und es war davon auszugehen, dass nicht gerade ein gerader Pfad auf die Spitze führen würde.                
Die Herrin des Sees ließ einen Stein ins Wasser fallen und damit begann der Wettlauf. Rund eine Meile würden wir um den Berg herumlaufen müssen, ehe wir den Aufstieg beginnen konnten. Der Weg, zunächst sehr steinig, war bald eng überwuchert und immer wieder mussten Andonio und ich über Sträucher hinwegspringen oder unter Ästen hindurchtauchen, um die schnellste Strecke zu verfolgen. Ich setzte mich bald ab – vielleicht kein so ein Schönling wie Andonio, aber mir dafür auch nicht zu schade, mitten durch Dornensträucher hindurchzupreschen. Die widerstandsfähige Haut tat vielleicht auch ihr Übriges.       
Gerade hatte ich ein Viertel der Gesamtstrecke geschafft, Andonio hinter mir aus den Augen verloren – da spürte ich einen Ruck an meinem linken Knöchel, ein Ziehen im Bein und ich stürzte vornüber in den Dreck. Mit einem silberhellen Lachen war Andonio an mir vorbei. Ich war an einer Wurzel steckengeblieben und rappelte mich nun wieder auf und versuchte den Weg fortzusetzen. Sofort schoss ein brennender Schmerz durch meinen Knöchel. Mit zusammengebissenen Zähnen blieb mir nur, zu den anderen zurückzukehren. Ich erntete Blicke zwischen Verdutzen und Spott, als ich mich am Rande des Sees fallen ließ.          
„So schnell aufgegeben?“, fragte die Herrin des Sees.
„Ich könnte schwören, dass sich diese Wurzel bewegt hat, um mich aufzuhalten“, grummelte ich.
Sie sah mich nur unter ihren langen Wimpern an und sagte nichts. Wenig später kam Andonio zurück und brachte seiner Angebeteten die ersehnte Blume.

Sie zeigte sich uns gegenüber gönnerhaft und eröffnete die zweite Runde. Ein Wetttauchen solle stattfinden. Ein in den See gefallener Kelch müsse wiedergefunden und ihr gebracht werden. Der Schmerz in meinem Fuß ließ langsam nach, allerdings meinte Suena mit einem Augenzwinkern, dass sie für diese Fälle vorbereitet sei. Als keiner hinsah, machte sie eine seltsame Handbewegung. Dann begann das Wetttauchen.            
Von oberhalb des Wassers konnten wir die beiden bald nur noch schemenhaft und schließlich gar nicht mehr erkennen. Es ging tief hinunter. Es blieb eine Minute still. Zwei. Drei. Dann tauchte Andonio mit lautem Prusten auf, in seiner Hand ein golden schimmernder Pokal. Kein zehn Sekunden später folgte Suena. Sie schien kein bisschen außer Atem zu sein – war allerdings zu langsam gewesen. Aber ein erstaunlicher Trick, falls ich das richtig kombiniert hatte.        

Es lief also auf den letzten Wettkampf hinaus: „Bringt mir ein Kaninchen!“ Andonio lief sogleich los, in seiner Liebeseile vergaß er sogar, sich eine Waffe mitzunehmen. Kopfschüttelnd über seinen kopflosen Eifer, ließ ich mich von Zedd für diese Aufgabe segnen, um anschließend mit Pfeil und Bogen auf die Jagd zu gehen.  
Ich brauchte nicht lange, um einen Kaninchenbau zu finden und als ein Rammler sich herauswagte, erlegte ich ihn schnell und sauber. Zufrieden, endlich eine der vermaledeiten Prüfungen erledigt zu haben, kehrte ich zum See zurück. Gerade bekam ich noch mit, wie die Frau sich von Zedd wegbeugte, der über die Steine im Wasser auf sie zugekommen war. Ich hörte noch, wie er sagte: „So eine Schönheit will ich mir doch auch mal aus der Nähe ansehen“, aber sie wiegelte ihn ab, um mir die Aufmerksamkeit zuzuwenden. Triumphierend hob ich das tote Tier in die Luft. Ihr Gesicht gefror augenblicklich.                
„Wie kannst du es wagen, in dem Reich einer Nymphe ein Tier zu töten? Du Monster!“            
„Aber du hast doch gesagt, ich solle dir ein Kaninchen bringen!“            
„Bringen! Nicht töten, du ungehobelter Klotz. Geht mir aus den Augen!“         
Hitze stieg in mir auf. Ich hatte doch keinen Dämonenfürsten und Drachen gegenübergestanden, um mich von einer wässrigen Hexe vorführen zu lassen. Im Affekt beendete ich meinen Auftrag und schleuderte ihr das Kaninchen entgegen – und traf sie mitten im Gesicht. Das tote Tier rutschte an ihr herunter und hinterließ eine blutige Spur. Andonio, im Hintergrund mit leeren Händen zurückgekehrt, lief sofort zu ihr. Sie hatte jedoch vorerst keine Augen für ihn, sondern funkelte mich boshaft an. Ich spürte, wie mich ein geistiger Schlag traf. Sie versuchte mich zu verhexen, doch das hatten auch schon andere. Es prallte an mir ab.             
„Du Hexe!“, brüllte ich. „Bleib aus meinem Kopf.“         
„Ihr werdet uns jetzt sagen, was Ihr wisst“, sagte Mara und zog ihren Bihänder. „Ich bin diese Spielchen leid.“             
„Verschwindet von diesem Ort und kehrt nicht mehr zurück“, rief die Nymphe.            
„Erst wenn Ihr uns verraten habt, was Ihr wisst“, blieb Mara stur. Da versuchte die Hexe ein weiteres Mal in meine Gedanken einzudringen. Und weder ihr ansprechendes Äußeres noch ihre vermeintliche Tierliebe täuschten mich darüber was sie wirklich war: eine boshafte Zauberin.

