Midgard 5 – Abenteuer

Ischkurs Streiter

Da stand ich nun in Uchana. Der Auftrag, den mir die Priester meiner fernen Heimat Urruti gegeben hatten, war erledigt und ich für einige Zeit freigestellt. Daher war es meine Absicht, durch Midgard zu ziehen und für Ischkur zu kämpfen.
So erschien es mir schnell als eine gute Möglichkeit, meinen Schutzherrn zu ehren, indem ich am „Fünfkampf“ teilnahm. Dieser, so berichteten mir etliche begeisterte Einheimische, war in der tegarischen Steppe ein berühmter Wettkampf und fand in zwei Tagen in Uchano statt – eine Tagesreise von Uchana entfernt.
Da es hier regelmäßig verkehrende Kutschen gab, nutzte ich diese bequeme Reisemöglichkeit und erreichte noch am Nachmittag Uchano. Es war ein kleines Dörfchen, welches von einer nahen Burg überragt wurde, die den Herrn dieses Landstrichs beherbergte.
Kaum angekommen, wurde ich auch bereits zur Wettkampfleitung geführt. Man klärte mich auf, dass es sich beim Fünfkampf um einen Wettbewerb mit mehreren Disziplinen handelte, welcher in zusammengelosten Teams durchgeführt wurde. Nachdem ich signalisiert hatte, dass ich teilnehmen wollte, überreichten sie mir ein solches Los. Darauf war ein kleines Kreuz zu sehen und ein Knappe führte mich zum Zeltlager, wo meine Lagerstätte für die Zeit des Wettbewerbs lag.
Dort traf ich auch prompt auf eine Frau, deren Aussehen – bedingt durch etliche Halsketten und Ohrringe aus Knochen – fast so exotisch erschien wie das meine hierzulande. Sie stellte sich mir als Leana aus Moravod vor und wir waren wohl im selben Team des Fünfkampfes.
Auf die Frage des Knappen, wie wir uns denn nennen wollten, ergriff ich direkt die Initiative: „Ischkurs Streiter!“
Begeisterung spiegelte sich nicht gerade in Leanas Gesicht wieder, aber tatsächliche Einwände erhob sie keine – weshalb die Sache erledigt war. Somit stand ich nun in der heiligen Pflicht, dieses Turnier zum siegreichen Abschluss zu bringen.
Anschließend verbrachten wir die übrige Zeit damit, uns im Zeltlager umzusehen und herauszufinden, wer unsere Kontrahenten werden würden.
Es stellte sich heraus, dass es drei Gruppen gab, welche als Favoriten galten – und deren „Zusammenlosung“ wohl unter einem günstigen Stern stand…
Die Barbaren waren eine Zusammenstellung waeländischer Krieger, die mit ihrer ungeheuren Körpergröße und Muskulatur Eindruck schindeten. Sie verbrachten ihre Zeit mit Gewichten. Ihnen nicht unähnlich waren die Unbezwingbaren, die jedoch etwas durchgemischter waren. Neben Krafttraining beschäftigten sie sich auch mit Hindernislauf. Zu guter Letzt gab es noch die Blender – deren Name allein nichts Gutes verhieß. Sie schienen Nichts zu tun zu haben und hockten im Zelt bei Bier und Frauen. Letztere liefen in einiger Zahl durch das Lager, aber nicht um am Turnier teilzunehmen, sondern einem unehrlichem Gewerbe nachzugehen, welches ihnen eines Tages die Seele rauben wird. Doch ich war nicht in der Lage, dass Schreckgespenst der Prostitution zu bannen, sodass ich mich vorerst damit abfinden musste, dass Uchano ein Sündenpfuhl sondergleichen war.
Neben den drei genannten und uns gab es noch sechs weitere Mannschaften, sodass wir insgesamt zehn verschiedene Teams waren, welche gegeneinander antraten.
Am nächsten Tag stieß ein weiterer Mann zu unserem Team. Er trug eine eng anliegende „Rüstung“ aus dickem Stoff (in meinen Augen allenfalls ein Schutz vor Kälte) und einen gelben Umhang. Er war sehr schmächtig und schien das Gegenteil eines Kämpfers zu sein – dennoch trug er eine verzierte Waffenscheide…die ein Kurzschwert beinhaltete. Uns stellte er sich als Davin vor, ein Mann aus dem südlich gelegenen Aran.
Nun holten wir uns Informationen, wie das Turnier denn genau gestaltet war. Der Fünfkampf gliederte sich demnach in Bogenschießen, Tauziehen, Staffellauf, Würfelspiel und Rätselraten. Dabei waren Bogenschießen und Würfelspiel Disziplinen in denen nur einer aus dem Team antrat während bei den Rätseln nacheinander der Kopf zerbrochen wurde. Das Besondere war, dass man beim Rätselspiel insgesamt neun Punkte gewinnen konnte, während ansonsten bei jeder Disziplin nur die Möglichkeit bestand, drei Zähler mitzunehmen.
Wir berieten uns und es stellte sich heraus, dass von den anderen keiner jemals einen Bogen in der Hand gehabt hatte, sodass mir diese Aufgabe zufiel. Beim Würfeln hingegen glänzten die Augen des schmächtigen Davins auf und es schien klar, dass er diese Aufgabe übernehmen würde.
Der nächste Tag kam und wir erwarteten gespannt, den Beginn des Wettkampfes – bei uns war dies erst am Nachmittag. Vorher flogen bereits drei Gruppen von eher unbekannten Jugendlichen aus der Umgebung aus dem Turnier.
Dann waren endlich wir gegen die „Unbezwingbaren“ dran. Zu Beginn nickten wir ihnen lediglich stumm zu, wir waren uns sicher, dass wir ihren Namen bald Lüge strafen würden.
Der Beginn verlief jedoch nicht optimal. Beim Bogenschießen verschoss ich gleich den ersten Pfeil, sodass die Unbezwingbaren mit Glück die ersten drei Punkte für sich verbuchen konnten.
Dann ging es über ins Tauziehen. Zutiefst skeptisch, begannen wir. Immerhin hatten wir einen besonders schmächtigen Mann und eine Frau in der Gruppe. Da hing viel an mir, das wurde mir bewusst. Doch meine athletischen Fertigkeiten sollten sich gegen die durchtrainierten Gegner bezahlt machen.
Mehrere Minuten hingen wir am Zweifel und gruben die Schuhe tief in den Schlamm ein und oft war die eine oder andere Mannschaft kurz vor dem Sieg. Doch jedes Mal ging es wieder zurück zur Mitte und unsere Kraft drohte uns zu verlassen. Die Arme drohten zu erlahmen, aber Ischkur schenkte uns noch einmal seine Unterstützung und wir zogen die Kontrahenten über die Linie.
Auch im Staffellauf gewannen wir, ebenso wie im Würfeln. So stand es zu Beginn des Rätselns 9 zu 3. Entschieden war Nichts, die Rätsel für Davin und Leana waren sogar so schwer, dass sie scheiterten. Die Unbezwingbaren schafften eines, nur noch 9 zu 6. Sollte ich scheitern und unsere Gegner die richtige Antwort finden, so wäre wieder alles offen. Ich spürte die Verantwortung, doch war ich sicher, dass ich mit Ischkurs Beistand die Lösung finden würde.
„Es ist ein wildes Tier
du putzt es am Morgen
es ist gelb und grün
doch siehst du es auch auf der Wiese stehen.“
Ischkur war mit mir, denn ein solch einfaches Rätsel konnte ich in zwei Sekunden lösen – es handelte sich um die Pflanze Löwenzahn.
Darüber hinaus scheiterten die Unbezwingbaren und waren somit vernichtend mit zwölf zu sechs geschlagen.
Nach einer kurzen Pause wurden uns die nächsten Gegner präsentiert: die Blender. Der Name allein verhieß bereits Betrügerei. Aber zunächst ließen wir es auf uns zukommen und diesmal traf ich zielsicher mit dem Pfeil ins Schwarze – die ersten drei Punkte.
Beim Tauziehen kam es dieses Mal jedoch zum Eklat. Kaum hatten wir begonnen, rutschte es allen Streitern Ischkurs aus der Hand. Die Blender lachten uns aus und forderten, dass wir unsere Niederlage eingestanden. Doch wir bestanden selbstverständlich auf einen Knappen, welcher das Seil wegbrachte, um es untersuchen zu lassen – die Disziplin wurde vorerst ausgesetzt.
Wir machten also mit dem Staffellauf weiter, doch dieses Mal inspizierte ich vorher die Strecke. Dabei stellte sich heraus, dass wohl jemand ein Hindernis angesägt hatte. Schnell wurde es repariert und wir konnten mit Leichtigkeit gewinnen, denn gleich der erste Läufer der Blender stolperte und fiel der Länge nach in den Dreck. Er hatte wohl noch zu viel Alkohol im Blut.
Im Rätselspiel gelang es dann auch Leana und mir zu punkten, sodass die Blender mit eingezogenem Schwanz von dannen zogen. Fiese Tricks und Betrügereien wurden von den Göttern nicht gerne gesehen und das bekamen diese Nichtsnutze direkt zu spüren.
Dann standen wir auch schon im Finale. Gegen die Barbaren, die letzte Favoritenmannschaft.
Doch beim Bogenschießen riss die Sehne meines Bogens. Ich äußerte Betrugsverdacht, doch der Knappe meinte, ich hätte schlicht Mist gebaut.
Es ging wieder zum Tauziehen über. Leana und ich riefen vorher höhere Kräfte an, unsere Körper zu stärken. Dass sie die hohen Götter über den Umweg der Tiere pries, minderte ihre Zauberkraft nicht im Geringsten – und gegen die Vielfalt der Verehrung des Göttlichen störte ich mich in dieser Situation auch kaum.
Wieder ging es lange hin und her, doch war es nicht ansatzweise so ausgeglichen wie gegen die Unbezwingbaren. Meist pendelte es zwischen der Mitte und unserer Niederlage hin und her. Etliche Minuten vergingen und die Muskeln in unseren Armen drohten zu explodieren. Mehrfach hob der schmächtige Davin leicht ab. Sein Einsatz spielte leider kaum eine Rolle in diesem Kräftemessen. Und dies gab wohl letzten Endes den Ausschlag – wir stürzten zu Boden und verloren damit noch einmal drei Punkte an unsere Kontrahenten aus dem hohen Norden.
Doch im Staffellauf gelang uns die Rückkehr in den Wettbewerb und mit drei zu sechs Punkten gingen wir ins Würfelspiel. Aber hier kam es zunächst zu einer hitzigen Diskussion – Davin hatte seine eigenen Würfel einschmuggeln wollen und war entdeckt worden. Doch er erklärte rasch und überzeugend, dass es sich dabei lediglich um eine persönliche Vorliebe handelte. Mit Betrug hatte das nichts zu tun!
Die Waeländer hatten ihn schon in Boden stampfen wollen, aber die geschickte Zunge des Araners beschwichtigte sie. Und er schlug sie!
Damit war alles wieder offen und es ging ins Rätselraten. Doch dieses Mal schien mich Ischkur stärker prüfen zu wollen.
„Es hat Hände, die nicht greifen,
Augen, die nicht sehen,
Zähne, die nicht beißen,
Füße, die nicht laufen.“
Ich scheiterte zu meiner Schande. Leana machte weiter und erhielt folgendes Rätsel.
„Nachts siehst du es am Himmel stehen,
doch kann man es auch in deinem Gesichte sehen,
mal mit i, mal mit e.“
Die Schamanin stand auf dem Schlauch. Mit aufeinandergepressten Lippen, zerfurchtem, angestrengtem Gesicht saß sie da und die Zeit verrann.
Auch ich musste überlegen, doch erhielt ich eine göttliche Eingebung. Ich schlug mir gegen die Stirn. Wiederholt. Es tat nach dem zehnten Mal echt weh. Aber es half!

Nach einem kurzen Moment kam Leana darauf: „Stirn und Stern!“
Doch die Barbaren waren bereits durch mit ihren drei Rätseln durch. Sie hatten zwei geschafft und nun musste Davin gewinnen, damit wir überhaupt noch ein Unentschieden erreichen konnten.
Er erhielt das wohl seltsamste Rätsel von allem, etwas von einem Hund und Wasser. Der Araner überlegte lange. Seine Fragen brachten ihn kaum weiter, er wusste nur sicher, dass es wirklich um ein Tier ging. Die Sandkörner rannen durch die Uhr. Ratlos sahen Leana und ich uns an. Nichts kam uns in den Sinn.
Dann rutschte das letzte Sandkorn durch die Engstelle und just in diesem Moment japste Davn: „Seehund!“ Richtig! Wir hatten unser Unentschieden und es kam zum Gruppenrätsel.
„Atemlos ohne Atemnot,
lebt es kalt wie der Tod,
trinkt obwohl es Durst nicht spürt,
hat einen Panzer, der nicht klirt.“
Gleichzeitig schoss es aus uns heraus: „Fisch!“ – die Barbaren machten in der Folge ihrem Namen alle Ehre und scheiterten!
Jubelnd sprangen wir auf. Direkt sandte ich ein Dankgebet an Ischkur, welcher uns den Sieg geschenkt hatte. Anschließend wurden wir zur Burg geleitet, wo unsere Belohnung wartete. Auf dem Weg dorthin fiel uns einmal mehr auf, wie überdimensioniert diese Wehranlage im Vergleich zu dem beschaulichen Dorf mit ein paar dutzend Häusern war.
Auch wurden wir informiert, dass es eine Goldmedaille als Belohnung gab sowie einen robenartigen Überwurf aus Seide, welcher für festliche Anlässe gedacht war. Man konnte sich die Medaille prägen lassen und ich verordnete, dass man in meinem Falle „Zu Ischkurs Ehren“ eingravieren sollte. Leana verzichtete darauf, Davin ließ seinen Namen und die weiteren Daten des siegreich abgeschlossenen Fünfkampfes hineinritzen.
Der Burgherr empfing uns direkt und sehr freundlich. Er hatte eine enorme Statur mit zwei Metern Größe und einigem Gewicht. Airimes war sein Name und er trug im Gesicht, ähnlich wie ich, eine wulstige, äußerst schlecht verheilte Narbe. Der Mann war äußerst redselig und fing einen äußerst langen Vortrag an, auf die Frage, warum die Burg so groß sei.
Die Festung Uchanos sei schon viel länger hier, als Außenposten, bevor sich Menschen in einem Dorf in der Nähe ansiedelten. Die Vorfahren des jetzigen Burgherrn hätten sich diese Burg vor einigen Generationen gesichert und über Raubzüge einen enormen Schatz angehäuft – Airimes drängte uns dazu, diesen zu betrachten. Auf meine Frage, ob diese Raubzüge gegen wehrhafte Barbaren oder gegen schutzlose Bauern geführt wurden, wiegelte der Mann schnell ab. Es seien natürlich nur unehrenhafte Banditen gewesen und außerdem habe er selbst niemals an solchen Aktionen teilgenommen.
Schließlich ließ der Burgherr es sich nicht nehmen, uns seinen riesigen Goldschatz zu präsentieren. Ich war jedoch froh, dass unsere Belohnung nicht aus diesem gewählt wurde – mit Diebesgut wollte ich Nichts zu tun haben. Stattdessen aßen wir zunächst köstlich zu Abend und Airimes eröffnete uns, dass diesen Abend alle unsere Kosten für Alkohol und Huren auf ihn gehen würden. Das war für mich persönlich belanglos, aber wir erhielten außerdem eine Urkunde, die man in Kalimar werde einlösen können. Dieser Ort läge etwa fünf bis sieben Tage von hier entfernt, der Burgherr schien sich da etwas unsicher zu sein. Für die Abreise am anschließenden Tag werden Pferde und ausreichend Proviant bereit stehen. In der entfernten Stadt schließlich erwartete uns die eigentliche Belohnung im „wütenden Ringer“.
Mit diesen Erläuterungen schloss sich der Abend in der Burg ab und es ging zurück ins Zeltlager, um dort zu feiern. Während ich mich zurückhielt und allenfalls in Gesprächen kundtat, dass es nicht nur unsere eigene Kraft sondern vor allem Ischkurs Beistand gewesen war, der den Sieg ermöglichte, ertränkte sich Davin beinahe selbst im Alkohol. Leana dagegen verschwand relativ rasch und, wenn ich mich nicht täuschte, sogar mit einer Frau in ihrem Zelt. Die Moraven oder die Schamanen (oder beide) hingen wohl äußerst interessanten Vorstellungen an…
Am nächsten Tag begann dann unsere Reise nach Kalimar, die versprochenen Pferde und Proviant warteten in der Tat auf uns. Davin wirkte „etwas“ verschlafen und über die Maßen misslaunig, während Leana etwas seltsam roch und auf Nachfrage nur breit grinste und etwas von „Kräutern“ nuschelte. Dass ich ausgerechnet mit solchen Menschen unterwegs war, erschien mir sehr seltsam, aber die Wege Ischkurs sind unergründlich.
Am ersten Tag ritten wir auf der Handelsstraße Richtung Osten, links von uns eine weite Grasebene, rechts eine steinig-hügelige Landschaft. Es geschah nichts weiter und auch die Nacht in der tegarischen Steppe war ruhig und gemütlich am Lagerfeuer zu verbringen.
Der nächste Tag führte uns weiter, gesegnet durch Arinnas Leuchten über unseren Köpfen. In der Ferne konnten wir links der Straße einen Wald erkennen, der jedoch nicht weiter interessant erschien. Abends kamen wir dann an eine Abzweigung von der eigentlichen Straße. Ein schmaler Pfad führte fort und dort konnte man ein Haus erkennen. Davin und Leana merkten an, dass man dort vielleicht eine Unterkunft finden könnte und so ritten wir dorthin.
Das Haus wirkte alt und wenig gepflegt, wenngleich nicht einsturzgefährdet. Einige Spuren vor der Tür ließen erahnen, dass hier dennoch jemand wohnte. Doch brannte kein Licht und ich plädierte dafür, unser Zelt aufzuschlagen und nicht einzudringen.
Doch die Neugierde meiner Begleiter war geweckt und sie öffneten die Tür und traten ein. Ich blieb währenddessen draußen und band die Pferde an. Dann hörte ich, wie Leana eine Zauberformel rief und nichts geschah. Kurz danach teilte sie uns mit, dass etwas ihre Magie blockiere. Kurz danach schoss ein Pfeil dicht an meinem Kopf vorbei und blieb bebend in der Außenwand des Hauses stecken.
„Geht weg! Das ist mein Haus! Einbrecher, verschwindet!“
Ich hob beschwichtigend meine Hände und sah mich um. Der Schütze hatte sich über die Büsche angeschlichen, die hier überall herumstanden.
„Wir wollen dir nichts tun! Wir sind einfache Wanderer, die Schutz für die Nacht suchten!“
„Verpisst euch! Das ist mein Diebesgut!“
Intelligent schien der Mann nicht zu sein. Und dann erhob er sich aus seiner Deckung, zog sein Schwert und stürmte auf mich zu. Damit war sein Schicksal besiegelt – Ischkurs Gerechtigkeit würde über den Sünder hereinbrechen. In einer fließenden Bewegung zückte ich meine Streitaxt, das Schild und entfesselte einen heiligen Zorn über den dreisten Angreifer.
Sobald er mich erreichte war auch Leana an meiner Seite. Gemeinsam begannen wir das hitzige Gefecht mit dem Dieb. Dieser war zwar schlecht ausgestattet, trug zerschlissene Kleidung und kämpfte nur mit einem kleinen Schwert. Doch das machte er mit überraschend guten Kampfkünsten wett. Wo die flinken Angriffe kamen, tat ich mir schwer, das Schild rechtzeitig hochzureißen und kassierte schnell einige Treffer.
Leana neben mir kämpfte äußerst verbissen und schien keineswegs die Rolle der schwachen Frau ausfüllen zu wollen. Doch ihre Hiebe hatten nicht die Wucht, die ich mit meiner Streitaxt erzielen konnte und es war wohl zweifelhaft, ob sie diese Waffe überhaupt hätte halten können.
Der Dieb entwickelte jedoch trotz seines Kurzschwertes eine ungeheure Durchschlagskraft und brachte mich bald an den Rand der Erschöpfung. Doch Ischkur wirkte durch mich, ich konnte niemals erlahmen! Mit seinem Namen auf den Lippen, ließ ich jeden Hieb heftiger auf ihn niedergehen und versank ganz in meiner Kampfeswut. Auch Leana schien sich hineinzusteigen, ihre Hiebe wurden kräftiger und etwas Tierhaftes schlich sich in ihren Gesichtsausdruck. Es wirkte wie eine Mischung aus Lust und Wahn.
Letzten Endes vermochte ich nicht mehr zu sagen, wer den entscheidenden Schlag landete, aber auf jeden Fall ging der Dieb zu Boden und wir erwachten aus der Versunkenheit des Kampfes, wo die Gedanken nur bis zum nächsten Schlag reichten. Leana begann den Mann zu verarzten, nachdem ich ihm Hände und Füße gefesselt hatte. Schließlich wollten wir ihn noch verhören. Vorerst wendete ich mich jedoch dem Haus zu, aus dem gerade Davin kam, die Arme voll mit einigen Waffen, die er dort gefunden hatte.
Erbost ging ich ihm entgegen und begann ihm darzulegen, wie unverantwortlich und asozial er sich verhalten habe. Zwar gelang es ihm, mich ein wenig zu beschwichtigen, da er sich sicher gewesen sei, wir würden ganz bestimmt keine Probleme haben. Allerdings ging ich im folgenden Rededuell, was sich vor allem um Kampftaktiken drehte, als Sieger hervor – womit ich die Rolle des Anführers ein Stück weit für mich festigen konnte. Bei solchen Chaoten musste ja schließlich einer mit kühlem Kopf und dem rechten Glauben das Sagen übernehmen.
Nach diesem Disput begannen wir mit dem Verhören des Diebes, der sich als sehr widerspenstig herausstellte. Zumindest den Namen Aldwin bekamen wir aus ihm heraus. Darüber hinaus sagte er uns nur, dass das Haus nicht gut für uns sei und wir uns fern halten sollten. Die Frage, warum er dann dort lebe, beantwortete er nur stark nebulös. Es ging in die Richtung, dass das Haus ihm (und nur ihm, das wurde er nicht müde zu betonen) „vertraute“.
Schließlich gaben wir es auf und schlugen die Zelte gegenüber dem Haus auf, Aldwin ließen wir beim Lagerfeuer liegen. Was während der Nacht geschah, berichtete mir Leana später, denn sie weckten mich nicht.
Davin hörte bei seiner Wache eine Stimme aus dem Haus.
„Gebt ihn mir!“
Immer wieder erklang die schaurige Stimme, die entfernt wie eine gequälte und verzweifelte, aber auch schreckliche und grausame Frau klang.
„Gebt ihn mir!“
Der Händler aus dem Süden weckte die Schamanin aus dem Norden, in der Hoffnung, sie kenne sich mit solchem Spuk aus. Aldwin rollte unruhig neben dem Lagerfeuer hin und her.
„Gebt ihn mir! Gebt ihn mir!“
Furchtlos, doch ein wenig irritiert, trat Leana vor das Haus. „Wen sollen wir dir geben? Wer bist du?“
„Aldwin! Gebt ihn mir!“ – die Stimme klang immer grausiger und ungeduldiger. Eine eisige Kälte ging vom Haus aus und das Lagerfeuer begann zu flackern. Davin und Leana berichteten mir am nächsten Morgen von den Schatten, die sich seltsam bewegt hatten, als würden sie leben und lauern…
„Warum sollen wir ihn dir geben?“ Es war wieder Leana, die sprach.
„Er gehört mir! Aldwin versprach mir seine Seele! GEBT IHN MIR!“
Dann gaben sich meine Mitreisendem der Stimme hin. Ich weiß nicht, ob sie verhext wurden oder ob sie aus freien Stücken so abscheulich handelten. Die beiden öffneten die Tür und schleiften den unruhigen Aldwin hinein. Als sie heraustraten, schlug die Pforte heftig hinter ihnen zu und ein wohliges Schaudern schien durch das Haus zu laufen.
Man weckte mich zu meiner Wache und berichtete mir. Das Geschehen beunruhigte mich und ich erwartete das Aufsteigen der Sonne. Denn lieber hatte ich das Licht Arinnas auf meiner Seite, wenn ich mit Ischkurs Zorn in mir in dieses Gebäude eindrang, um den Menschen zu retten, der sich aus unerklärlichen Gründen der Finsternis hingegeben hatte. Was auch immer er getan hatte, die Seele durfte ein Mensch nicht verlieren.
Wie sich herausstellte, ließ sich die Tür bei den Strahlen der ersten Sonne nicht öffnen. Stattdessen schlug ich ein Fenster ein und kletterte so hinein. Das Haus war äußerst unordentlich, doch das störte mich kaum. Schließlich hatte Davin ja bereits alles abgesucht. Mein Ziel war Aldwin und vielleicht dieses Monster, was hier lauerte – wenngleich ich kaum für einen Kampf mit einer solchen Bestie gewappnet war.
Der Dieb war jedoch verschwunden. Vom Haus verschluckt. Ich stieß ein kurzes Gebet aus und hoffte, dass der Mann sich vielleicht irgendwie retten würde. Ansonsten musste er den höchsten Preis zahlen, den man für den Pakt mit dunklen Mächten zahlen konnte.
Allerdings war mein Eindringen nicht ganz umsonst. Zufällig erspähte ich zwischen den Dielen ein Geheimversteck und barg zwei Schriftrollen, die ich nicht entziffern konnte. Ich brachte sie zu Leana, die anmerkte, es handele sich um Spruchrollen. Welche genau, vermochte sie jedoch auch nicht zu sagen.
Dann reisten wir weiter auf der großen Straße, Kalimar entgegen. Es schauderte uns bei dem Blick zurück zu dem Spukhaus. Vielleicht würde ich eines Tages zurückkommen, um es zu zerstören. Ischkur war in diesem Moment wohl äußerst enttäuscht, dass ich nicht derzeit mehr schaffte. In Gebeten bat ich um Verzeihung.
Der dritte Tag unserer Reise verging ereignislos, abgesehen von einem Feldweg, der uns jedoch nicht sonderlich interessant erschien, da er sich in der Steppe verlor.
Ab dem vierten Tag stieg der Weg an, das Land wurde hügeliger.
Am fünften Tag schließlich erreichten wir einen Fluss, über den sich eine Brücke spann. Davor zweigte ein Weg ab und führte zu einem Wald. Interessanter schien uns jedoch ein Gehöft auf der anderen Seite, wo einige Häuser inmitten von kleinen Kornfeldern standen. Daher wählten wir den Weg über die Brücke und ritten zu den Menschen dort. An diese Einsiedelei grenzte ein See, welcher verlockend im Abendlicht glitzerte.
Wir klopften bei einem Stall, wo wir die Pferde unterstellen konnten und wurden zum Haus gegenüber verwiesen, wo die Familie immer ein paar Betten für Reisende übrig hatte. Wir folgten dem Rat und trafen auf eine sehr freundliche, etwas ältere Dame. Diese bot uns direkt Zimmer und etwas Warmes zu Essen an. Es kostete nicht viel und wir waren froh, wieder bequem nächtigen zu können.
Als wir nach dem Spukhaus fragten, berichtete die Frau, dass dort wohl einst eine schwarze Hexe gelebt habe. Man habe sie ihm Fluss ertränkt, seitdem suche sie das Haus heim. Sie riet uns, es nicht zu betreten und wir verschwiegen an der Stelle, dass wir bereits eingedrungen waren…
Ansonsten empfahl sie uns, ein Bad im See zu nehmen. Das sei äußerst erfrischend. Wir nickten und zumindest ich beschloss für mich, das auch am nächsten Tag zu tun. Vorher gingen wir jedoch schlafen und genossen die Nacht im sicheren Haus.
Der nächste Tag begann mit einem leckeren Frühstück und einem Bad im See, welches äußerst erholsam war. Ich schwamm sehr weit in den See hinein, um zum einen meine Schwimmfähigkeiten nach einiger Pause wieder aufzupolieren und zum anderen, da bald Leana auftauchte und ich sie nicht beschämen wollte. Wobei ihr das wohl herzlich wenig ausgemacht hätte…
Anschließend packten wir unsere Sachen und machten uns wieder auf die Reise. Der Tag verging ereignislos und wir schlugen das Nachtlager auf. Doch Leana und ich waren so energiegeladen, dass wir die ganze Nacht aufblieben. Das Wasser dieses Sees barg eine mysteriöse Kraft und wir wunderten uns nicht, dass sich dort ein paar Menschen angesiedelt hatten.
Der nächste Tag verging ohne weiteres, abends waren wir dann auch wieder alle müde. Am achten Tag schließlich erreichten wir gegen Vormittag Kalimar. Zuerst erspähten wir drei Türme, die Straße entlang. Ohne die Urkunde aus Uchano wären wir nicht vorbeigelassen worden. Man schien hier wohl ganz schöne Probleme mit unredlichen Gestalten zu haben.
Kalimar an sich war nicht so groß wie erwartet, etwa fünfzehn bis zwanzig Häuser standen hier. Da war das Gasthaus „Zum Wütenden Ringer“ schnell ausfindig gemacht. Im Stall konnten wir die Pferde unterbringen, dann traten wir ein.
Hinter dem Tresen stand ein Zwerg, der sich uns rasch als Gortag vorstellte. Kaum hatte er uns Essen und Trinken aufgeschwätzt wies er schon auf die Waffen hin, die hinter ihm an der Wand hing. Minutenlang berichtete er über die Kunstfertigkeit, mit der sie gemacht waren und wie toll sein Freund sei, der diese geschmiedet hatte. Uns blieb nicht viel, als das über uns ergehen zu lassen, denn es war unmöglich, vorher von ihm angehört zu werden.
Schließlich übergab er uns dann die Belohnung, als Leana mit der Urkunde vor seinem Gesicht herumfuchtelte. Es handelte sich um zwanzig Goldstücke, die Davin stutzen ließen, aber auch um einen Heiltrank. Solche waren äußerst wertvoll und wir bedankten uns.
Anschließend eröffnete der Zwerg ein Wettessen. Solcher Völlerei wollte ich mich nicht hingeben, doch der Araner schien irdischen Exzessen niemals abgeneigt und setzte sich sogleich an den Tisch. Allerdings machte er sich rasch unbeliebt, als er versuchte, etwas von seiner Portion auf den Boden fallen zu lassen.
Was dann folgte, schien hier so häufig zu sein, dass sich der Name des Gasthauses erklärte. Innerhalb weniger Sekunden waren mehrere Tische umgeworfen, mit der Platte einen Kreis bildend. Inmitten dieses Rings stand Gortag mit dem etwas verwirrt dreinblickenden Davin.
„Du Betrüger! Dafür kriegst du jetzt ordentlich aufs Maul!“
Und die Schlägerei endete so schnell, wie sie begann. Davin unterlief den ersten Hieb des Zwerges und setzte einen Hieb an die Milz seines Kontrahenten. Ächzend ging der auf die Knie und klopfte zum Zeichen seiner Niederlage auf den Boden. Der Händler schien nicht viel Kraft zu haben, machte das aber mit einiger Geschicklichkeit wett. Das brachte ihm einigen Respekt meinerseits ein, doch Gortag fand diese Aktion nicht sonderlich witzig. Er plädierte darauf, dass der Araner irgendein Hexenwerk eingesetzt habe und verweigerte ihm den weiteren Aufenthalt in diesem Haus.
Um den Zwerg zu beschwichtigen, stieg ich nun in den Ring. Doch auch dieser Kampf war schnell vorbei, dieses Mal hatte Gortag das nötige Glück und verpasste mir einen unbequemen Treffer an den Hals, der mich einknicken ließ.
Der Triumph beflügelte den Zwerg und er meinte, er habe größten Respekt vor mir, da ich ein ehrlicher Kämpfer sei. Die Wahrheit war wohl eher, dass wir hier einen der schlechtesten Verlierer Midgards vor uns hatten. Aber zumindest durfte Davin nun wieder einkehren und er setzte sich sogleich an den Tresen und bestellte ein Bier nach dem anderen.
Leana und ich beschlossen, die Zeit sinnvoller zu nutzen und schlenderten durch Kalimar. Der Weg führte uns zuerst zum Marktplatz, wo unterschiedliche Besorgungen gemacht wurden. Unter anderem marschierte die Schamanin schnurstracks zu einem Alchimisten, um ihre Auswahl an „Kräutern“ zu erweitern. Anschließend ließen wir bei einem Magiekundigen für ein wenig Gold die Schriftrollen identifizieren. Bei ihnen handelte es sich um Sprüche, die vor allem für Leana interessant waren, sodass ich sie ihr überließ.
Während wir auf dieses Ergebnis warteten hatten wir noch Gelegenheit, dem Marktschreier zuzuhören. Der berichtete von verschiedenen Tätigkeiten, die man hier erledigen könnte. Das Angebot reichte vom Küchengehilfen über die Aushilfe bei der Stadtwache im Falle eines Diebes bis hin zur Monsterjagd.
Wir beschlossen, uns zunächst im Falle des Diebes weitere Informationen einzuholen, stellten aber rasch fest, dass der Herold wohl nicht auf dem neuesten Stand war. Man hatte den Übeltäter bereits gefasst. Somit beschlossen wir, den nächsten Tag zu nutzen, um uns über die „Bestie“ zu informieren, welche Kalimar heimsuche.
Zurück im Gasthaus erlebten wir ein Würfelspiel zwischen Gortag und Davin mit, bei dem es der Araner schaffte, die Kosten für die zehn Bier, die er getrunken hatte, reinzuholen. Nach dieser „Glanztat“ gingen wir alle zu Bett.
Den nächsten Morgen suchten wir die Kaserne auf, um den Verantwortlichen Sergeant für die „Bestie“ zu finden. Wir wurden jedoch auf den Nachmittag vertröstet, denn erst im Biergarten wolle sich Josch Graubart, so der Name des Mannes, mit Fremden unterhalten. Kaum hatte Davin von diesem Versammlungsort alkoholkranker Menschen gehört, stürmte er dorthin und verbrachte viel Zeit dort.
Später gingen dann auch Leana und ich dorthin und setzten uns zu dem Sergeant. Der bereits gut angetrunkene Davin hockte sich zu uns und wir begannen eine Unterhaltung mit dem Anführer der hiesigen Wachen. Rasch stellten wir fest, dass der jedoch nur sprach, wenn er ein Bier in der Hand hatte. Und da er nach jedem Satz seinen Humpen leerte, bestellte ich schließlich entnervt ein Fass an den Tisch, wo er sich abfüllen konnte, was er wollte.
Die „Bestie“ war noch nicht gesichtet worden, allerdings hatte dieses etwas in den letzten Wochen dutzende Ponys getötet und einige Menschen waren verschwunden, zuletzt einige Bengel aus Kalimar. Dementsprechend war eine enorme Belohnung ausgesetzt. Allein die Stadtverwaltung würde 1200 Gold zahlen, dazu kamen die Ponyzüchter, Farmer und Händler, welche ebenfalls bereit waren, viel zu zahlen.
Bevor der Mann dann auf Grund eines Übermaßes an Bier wegnickte, nuschelte er noch etwas vom „Strahlenden Harald“, einer Kneipe in der sich einige Jäger versammelt hätten, die ebenfalls die Bestie erlegen wollten.
Wir machten uns daher auf den Weg dorthin, der Bedienung wenig Gold in die Hand drückend, weil sie selbst den Überblick verloren hatte, wie viel Davin und Josch getrunken hatten.
Die Nachforschungen im Strahlenden Harald gestalteten sich weniger einfach als erwartet, da die Kämpfer und Jäger mit Informationen geizten. Dennoch konnten wir letzten Endes dank Davins Überredungskünsten und ein wenig Gold herauskriegen, dass es Sichtungen mehrerer auffälliger Tiere gab. So seien hier übergroße Schwarzbären, hausgroße Spinnen oder kaum definierbare Wesen im Schatten unterwegs. Letzten Endes erhielten wir den Namen Jens Lebegut und setzten uns mit diesem auseinander.
Der Jäger berichtete von einer verlassenen Farm im Südwesten, die hinter der „verfluchten Ebene“ (eher eine Schlucht, wie sich später herausstellte) lag. Er selbst habe dort wenig mehr, als seltsame Spuren und ein undefinierbares Wesen im Augenwinkel gesehen.