Eines kam zum nächsten, ich zog ebenfalls meine Waffen, um mich gegen diese Aggressionen zu wappnen – und dafür gab es letztlich nur den Weg nach vorne. Mara und ich gingen auf die Nymphe zu, welche mit einem Wink den verhexten Andonio uns entgegensetzte, der sich eine Keule zur Hand nahm. Klaves schrie auf, stellte sich auf die Seite seines Freundes. Der Aufeinanderprall war kurz und heftig. Ich versuchte, Andonio nur zu entwaffnen, während Mara kein Erbarmen gegenüber Klaves zeigte. Nach dem ersten Streich sank er beinah halbtot zu Boden. Der Schrei der Nymphe gellte durch das Tal. „Lasst sie in Frieden, lasst mich in Frieden. Geht!“               
Und damit sprang sie nach hinten, zerfloss halb zu Wasser und verschwand im See.

Wir kümmerten uns um den verletzten Klaves, der bald wieder auf die Beine kam. Viele Worte wollte er jedoch nicht mehr mit uns wechseln, ebenso wenig Andonio. Der kam nun zumindest wieder zu Sinnen und beschloss, mit seinem Freund ins Dorf zurückzukehren. Der plötzliche Gewaltausbruch hinterließ ein mulmiges Gefühl bei mir, doch alle Schuld wollte ich mir nicht zuschreiben. Diese Wasserhexe hatte ein listiges Spiel mit uns Menschen getrieben.

Wir ließen das Seitental zurück und folgten weiter dem Flussverlauf des Isada in Richtung seiner Quelle. Die Schlucht verengte sich allmählich auf etwa hundert Meter und führte zu einer halb so hohen Felswand. Der Fluss bahnte sich unterhalb den Weg durch Stein und Geröll.      
„Das ist ein natürlicher Damm aus Felsen“, sagte Artos, als er die Wand erblickte. „Wahrscheinlich durch einen Felssturz entstanden.“   
„Du musst ein großer Naturkundler sein, um das festzustellen“, erwiderte Suena. Die vor Jahren, vielleicht Jahrhunderten, ineinander gestürzten Felsbrocken waren zu großen Teilen von Pflanzen überwuchert. Die vielen Steine und Trittbrette, die durch die Formation entstanden waren, ließen sich so noch leichter erklimmen. Wir bildeten eine Seilschaft und machten uns an den Aufstieg. Zedd schien in Gedanken jedoch noch bei der Dame vom See, sodass wir ihn als letzten nach oben ziehen mussten, anstatt selbst zu klettern. Lang anhaltende, augenwischerische Magie, sagte ich doch.