Das erschien uns zunächst erfolgsversprechend genug und wir machten uns auf den Weg zu dieser Farm.
Die meiste Zeit konnten wir einem Pfad folgen, bis wir plötzlich auf einen Bären trafen, welcher die Straße blockierte. Davin begann mit ausgebreiteten Armen und „gruselige“ Geräusche ausstoßend auf das Tier zuzulaufen, welches ein wenig zurückwich. Leana und ich liefen dann in einem Abstand um den Braunbären herum, der sich schließlich aus dem Staub machte, sodass Davin uns folgen konnte.
Das Nachtlager schlugen wir in der Schlucht auf, welche als „verflucht“ galt. Uns schien sie wenig mehr als lediglich etwas verlassen und trostlos.
Die folgende Nacht bewies uns das Gegenteil. Es war während Leanas Wache, als sich eine Rinderhorde näherte, die in Stampede verfallen war. Der Schamanin gelang es mit Leichtigkeit, sich an den Rand der Schlucht zurückzuziehen und somit in Sicherheit zu gelangen, doch Davin und ich schafften es nicht rechtzeitig und wurden noch im Zelt von mehreren Tieren überrannt.
Wir erlitten zwar keine ernsthaften Verletzungen, dafür waren unsere Unterkünfte zerstört und die nächsten Tage mussten wir alle in Leanas Zelt schlafen.
Am nächsten Mittag erreichten wir die besagte Farm, oder zumindest konnten wir sie aus der Ferne bewundern. Einige Soldaten, angeführt von „Unteroffizier“ Dubrum, schienen hier militärische Übungen mit magischer Unterstützung abzuhalten. Schnell zerstreute er unsere Bedenken, hier spuke es, und empfahl uns lieber zum letzten Ort eines Überfalls zu gehen.
Etwas irritiert über die seltsamen Aktionen der Tegaren bei der Farm, stapften wir los. Es war bereits Abend, als wir die Ponyherde mit ihren drei Bewachern erreichten. Diese hatten uns wenig zu erzählen. Die ursprüngliche Herde war wohl angegriffen worden, woraufhin sich die Tiere in alle Himmelsrichtungen verteilt hatten. Der Haufen vor unseren Augen war wieder zusammengetrieben worden und stand nun unter dem Schutz der Wache Kalimars.
Wir wollten gerade schlafen gehen, da begann Davin fiebrig nach Alkohol zu fragen. Ein mehrfaches Nein der Männer akzeptierte er nicht. Schweiß lief über sein Gesicht und er begann zu zittern, wenngleich er direkt neben dem Lagerfeuer saß.
„Es tut mir Leid, wir dürfen während dem Dienst keinen Alkohol trinken. Anordnung unseres Hauptmanns Josch Graubart.“
Als der Mann fertig gesprochen hatte, erntete ein derbes Lachen unsererseits. Entweder war der Mann nicht sonderlich hell oder er nahm das doppelte Maß seines Anführers hin.
Doch Davins Lachen verging bereits wieder. Die Augen waren weit aufgerissen, das Haar klebte bereits nass geschwitzt an seinem Schädel. Der Mund war halb geöffnet, die Lippen bebten. Seine Zähne klapperten und nur noch sehr undeutlich wisperte er: „Alkohol!“.
Dann kippte er nach hinten um und begann laut zu schnarchen.
Am nächsten Tag begannen wir mit der Verfolgung einiger Spuren in südlicher Richtung. Das war eine ermüdende Tätigkeit und bald stellten wir fest, dass wir nicht ganz richtig waren. Es folgte eine Irrwanderung ohne rechtes Ziel durch die Umgebung, bis wir letzten Endes mehr durch Glück als durch Können auf die Leiche eines Ponys stießen, welches bereits vor mehreren Tagen erlegt wurde. Wir folgten der Blutspur, bis wir auf eine Lichtung stießen, in deren Mitte einige Eingeweide lagen. Vorsichtig traten wir näher, doch plötzlich schoss uns ein gewaltiger Insektenschwarm entgegen. Leana und ich konnten rechtzeitig weghechten, doch Davin fehlte wohl der Alkohol, um sich schnell bewegen zu können.
Doch die Blutsauger verzogen sich so schnell, wie sie gekommen waren. Dafür stürmten aus den umliegenden Büschen ungefähr ein dutzend Riesenratten. Sofort stellten wir uns Rücken an Rücken und zogen die Waffen.
Diese ekelhaften, hundegroßen Biester kreisten uns ein und versuchten mit ihren langen Zähnen durch unsere Verteidigung zu dringen und die Beine aufzuschlitzen. Wer jetzt stürzte, würde direkt von diesen Abnormitäten begraben werden.
Aber noch standen wir entschlossen und sogar Davin schien seine phlegmatische Phase überwunden zu haben. Vielleicht wusste er, dass er im Zweifelsfalle keinen Schluck Bier mehr trinken könnte. Zumindest war diese Erkenntnis wohl die einzige Erklärung, dass er plötzlich mit einem starken Hieb den Kopf einer Ratte spaltete.
Beflügelt von diesem ersten Sieg, brüllte ich laut „Ischkur“ und fegte kurz nacheinander zwei Ratten durch die Luft. Die Streitaxt schien zu singen, als das Blut sie traf und sie Knochen und Fleisch zerfetzen konnte.
Aber auch Leana mit ihrem Kurzschwert ließ sich nicht lumpen. In der Tat reichte sogar ihr ein einziger Schlag, um eine dieser Kreaturen zu töten. Wobei „tot“ fast schon untertrieben schien, wie sie das Vieh zerteilte!
Meine anfängliche Skepsis gegenüber dem Kampf in Unterzahl wandelte sich in ein Gefühl der Sicherheit. Ischkur leitete unsere Arme und würde uns zum Sieg führen!
Kurz darauf versenkte Davin wieder seine Klinge im Nacken einer Ratte, welche winselnd niederging. Doch direkt danach sprangen ihn zwei Ratten an und er konnte nur mit großer Mühe ihren Zähnen entgehen. Schweiß lief ihm über den Körper und ich war sicher, dass es dieses mal nicht nur am Alkoholentzug lag.
Noch einmal rief ich meinen Kriegsgott an und bat um seine Führung. Just in diesem Moment erwischte ich eine Ratte mit der Axt, welche wohl zu versessen darauf gewesen war, mir ein Stück aus dem Knie zu beißen. Ihr Kopf segelte leblos davon.
Leana nahm sich an meiner Glaubensfestigkeit ein Vorbild und rief ihren Wolfsgeist an, welcher nichts anderes war, als eine andere Form Ischkurs. So war auch zu erklären, dass ihr nächster Streich von Erfolg gekrönt war und das Blut der Ratte den Boden nässte.
Davin schien jetzt richtig in Rage zu geraten, wenngleich er sich seltsam still verhielt – nur ab und zu ein Keuchen und Stöhnen ausstoßend, dessen wahrer Grund wohl nur war, dass er gerade keinen Schluck Schnaps genießen konnte. Mit einer geschickten Abfolge mehrerer Hiebe zerlegte er fachgerecht gleich zwei Ratten.
Das letzte, verbliebene Scheusal sah uns winselnd an. Dann folgte der Hieb Leanas direkt zwischen die Augen und erledigte das Vieh.
Nach diesem – doch sehr anstrengenden – Kampf, brachten wir einige Meter zwischen uns und diesem blutgetränktem Boden. Wir wollten dort gerade ein Lager aufschlagen, als ein Skorpion von der Größe einer Katze an uns vorbeihuschte. Allerdings schien das Tier nicht wirklich an einer Auseinandersetzung interessiert und verzog sich schnell wieder, sodass wir eine ungestörte Nacht verbringen konnten.
Am nächsten Tag mussten wir leider feststellen, dass uns die bisherigen Spuren kaum weitergeholfen hatten, sodass wir beschlossen, zurück zu der Ponyherde zu gehen und uns nochmal mit den Wachen dort zu unterhalten.
Dort erhielten wir den Hinweis, dass wir noch einmal in der „verfluchten Ebene“ suchen sollten. Da wir mittlerweile feststellten, dass die Spurensuche nicht gerade unser Metier war, folgten wir dem Rat und stapften los.
Ich dachte bereits ans Aufgeben, denn wir irrten nun schon einige Tage ohne irgendein Ergebnis durch die Pampa, da entdeckte Davin die Spuren eines Tieres und Leana konnte feststellen, dass es sich um einen Tiger handelte. Diesen folgten wir bis zu einem Höhleneingang. Dieser war so dicht mit Farn behangen, dass klar war, warum wir ihn nicht bei unserer ersten Durchreise bemerkt hatten.
Wir schlugen die Pflanze bei Seite und traten, einer nach dem anderen, ein. Aber wir waren kaum einige Meter gelaufen, da rutschten wir allesamt aus und schlitterten mehrere Meter hinab. Die Verletzungen waren vergleichsweise heftig, vor allem, da wir bald mit einem Kampf rechneten. Doch Leana zeichnete sich als äußerst kompetente Ärztin aus und versorgte uns.
Währenddessen blickte ich mich in der Höhle um. Wir waren einen steilen und glitschigen Abhang heruntergerutscht. Der Raum um uns war relativ klein, in der Mitte befand sich ein Becken. Der Teich war mit so vielen Pflanzen überwuchert, dass es kränklich wirkte. Darin steckte eine Standarte, welche wir auf dem Rückweg mitnehmen wollten.
Nach links und rechts gingen Tunnel ab, welche wir zu erforschen begannen. Insgesamt fanden wir einen Raum mit äußerst viel Unrat, in dem sich aber auch nichts Wertvolles oder Praktisches finden ließ. Ansonsten entdeckten wir ein seit mehreren Tagen totes Pony.
In einem anderen Raum lagen ein dutzend Skelette herum, sowohl von Menschen als auch von Tieren, unter denen eine Leiche besonders herausstach. Diese war noch nicht so lange tot und hatte einen Fetzen des Banners bei sich, das zu der Standarte im Teich gehörte. Außerdem einen Dolch und eine verrottete Lederrüstung. Ich beschloss, ihm hinterher eine ordentliche Beerdigung zukommen zu lassen, doch vorerst musste die Bestie gestellt werden.
Davin ließ es sich jedoch nicht nehmen, die Verstorbenen zu plündern. Missbilligend stand ich daneben. Vielleicht fand man etwas, um die Toten zu identifizieren, sodass man die Verwandten informieren konnte. Aber der Händler handelte wohl aus einer gänzlich anderen Motivation. Dennoch fand er etwas, dessen Nutzen ich nicht abstreiten konnte: eine Halskette, auf der etwas von der Magiergilde in Mischram geschrieben stand.
Im letzten Raum, der sich uns offenbarte erwartete uns ein großer, nahezu tot aussehender Mann. Seine Haut war gräulich und eingefallen, die Augen lagen tief in den Höhlen. Langes, weißes Haar hing ihm ungepflegt über den Schultern. Er wirkte ausgehungert und in seiner ganzen Art sich zu bewegen von einer Schwäche befallen, dass man das Gefühl bekam, er müsse hier schon Jahre zugebracht haben!
Zunächst gab es keinerlei Reaktion auf unser Erscheinen, doch als wir ihn ansprachen und nach seinem Namen fragten, rührte er sich.
„Mein Name ist Argon Drachentöter. Flieht von hier, sonst wird euch die Bestie so einsperren wie mich.“
Der erste Reflex unsererseits war zu fragen, warum er sich denn Drachentöter nenne. Argon behauptete daraufhin felsenfest, einen der Geschuppten getötet zu haben. Anschließend sei er hier geschwächt liegen geblieben und wegen der Bestie nie wieder zu Kräften gekommen.
Ich behauptete nie von mir, Menschen gut einschätzen zu können, doch ich hatte das Gefühl, dass zumindest Argon selbst von seiner Geschichte überzeugt war. Und es konnte keiner abstreiten, dass er hier schon länger verharrte.
„Von welcher Bestie redet Ihr?“
„Habt ihr sie nicht gesehen? Eine riesige Gestalt, die durch die Höhlen lauert und mich immer wieder zurückgetrieben hat, als ich mich befreien wollte. Als ich noch Kraft dazu hatte.“
Kurz danach schilderte er verschiedene Eindrücke, die denen der Menschen aus Kalimar sehr ähnlich waren. Wir schienen hier wohl richtig zu sein, doch uns war die Bestie nicht erschienen!
Kurz danach wechselte der Mann das Thema. Er holte eine Flasche hervor, welche mit waberndem Nebel gefüllt zu sein schien.
„Dies ist die Flasche des Mephistopheles. Die darin enthaltene Macht lässt drei Wünsche des Besitzers in Erfüllung gehen. Ich werde sie euch für nur fünf Silberstücke überlassen!“
Natürlich war unsere Skepsis direkt geweckt.
„Wo ist der Haken?“
Argon schwieg. Stattdessen wiederholte er: „Fünf Silberstücke. Für drei Wünsche! Greift zu oder ihr werdet es ewig bereuen!“
Das wiederholte der Drachentöter wie ein Mantra immer wieder, während wir drei Überlegungen anstellten. Leana war äußerst misstrauisch und ich wäre sogar so weit gegangen, dass man diese Flasche zerstören musste. Es schien einem nahezu ins Auge zu springen, dass hier dunkle Mächte am Wirken waren. Doch ich hatte keine Beweise und auch wollte ich einen alten Greis nicht bedrängen.
Davin dagegen schien nach einigen Überlegungen bereit, das Risiko einzugehen. Er gab dem Mann die lächerliche Summe und nahm die Flasche ganz vorsichtig entgegen. Ihn traf zumindest nicht direkt der Blitz, doch bei Gelegenheit würde ich ihn darauf hinweisen, dass wir diese Hexerei zerstören sollten.
Nun beschlossen wir, die Höhle erst einmal zu verlassen. Dabei wollten wir Argon mitnehmen und die Leiche des einstigen Standartenträgers, um wenigstens ihm ein würdiges Begräbnis zukommen zu lassen.
Das gelang uns auch recht gut, ich schaffte es, die glitschige Stelle zu überwinden und meine Freunde mittels Seil nach oben zu bringen; sogar der alte Greis schaffte es. Bevor wir dann den Namenlosen beerdigten, gingen wir noch einmal zurück in die Höhle. Die Bestie musste irgendwo sein!
Wir suchten die Räume noch einmal ab, bis wir beim toten Pony waren. Der Raum schien uns verändert…ja ein Stück Wand war weg und offenbarte eine Wölbung. Dort fand sich auch nichts, doch plötzlich hörten wir ein Knurren in unserem Rücken. Langsam wandten wir uns um und blickten in die geifernde Fratze eines großen Tigers. Er versperrte den Tunnel. Flucht war ausgeschlossen, so zogen wir unsere Waffen und traten der Bestie wagemutig entgegen.
Die bisherigen Kämpfe unserer gemeinsamen Reise waren ein einziger Witz gewesen. Diese Bestie sprang wild hin und her, eine Geschwindigkeit, bei der es uns kaum gelang auch nur einen Hieb zu setzen.
Von Kampfeswut beseelt hieben wir um uns, voller Freude über jeden kleinen Treffer, den wir landen konnten. Doch der Tiger schien uns dreien haushoch überlegen.
Von diesen Tieren hatte ich stets nur etwas gehört, sie in meiner Heimat mal am Rande erblickt. Doch noch nie gegen sie gekämpft. Sie waren groß und schwer, ihre Pranken hieben fürchterliche Wunden und ohne meine Kettenrüstung hätte mein Fleisch schnell in Fetzen von den Knochen gehangen. Aber sie waren mindestens ebenso flink und mit meiner schweren Axt hatte ich größte Probleme, der Geschwindigkeit folgen zu können.
Davin dagegen schien sich recht schnell eingestellt zu haben und vermochte mit seiner leichteren Waffe hie und da einen Treffer zu setzen. Doch ihm fehlte wirkliche Durchschlagskraft, so provozierte er den Tiger nur, sodass er den Händler immer wieder angriff und bald an die Wand gedrängt hatte.
Leana hingegen schien für die Raubkatze nicht interessant, Ischkur hielt ohne Zweifel eine schützende Hand über die Schamanin, obwohl sie nicht erkannte, wer der eigentliche Herr dieser Welt war.
Um Davins Bedrängnis zu lockern, griff ich mit lautem Ischkur-Schrei von Hinten an und verpasste dem Tiger einen guten Treffer. Doch damit hatte ich die Bestie einmal zu viel provoziert, sie sprang mich an und warf mich um. Alle Luft wurde aus meinem Körper gepresst und nur mit Mühe und Not konnte ich das Schild zwischen ihr und mir bringen, sodass sie mir mein vernarbtes Gesicht nicht noch weiter zerfetzte.
Somit war die Katze jedoch auf dem Präsentierteller. Davin konnte die Pause nutzen, um einen Heiltrank zu trinken, dann griff er zusammen mit der Schamanin an und der Tiger wandte sich wieder ihnen zu.
Ich rappelte mich auf und schloss mich ihnen wieder an. Doch meine Kräfte schwanden und die Streitaxt schien mehrere Tonnen zu wiegen. Kaum einer meiner Hiebe strahlte nur noch ansatzweise eine Gefahr aus. Aber wenn ich traf, waren die Hiebe durchschlagend.
Leana merkte mir meine Schwäche an, nutzte die Missachtung, mit der sie der Tiger beschenkte, und legte mir ihre Hand auf. Neue Kraft strömte in mich! Ich richtete mich wieder zu voller Größe auf und schwang mit lauten Ischkur-Rufen auf den Lippen meine Streitaxt wie nie zuvor in meinem Leben.
Ein Treffer, zwei Treffer. Dieses Mal erwischte ich die Raubkatze richtig. Der Kriegsgott selbst musste meinen Arm führen. Doch versagte ich dabei, meine Abwehr aufrecht zu erhalten. Mit einem Prankenhieb schlug die Bestie meinen Schild bei Seite. Ein zweiter traf meinen Arm und erneut sprang mich der Tiger. Dieses Mal knackten deutlich meine Rippen, ehe sich das Tier wieder von mir herunter machte, um nicht erneut von den anderen getroffen zu werden.
Nun war es an mir, meinen Heiltrank zu nehmen, sonst würde ich nichts mehr treffen können. Die Kräfte Leanas waren dahin und die gebrochenen Rippen behinderten mich in meinen Bewegungen. Während ich den letzten Schluck tat und die Flasche achtlos davonwarf, geschah das schreckliche. Wie in Zeitlupe bewegten sich Davin und der Tiger umeinander. Der Händler sprang vor, bereits aus etlichen Wunden blutend, und versuchte die Bestie direkt am Kopf zu treffen. Diese wich aus und hieb dem Araner gegen das Bein, sodass er stürzte. Noch ehe Leana und ich irgendwas tun konnten, war der Tiger auf dem Rücken Davins und hieb ihm derart in den Nacken, dass das Knacken Echo zu werfen schien.
Entsetzt starrten die Schamanin und ich uns an. Dann packte mich der gerechte Zorn Ischkurs erneut.
„NEIN!“ brüllend sprang ich nach vorne und führte einen gewaltigen Streich mit der Axt. Sie drang hinter dem rechten Ohr der Bestie ein und grub sich einmal hindurch, bis sie auf der linken Seite wieder hervordrang. Der Kopf segelte davon, verformte sich seltsam in der Luft, wurde gräulich und traf als … Schleim gegen die Höhlenwand. Dasselbe geschah mit dem Körper, welcher zerfloss und zwischen dem erdig-moosigen Boden verschwand.
Sofort stürmten wir zu unserem Begleiter. Doch für Davin kam alle Hilfe zu spät. Die Pranke dieses „Wesens“ hatte seine Nackenwirbel zerschmettert, dass sie teilweise vorne aus dem Hals wieder hervortraten.
Leana merkte an, dass es sich bei diesem Monstrum um einen Polymorph gehandelt habe. Er hatte sich wohl als die Wand getarnt, die nun verschwunden war. Die Existenz solcher Geschöpfe war mir unbekannt gewesen und ich war froh, dass zumindest diese Kreatur vernichtet war. Aber der Preis war hoch gewesen. Mit Davins Leiche und der Standarte aus dem Teich kehrten wir der Höhle den Rücken.
Einzig das Amulett der Magiergilde Mischrams nahmen wir Davin ab. Mit dem Rest, insbesondere der Flasche Mephistopheles, beerdigten wir ihn. Auch der Namenlose erhielt eine Bestattung, die ihm hoffentlich endgültige Ruhe gewährte. Von Argon war nichts mehr zu sehen.
Unsere erste Station war nun die Farm, wo wir Unteroffizier Dubrum berichteten, was geschehen war. Der wusste zwar nichts von einem Drachentöter, war aber sichtlich erleichtert darüber, dass die Bestie besiegt war. Mit einer Eskorte sandte er uns zurück nach Kalimar. Dort erhielten wir die umfangreiche Belohnung, die man uns versprochen hatte. Außerdem wurde ein dreitägiges Fest veranstaltet, während dem sich Leana allen mir bekannten und vielen weiteren Lastern hingab, während ich unseres toten Gefährten gedachte und allenfalls Geschichten über unsere Taten erzählte.
Schließlich verbrachten wir noch eine längere Zeit in Kalimar, während der wir unsere Fertigkeiten verbesserten. Letzten Endes kam aber der Tag, an dem wir wieder aufbrachen. Auf den Ponys, die uns die Züchter geschenkt hatten, ritten wir los. In meiner Hand trug ich stolz die Standarte aus dem Teich. Sie war immer noch genauso zerfetzt, aber gewaschen, sodass man die gekreuzten Dolche erkennen konnte.
Unser erstes Abenteuer war beendet, doch weitere würden kommen. Für die Gewinner des Fünfkampfes von Uchano, die Helden von Kalimar und vor allem… für die Streiter Ischkurs!

Von einer Welt unter dem Meer

Unsere Reise führte uns zwei lange Tage durch die Einöde der tegarischen Steppe. Gegen meine hügelige Heimat kam mir dieses flache Land befremdlich vor, doch ermöglichte es zumindest einen weiten Blick, sodass wir jeglichen Gefahren aus dem Weg gehen konnten.
Schließlich erreichten wir nachmittags die Stadt Ministry, welche ihre etwa fünftausend Einwohner mit Mauern und enorm hohen Türmen schützte. Von dort musste man jede feindliche Bewegung auf dutzende Kilometer ausmachen können. Im Kern der Stadt konnten wir ein seltsames Glitzern ausmachen, welches die langsam sinkende Sonne widerzuspiegeln schien. Doch weder Leana noch ich konnten zu diesem Zeitpunkt erkennen, was die Ursache dafür war.
Das Tor stand offen und mit unseren Ponys erschienen wir trotz unseres womöglich als befremdlich erscheinenden Aussehens keine sonderliche Gefahr und die Wachen ließen uns passieren.
Einmal durch die Pforte Ministrys geschritten, erblickten wir den ganzen Stolz der Stadt und das Ziel unserer Reise: die Magiergilde.
Umsäumt von einem großen Kranz aus dicken, hohen Bäumen stand das riesige, kreisrunde Gebäude im Zentrum Ministrys. Das Dach war komplett verglast und somit die Ursache für die seltsamen Spiegelungen, die Leana und ich ausgemacht hatten. Die Schamanin teilte mir sogleich mit, dass die Magier dies wohl nutzen, um magische Rituale durchzuführen. Ich hingegen war zu erstaunt, um weiter über das „warum“ nachzudenken. Dass es überhaupt so viel Glas auf einem Haufen gab, verblüffte mich bereits derart, dass sie mir in die Seite schlagen musste, damit ich weiterlief.
Wir wandten uns in Richtung Marktplatz, da wir hofften, dort ein Gasthaus zu finden. Es dauerte tatsächlich nicht lange, bis wir mit dem „Goldenen Stab“ etwas gefunden hatten, dass unseren Ansprüchen genügte.
Rasch waren die Ponys versorgt und wir traten ein, wo wir just von einem der Kellner angesprochen wurden.
„Seid gegrüßt, ihr Wanderer. Ihr seid doch sicherlich am Buffet sowie einem Los interessiert?“
„Essen klingt gut, aber was für ein Los?“
„Heute Abend werden hier im Goldenen Stab einige Preise verlost. Deswegen ist heute auch so viel los“, antwortete der Kellner und wies einmal in die Runde.
Tatsächlich mussten sich hier etwa um die hundert Gäste in dem riesigen Gebäude tummeln, welches neben zwei Stockwerken zum Essen und Trinken ein weiteres mit Schlafzimmern bereithielt.
Unsere Neugier war geweckt, auch wenn das Los mit dem unverschämten Preis von zwanzig Goldstücken zu Buche schlug.
Anschließend gingen Leana und ich auf unsere Zimmer, wo wir unsere Sachen verstauten. So praktisch eine Kettenrüstung auch war, beim Essen sah sie doch etwas befremdlich aus.
Im 1. Stock fanden wir dann einen freien Tisch, wo wir uns den Bauch vollschlugen. Das Trockenfutter der letzten Tage war schließlich kein Hochgenuss. Währenddessen blickten wir umher und stellten fest, dass die meisten hier ältere Männer waren und viele Roben trugen. Meine Vermutung war, dass dieses Gasthaus besonders die Magier der hiesigen Gilde anzog. Eine Kneipenschlägerei in diesem Rahmen wäre sicherlich ein einmaliges Erlebnis. Unter anderem, weil es hinterher keine Kneipe mehr gäbe.
Bei Leana bemerkte ich rasch wieder ihren typisch lasziven Blick, mit dem sie das Wirtshaus absuchte. Während wir in Kalimar gelernt und uns allabendlich zum Essen getroffen hatten, hatte sie oft ebenso drein geschaut, ehe sie mit Begleitung verschwunden war.
Diesen Abend schien sie jedoch nicht fündig zu werden…bis ihre Augen verharrten. Ich folgte ihrem Blick und erspähte einen Mann, der uns mit seinem exotischen Äußeren noch in den Schatten stellte. Spärlich mit Fellen bekleidet und einem Knochen durch die Nase hatte er etwas sehr Wildes, die leicht kupferne Hautfarbe ließ eine Herkunft aus einem äußerst fernen Land erahnen. Seine Statur war athletisch, ähnlich der meinen, auch wenn er etwas größer war und sein Gesicht strahlte eine gewisse Strenge aus, die Leana zu faszinieren schien.
Andersherum schien dieser Mann die Schamanin zumindest bemerkt zu haben. Ausdruckslos starrte er zu unserem Tisch hinüber.
Da ihr spezieller Blick diesmal wohl die Wirkung verfehlte, ließ es Leana letzten Endes gut sein, gerade rechtzeitig, als sich jemand Fremdes zu uns an den Tisch gesellte.
Er war etwa Mitte fünfzig und hatte einen deutlichen Bauchansatz, der Kopf war weitgehend haarlos und ein freundliches Grinsen strahlte über das Gesicht. Er fiel durch seine enorme Körpergröße auf, mit der er mich um mehr als einen Kopf und Leana um etwa einen Schritt überragte.
„Guten Abend, der Herr, die Dame. Mein Name ist Ristalak. Meine Freunde und ich haben eure Ankunft hier bemerkt und wie Ihr eure Sachen abgelegt habt. Wir hegen stets ein großes Interesse an den Fremden, die in unsere schöne Stadt kommen.“
Sicherlich wollte der Mann wohl nur nett sein, doch ich hatte zu viele schlechte Erfahrungen mit Leuten gemacht, die mich dabei beobachteten, wie ich meine Sachen verstaute. Leana schien es ähnlich zu gehen.
„Nun, wir sind erschöpft von der Reise und würden lieber bald schlafen gehen. Tut uns leid“, lehnte ich also das Angebot ab.
Ristalak wirkte ein wenig enttäuscht, ließ aber nicht ganz locker: „Gut, dann ruht euch lieber aus. Es erzählt sich sowieso besser, wenn man ausgeschlafen ist. Ich würde mich sehr freuen, wenn Ihr dann morgen in die Magiergilde kämt, um euch mit mir zu treffen.“
„Das trifft sich gut, wir müssen sowieso dorthin“, antwortete ich leichthin, auch wenn ich zu bemerken meinte, dass es Leana nicht so gut gefiel, wie rasch ich das Ziel unserer Reise ausplauderte.
„Vorzüglich! Dann wünsche ich euch noch einen angenehmen Abend.“
Mit diesen Worten entfernte sich Ristalak und ging zu dem Exoten hinüber. Bevor wir jedoch mitbekamen, was er mit diesem besprach, wurde gelost.
Leana gewann eine schöne Halskette, während ich mich mit einem schmucklosen Dolch zufrieden geben musste. Glücksspiel blieb eben Glücksspiel. Nachdem ich mich ein wenig über die geringe Ausbeute geärgert hatte, ging ich auf mein Zimmer, ebenso wie Leana auf das ihre.
Den nächsten Tag begannen wir damit, uns den Staub der Steppe vom Körper zu waschen. Anschließend genossen wir ein ausgezeichnetes Frühstück, ehe wir uns zur Magiergilde aufmachten.
Hinter der Reihe aus Bäumen versteckte sich eine kleine Parklandschaft, die sich bis zu den marmornen Mauern des riesigen Gebäudes erstreckte. Einige Menschen gingen hier spazieren, doch insgesamt war es sehr ruhig und es schien fast magisch, wie die Geräusche der geschäftigen Stadt hier abgedämpft waren. Der Eingang war ein riesiges Tor, mit einer eingearbeiteten Tür, an die wir anklopften.
Rasch befragte uns der Pförtner nach unserem Begehren, wonach er uns zu warten hieß. Zu diesem Zeitpunkt näherte sich stumm der Exot des letzten Abends. Ehe wir ihn fragen konnten, was er wollte, ging die Tür auf und Ristalak stand vor uns, ein breites Grinsen im Gesicht.
„Ah, da seid ihr ja. Ich freue mich, dass Ihr es geschafft habt. Kommt ruhig herein“, und er machte eine einladende Bewegung mit der Hand.
Wir kamen in einen Rundgang, von dem etliche Türen nach innen abgingen. Eingefärbte Glasfenster sorgten für buntes Licht, wo man auch hinsah. Zielstrebig lief Ristalak voran und uns blieb vorerst nichts anderes, als ihm hinterherzulaufen. Der Exot schloss sich uns dabei an und wir nahmen an, dass er dann wohl auch vom Magier eingeladen wurde.
Schließlich standen wir vor einer Tür, die sich in meinen Augen durch nichts von den anderen Unterschied, aber Ristalak schien sich sicher zu sein, dass wir hier richtig waren.
„Nun meine Freunde! In Ministry ist es Brauch, dass Reisende etwas von ihrer Heimat erzählen, sodass wir mehr über fremde Kulturen lernen und adäquat mit ihnen umgehen können. Es würde mich sehr erfreuen, wenn ihr euch dieser Tradition anschließen würdet.“
Wir waren etwas überrascht, aber das stellte ja kein größeres Problem dar. Auch der Exot schien dem nicht abgeneigt, wenngleich er nur mit einem wortkargen Nicken reagierte. Der Bericht dürfte wahrscheinlich kurz ausfallen.
Ristalak erzählte weiterhin, dass dies seit fünfzig Jahren geschehe und man in Ministry somit einen Überblick über fast die ganze, bekannte Welt habe. Anschließend ließ er uns mit den Protokollanten alleine.
Nacheinander berichteten wir von unseren Heimatländern, während die anderen sich ein wenig innerhalb des Gildengebäudes umsahen. Allerdings reichte die Zeit lange nicht, um sich auch nur einen Bruchteil anzusehen. Hervorstechend war aber der Garten direkt unter der großen Glaskuppel. Dieser war ungeheuer prächtig und man meinte das Leben in der Luft zu spüren.
Schließlich rief Ristalak uns zu sich ins Büro, welches in einem der oberen Stockwerke lag und von nicht bescheidener Größe war. Beherrscht wurde es durch einen riesigen Schreibtisch, aus hellem Holz, auf dem dutzende Bücher lagen. Weitaus mehr Pergamente und Papyri ergänzten das Bild. Der Magier schien mitten in einer anstrengenden Arbeit zu stecken.
„Nun, Ristalak, wir haben da noch ein Amulett der Magiergilde Ministrys. Unsere ursprüngliche Absicht war es, dieses hier abzugeben“, eröffnete Leana das Gespräch.
Die Augen des Magiers wurden groß und erfreut nahm er das Schmuckstück entgegen.
„Ihr habt meiner Gilde damit einen großen Dienst erwiesen. Hier, nehmt das Gold für eure Mühen!“
Gesagt getan, drückte er Leana und mir fünfhundert Goldstücke in die Hand. Das war ein netter Auftakt zu dem, was nun kommen sollte.
„Meine Freunde aus fernen Ländern“, setzte Ristalak an. „Vielleicht habt Ihr bereits gehört, dass in zwei Monaten der große Magierkonvent von Ministry stattfindet. Zu diesem Zeitpunkt möchten wir uns so prächtig präsentieren, wie dies möglich ist, doch wir haben ernste Schwierigkeiten.
Normalerweise handeln wir regelmäßig mit den Seeelfen. Ihre magischen Ingredienzen sind eine der Ursachen für den Reichtum der Gilde. Doch unsere letzten zwei Lieferungen blieben ohne Reaktion und wir wissen nicht, was geschehen ist.
Ich bitte euch nur ungern um einen solch enormen Dienst, aber die Not gebietet es mir: wäre es euch möglich, zu unseren Partnern zu reisen und die Sache zu klären? Wir brauchen diese Lieferungen, sonst sieht es auch langfristig schwarz aus. Natürlich würdet ihr entsprechend mit magischen Artefakten ausgestattet werden.“
Da fiel mir erstmal die Kinnlade herunter. Von Seeelfen hatte ich im Leben noch nichts gehört, aber das Angebot klang äußerst spannend!
„Warum wollt Ihr ausgerechnet Fremde schicken?“, fragte Leana.
Ristalak lächelte nur müde und wies auf den überfüllten Schreibtisch.
„Wir haben zu viel Arbeit und können Niemand vor dem Konvent entbehren. Allerdings weiß Niemand, ob es dann nicht vielleicht schon zu spät ist. Dort unten könnte sonst etwas geschehen sein. Ich hoffe, ihr nehmt an… es winken euch 2500 Goldstücke Belohnung.“
Leana und ich sahen uns an und wir nickten. „Wir sind dabei.“
„Gilt das auch für euren Begleiter?“
„Nun…wir kennen ihn nicht“, bemerkte ich, wandte mich dann an ihn. „Aber zusätzliche Unterstützung kann man bei solch einer Herausforderung immer gebrauchen. Bist du dabei?“
Der Mann schien kurz zu lächeln, dann nickte er.
Der Höflichkeit entsprechend begann ich nun, uns vorzustellen: „Dies ist meine Begleiterin Leana und ich bin Abedi. Wir sind die Streiter Ischkurs und die …“
Leana stieß mir dezent den Ellbogen in die Seite. „Jaa… Leana und Abedi. Wie ist dein Name?“
Der Mann holte einmal tief Luft und sagte mit tiefer Stimme etwas mir absolut Unverständliches. Leana und Ristalak erging es wohl ähnlich, sodass er es noch einmal langsam wiederholte:
„Ixcalotl Cuautl Ohticue“.
Nachdem somit die Streiter Ischkurs Verstärkung erfahren hatten, berichtete uns Ristalak, um was sich der Vertrag mit den Seeelfen drehte.
Einmal monatlich wurden speziell behandelte Eisenwaren im Wert von eintausend Goldstücken gegen besondere magische Ingredienzen des Meeres getauscht. Dieser Vorgang ereignete sich stets an einem Riff, welches ungefähr auf der Mitte der Strecke lag.
Des Weiteren klärten wir ab, dass wir Sachen, die nichts in der Tiefsee zu suchen hatten, in der Magiergilde verstauen durften und sich um die Ponys gekümmert wurde.
Nachdem dieser organisatorische Akt abgeschlossen war, händigte Ristalak jedem von uns feierlich einen Ring des ewigen Atems aus, der zugleich unsere Bewegungsfreiheit unter Wasser erhalten sollte.