Oben angekommen wurden wir überrascht. Hier, am Quell des Isada in den Bergen, wo ein Felssturz das Grab des Fürsten Agostin de Serena verborgen haben soll – lag ein See. Und nichts als ein See. Die Berge um die etwa vierhundert Meter durchmessende Wasserfläche stiegen an, sodass sich eine Art Kessel bildete. Das südlichste Ufer war noch einigermaßen flach, während im Norden die Felsen unmittelbar stark anstiegen. Kein Zeichen eines Grabes oder auch nur des Weges zu einem Grab. Ratlos und angesichts der sinkenden Sonne schlugen wir ein Lager am Kiesstrand im Süden auf. Mara und Artos übernahmen die erste Wache, Suena und Zedd die zweite. Sie weckten mich zur dritten Wache und Zedd erklärte mir: „Gor, reg dich nicht auf, es ist nichts schlimmes passiert. Noch nicht. Aber wir haben gerade zwei Spinnen gesehen …“                
„Spinnen?“, fragte ich verdutzt.             
„Ja, etwas größere Stimmen. Da hinten in der Nähe des Ufers siehst du doch dieses große, dunkle Knäuel, oder?“    
Ich folgte seinem Fingerzeig und sah tatsächlich schemenhaft einen unförmigen Haufen. Einen ziemlich großen, unförmigen Haufen. Beinah zwei Meter.           
„Das ist eine der beiden, sie hat den … Akt wohl nicht überstanden. Aber die andere Gladiatorspinne könnte noch in der Nähe sein. Sag uns Bescheid, falls sie auf uns zukommt. Der Körper ist in etwa so groß wie der eines Menschen, dazu kommen entsprechend riesige Beine. Du kannst sie eigentlich selbst in der Dunkelheit nicht übersehen.“       
Mit diesen Worten ging er in sein Zelt, Suena in ihres und ich nahm meinen Langbogen zur Hand und setzte mich ans Lagerfeuer. Verrückter Priester.

Die zweite Gladiatorspinne ließ sich zum Glück nicht sehen. Allerdings schwirrten dutzende Mücken um den See herum und stachen wieder und wieder auf mich ein. Zunächst dachte ich, es wäre nur ein Ärgernis. Das übliche Jucken folgte. Doch bei Anbruch des Tages, zeigten meine Arme und Beine an den getroffenen Stellen tiefrote Flecken. Ein nervöses Zucken ging immer wieder durch meine Glieder, was mir jeden Handgriff erschwerte. Ich weckte die anderen, nur um mir kurz darauf zuckend den Kiefer zuzuschlagen.                
„Ich hab da ein – Problem.“      
Suena und Zedd sahen sich die Stiche an während Mara und Artos zu der toten Gladiatorspinne hinübergingen. Der Gnom werkelte an ihr herum, vielleicht an den Beißzangen. Aber er kam mit leeren Händen zurück. Zedd sah mich indes mitleidig an. „Das ist das vestralische Zuckfieber. Die Stechmücken dieser Umgebung übertragen es. Du wirst zwar alles machen können, aber durch die Zuckungen wird es etwas schwerer gehen.“   
„Und kann man da – etwas machen?“ Eine problemlose Aussprache wäre zumindest wünschenswert.
„Leider nicht, du wirst es aussitzen müssen. Es klingt in der Regel nach zwei bis drei Tagen wieder ab.“             
„Gut, dass wir – gerade beim Ziel – angekommen sind.“ Zedd ignorierte den beißenden Unterton, er konnte letztendlich ja auch nichts für mein Leiden.     
„Was machen wir nun?“, fragte Mara. „Es gibt hier nichts. Keine Spur von einem Grab, einem Sarg oder einer verfluchten Geisterschar.“
„Aber dort drüben sitzt etwas!“, rief Suena aus. Sie zeigte auf die andere Seite des Sees. Und tatsächlich, irgendwas hockte da am Ufer. Etwas kleines, was zu meiner Beruhigung beitrug.

Schnell bauten wir unser Lager ab und machten uns dann daran, den See zu umgehen. Das kleine Geschöpf blieb dort in aller Ruhe sitzen und als wir näherkamen, konnten wir es genauer erkennen: Es war ein kleiner Gnom. Wie Artos, nur etwas anders. Seine Haut hatte einen grünlichen Schimmer. Mit seinen Füßen, zwischen deren Zehen Schwimmhäute gespannt waren, hielt er lässig eine Angel, während er selbst auf dem Rücken lag und den Sonnenschein genoss. Als wir uns näherten, wackelten seine Ohren und er richtete sich auf, legte die Angel bei Seite und rief uns etwas zu.
„Das ist Gnomenon!“, rief Artos aus. „Oder zumindest ein Dialekt davon.“ Er antwortete seinem Artverwandten, der aufstand und neugierig auf uns zukam. Wir ließen den kleinen Gnom gewähren, während er zwischen uns entlangschritt, mit Artos in ihrer Sprache redete und verblüfft nach Kleidung oder auf Waffen zeigte. Mara hielt allerdings etwas Abstand. Sie schien nicht unbedingt den Kontakt mit dem Wesen zu suchen.     
Schließlich blieb der Gnom stehen, zeigte auf Artos‘ Kröte Sabados und führte seine Hand symbolisch zum Mund. Dann legte er fragend den Kopf schief. Artos‘ Augen weiteten sich und er hob abwehrend die Hände. Der andere Gnom zuckte die Achseln, sagte etwas und unser Begleiter übersetzte: „Er lädt uns in seine Höhle ein. Sie ist nicht weit von hier und dort kann er uns mehr erzählen. Vielleicht weiß er ja etwas.“           
Achselzuckend beschlossen wir, dem Gnom zu folgen. Mara blieb jedoch stehen. „Lasst doch eure Rucksäcke hier und ich passe auf alles auf. Behalte die Gegend im Auge. Gehe in keine dreckigen Höhlen.“   
Wiederum achselzuckend überließen wir Mara unser Gepäck und folgten dann unserem neuen ortskundigen Freund. Auf dass dieser nicht in Maras Schwert laufen würde.