Dann marschierten wir auch schon auf das Schiff, das eilig ablegte, um uns zu den Seeelfen zu bringen. Die Gilde hatte es wohl wirklich äußerst eilig und der Kapitän huldigte nur noch rasch seinen Göttern. Ohne größeres Aufsehen zu erregen, erbat ich mir von Ischkur Unterstützung für die Reise.
Der Zweimaster kam mit seinen zehn Männern Besatzung hervorragend aus, sodass wir drei nicht anpacken brauchten. So verstauten wir unsere Sachen im gemeinsamen Raum, ehe wir an Deck beteten, meditierten oder den Wellen beim Rauschen zuhörten.
Beim Essen unterhielten wir uns ein wenig mit Ixcalotl. Er kam aus Nahuatlan und war der dortigen Zöllnergilde angehörig. Zunächst musste er uns über die genaue Lage dieses Landes aufklären, dann berichtete er, dass er zusammen mit einem Partner hierher gereist war, um einige Schmuggler auszuschalten. Ixcalotl hatte keine Scheu zu sagen, dass er sich über den Tod seines Landmannes eher freute als trauerte. Und als er erwähnte, wie er die Schmuggler ausgelöscht hatte, meinte ich ein seltsames Flackern in seinen Augen zu sehen. Dieser Mann war vieles, aber sicherlich kein einfacher Zollbeamter…
Am Abend erwiesen sich die Gebete des Kapitäns als nutzlos. Ein gewaltiger Sturm fegte über uns hinweg, dass es das Schiff wie ein Blatt hin und her wirbelte. Ixcalotl, Leana und ich klammerten uns verzweifelt in unsere Hängematten, so etwas hatten wir noch nicht erlebt – auch wenn wir bis hierhin sehr weite Seereisen hinter uns gelegt hatten!
Aber Ischkur errettete uns aus der Not und vor der „Gnade“ falscher Götter. Ohne größere Beschädigungen am Schiff hinterlassen zu haben, verebbte der Sturm des Morgens.
Der Kapitän teilte uns mit, dass wir etwas vom Kurs abgekommen waren, es allerdings keine größeren Verzögerungen geben würde.
Gegen Mittag erspähten wir ein mastloses Schiff, welches ohne jede Regung auf dem Wasser verharrte. Fasziniert von diesem paradoxen Anblick, hielten wir weiter darauf zu. Wir erkannten aus der Nähe, dass Niemand auf dem fast verrotteten Deck herumlief und erblickten einige Risse in der Seitenwand.
Doch ehe jemand eins und eins zusammenzählte, tat es einen ordentlichen Schlag und das Schiff stoppte abrupt. Die Lippen des Kapitäns wurden schmal, sein Steuermann lächelte schuldbewusst. Aber wieder hatte Ischkur uns seine Gunst geschenkt und großen Schaden verhindert. Allenfalls einige Stunde würde es dauern, bis wir wieder fahrtüchtig wären, versicherte der Kapitän.
Der Blick von Ixcalotl, Leana und mir wanderte zu dem Wrack hinüber, welches wir nun ohne Probleme erreichen konnten. Wir wären keine Abenteurer geworden, wenn uns das nicht reizen würde, so ließen wir alles Unnötige in unsren Kabinen und schwangen uns hinüber.
Wir merkten bald, dass das Schiff höher gewesen war, als es von außen den Anschein hatte. Etwa drei Etagen befanden sich unter Deck, zu großen Teilen jedoch unter Wasser. Doch der Reihe nach. Da oben nichts zu finden war, schließlich war hier alles hoffnungslos Wind und Möwen ausgesetzt, gingen wir über die Treppe nach unten.
Den größten Teil nahm hier der Laderaum ein, gen Heck und Bug gab es weitere Räume. Da verfaulte Fässer mit verrottetem Tuch oder Essen nicht gerade das Ziel unserer Erkundung waren, gingen wir rasch weiter und begannen systematisch die Türen zu öffnen und die Geheimnisse zu entdecken, die hinter ihnen versteckt lagen – dabei fiel mir schnell auf, dass die Planken unter meinem Gewicht knarzten (wegen dem Kettenhemd!) … doch sie hielten zu meinem Glück.
Unser erster Fund wurde ein Skelett, dem das schimmernde Kettenhemd nicht geholfen hatte. Zwar war es nicht die feine Art, einen Toten zu berauben, doch dieses Kettenhemd schien nicht angegriffen von Rost oder anderen Zerfallserscheinungen. Diesen Schatz hier zu lassen, hieße, Ischkurs Gutmütigkeit zu ignorieren! Abgesehen von der Tatsache, dass der Tote es wirklich nicht mehr brauchte!
Ixcalotl und Leana gingen weiter, aber als ich dann zu ihnen aufschloss (das Knarzen zu meinen Füßen hatte sich erheblich verstärt!), berichteten sie nur von jeder Menge Unrat.
Dann fanden wir die Reste des Kartenraums. Leider waren alle Navigationshilfen durch die Unbilden der Natur zerstört worden. Doch… unter den Betten fand ich drei verschlossene Truhen, deren Schlösser rasch meiner Axt erlagen. Das darin befindliche Gold sowie die Schmuckstücke besaßen trotz der langen Zeit hier noch einen schönen Glanz – allerdings verrieten einige Glasscherben, dass ein darin befindlicher Heiltrank durch die rabiate Öffnung zerstört wurde. Ich ging zu den anderen beiden und wir teilten meinen Fund durch drei.
Dem Kartenraum folgte die ehemalige Kapitänskajüte. Zerschlissene und ausgebleichte Vorhänge an den Wänden, ließen den Reichtum erahnen, der sich einstmals hier den Augen anbot. Die rot verglasten Fenster waren jedoch zu großen Teilen mit Brettern verschlagen worden und verhinderten einen tieferen Einblick. Allerdings murmelte Leana nur kurz etwas und die Umgebung erhellte sich.
Im hinteren Teil des Raumes erkannten wir nun einen regungslosen Körper, welcher zwischen einem zerschlagenen Schreibtisch und einem großen Bett lag.
Die Schamanin eilte vor, um sich das anzusehen. Wir folgten und nahmen nach nur einem Schritt bereits einen heftigen Leichengeruch wahr. Leana berichtete mir später genau, was sie sah, als den Körper herumrollte um dem vermeintlich Toten ins Gesicht zu sehen.
Trotz des Gestanks wirkte der in feine, wenn auch zerschlissene, Kleider gehüllte Mann noch ziemlich „frisch“. Bei der Berührung durch die Moravin öffnete er die Augen, hinter denen nur tiefe Schwärze lag und verzog den Mund zu einem fratzenhaften Grinsen. Leana erstarrte einen Moment, dann bildete sich eine Glocke aus tiefer Finsternis über dem Haupt der Schreckensgestalt. Ihr Läuten erschütterte Mark und Bein, dass wir kurz betäubt stehen blieben.
Zum Glück verschwand dieses Musikstück der tiefen Hölle wieder, aber der Untote erhob sich – zumindest vermutete ich, dass dieses Wesen kein eigenes Leben mehr besaß. Seine Glieder schienen erschreckend verdreht und die Bewegungen waren ekelerregend abgehackt, als ob ein übergroßer Marionettenspieler hier seine Hand im Spiel hätte. Das Monster öffnete sein Maul und Finsternis quoll hervor, doch Leana wischte nur einmal mit der Hand durch die Luft und die Dunkelheit löste sich auf. Gegen unsere Lichtbringerin kam diese Höllenkreatur nicht an!
Dann waren Ixcalotl und ich zur Stelle und drangen mit unseren Äxten auf unseren Gegner ein. Mein erster Hieb saß gewaltig und riss ihm einen großen Teil des Brustkorbes weg. Davon jedoch unbeirrt wandte sich die finstere Gestalt Leana zu und stach blitzschnell mit seinen zwei kurzen Schwertern zu. Die Schamanin schrie auf und ging zu Boden!
Der Huatlani wollte sich das nicht gefallen lassen und drosch mit seinem gewaltigen Schlachtbeil auf das Monstrum ein, welches jedoch leichtfüßig zur Seite wich. Er setzte direkt nach und dieses Mal brauchte der Untote einen ordentlichen Satz, um der Enthauptung zu entkommen. Nun wollte ich einen zweiten Streich setzen, doch die Sorge um die Waffengefährtin am Boden vermischte sich mit Zorn und ich verlor meine Konzentration. Der Stiel meiner Axt entglitt mir und sie flog gegen eines der vernagelten Fenster, wo sie so unglücklich auftraf, dass der Kopf sich vom Holz löste.
Laut fluchend griff ich meinen Dolch – während Ixcalotl sich des Gegners gut zu erwehren wusste, welche mit unerhörter Geschwindigkeit auf ihn eindrosch. Und schließlich war es auch der Zöllner, der dem Wesen mit einem wuchtigen Hieb seiner riesigen Axt den Schädel spaltete, dass das Gehirn nur so durch den Raum sprühte. Ein stilles, unauffälliges Lächeln huschte über die Züge des Huatlani.
Schnell überflogen wir die Besitztümer des (endgültig) Toten, wobei sich auch zu meinem Glück eine Streitaxt befand. Dann brachten wir die verdrießlich stöhnende Leana zum Schiff zurück, wo sich ein Arzt um ihre Wunden kümmerte.
Ixcalotl teilte mir nun mit, dass er meditieren wolle, ehe er wieder auf Erkundung mitkäme. So blieb mir ein wenig Zeit und ich beschloss, mir die Leiche der Höllenkreatur nun genauer anzusehen.
Und tatsächlich: wir hatten einen 1,10m langen Eisenstab übersehen. Das Metall war tiefschwarz und ließ nur wenig erkennen, bis auf sieben Runen, die mir absolut unbekannt waren. Angesichts des Zustands dieser Kreatur blieb es ohne Zweifel, dass hier finstere Magie am Werke war. Daher nahm ich einiges von dem umherliegenden Tuch und hüllte das Ding darin ein.
Vorsichtig überbrachte ich es Leana, welche nun wieder einigermaßen auf den Beinen war. Während Ixcalotl und ich weiter das Wrack erkunden wollten, würde sie sich der Erforschung des Artefakts annehmen.
Nachdem der Huatlani mit seiner Meditation fertig war, ließen wir die geschwächte Leana zurück und gingen wieder hinüber.
Wir betraten zunächst die ehemaligen Baracken, deren Inhalt jedoch der Fäule anheimgefallen war, was unserem Entdeckergeist einen leichten Dämpfer verpasste. Aber der nächste Raum entpuppte sich als die einstige Schreibwerkstatt. Hier lag zwischen etlichen Büchern und einem großen Bett die regungslose Gestalt eines Elfen. Vorsichtig wälzten wir ihn auf die andere Seite und waren erleichtert, als er sich nicht erhob, um unsere Kehlen zu zerfetzen.
Bei ihm fanden wir ein Elfenlangschwert, einen Juwelendolch und ein Kettenhemd, welches für mich jedoch zu klein war. Die Sachen nahm ich mit, vielleicht konnte Leana das eine oder andere gebrauchen.
An der Wand hing außerdem ein Krummsäbel, welcher sich jedoch nach einem kurzen Testschlag gegen das Bett als nutzlos herausstellte.
Letzten Endes gab es hier dann noch eine Schatulle unter der Matratze zu finden. Diesmal wollte ich vorsichtiger vorgehen, als bei den Truhen und öffnete das Kästchen vorsichtig mit der Hand.
Das hätte ich mir auch sparen können.
Eine gewaltige Explosion schmetterte mich gegen die Wand hinter mir, auch Ixcalotl, der einige Meter entfernt stand, wankte. Von der Schatulle war freilich nicht viel übrig, doch die darin befindlichen Spruchrollenbehälter schienen extra feuerfest gearbeitet zu sein. Diese landeten dann natürlich auch in meinem Rucksack, um sie später der Schamanin zu übergeben.
Im letzten Raum der ersten Ebene fanden wir neben viel Unrat eine weitere Truhe. Das darin befindliche Gold nahmen wir an uns und teilten es später mit Leana. Außerdem entdeckten wir neben zwei roten Signalflaggen noch eine Bannerflagge: eine weiße Taube über dem Meer, welches an eine silberne Küste brandet, die den Rand einnahm. Einen Moment lang huschten meine Gedanken zu einem fernen Land, in dem Friede herrschte und der Waffengang längst vergangenen Tagen angehörte. Ein Land, wo die Menschen ihren verkommenen Absichten und der Gier abgeschworen hatten und sich halfen, wo sie nur konnten.
Doch unser Midgard war leider weit entfernt von diesem Ort. Ixcalotl und ich standen in einem halbzerstörtem Schiff, dass vor etlichen Jahren auf das Riff aufgelaufen war. Es roch an Dreck, Moder und vergammelten Fisch.
Der Huatlani sah mich auffordernd an und wir nahmen die Treppe zur zweiten Ebene, welche ebenfalls durch den großen, zentralen Laderaum beherrscht wurde. Hier lagen etliche aufgebrochene Kisten und Fässer herum, sodass der Boden nur so mit Gold und Silberbesteck übersät war. Das aufzusammeln könnte lohnend sein, doch würde es Stunden brauchen. So beschlossen wir, zunächst wieder Raum für Raum abzusuchen.
Kurz gesagt, stellten wir in diesem Stockwerk, welches bereits zur Hälfte unter Wasser stand, lediglich fest, dass es das Riff ordentlich getroffen hatte. Etliche Löcher ermöglichten einen Blick aufs Meer. Ansonsten fanden wir noch einige Schiffsvorräte, welche längst vergammelt waren und diverse Ersatzstücke für Mast, Segel und ähnliches – deren Zustand wir als Laien kaum beurteilen konnten.
Dann stiegen wir in die 3. Ebene ab und waren somit vollständig unter Wasser. Die Ringe erwärmten sich leicht und taten ihren Dienst. Eine zentimeterdünne Schicht aus Luft umgab unsere Körper, sodass wir nicht nur atmen konnten, sondern uns auch bewegten, als wären wir an Land.
Nachdem Ixcalotl Licht heraufbeschworen hatte, offenbarte sich uns diese Unterwasserwelt. Die einstigen Ruderbänke des Schiffes verrieten, dass hier wohl ziemlich viele Menschen untergebracht gewesen sein mussten, wollte man sie voll besetzen. Allerdings hieß das auch, dass sich in diesem Stockwerk nur ein Raum von Interesse befand: dort wo das Riff in das Schiff eingeschlagen hatte. Es wirkte bizarr, wie wir so dastanden und die merkwürdigen Formen und bunten Farben der Korallen betrachteten, um die einige Fische herumschwirrten. Diese Welt unter Wasser, so anders, wie die bekannte – so fremd, wie man sie sich kaum vorstellen konnte.
Unser fasziniertes Staunen schwächte jedoch unsere Aufmerksamkeit und erschrocken fuhren wir zusammen, als sich zwei gewaltige, schwarze Tentakel in den Raum schoben und nach uns griffen.
Sofort packten wir unsere Äxte und drangen auf die Kreatur ein. Deren Fangarme waren jedoch so biegsam und glitschig, dass ein sauberer Treffer schwer fiel.
„Ixcalotl, wir sollten uns zurückziehen! Wer weiß, wie groß das Vieh ist, was da dranhängt!“
„Niemals. Wir schaffen das locker!“
Ächzend vertraute ich auf das Wort meines neuen Kameraden, konnte ich ihn doch nicht alleine mit dem Seemonster lassen. Ischkurs Namen ging ich den Angriff über und versetzte dem Tentakel einen ordentlichen Treffer, aber ehe ich mich freuen konnte sackte dieser ein und schlag sich um meine Füße. Unsanft riss es mich um, während ich fahrig nach einem Dolch griff.
Auch Ixcalotl mühte sich sichtlich ab. Das Mistvieh wollte sich schlicht nicht treffen lassen, egal wie wuchtig das riesige Schlachtbeil durchs Wasser fuhr. Zu diesem Zeitpunkt sah es kurz nicht wirklich rosig aus.
Da rammte ich meinen Dolch tief in den Tentakel, sodass er mich losließ. Im Aufspringen ergriff ich wieder meine neue Streitaxt und schlug dorthin, wo der Dolch bereits einen tiefen Riss hinterlassen hatte.
Mit einem glitschigen Geräusch und dem Aufsprühen merkwürdig verblosen Blutes, wurde der Fangarm abgetrennt.
Gerade ertönte der Schmerzensschrei der Tiefseekreatur, da traf auch Ixcalotl. Sein Schlag war so heftig, dass sich die Axt durch den Tentakel ins morsche Holz bohrte.
Mit zwei Gliedmaßen weniger, entfernte sich das Monster und der Huatlani und ich gingen zurück zu unserem Schiff. Dem Kapitän teilten wir mit, dass es auf dem Wrack eventuell nützliche Ersatzteile gab, dann überbrachten wir Leana ihren Anteil am gefundenen Gold und Schmuck sowie die zwei Schriftrollen. Dann berichtete sie uns von dem finsteren Stab.
„Es handelt sich ohne Zweifel um einen finsteren Stab voller schwarzer Magie. Die Runen stehen für verschiedene Zauber; unter anderem einer Hexerei, um mit Toten sprechen zu können sowie Kontrolle über ihre Körper zu erlangen. Sahnehäubchen ist allerdings ein Spruch, um jegliche Materie zu verdampfen. Sobald wir zurück in Ministry sind, sollten wir den Stab der Magiergilde übergeben, damit sie ihn zerstört.“
Diesem Urteil konnten wir nur zustimmen, es bereitete mir ja bereits Unbehagen, das Ding anzusehen.
Bevor wir noch einmal auf das Wrack gehen konnten, um die Münzen und Bestecke der zweiten Etage einzusammeln, teilte der Kapitän uns mit, dass wir weiterfahren konnten. Ehrlich gesagt war mir das auch recht – im Trüben nach Silber zu fischen war nicht sonderlich berauschend.
Am folgenden Tag erreichten wir eine aus dem Meer ragende Felsformation, welche die Austauschstelle mit den Seeelfen markierte. Alles, was wir nicht gebrauchen konnten, schlossen wir in unserer Kajüte ein, dann sprangen wir von Bord.
Dabei zogen wir ein Seil mit hinunter, welches uns später den Aufstieg erleichtern sollte. Die zwei roten Signalfahnen markierten es, damit wir es auch ja finden würden.
Etwa 30 Meter trennten uns von der Oberfläche, als wir den Grund erreichten und obgleich uns die Ringe das Gefühl gaben, weiterhin an frischer Luft zu sein, erlebten wir doch eine ganz andere Welt. Das Wasser um uns herum schimmerte im Licht der Sonne blaugrün, was zusammen mit dem Korallenriff diesem Reich eine mystische Aura verlieh und wir brauchten einige Minuten, ehe wir uns an die neue Umgebung gewöhnt hatten.
Dann machten wir uns auf den Weg. Es brauchte gar keine großen Suchaktionen, denn rasch nahmen uns zwei Seeelfen in Empfang. Sie ähnelten ihren ländlichen Verwandten, besaßen jedoch Kiemen am Hals und Schwimmhäute zwischen den Fingern, während die Füße fast schon wie Paddel wirkten, durch die längliche Formung.
„Seid gegrüßt, ihr Wächter des Tiefseevolkes der Seeelfen. Dies sind meine Begleiter Leana und Ixcalotl, ich bin Abedi. Wir sind von der Magiergilde Ministrys hierher entsandt worden. Die Zauberer sind in Sorge, da die letzten Lieferungen nicht wie geplant ausgetauscht wurden und wir sind hier, um den Grund dafür zu suchen.“
Kurz unterhielten sich die beiden in einer merkwürdigen Sprache, die sowohl an den üblichen Singsang der Landelfen erinnerte, gleichzeitig jedoch etwas Blubberndes besaß. Dann antwortete einer in brüchigem Tegarisch:
„Grüße, Luftatmer. Bringen euch zu Felandor, ersetzt König, da König krank.“
Schon wandten sie sich ab und schwammen los. Kurz zuckten wir die Achseln, dann folgten wir ihnen. Zumindest schienen uns diese Seeelfen nicht feindlich gesinnt.
Der Palast erwies sich als eine weitläufige Höhle in einem riesigen Korallenriff. So erstrahlte jeder Raum, zur Not beleuchtet mit bizarren Fischen, in etlichen Farben. In der größten dieser Höhlen wurden wir schließlich von Felandor empfangen.
Unsere Führer stellten uns in ihrer eigentümlichen Sprache vor, dann traten sie zur Seite.
„Ich grüße euch, Gesandte der Magiergilde“, eröffnete der Truchsess das Gespräch in fehlerfreiem Tegarisch. „Was ist euer Anliegen?“
„Wir sind hier, da die letzten Lieferungen eurerseits nicht eingetroffen sind. Ministry ist in Sorge, dass es hier unten schwerwiegende Probleme geben könnte.“
Der Elf schien zu seufzen, was unter Wasser etwas ungewohnt klang.
„Wir sind wahrlich in Schwierigkeiten. Unser König ist erkrankt und die Meermenschen haben uns den Krieg erklärt, da sie vermuten wir hätten ihren Prinzen Sahi entführt – was jedoch eine Lüge ist. Ich glaube, dass die Hexe Tamara ihre Finger im Spiel hat. Sie muss Kierl, den König der Meermenschen, verhext und seinen Sohn entführt haben. Das Biest wünscht sich wohl einen Krieg zwischen den mächtigen Völkern des Meeres. Wahrscheinlich wird sie sogar unseren König verflucht haben!“
„Das sind schlechte Neuigkeiten“, antwortete ich. „Unter diesen Umständen seid ihr nicht in der Lage, den Magiern ihre Ingredienzen zu schicken?“
Felandor schüttelte den Kopf und ehe ich etwas sagen konnte, beschloss Ixcalotl: „Nun gut, dann sind wir hier fertig. Berichten wir den Magiern.“
Irritiert blickten Leana und ich ihn an, dann wandten wir uns an den Truchsess und erklärten, dass wir diese Hexe finden und töten würden – zumindest wollten wir den Krieg verhindern. Erfreut nickte der Mann und versprach uns eine Belohnung. Anschließend verwies er uns an die Fischmenschen, welche neutral (aber auch primitiv) waren und somit am ehesten mit der Hexe Kontakt haben könnten.
Felandor stellte uns einen Führer zur Seite, der die Sprachen der Meeresvölker ebenso wie fließendes Tegarisch beherrschte; sein Name war Elradir. Außerdem spendierte er uns einige Heiltränke.
Bevor wir jedoch abreisten, ging Leana zu dem kranken König der Seeelfen und untersuchte ihn. Es gelang ihr tatsächlich sein Leiden zu mindern, jedoch erwachte er nicht. Zu Ixcalotl und mir meinte sie dann noch, dass es sich hier eher um Gift und nicht um einen Fluch gehandelt hatte. Verwundert sah ich zu Felandor hinüber und meinte zu erkennen, dass der gar nicht so erfreut war, dass sich Leana um seinen König gekümmert hatte.
Für die Reise am Meeresgrund banden wir drei uns aneinander, was es ermöglichte, dass einer schlief während die anderen schwammen. Zusammen mit Leanas geschwächtem Zustand hatte dies zur Folge, dass wir dreimal langsamer waren, wie Elradir es sich gewünscht hätte. Allerdings war seine Forderung, schlicht nicht zu schlafen, für uns absoluter Schwachsinn. Seeelfen…
Aber letzten Endes erreichten wir ohne Zwischenfälle – einige wunderliche Fischschwärme ausgenommen, die wie Vögel in der Luft, durch das Wasser zogen – das „Dorf“ der Fischmenschen. Primitiv traf es wohl, denn sie lebten in Höhlen, zwischen denen sie riesige Felder von Nutzpflanzen angelegt hatten. Außer Algen konnte ich hier nichts identifizieren, aber einen grünen Daumen schienen diese „Wilden“ zu haben, die hier und da umherwuselten. Ihre Körper waren geschuppt und die Mäuler ähnelten wirklich stark einem Fisch, während der Rest weitgehend menschlich war.
Elradir kannte sich hier gut aus und führte uns zum Ältesten Nuwas. Rasch stellten wir uns ihm vor und kamen dann zur Frage, ob er die Hexe Tamara kenne oder jemanden, der über dieses Wissen verfügte.
„Nein, mit Tamara haben wir nichts zu tun. Aber auch ich vermute, dass sie den König der Meermenschen ihrem Willen unterworfen hat. Sonst war er nie so jähzornig! Allerdings war es nicht diese Zauberin, die Sahi entführt hat, sondern wir! Ja, wir! Die Fischermenschen! Da schaut ihr, was?“
Ein kindliches Grinsen umspielte sein tumbes Fischmaul. Langsam aber sicher begann es uns zu dämmern, warum dieses Volk so primitiv war…
„Warum habt ihr den Prinzen der Meermenschen entführt?“
„Nun, wir wurden lange genug unterschätzt! Es hieß immer nur, Meermenschen oder Seeelfen. Die haben das Sagen und alle haben sich über uns lustig gemacht! Aber wir haben die Gunst der Stunde genutzt. So! Jetzt werden nämlich wir mit den Magiern handeln. Dann werden wir schrecklich mächtig und alle müssen uns fürchten!“
Der zunächst quengelnde Tonfall begann bereits dem „Ältesten“ jegliche Autorität zu nehmen, doch wie er dann am Ende mit einem feisten Grinsen dastand und seine Idee für unheimlich toll hielt, begannen unsere Zwerchfelle bereits gefährlich zu beben.
„Und…was wollt ihr den Magiern geben?“, fragte ich gepresst, ein erstes Schnauben unterdrückend.
„Wir haben ganz tolle Wasserpflanzen! Unheimlich nahrhaft. Die sind viel besser als dieses ungenießbare Zeugs der Seeelfen.“
Ich konnte an dieser Stelle nicht mehr an mich halten und lachte lauthals los. Auch Leana und Ixcalotl hatten ersichtliche Schwierigkeiten, dieses Volk und ihren Anführer ernst zu nehmen.
„Könnten wir vielleicht mit Sahi sprechen?“, fragte nun Leana, die sich noch einigermaßen im Griff hatte.
Das schien kein Problem zu werden und sogleich wurde der Prinz der Meeresmenschen hereingeführt. Der Oberkörper menschlich, der Unterkörper endete in einer Fischflosse.
„Grüße, Prinz Sahi. Wir sind hier um euch zu befreien.“
Der nicht einmal gefesselte Mann wirkte erleichtert. „Danke!“
„Aber wie bist du diesen Fischmenschen überhaupt in die Falle gegangen?“
„Also naja…das war ein blöder Zufall. Ich bin da so lang geschwommen…plötzlich war ich in einem Netz… zusammen mit einigen Fischen.“
„Du bist in keine gezielte Falle getreten? Einfach nur achtlos in ein normales Netz geschwommen?“, fasste ich zusammen und verlor wieder die Beherrschung. Laut lachend lehnte ich mich an die Höhlenwand. Schön mochte sie sein, diese Unterwasserwelt. Aber ihre Einwohner waren von unfassbar geringem Intellekt – und man muss zugeben, dass ich weit davon entfernt bin, ein Gelehrter zu sein.
Weiterhin berichtete Sahi, dass Niemand Tamara jemals gesehen hatte. Unsere Vermutung erhärtete sich, dass sie schlicht ein Märchen war, das man kleinen Unterwasserkindern erzählte, um sie zu erschrecken.
Ich ließ nun meinen Blick durch die Höhle schweifen. Die Naivität der Fischmenschen drückte sich ein weiteres Mal deutlich aus: keine Wache war hier, lediglich Nuwas, der auch noch unbewaffnet. Es wäre ein Leichtes, ihm das Fischmaul abzuschlagen und Sahi einfach mitzunehmen.
Leana versuchte jedoch die deutlich nettere Variante und begann zu handeln. Das Versprechen von großer Macht, die sich Nuwas mit zwei Edelsteinen würde kaufen können, ließen seine Augen glitzern. Aber es schien ihm noch nicht genug und ich gab ihm zwei Hände voll Silbermünzen, die wir in dem Wrack entdeckt hatten. Dieser insgesamt lachhafte Preis genügte dem Ältesten, um uns den Prinzen zu übergeben.
Am folgenden Tag erreichten wir dank Elradirs Führung die Festung der Meeresmenschen. Rasch waren wir von einem Dutzend umzingelt, ein jeder richtete einen Dreizack auf uns. Allerdings war die Anwesenheit Sahis schnell bemerkt und umgehend wurden wir zu König Kirl geführt.
Deutlich erleichtert schloss er seinen (zwar äußerst bescheuerten, aber einzigen) Sohn in die Arme.
„Ich war fast durchgedreht! Vielen Dank, dass ihr mir meinen Erben wiedergebracht habt.“
„Damit wird nun Frieden herrschen, oder?“
„Aber…was soll meine Armee machen? Ich habe jetzt hunderte ausgerüstet, die müssen sich doch beweisen!“
Die folgenden Tage verbrachten wir damit, dem König diese Idee auszutreiben. Dann trommelten wir Kirl, Nuwas und Felandor zusammen. Letzterer hatte nun die Krone auf dem Haupt; er schien „unheimlich“ traurig darüber zu sein, dass sein Herrscher doch noch verstorben war…
Mit den drei handelten wir eine Gemeinschaft der Unterwasservölker aus, welche nun alle Waren an die Oberfläche schickten. Durch diesen neuen Bund hofften wir, den Krieg ein für alle Mal aus diesen Gefilden zu verbannen. Schlussendlich errichteten die bis jetzt gottlosen Völker an der Stelle des Austauschs einen gewaltigen Tempel zu Ehren Ischkurs – der Gott, der sie vor ihrer Auslöschung bewahrt hatte.
Zufrieden mit unserer Arbeit kehrten wir mit dem neuen Vertrag an die Oberfläche zurück. Schnell waren wir in Ministry, wo wir Belohnung und Lob für unser geschicktes Vorgehen erhielten.
Damit endete unser zweites Abenteuer als die „Streiter Ischkurs“. Einige Tage verblieben wir bei den Magiern der Stadt, um zu lernen – dann ging es jedoch weiter, in neue Gefilde!

Eine verkorkste Ehe und die Flamme des Nordens

Das Ende unserer Lernzeit in Ministry kam und zu dieser Zeit fanden die Magier in ihren Fremdenchroniken die Person zu welcher der Siegelring aus dem versunkenen Schiff gehörte. Es war Walwar MacBeorn aus Haelgarde. Es handelte sich bei ihm um einen Adeligen, welcher in vielen Ländern Midgards unterwegs war und sich selten scheute, Investitionen einzugehen, um Gewinn zu machen. Sein Gold steckte er unter anderem in verschiedene Gasthäuser in Alba, welche alle den Namen „Zur Goldenen Henne“ trugen. Er versuche damit etwas aufzubauen, was die Magier mir gegenüber als „Kette“ beschrieben. So ganz folgen konnte ich diesem wirtschaftswissenschaftlichen Firlefanz aber nicht.
Feststand jedoch, dass man mit dem Siegelring wohl einigen Schabernack treiben könnte und dieser Adelige sicherlich froh war, wenn man ihm diesen wiederbrachte. Daher begannen wir mit der Planung einer Reise in dieses Alba auf der anderen Seite des Meeres.
Zunächst verkauften wir unsere Ponys, da wir ihnen eine Schiffsreise nicht zumuten wollten. Außerdem schien meines bereits etwas „gebraucht“ angesichts der Lasten, die ich ihm zugemutet hatte.
Anschließend gingen wir zuversichtlich zur Hafenbehörde, um ein Schiff zu finden, was uns nach Alba bringen würde. Jedoch gerieten wir bald in eine gruppeninterne Diskussion, wie wir vorgehen wollten. Ixcalotl wollte stumpf den verlangten Preis von zweihundert Gold pro Person annehmen, da er sich irgendwie mehr Gold bei unserer letzten Unternehmung erarbeitet als wir. Nun war Leana jedoch auf Grund ihrer Ausgaben während der Lernzeit vergleichsweise arm geworden und konnte die Bezahlung nicht aufbringen.
Nachdem wir diese erste Feststellung gemacht hatten, fragte ich den etwas irritierten Verwalter nach einer billigeren Überfahrt. Es stellte sich jedoch heraus, dass kein Kapitän einen geringeren Preis verlangte – zumindest im Rahmen der Schiffsklassen mit denen man auch mehrere hundert Meilen über das Meer segeln wollte.
„Nun gut. Jungs, wer kann mir die Überfahrt zahlen?“, fragte Leana.
„Eigentlich habe ich dich ja schon in den vergangenen Wochen reichlich unterstützt…“, musste ich zunächst feststellen.
„Ich bezahle dir die Überfahrt sicher nicht!“, kam es unwirsch von Ixcalotl, der dabei seinen prall gefüllten Goldsack hinter dem Rücken zu verstecken suchte.
So ging es noch kurz hin und her und schließlich bezahlte ich die Überfahrt für Leana und mich, wonach ich schließlich fast weniger Gold als sie hatte und nahezu mittellos war. Währenddessen war Ixcalotl mehr als zufrieden mit sich und gab großzügig fünfzig Goldstücke an unsere Schamanin ab. So richtig warm würde ich mit dem Nahuatlani nicht werden…
Zumindest der Hafenverwalter war am Ende glücklich – dass wir endlich gingen und er sich um die Schlange kümmern konnte, die sich hinter uns gebildet hatte.
Bei dem Schiff handelte es sich um die „Wellenreiter“, einem stolzen Dreimaster mit großer Besatzung und reichlich Platz an Bord, sodass jeder eine eigene Kabine erhielt.
Zu Beginn der Reise und fortan an jedem Tag betete ich zu Ischkur, dass er uns eine sichere Überfahrt bescheren möge. Ixcalotl begann sich die Zeit mit Trommelspiel zu vertreiben, während Leana ankündigte Querflöte spielen zu wollen, um die Matrosen zu motivieren. Zugegebenermaßen etwas der Jugend verhangen konnten der Zollbeamte und ich uns nicht ein kleines, schäbiges Grinsen verkneifen. Etwas erbost griff die Schamanin zu ihrem Musikinstrument und ignorierte uns erst einmal.
Die Tage vergingen zunächst ruhig und sanft glitten wir unserem Ziel entgegen. Der achte Tag brachte jedoch eine überraschende Wendung, als sich zwei schnelle, aber kleine Segler links und rechts neben uns in Stellung brachten. Die johlende und mit Schwertern fuchtelnde Besatzung machte schnell deutlich, dass es sich hierbei um Seeräuber handelte.
Lediglich zehn Matrosen waren wirklich waffenfähig und das auch scheinbar nicht sonderlich sicher, wie sie sich verzweifelt an ihre Säbel klammerten. Wir waren allerdings zuversichtlich, diesen Mangel ausgleichen zu können und bereiteten uns auf den Kampf vor. Intensiv betete ich zu Ischkur und spürte wie mich seine göttliche Macht durchflutete. Unglaubliche Kraft floss durch meinen Körper und ich fühlte mich stark wie noch nie in meinem Leben. Für alle Umstehenden wurde die Gnade meines Gottes durch das sanfte, goldene Leuchten meiner Kettenrüstung sichtbar.
Fest packte ich meine Axt und erwartete mit Leana auf Backbord die Piraten, während Ixcalotl sich Steuerbord zuwandte.
Dann sprangen die Piraten zu uns hinüber, lediglich sechs an der Zahl. Sie kamen wohl aus allen Teilen der Welt und sahen ziemlich verwildert aus. Ischkurs gerechte Strafe würde sie nun ereilen!
Leana und mir wandte sich ein Mann zu, der wohl aus der tegarischen Steppe stammen mochte, den Gesichtszügen nach zu urteilen. Sein Enterbeil in der Hand ging er entschlossen auf uns zu.
Ich empfing ihn mit einem mächtigen Hieb gegen den linken Arm. Meine Geschwindigkeit verblüffte den Angreifer, sodass seine Ausweichbewegung lediglich verhinderte, dass er sein Gliedmaß gänzlich verlor. Doch sein Zorn anschließend war groß und er deckte mich mit einigen Schlägen ein, dass es mir bei einer Parade schließlich die Axt aus der Hand hieb. Mich hinter meinem Schild schützend griff ich schnell nach der Waffe. Der Mann hatte sich kurz sicher gefühlt und wollte Leana attackieren, da spaltete meine Axt seinen Schädel. Die Schamanin war sichtlich froh, denn eigentlich hielt sie sich aus den Kämpfen lieber zurück, soweit dies möglich war.