„Wie heißt er eigentlich?“, fragte Zedd Artos. Der leitete die Frage weiter, runzelte ob der Antwort kurz die Stirn und teilte uns dann mit: „Arne.“  
Arne führte uns also in seine Behausung: eine Höhle am Rande des Sees, deren Eingang einige Meter vom Wasser entfernt in einer Mulde lag. So war sie insgesamt tiefer gelegen als der See selbst und die Feuchtigkeit machte sich bemerkbar. Der Boden war schlammig, teilweise standen Pfützen im Tunnel. Arne schien das nicht zu stören oder vielmehr schien er es zu mögen. Mit großer Freude patschte er mit seinen breiten Füßen ins Wasser und ging voran in eine Art Gemeinschaftsraum, der wahrscheinlich das Zentrum dieses kleinen Höhlensystems darstellte. Modrige Möbel und ganz grob behauener Stein boten Sitzmöglichkeiten, Regale, Tische und was man sonst so brauchte. Arnes Verwandtschaft aus einem Dutzend größerer, kleinerer, älterer und jüngerer Gnome begann bei seinem und unserem Eintreten ein wildes Gerede. Es klang, als würden Frösche unter Wasser quaken, mit nur vereinzelten Einsprengseln für uns gewöhnlich klingender Sprache. Selbst Artos wirkte im ersten Moment ratlos. Arne stellte den Eimer mit seinen Angelfängen auf einen Steinklotz in der Mitte der Höhle, fischte sich selbst daraus einen Aal und biss ihm den Kopf ab. Seine Verwandten warteten ab und der Gnom hielt sein Essen hoch in unsere Richtung. Fragend legte er den Kopf schief.           
„Die werden den Fisch wahrscheinlich ­­– nicht grillen, oder?“, fragte ich in die Runde.
„Es gibt hier keine Feuerstellen“, antwortete Suena. Nacheinander hoben wir vorsichtig abwehrend die Hände. Arne zuckte den Kopf, biss noch ein Stück vom Aal ab und warf es dann einem kleineren Gnom zu. Seine Familie ging nun an den Eimer und holte sich dort heraus, was unser neuer Vertrauter mitgebracht hatte. Ein paar kamen auf Artos zu und zeigten fragend auf die Kröte auf seiner Schulter. Er machte abwehrende Gesten und wurde dann auch in Ruhe gelassen. Ich ging in die Hocke und fragte Artos: „Meinst du die kennen – ein Heilmittel gegen das – Zuckfieber?“           
Er leitete die Frage weiter, woraufhin Arne heftig zu nicken begann und eine winkende Bewegung machte, während er auf einen Seitentunnel zuging. Der noch niedriger war, als die gesamte Höhle. „Ich glaube da passe – ich nicht durch.“     
„Ich gehe mal mit ihm“, sagte Artos und folgte dem anderen Gnom.

Wenig später überlagerte ein Gestank den zugegebenermaßen bereits anstrengenden Geruch der Gnomenhöhle. Artos und Arne kamen kurz darauf um die Ecke, letzterer hatte eine Schale in der Hand. Darin eine graue, zäh wirkende Flüssigkeit. Vielleicht auch eine Art Paste. Er kam auf mich zu, hielt die Schale in der einen Hand und machte mit der anderen reibende Bewegungen über seinen Nacken und das Gesicht.              
„Ich soll mir das auf – die Stiche auftragen?“, fragte ich Artos. Der nickte und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Suena und Zedd waren bereits auf Abstand gegangen.              
„Bei allen Dämonen, Drachen – Göttern und Geist–ern“, fluchte ich. Ich nahm die Schale und trug mir die Paste auf die Stiche am Hals und den Armen auf. Der Gestank nach verrottetem Tier stieg auf und drang mir in die Nase. Hörte nicht auf.