Nun konnte ich mich kurz orientieren und erblickte einen weiteren toten Piraten, welcher jedoch zwei Matrosen mit sich gerissen hatte. Bei Ixcalotl sah es auch nicht besonders gut aus, seine Bewegungen wirkten bereits lahm und kraftlos, während sein Gegner, nur einmal getroffen, agil um ihn herumtänzelte. Dann trat ein weiterer hinzu und in Zusammenarbeit wollten sie den Zöllner niedermachen.
Leana und ich brauchten uns gar nicht abzusprechen und eilten dem Begleiter direkt zur Hilfe.
Während die Schamanin alles tat, um die Aufmerksamkeit von dem in Bedrängnis geratenen Nahuatlani abzulenken, zerschmetterte Ischkurs Macht mittels meiner Axt den Schädel eines weiteren Piraten. Im Hintergrund stach ein anderer wieder einen Matrosen ab, woraufhin sich dessen Freund auf ihn warf. Jeweils durchbohrt von ihren Waffen rollten sie sich ineinander verschlungen auf den Planken, bis beide tot liegen blieben.
Nun wandte ich mich dem dritten Seeräuber zu, der gerade Ixcalotl zu Boden zwang. Der hatte gesehen, was ich mit seinen Begleitern angestellt hatte und zögerte wohl kurz, ob er sich ergeben sollte. Dummerweise entschied er sich für einen schwächlichen Versuch, mich anzugreifen. Mit einem Hieb schlug ich ihm den Säbel aus den Händen und mit dem nächsten öffnete ich seine Bauchdecke, dass die Gedärme geräuschvoll auf dem Boden prallten. Einen Moment lang vermochte der wohl aus Süden kommende Mann auf dieses Grauen zu starren, dann fiel er rücklings von der Reling.
Der letzte Angreifer näherte sich uns nun. Seine Lage war aussichtslos, doch er wollte wohl verzweifelt Rache für seine Begleiter üben. Er schien ein äußerst fähiger Kämpfer, denn er focht mit zwei Säbeln zugleich und in einer mir fremden Sprache brüllte er uns bitterliche Flüche zu.
Zur Antwort versetzte ich ihm erst einmal einen ordentlichen Treffer, der ihn fast aus den Stiefeln warf. Der Anführer der Piraten erzitterte sichtlich vor Ischkurs Macht und traute sich gar nicht erst, mich noch zu attackieren. Stattdessen versuchte er sein Glück bei Leana, um überhaupt jemanden mitzunehmen. Doch die Schamanin tänzelte ihm geschickt aus, sodass er sich beim Ausfall die Blöße gab. Mit einem wuchtigen Hieb sprengte ich seinen Brustkorb und sofort tot sackte der Pirat zu Boden.
Damit waren die Angreifer besiegt – Ischkur hatte seinen Zorn schrecklich wüten lassen. Es erfüllte mich mit Ehrfurcht, dass mein Gott mir solche Kraft verliehen hatte und ich ging direkt auf die Knie und betete.
Währenddessen kümmerte sich Leana um den Zöllner und die Matrosen schmissen die Leichen über Bord. Die beiden Piratenschiffe waren längst verschwunden, zu arg hatten sie Blut spritzen und Gedärme fliegen sehen.
Zwölf Tage später erreichten wir endlich Haelgarde, die große Handelsstadt in Alba. Unsere Zeit an Bord hatte gereicht, um uns rudimentäre Brocken Albisch anzueignen bzw. Leana hatte sogar einiges Geschick in dieser Sprache erlangt und sprach beinahe fließend.
Die „Goldene Henne“ lag in Sichtweite des Hafens, sodass wir unser Reiseziel schnell gefunden hatten.
Es handelte sich um ein vergleichsweise durchschnittliches Gasthaus, was zum Zeitpunkt unserer Ankunft aber recht gut besucht war. Hier schlug Lage wohl Qualität. Und, wie sich nach einem Gespräch mit dem Wirt herausstellte, dies galt besonders für den Preis.
„Grüße, Wirt. Wie viel kosten Zimmer hier für die Nacht?“
„Gruß euch, mein Name ist David und ein Einzelzimmer hier kostet zehn Goldstücke für die Übernachtung.“
„Mit Essen?“
„Natürlich ohne!“
Da klappte uns spontan die Kinnlade herunter. Wir begnügten uns vorerst mit einem Abendessen und beschlossen auf Walwar zu warten, welcher, so David, heute noch kommen wollte, um den Gewinn des Hauses abzuholen. Das dürfte bei der Wegelagerei ja eine Menge sein.
Nach und nach zogen die Gäste von dannen. Tatsächlich schien es mir, dass nur die wenigsten die überteuerten Kosten für die Übernachtung auf sich nahmen. Aber wenn es diesem David bzw. Walwar lukrativ vorkam…
Schließlich trat jemand ein, der direkt unsere Aufmerksamkeit erregte. Er war ziemlich groß, selbst Ixcalotl musste er um einen Kopf überragen. Dazu trug er einen teuren Pelzmantel sowie einen dieser merkwürdigen Röcke, dessen grelle Farben und bizarren Muster sicher im Dunkeln leuchteten.
Zielstrebig ging er in den hinteren Bereich der Wirtschaft, wo er wohl seine Investitionsgeschäfte abwickelte, denn mit Sicherheit war diese auffällige Gestalt Walwar MacBeorn. Das bestätigte auch David, der dafür kurz zu uns hinüberhuschte. Leana bat ihn, den Adeligen nach Abschluss der Geschäfte zu ihnen zu schicken.
Kurze Zeit später kam der Mann auch und er machte einen zufriedenen Eindruck, die Geschäfte liefen wohl besser, als ich das eingeschätzt hatte. Leana eröffnete das Gespräch, immerhin sprach sie am besten Albisch.
„Seid gegrüßt, Walwar MacBeorn. Meine Begleiter Abedi, Ixcalotl und ich, Leana, haben vor einigen Wochen einen Siegelring gefunden, welchen die Magiergilde von Ministry als den Euren identifizierte. Es erschien uns als das einzig richtige, ihn Euch zu überbringen, bevor jemand Unheil anrichtet.“
Diesen Worten ließ ich Taten folgen und übergab Walwar den Ring. Dieser musterte ihn kurz, aber ohne wirkliche Begeisterung. Dennoch wandte er sich anschließend mit breitem Lächeln wieder Leana zu.
„Vielen Dank für diesen Fund. Sagt, schöne Frau, wo habt Ihr den Ring gefunden?“
„Wir fanden ihn in einem auf Riff gelaufenem Schiff.“
„Hm, ja. Das kann durchaus sein, vielleicht wurde er mir gestohlen. Es ist sehr schön, dass Ihr mir den Ring gebracht habt. Hier, euer Schaden soll es nicht sein!“
Dabei schob er jedem von uns ein kleines Säckchen Gold rüber, ohne Ixcalotl und mich eines Blickes zu würdigen. Ich brauchte nicht einmal hineinzuschauen, um zu wissen, dass das nicht einmal die Reise hierher wieder wettmachte. Auch Leana schien zu merken, dass wir hier übertrumpft wurden.
„Walwar, würdet Ihr uns einige Zeit eine Wohnung in der „Goldenen Henne“ bezahlen?“, begann sie die weitere Verhandlung.
„Nun, Ihr dürft gerne in meinem Haus nächtigen, Leana. Ich besitze ein äußerst prächtiges Anwesen in der Stadt, genug Platz für uns zwei.“
„Und meine Freunde?“
„Die finden doch sicher was, sind doch gestandene Abenteurer.“ Der süffisante Ton brachte mich fast dazu, mich zu vergessen, doch ich beherrschte mich. Jähzorn war keine der Tugenden, die Ischkur von den Menschen forderte.
„Nun, es wäre mir deutlich lieber, wenn wir hier unterkommen könnten.“
„Aber sicher doch, Leana. Ich scherze lediglich“, darauf winkte Walwar David herbei. „Mein Freund, würdest du ein Doppelzimmer für die Dame und mich bereit machen. Ihre Begleiter beziehen Betten im Gemeinschaftsraum.“
Der Wirt nickte geflissentlich und wollte schon davonwuseln, da hielt Leana ihn auf.
„Ich hätte gerne ein Einzelzimmer. Und meine Gefährten jeweils auch eines.“
Walwar lächelte verschmitzt. „Nun, Abedi und Ixcalotl sollen ihre Einzelzimmer meinetwegen bekommen. Und wenn du es kuschlig magst, nehmen wir uns eben…“
„Ich schlafe alleine!“ Und Leana sah wirklich nicht mehr so aus, dass sie zu Scherzen aufgelegt war. Ich musste daran denken, wie sie im Kampf in Raserei verfiel und der Gedanke, dass sie Walwar die Augen auskratzte, belustigte mich zugegebenermaßen ein wenig.
Walwar gab sich mit dem Korb zufrieden, veranlasste alles dementsprechend und ging dann hinaus. Erleichtert seufzte ich auf.
„Dieses Alba geht mir ziemlich…“, begann ich auf Tegarisch, da setzte sich wieder jemand zu uns an den Tisch. Allerdings war diesmal der Anblick etwas angenehmer.
Eine umwerfend schöne Frau setzte sich zu uns, wenngleich sie bereits etwas älter als wir war. In ihren Händen trug sie vier Bierkrüge, die sie uns großzügig hinstellte.
„Hallo Reisende, mein Name ist Sylvana“, hauchte sie mehr, als das sie es sagte, und strich sich über das eng anliegende Kleid, welches ihre ansprechenden Kurven deutlich betonte. „Ich bin die Frau Davids und immer sehr neugierig, was Menschen aus fernen Ländern zu erzählen haben.“ Ihre Worte unterstrich sie mit einem aufreizenden Augenaufschlag.
Dem Bier folgte Schnaps, welchen ich dankend an Leana weitergab. Eine Runde jagte die nächste und der Zöllner und die Schamanin kamen richtig in Erzähllaune. Etwas distanziert betrachtete ich das Schauspiel der immer röter werdenden Köpfe, die immer geschwollenere Zungen beinhalteten. Gegen Ende des Abends wurde ich aus dem Geschwätz nicht mehr wirklich schlau, allerdings hatte die Zahl der Gläser auch längst das überschritten, was ich zu zählen im Stande war.
Etwas misstrauisch war ich dieser Sylvana gegenüber schon. Aber trotz der Tatsache, dass ich kein guter Menschenkenner war, schien es mir, dass diese Frau nur eines wollte. Und ihre entsprechenden Offerten wurden immer deutlicher. Sie schien auch nicht abgeneigt mit Ixcalotl und Leana…
Meine abschweifenden Gedanken wurden jäh unterbrochen, als plötzlich Ixcalotl laut anfing zu beten! Bis jetzt hatte ich gar nicht wirklich mitbekommen, dass es sich bei dem Zöllner um einen gläubigen Mann handelte. Irgendetwas lallte er von einem „Iggiballa“, schrie plötzlich vor Freude auf und ein Ruck schien durch seinen Körper zu fahren. Das musste spätestens das Zeichen sein, endlich schlafen zu gehen. Bevor der Nahuatlani anfing Amok zu laufen…
David schien meine Gedanken lesen zu können und kam hinüber. Er machte einen säuerlichen Eindruck, kein Wunder, versuchte seine Frau ihn offensichtlich vor seinen Augen mit dahergelaufenen Fremden zu betrügen.
„Ich denke, es wird nun Zeit, dass ihr zu Bett geht. Es ist schon spät und morgen muss ich wieder früh aufmachen…“ Es war ein deutlicher Befehl.
„Isch will aber noch nisch geh…*hicks*… möschde noch bisschi mit meinen neuen Freunden f-f-feiern!“, begehrte Sylvana auf. Als sie aufstand um sich gegen Davids sanften Druck zu wehren, kippte sie prompt gegen ihn.
Nun sprang auch Leana auf. „Aba willisch! Isch denge, wi sin al jenuch um *hicks*… äh… su mache… *hicks*…“. Wir werden nie erfahren, was sie eigentlich sagen wollte, denn sie rutschte aus und war eingeschlafen ehe sie den Boden berührte.
Ixcalotl verhalf sein göttlicher Zorn immerhin dazu, nicht einzuschlafen. Allerdings gelangte er nur krabbelnd die Treppe hoch. Alles andere wäre bei seiner Balance auch selbstmörderisch gewesen!
Leana trug ich in ihr Zimmer, dann ging ich in meins und schlief beruhigt ein, dass sich meine Freunde nicht an einem Ehebruch beteiligten.
Doch der Friede währte kurz. Gerade war ich eingeschlafen, da ertönte bereits ein Hilfeschrei. „Sylvana! Sylvana!“ Es war eindeutig David, der da rief.
Mein Kampfinstinkt war geweckt und ich sprang blitzschnell aus dem Bett. Im Vorbeigehen griff ich meine Axt und den Schild – eine Sache der Gewohnheit, wenn es mich nachts aus dem Bett riss.
Die Rufe kamen aus dem Schlafzimmer des Wirts, wo er ratlos herumstand und immer wieder laut den Namen seiner Frau rief. Das Fenster war geöffnet, es gab keinerlei Spuren von einem Kampf.
„Was geschehen?“, fragte ich in meinem gebrochenen Albisch.
„Meine Frau wurde entführt! Seht, das Fenster steht offen und sie ist weg!“
Da ich keine Spuren einer gewaltsamen Entführung sah und an die Trunkenheit der Dame denken musste, kam mir jedoch ein anderer Gedanke: „Frau durch Fenster um machen Feier?“
„Nein, sowas hat sie doch noch nie gemacht! Meine Sylvana doch nicht.“
„Aber Frau heute sehr voll mit Bier. Sie nicht wollen schlafen. Sollten warten, morgen sie wieder da.“
Ich konnte mir bei bestem Willen nicht vorstellen, dass eine betrunkene und offensichtlich sehr lüsterne Frau einfach von ihrem Mann ins Bett geschickt werden konnte. David schien sich zu beruhigen.
„Na gut. Wir sollten wirklich eine Nacht darüber schlafen. Morgen ist sie bestimmt wieder da…“
So gingen wir wieder zu Bett, die Schnapsdrosseln, welche meine Gefährten darstellten, waren nicht erst aufgestanden.
Am nächsten Morgen stellte ich meinen Irrtum fest. Sylvana war nicht wiedergekehrt, doch diesmal war es David, welcher ziemlich ruhig war. „Warten wir noch bis zum Mittag!“
Die Zeit nutzte ich, um das Zimmer des Wirts sowie die Stelle draußen unter dem Fenster zu untersuchen. Die Nachbarn, welche mit mir sprechen wollten, hatten die Nacht ebenfalls nichts gesehen und nichts gehört. Leana und Ixcalotl tranken während dieser Zeit viel Wasser, um die Alkoholdämonen aus ihrem Körper zu schwämmen. Ganz helfen wollte es aber nicht und als die Sonne ihren Höhepunkt erreichte, machten sie immer noch einen äußerst lädierten Eindruck.
David kam zu uns, sichtlich besorgt, aber da war noch etwas anderes. Irgendetwas an seinem Verhalten war schon die ganze Zeit seltsam gewesen…
„Nun, meine Freunde… ich muss etwas gestehen. Ich habe Sylvana entführen lassen.“
Wir staunten nicht schlecht, ließen den Wirt aber weiter sprechen.
„Ich war es leid, dass sie immer wieder fremde Männer angegraben hat. Ich wollte ihr einen Denkzettel verpassen, doch der Entführer und ich hatten ausgemacht, dass er sie heute Morgen wiederbringt. Aber es gab keine Nachricht von ihm. Was soll ich denn nun tun?!“
Zunächst musste ich dem Verlangen nachgeben und sagen: „Du sein dumm. Nicht gedacht an andere Wege? Wie sprechen?“
„Ich gebe zu, ich habe Mist gebaut. Aber bitte helft mir, meine Sylvana wiederzufinden!“
„Wie heißt denn der Entführer?“, fragte nun Leana.
„Sein Name ist Flynn. Flynn MacGungbang aus dem Elendsviertel.“
Im Folgenden erklärte er uns den Weg zum dem „Geschäft“ des Verbrechers. So war die ganze Sache natürlich ziemlich einfach, wenngleich wir immer noch zwei Stunden brauchten, bis wir uns durch Haelgarde durchgekämpft hatten und zwischen den dahinrottenden und allgemein sehr baufälligen Häusern des Elendviertels standen.
Flynn selbst war „stolzer“ Besitzer eines Bretterverschlages, welches sich Gebäude schimpfte. Zunächst wollten wir sicher gehen, dass wir richtig waren und klopften an.
Ein Mann öffnete uns. Fettige Strähnen seines blonden Haares hingen ihm ins Gesicht, welches ebenfalls keinen sonderlich gepflegten Eindruck machte. Beim Sprechen offenbarte er lückenhafte, gelbe Zahnreihen, aus denen unangenehmer Gestank quoll. Wer würde ihm nicht vertrauen?!
„Hallo, wer seid ihr und was wollt ihr?“
„Seid Ihr Flynn MacGungbang?“
„Ja, der bin ich“, und er reckte sein Kinn stolz empor.
„Nun denn, wir suchen Sylvana…“
„Ah ja!“, der Mann schien direkt zu verstehen. „Sie ist unten, aber gerade noch mit drei anderen beschäftigt. Ihr könnt später wiederkommen, um ihre Dienste in Anspruch zu nehmen. Sie ist gut…aber ich warne euch vor, sie ist auch sehr teuer! Also bringt nachher lieber prall gefüllte Goldsäcke mit.“
Ich musste mich beherrschen, um dieser widerlichen Kreatur nicht hier und jetzt den Schädel zu spalten. Aber ein Überraschungsangriff wäre womöglich die bessere Lösung und so blieb ich ruhig, als Leana sagte: „Wir sehen uns dann später.“
Flynn nickte und zog die Tür zu. Wir drei gingen in eine Seitengasse und begannen direkt uns vorzubereiten.
Dann drangen wir in das Haus ein. Im Erdgeschoss befand sie nichts weiter, als ein paar dreckige Liegen, nichts von Interesse. Einen Aufbau gab es nicht, so konnten wir direkt in den Keller vordringen.