Das nächste, das ich bewusst wahrnahm, war Gras unter meinen Knien und wie ich vornübergebeugt darauf erbrach. Ich musste wohl aus der Höhle gestürmt sein. Der Gestank hielt an und ich sprang ohne zu zögern in den See und tauchte unter. Anschließend haftete der widerliche Geruch immer noch an mir. Aber zumindest um eine Nuance erträglicher. Und das Zucken war immer noch da. Verfluchte Gnome.    
Artos, Arne, Suena und Zedd kamen schließlich auch wieder aus der Höhle. Sie rümpften sichtlich die Nase, als sie in meine Nähe kamen, aber das mussten wir nun wohl oder übel ertragen.        
„Wir haben etwas interessantes in der Höhle gefunden“, teilte mir Artos mit. „Als ich mit Arne zu dem … Schamanen, oder etwas in der Art, gegangen bin, sah ich einen blauleuchtenden Edelstein in dessen Höhlenraum. Arne hat mir gesagt, dass er diesen Stein im See gefunden habe, bei einem großen Felsen mit vielen Löchern.“               
Fragend – und zuckend – blickte ich ihn an.      
„Nun, das scheint ein magischer Stein zu sein. Und da unten soll es wohl noch mehr geben.“ 
„Wir wollen in den See abtauchen“, sagte Zedd.            
„Wie lange könnt ihr euren Atem denn anhalten?“, fragte ich.               
„Irrelevant“, sagte Suena und grinste. „Ich beherrsche einen Zauber, der uns mit genug Luft versorgt, wenn wir unter Wasser sind.“   
Arne sagte etwas und klang dabei irgendwie traurig. Artos erklärte: „Er ist ein wenig traurig, dass wir nicht die Tinktur seiner Leute nutzen, um einen langen Atem zu halten.“          
„Das hätte einem wohl eher den Atem verschlagen“, sagte Mara, die zwischenzeitlich dazugekommen war. „Meine Güte, was stinkt denn hier … ach, Gor. Natürlich.“      
„Das sollte das Zuck–fieber heilen!“     
„Sicher.“             
„Bleiben wir beim Punkt: Im See gibt es vielleicht etwas Ungewöhnliches, das uns dabei hilft, das Rätsel rund um diese Geisterlegion zu lösen“, erinnerte Suena. „Arne hat ein kleines Boot und kann uns zunächst zur Mitte des Sees rudern. Ich sehe mir das ganze mal an, dann können wir uns überlegen, ob es Sinn macht, wenn wir alle hinabtauchen.“                
Dem Vorschlag hatte keiner etwas entgegenzusetzen, sodass wir es uns am Ufer bequem bei unserem Gepäck machten und Suena dabei zusahen, wie sie mit dem Gnom hinausruderte. Die anderen hielten etwas Abstand zu mir.

Etwa in der Mitte des Sees hielt Arne an und beide sprangen von Bord. Es verstrich nicht viel Zeit, dann tauchen sie wieder auf und ruderten hastig zu uns zurück. Suena eilte auf uns zu. „Das werdet ihr nicht glauben. Dort unten ist kein löchriger Fels. Das ist eine versunkene Festung!“              
„Eine ganze Festung?“, fragte Artos erstaunt. 
„Ja! Wir werden einige Zeit brauchen, um diese Ruine zu erkunden. Wir sollten uns entsprechend vorbereiten.“        
„Glaubst du denn, dass wir da unten etwas über diese Legion der Verdammten herausfinden können?“, fragte Zedd nach.                
„Wenn nicht dort, dann nirgends, wenn ich mir die steinige Einöde rund um den See ansehe.“             
Suenas und Arnes Entdeckung brachte uns wieder ins Spiel. Wir suchten eine abgelegene Stelle, wo wir die Sachen verstecken konnten, die wir nicht mitnehmen konnten oder die uns dort unten nichts bringen würden. Metallrüstung oder Waffen wie Streitäxte wären in der Tiefe ebenso wenig von Nutzen wie Fackeln. Auch von Fürst Sabados und Suenas Katze mussten wir vorerst Abschied nehmen. Ich für meinen Teil nahm neben einem Seil und einem Brecheisen noch einen Dolch mit. Die anderen beschränkten sich auch auf Waffen, die zum Stechen oder Aufspießen geeignet waren. Dann bedankten wir uns bei Arne und schwammen wir zur Mitte des Sees, oder ließen uns im Falle von Suena und Artos von Arne hinausrudern. Dort legte uns Suena nacheinander die Hand an die Stirn und sprach ihren Zauberspruch.              
„Atmet unter Wasser nur durch die Nase und haltet den Mund geschlossen. Vertraut mir, sonst wirkt der Zauber nicht.“                
„Wie lange hält diese Magie?“, fragte Zedd.     
„Etwa acht Stunden“, antwortete Suena zufrieden.     
Etwas skeptisch tauchte ich ab und sog Wasser durch die Nase ein. Ich erwartete, sogleich prustend wieder auftauchen zu müssen. Stattdessen war es, als atmete ich frische Bergluft ein. Verdutzt öffnete ich die Augen. Zedd und Artos wirkten ebenso erstaunt, Mara schien mit derlei Magie schon vertrauter. Und schon begannen wir den Tauchgang in die Tiefe. Das Licht der Sonne drang in den See, doch schon bald würde es schwächer werden. Der Grund war nicht auszumachen, nur schwarze Leere.

Zuerst sahen wir die abgeflachte Spitze eines Turms, dann entfaltete sich die weiteren Stockwerke der Ruine vor uns. Gebaut aus weißem Stein, nach Jahren der Überflutung von Muscheln und Algen überzogen. Wir konnten ausmachen, dass das Gebäude sich nach unten stetig verbreiterte, statt einem Turm mehr wie eine Zitadelle wirkte. Insgesamt mochten es vier oder fünf Stockwerke sein, nahm man das oberste hinzu, das weder Fenster noch erkennbare Zugänge hatte. Mit Gesten verständigten wir uns, in das nächsthöhere Stockwerk durch eine Türöffnung hinein zu schwimmen. Vor Jahren wäre diese noch über eine geschwungene Außentreppe zu erreichen gewesen. In dem Gang hatten sich die Seepflanzen ebenso breit gemacht, wie außerhalb. Abgeschirmt vom Tageslicht erkannten wir in der Düsternis kaum etwas und tasteten uns langsam vor. Rechterhand entdeckten wir eine Tür, die trotz des Wassers noch einigermaßen Bestand hatte. Auf Kopfhöhe war das Symbol eines Tintenfässchens ins Holz geschnitzt. Mara drückte die Tür auf und wir schwammen hinein.
In dem dreieckigen Räumchen befand sich ein Schreibtisch, der mittlerweile vollkommen mit Algen überzogen war. Von Pergamenten, die einmal gelegen haben mussten, hatte das Wasser nichts übrig gelassen. Durch ein Fenster konnte man hinaus in den trüben See blicken.          
Eine andere, schmucklose Tür hatte sich etwas verkeilt, ließ sich aber mit Gewalt seitens Mara und mir aber wieder aufstemmen. Der Raum war so verwüstet, dass sich nicht mehr erkennen ließ, wer hier gewohnt oder was er hier gemacht hatte.

Wir schwammen durch ein Fenster raus und glitten die Treppe entlang ein Stockwerk tiefer. Die Dunkelheit wurde von vereinzelten, bunten Pflanzen im Algenbewuchs durchbrochen. Hier entdeckten wir einen größeren Raum, der einmal als Bibliothek gedient haben musste. Die Ledereinbände der Bücher hatten die Zeit soweit überstanden, dass sich das erkennen ließ. Doch ihre Inhalte, ihre aufgeprägten Titel sogar, waren zerstört. Ich musste an die Bibliothek in Diatrava denken und fühlte – obwohl ich nicht lesen konnte – ein seltsames Gefühl des Verlusts angesichts dieses zerstörten Wissens.            
Eine weitere Tür stand offen, zeigte aber das Symbol eines gehörnten Tierschädels. Suena formte mit den Lippen überdeutlich ein Wort, sodass wir es erkennen konnten: Dämon. Ich zog den Dolch, als wir in den Raum hineintauchten. Doch was auch immer hier einst gewesen sein mochte, es hatte die Zeit nicht überdauert. In der Wand war sogar ein riesiges Loch zu erkennen, das jedoch durch Pflanzen an der Außenwand überwuchert war. Der Algenteppich leuchtete hier sogar, was Artos scheinbar neugierig machte. Er schwamm näher und stach mit seinem Speer mitten in den Bewuchs hinein. Das schien noch keine Herausforderung darzustellen – das Herausziehen jedoch schon. Seine Waffe klebte wohl fest und erst, als er sich mit aller Kraft an den Speer klammerte und kräftig mit den Beinen das Wasser wegstieß, konnte er ihn herausziehen.          
In einer Ecke des Raumes trieb eine eigentümliche Wurzel herum, die zu keiner der Pflanzen hier zu gehören schien und nicht wie normales Treibgut verfault war. Ich griff sie und reichte sie an Artos weiter – in der stillen Hoffnung, er würde sie nicht einfach in den Algenteppich werfen.        
Manchmal war ich einfach zu gutgläubig. Die Wurzel hing schneller in den Algen, als ich sehen konnte, was Zedd und Suena zu einer synchronen Bewegung der Hand zur Stirn veranlasste. Zedd schien die Wurzel erkannt zu haben und er machte eine Geste, als würde er ein Schloss aufschließen wollen. Dann zeigte er auf die Wurzel, die zwischen den Algen klebte. Eine magische Wurzel zum Schlosseröffnen? Eigentlich wunderte es mich nicht mehr.               
Es folgte ein wenig Schnittarbeit, bei der Zedd und Artos ihr verlorenes Gärtnertalent beweisen mussten und wahrscheinlich nur das Wasser den Priester vor unheiligen Flüchen bewahrte, dann war die Schlüsselwurzel frei. Artos nahm sie an sich – und behielt sie diesmal auch bei sich.            
Die Tür des letzten Raumes auf diesem Stockwerk trieb zerschmettert und aufgedunsen in einer Ecke herum. Auf dem größten Holzstück ließ sich noch das Symbol einer Sanduhr erkennen, ansonsten gab es in diesem Raum nur einige Spiegelscherben. Der zugehörige Rahmen war als zweiköpfige Schlange stilisiert.

Wir tauchten weiter ab. Das nächste Stockwerk schälte sich nur zaghaft aus der Finsternis – da schloss Zedd kurz die Augen, woraufhin sich das Wasser um ihn herum erhellte. Mit dieser neuen Lichtquelle suchten wir den nächsten Raum ab. Dereinst prachtvoll ausgestattet, zeigten sich an die Wand gehängte Tierfelle verrottet, Polstersessel aufgequollen und zerfallen und der Teppich mit Schlamm überzogen. Es gab einen Kamin auf dem eine Statuette stand. Vielleicht stellte sie einen Gott dar. Fragend blickten wir uns an, doch die allgemeine Skepsis überwog. Wir ließen die Statuette lieber da, wo sie es schon Jahrzehnte oder länger ausgehalten hatte.             
Die nächste Tür zeigte ein einladendes Sonnensymbol, dahinter befand sich ein Schlafzimmer. In den Fenstern waren tatsächlich noch unbeschadete, gläserne Scheiben. Von der Einrichtung war einzig noch das Himmelbett als solches zu erkennen, auch wenn der Stoff längst verrottet war. Darin lag jedoch ein Skelett. Die Knochen zeigten keine allzu offensichtlichen Verletzungen und wir beließen es, wo es war.             
Nahezu gegenüber lag ein Speisezimmer. Es gab sogar noch einiges Besteck, das jedoch entweder verrostet war. Um das Stockwerk vollständig zu erkunden, mussten wir einen schmalen Korridor entlang, in dem ein menschliches Skelett sowie die Knochen zweier längerer Fische lagen. Artos trieb voran, da schossen aus der Seitenwand des Korridors zwei lange, schleimige Aale hervor. Ihre Schuppen schimmerten in Zedds Licht wie die Körper von Schmeißfliegen. Und mit scharfen, kleinen Zähnen schnappten sie nach dem Gnom.          
Wir schwammen ihm nach und begannen den Kampf mit den Aalen. Oder wie auch immer man es nennen wollte, wenn man träge gegen den Wasserwiderstand ankämpfte. Wuchtige Hiebe konnte ich hier nicht anbringen, gezielte Stiche mit dem Zuckfieber in den Armen ebenso wenig. Es wurde ein langes und zähes Ringen, aus dem ich mich bald zurückzog, als ich feststellte, dass ich in dem engen Gang mehr Hindernis als Nutzen war. Zedd trieb bei mir und wir beobachteten, wie Mara, Suena und Artos mit Dolch und Speer auf die Aale einhacken wollten. Die Tiere zogen sich schließlich in die Löcher in der Wand zurück und wir konnten weiter. Der Korridor führte ironischerweise zu einer Außentreppe, die hinab zum nächsten Stockwerk führte. Ein heroischer Kampf verdiente eine herausragende Belohnung.

Glücklicherweise waren wir nicht auf die Treppe angewiesen. Die Überflutung hatte sie nicht gut überstanden, was möglicherweise auch an ihrer filigranen, die Schwerkraft geradezu herausfordernden Bauweise gelegen haben könnte. Sie führte in eine Art Innenhof, in dem zwei rötliche … Büsche breit gemacht hatten. Zumindest wirkten sie wie Pflanzen.                
Wieder war es Artos, der todesmutig voranschwamm – und dem aus den Büschen jeweils vier dünne, peitschenartige Fortsätze entgegengeschleudert wurden. Aus diesen Fäden stieben noch rote Wolken aus, die alles andere als gesund wirkten. Artos brachte sich mit ein paar kräftigen Schwimmzügen auf Abstand und wir machten einen großen Bogen, als wir zu ihm aufschlossen.

Vom Innenhof konnten wir in einen längeren Korridor hineinschwimmen. Gleich hinter der ersten Tür mit dem Symbol eines Kessels im Holz lag eine Küche ohne noch nennenswerte Überreste. Weiter den Gang entlang fiel uns rechterhand eine Tür auf, die sehr genau in die Wand eingepasst war und wohl auch farblich auf sie abgestimmt war. Doch von der einstigen Tarnung hatte das Wasser nichts übrig gelassen. Wir öffneten sie und sahen, dass es hier weiter nach unten ging. In einen Keller, soweit sich das bei der tiefen Schwärze ausmachen ließ. Jenseits von Zedds Lichtkugel erkannten wir kaum noch etwas. Wir mussten am Grund des Sees sein oder diesem ziemlich nahe.              
Mit Gesten verständigten wir uns, dass wir zunächst den Rest dieser Ebene absuchen wollten, deren Boden überall mit Schlamm, Schlick oder Sand bedeckt war. Wir fanden noch einen Raum, der vielleicht eine Art Garderobe war. Doch die Stofffetzen ließen kaum erahnen, was es für Kleidung gewesen war. Daran anschließend präsentierte uns eine Tür das Symbol eines Steins oder Diamanten. Zedd und Suena sahen sich wissend an. Ich tippte Suena mit dem Figner an die Schulter und zuckte demonstrativ die Achseln. Soweit das bei mir auffiel. Sie versuchte es wie beim Dämonen und formte mit den Lippen das Wort „weise“. Ein Weisenstein? Ich zuckte erneut, aber Suena winkte ab. Artos stieß die Tür auf, die dabei mit ihm nach innen trieb. Auch dieser Raum hatte ein beträchtliches Loch in der Außenwand, das mit leuchtenden Algen überwuchert war. Scherben und zerschmetterte Eisenstangen, Kessel und dergleichen ließen erahnen, dass dies einmal ein Laboratorium gewesen sein konnte. Aber hier schien die Verwüstung besonders getobt zu haben und es fand sich nichts von Wert für uns. Damit waren die Räumlichkeiten in diesem Stockwerk erledigt.

Wir nahmen uns die Zeit, einmal außen um das Gebäude herumzuschwimmen. Es handelte sich tatsächlich um das Erdgeschoss mit dem Innenhof und nun erahnten wir auch, dass der Grundriss dieser Festung fünfeckig war. Zusammen mit dem Symbol eines Dämons, der zweiköpfigen Schlange und nicht näher zu identifizierenden Wissenssammlungen ließ das ein gewisses Unwohlsein in mir aufkommen. Die anderen wirkten ebenso konzentriert und aufmerksam. Mit einem Grabmal für Agostin de Serenea hatte das hier nichts zu tun. Mit einem Gebäude, das einst die Seemeister errichtet hatten, schon eher.      
Nun war die Geheimtür dran – und das Kellergewölbe. In einer engen Spirale schwammen wir über abwechselnd weiß und schwarz gefärbte Steinstufen hinab in die Tiefe. Angesichts des Gebäudes über uns, der Finsternis jenseits von Zedds Licht und der allgegenwärtigen Wassermassen konnte durchaus Beklemmung aufkommen.

Dann kamen wir ganz unten an. Die Treppe führte zu einer schmalen Tür, die sich leicht aufstoßen ließ. Vor uns lag ein kleiner, wenn auch hoch ausgebauter, Vorraum, von dem sowohl linker als auch rechter Hand eine Tür schräg abging. Wenige Meter vor uns im Wasser war eine doppelflügelige Tür zu erkennen. Ein Symbol fand sich hier nur auf der Tür, die hinter uns lag: ein Berg.              
Wir suchten es zunächst links, dann rechts. Doch das Holz musste sich verkantet haben, als es aufgequollen war. Oder ein Zauber lag darauf. Egal mit wie viel Mann wir drückten, die Türen gaben nicht nach. So wandten wir uns der großen Pforte zu – die ebenso wenig mitspielte. Artos holte die Wurzel heraus, die er vor kurzem in die Algen geworfen hatte, und hielt sie an die Tür. Auch jetzt geschah nichts. Ratlos sahen wir einander an. Suena machte eine Art beschwichtigende Geste und schien sich einen Moment lang auf die Tür zu konzentrieren. Dann schwang sie uns entgegen.

Mit dem geballten Druck der Wassermassen wurden wir fortgespült. Bis hinter die Türen war der See nicht vorgedrungen und holte sich nun, was ihm bisher verwehrt blieb. Es schleuderte uns in einen Raum, in dem wir nicht einmal mehr Schemen erkennen. Auf dem Rücken einer wilden Sturzflut wurden wir nach oben geschleudert, Stock für Stockwerk im Turm nach oben. Durch das gesamte Gebäude war ein langer Schacht gezogen und wir trieben bis an die Spitze – ins oberste Stockwerk, das keine Fenster, keine Türen, keinen anderen Zugang hatte. Es gab einen lauten Knall, plötzlich flogen uns Steinbrocken um die Ohren. Orientierungslos schossen wir nach oben, kurz meinte ich die nahende und todbringende Decke zu sehen. Das Ende unserer Fahrt.            
Ich sah silberne Scheiben. Dann ein helles, weißes Licht.

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