Aber wir wurden bereits erwartet!
Flynn stand mit drei Kumpanen bereit, aber von Sylvana war nichts zu sehen. Der scheinbare Anführer dieser Bande spie aus und schmetterte uns entgegen: „Ihr Narren. Das Elendsviertel ist mein Gebiet. Denkt nicht, ich hätte nicht längst gewusst, dass ihr kommt. Nun werdet ihr drin sterben, denn Sylvana gebe ich nie mehr her!“
Dann stürmten wir aufeinander zu und ein wildes Hauen und Stechen setzte ein. Leana und Ixcalotl gingen jeweils in Zweikämpfe, während ich mich neben einem Handlanger auch mit Flynn herumschlagen musste.
Wir schlugen uns durch den gesamten Keller, wo allerlei Unrat herumlag. Ich verlor den Überblick, was meine Gefährten taten, denn meine Kontrahenten schienen ein eingespieltes Paar zu sein und deckten mich mit etlichen Angriffen ein. Schließlich stolperte ich über herumliegende Lumpen! Am Boden liegend schützte mich nur mein Schild vor den wilden Hieben meiner Feinde, doch er sollte mir lange genug Schutz geboten haben. Unter dem Axthieb von Flynns Handlanger spaltete er sich mittig auf. Unbrauchbar geworden, schleuderte ich ihm diesen Rest ins Gesicht und sprang auf.
Flynn war nun einen Moment alleine mit mir und ich konnte sein Unbehagen direkt spüren. Im Vertrauen auf Ischkur ließ ich meine Deckung offen und schlug wie wild auf ihn ein. Ein Treffer gegen das Bein ließ mich hinken, doch mein Gott bewahrte mich vor Schlimmeren. Ebenso ein Hieb gegen den Arm, welcher nahezu wirkungslos abglitt. Dann waren Flynns Kräfte erschöpft und mit einem ordentlichen Schwinger meiner Axt hieb ich seinen rechten Arm nahezu ab, mit dem nächsten schickte ich ihn zu Boden.
Sein Untergebener oder was auch immer er für eine Rolle spielte, schritt nun wieder auf mich zu – doch auch seine Arme waren mittlerweile erlahmt und es war mir ein Leichtes diesen schwerfälligen Aktionen auszuweichen. Schließlich riss ich ruckartig meine Axt empor und zerfetzte die Kehle des Unholds. Fassungslos strich der sich mit der Linken über die klaffende Wunde, versuchte etwas zu sagen. Doch nur Blut strömte aus seinem Mund und im nächsten Moment sackte er zu Boden.
Einen Moment der Ruhe gönnte ich mir und atmete tief ein. Bereits war mir klar, dass ich ohne Ischkurs Hilfe nicht mehr stehen würde. Doch leider schützte mein Gott nur die wahrhaft Gläubigen, wie ich sah. Ixcalotl wurde soeben am Kopf getroffen und sank mit einer üblen Platzwunde gegen die Wand. Schwächlich reckte er sein Schlachtbeil ein weiteres Mal seinem Gegner entgegen, welcher es ihm nur lachend aus der Hand schlug. Doch den Todesstoß wollte er noch nicht setzen, stattdessen lief er zu seinem Mitstreiter, welcher mit Leana rang. Was der Schamanin an Kraft fehlte, machte sie durch Wildheit wett. Sie erglühte in einem Zorn, wie ihn sonst nur Mütter bei der Verteidigung ihrer Jungen in sich trugen.
Sofort eilte ich der Moravin zur Hilfe und erwischte den ursprünglichen Gegner Ixcalotls auf dem falschen Fuß. Kaum hatte er mich wahrgenommen, da traf ihn bereits der erste Streich in die Kniekehle. Es riss ihn zu Boden und ehe er sich neu orientiert hatte, verteilte meine Axt seinen Schädelinhalt auf dem Stein.
Nun gingen Leana und ich gemeinsam gegen den letzten von Flynns Handlangern vor. Die Flucht war ihm versperrt, so entfachte er in sich die Flamme der Verzweiflung und hieb stürmisch auf uns ein. Doch blinder Wut war selten die Hilfe des Kämpfers, denn er öffnete seine Flanke. Meine Axt grub sich tief unter seinen Rippen ein und erreichte die Körpermitte. Als ich sie herausriss spritzte das Blut nur so und der Mann hauchte sein Leben aus.
Unsere Schamanin half zunächst Ixcalotl auf die Beine, der ihr kurz dankte und sich dann zur Meditation in eine Ecke des Raumes zurückzog. Währenddessen überprüfte ich den Status unserer Feinde. Das Ergebnis war für unsere Zwecke perfekt. Die Handlanger waren tot und Flynn hatte noch ein wenig Leben in sich, sodass er uns würde verraten können, wo Sylvana war.
Zu diesem Zweck verarztete Leana ihn, aber ich fesselte ihn sogleich.
„Wo ist Sylvana?!“, leitete die Schamanin das Verhör ein.
„Ich werde nichts sagen, sie ist mein!“
Die Schamanin schlug ihm ins Gesicht. „Wo ist sie?“
„Ich sage euch nichts, hinterher werdet ihr mich töten!“
Leana blickte ich mich fragend an. Ich verstand und hieb dem Mann meinen Metallhandschuh ins Gesicht. „Du nicht in Lage zu handeln. Deine Freunde tot. Du auch wenn nicht sprechen.“
„Aber spätestens, wenn ich etwas sage, bin ich auch tot!“, jammerte der Entführer. Doch ich hatte keine Gnade mit ihm. In Urrutti waren Menschenhändler eine schlimme Plage und zerstörten viele Menschenleben. Einen solchen zu quälen, schien mir nur rechtens.
Aber man musste im Verhör auch andere Mittel als die Faust kennen.
„Wir dich nicht töten, wenn bringen uns zu Sylvana.“
„Ich kann euch den Weg beschreiben! Dann lasst ihr mich frei! Sonst kann ich mir nicht sicher sein.“
Nach dem nächsten Hieb mit der metallenen Faust verteilten sich einige seiner restlichen Zähne auf dem Boden.
„Du! Nicht freikommen! Wir dich geben Behörde, wenn Sylvana frei.“ Langsam weckte diese Kreatur meinen Zorn.
An die anderen gewandt, aber sehr wohl in Albisch, sagte ich: „Sollten schneiden sein Ding ab.“
Flynns Augen weiteten sich vor Angst, aber Leana schien diese Vorgehensweise ebenfalls zu hart zu sein. Nun übernahm sie wieder: „Also Flynn. Du führst uns zu Sylvana, dann liefern wir dich der Stadt aus, du bekommst einen Prozess. Andernfalls überlassen wir dich Abedi.“
Schließlich gab der Mann sich geschlagen und wir konnten los. Die Hände auf den Rücken gefesselt trieb ich Flynn vor mir her, was unsere Geschwindigkeit enorm senkte und uns einige entsetzte Blicke einbrachte. Doch wir waren auch im Elendsviertel und hier scherte sich keiner wirklich um solcherlei Dinge.
Unser Ziel offenbarte sich als matschiger und verwilderter Erdhügel. Es bereitete mir einige Schwierigkeiten, mich mit Flynn nach oben zu schleppen, doch schließlich erreichte ich meine vorgeeilten Gefährten. Der Entführer offenbarte uns einen Geheimeingang hinter einem riesigen Gebüsch.
Ein Gang führte hier spiralförmig nach unten. „Was für Höhle das, Flynn?“, fragte ich den Gefangenen unwirsch.
„Genau weiß ich es nicht. Ich habe sie vor einiger Zeit entdeckt und da keiner Anspruch erhoben hatte, ist sie nun mein.“
Meine Begleiter und ich tauschten zweifelnde Blicke aus und beschlossen extrem vorsichtig zu sein. Von dem Weg nach unten zweigten auf den folgenden Metern immer wieder Türen oder Gänge ab, doch unser erstes Ziel war Sylvana. Und tatsächlich: ohne Schwierigkeiten erreichten wir sie am Ende dieser Höhle, geschwächt und an die Wand gekettet. Doch ihr Gesicht hellte sich auf, als sie uns sah.
„Meine Freunde“, sagte sie mit schwacher, brüchiger Stimme. „Es ist so schön, dass ihr gekommen seid.“ Flynn schenkte sie nur einen hasserfüllten Blick.
Leana kümmerte sich um sie, dann konnten wir nach Haelgarde zurückkehren. Bevor wir Sylvana zurückbrachten, wollten wir jedoch erst den Entführer zur Stadtwache bringen. Allerdings entpuppte sich jene nahe des Elendsviertels als korrupt, denn sie würden Flynn nur als „Ehrenmann“ kennen.
Bei der nächsten Kaserne hatten wir mehr Glück, denn der Offizier war fest entschlossen, den Entführer zu verurteilen. Allerdings schien auch hier meine Empfehlung der Entmannung nicht gut anzukommen. Vielleicht sollte ich dieses urruttische Bestrafungsritual in meiner Heimat lassen…
Dann brachten wir Sylvana zu ihrem Mann zurück und noch ehe wir die Frau aufklären konnten, beichtete David seine Tat. Doch anstatt empört zu gehen, meinte Sylvana, sie würde einsehen, dass sie ihm manchmal Unrecht getan hatte und gelobte Besserung. Ungläubig sahen wir zu, wie die beiden sich gegenseitig verziehen, als wäre nichts gewesen. Diese Albai waren speziell. Sehr speziell. Und geizig.
David gab uns lediglich die Zusage, dass wir zwei Wochen kostenlos bei ihm in der „Goldenen Henne“ nächtigen dürften und verteilte an jeden zehn speziell behandelte Fladenbrote, welche extrem lange haltbar waren, so seine Aussage.
Wir beließen es dabei und kehrten zum Hügel zurück. Diesmal war ich es, der an den anderen beiden vorbeispurtete und still in mich hineinlächelte, während ich meinen Gefährten zusah, wie sie sich hochquälten.
Nun begannen wir mit der genauen Erkundung dieser Höhle und fanden zunächst linkerhand einen kleinen See, welcher äußerst einladend aussah. Das Wasser war klar und offenbarte keine Gefahren, doch Leana und ich blieben skeptisch. Zwar hatten wir bereits in der Tegarischen Steppe gute Erfahrungen mit heilendem Wasser gemacht, aber sicher konnte man sich da nicht wirklich sein. Aber zum Glück hatten wir Ixcalotl dabei, welcher zunächst seine Hand hineintunkte und nach einer kurzen Zeit wohlig grinsend komplett hineinstieg.
Seinem Beispiel folgend entkleideten wir uns auch und stiegen in den See. Das Wasser war angenehm warm und trieb jeden Schmerz aus unseren Muskeln. Nach kurzer Zeit und einigen Bahnen bemerkten wir, dass sich unsere Wunden geschlossen hatten und wir waren vollkommen erholt.
Verblüfft entstiegen wir dem See und rüsteten uns wieder aus. Solche Orte mussten wahrlich von Telipina gesegnet sein, dem Bruder Ischkurs und Spender des Lebens.
Zunächst fanden wir eine kleine Höhle, in der eine Bärenmutter und ihre Jungen schliefen. Wir entfernten uns schnell, ehe wir ihr Misstrauen heraufbeschworen.
Anschließend entdeckten wir eine Holztür, hinter der wohl ein weiterer Ausläufer dieses unterirdischen Systems versteckt war. Als wir kurz hineinlugten erspähten wir vier Skelette, welche zu einem Dasein als Untote wiedergekehrt waren und knarzend auf uns zugingen. Hastig knallten wir die Türen wieder zu und begannen uns für den Kampf vorzubereiten. Es würde mir eine Freude werden, diese Kreaturen der Finsternis aus dieser Welt zu verbannen. Leana und Ixcalotl schienen nicht minder entschlossen und nachdem Ischkur uns mehr oder weniger direkt allen seine Gunst gewährt hatte, stürmten wir den Raum, wo die Skelette bereits auf uns warteten.
Ich lockte direkt zwei zu mir, während Leana und Ixcalotl jeweils eines übernahmen. Die Waffen dieser einstigen Krieger waren zwar bereits rostig, doch das hinderte die Biester nicht daran, ordentlich auszuteilen. Lebende würden niemals dermaßen in die Offensive gehen und ich merkte rasch, dass ich diese Klappergestelle unterschätzt hatte. Von zwei Seiten attackierend drängten sie mich gegen die Wand.
Ixcalotl wurde ebenfalls von seinem Gegner durch den Raum getrieben. Es war erschütternd gegen etwas so ausdrucksloses und gleichzeitig Unheilverkündendes zu kämpfen, wie ein Skelett, dessen Schädel von einem Axthieb aus lang vergangener Zeit halb zertrümmert war.
Leana kämpfte wieder mit dem Mut einer Bärin, doch darüber hinaus vernachlässigte sie ihre Abwehr. Doch die tückische Intelligenz dieser Kreaturen reichte aus, um die Blöße zu erkennen und ein schneller Stich mit dem rostigen Langschwert fuhr der Schamanin einmal durch den Leib. Ein Aufschrei ertönte und sie sank zu Boden, auf dass Ixcalotl nun ebenfalls zwei Kontrahenten vor sich hatte.
Es drängte mich meinen Gefährten schnellstmöglich zur Hilfe zu eilen, doch noch hielt mich der Wall aus Knochen und Stahl auf. Immer wieder stießen sie durch, ich merkte, dass mein Schild mir fehlte. Meine Treffer hingegen glitten allzu oft am Knochen ab und zerschmetterten nur das, was diese Kreaturen nicht mehr brauchten. Doch Ischkurs Zorn gegenüber diesen Monstren war grenzenlos. Er zog meinen Arm weiter, obwohl die Muskeln längst unerträglich brannten, er ließ mich die Drehung vollführen, wo meine Beine versagen wollten. Und dann landete ich ihn, den Treffer gegen die Halswirbel. Ein Knirschen ging durch die Höhle und der Totenschädel knallte zu Boden. Die Knochen, eben noch von dem einen Gedanken erfüllt, mir das Leben zu entreißen, sackten kurz darauf nieder.
Dieser erste Erfolg erfüllte uns Streiter Ischkurs mit neuer Zuversicht, welche noch weiter verstärkt wurde als Leana wieder aufstand – mit Schaum vor dem Mund und wie wild auf die Feinde ansetzend.
Da fiel mein Blick auf Ixcalotl! Der Zöllner schien der Überzahl zu erliegen. Unerbittlich hieben sie auf ihn ein, trotz der gewaltigen Axt, die dieser Nahua vernichtend zu führen suchte. Schließlich landete er sogar einen Treffer und zerfetzte etliche Rippen seines Gegners – doch was scherte es diese Wesen? Ixcalotl zögerte zu lange, denn wo dieser Schlag Herz und Lunge eines Menschen in Stücke gerissen hätte, schien das Skelett nur grausig zu lachen… und hieb mit der Axt gegen den Hals des Zöllners. Der riss sein Beil nach oben und parierte gerade noch so, aber der Treffer warf ihn zurück, sodass das Schwert des anderen Skelettes beinahe seinen Schädel spaltete! Doch diesmal schien dem Nahua das Schicksal gewogen und mit einer gekonnten Rolle entwischte er auch diesem Hieb.
Ich hingegen verlor immer mehr Kraft an das verbliebene Monster vor mir, welches immer wieder meinen Angriffen auswich und selbst schwere Treffer setzte. Aber es gelang mir zumindest mit einem unerwarteten Tritt den Angreifer zurückzudrängen. Diesen Moment nutzte ich um einen Heiltrank zu mir zu nehmen, der meine Kräfte wiederbrachte.
Mit neuer Kraft erfüllt schmetterte ich nun auf die finstere Brut zu und nun war ich es, der die Oberhand hatte. Ein Hieb links, einer rechts, immer weiter trieb ich das Biest, was seine Waffe nicht schnell genug zu führen vermochte. Schließlich trennte ich den gesamten Arm ab und in einer fließenden Bewegung folgte der Kopf.
Leana stürzte sich währenddessen lebensverachtend auf eines der Skelette und wäre dabei beinahe von dessen Schwert aufgespießt worden. Aber das Schicksal schien ihr gewogen und nun wälzte sie sich mit der Bestie am Boden, bis sie schließlich einfach den Schädel packte und ihn immer wieder gegen einen Stein schmetterte. Es knackte, knirschte und schließlich zersprang der bis dahin intakte Kopf unter ihren Fingern.
Verblüfft sah ich zu ihr hinüber, dann zu Ixcalotl, welcher inzwischen auch durch einen Heiltrank neue Kräfte gewonnen hatte. Diese nutzte er für gewaltige Hiebe mit dem Schlachtbeil, die einen normalen Menschen vor Furcht hätten erzittern lassen. Dann war auch ihm Ischkur hold (wenngleich der Nahua ihn anders nannte) und er kappte die Wirbel in mittlerer Höhe. Der Oberkörper fiel zu Boden, doch das garstige Leben wollte nicht weichen. Emotionslos trat ich auf das kriechende Etwas zu und mit einem Hieb trennte ich den Schädel vom Hals.
Erleichtert atmeten wir auf, gingen zurück zum See und ließen dort unsere Wunden genesen. Außerdem gönnten wir uns einige Stunden der Meditation, um unsere Ruhe nach dem heftigen Kampf wieder zu finden.
Nun setzten wir unsere Erkundung fort, stellten jedoch fest, dass sich lediglich sechzig Goldstücke zwischen den Knochenhaufen befanden, welche wir gerecht aufteilten.
Als ich an der nächsten Tür lauschte vernahm ich ein wildes Flattern – genug um unser Misstrauen zu schüren. So bereiteten wir uns wieder einmal in aller Form auf den Kampf vor, dann rissen wir die Pforte auf. Bevor wir blinzeln konnten, schwärmten uns fast ein Dutzend Fledermäuse um die Ohren, fest entschlossen, unser Blut zu rauben.
Ixcalotl zögerte nicht lange, packte eines der Biester kurzerhand und ließ es seinen Händedruck spüren. Die Augen quollen rasch aus den Höhlen, da schmetterte der Nahua das Tier gegen den nächsten Felsen, wo es zerschellte.
Mit dieser Aktion begann der Kampf inmitten der schwarzen Flügelschar, die uns immer wieder zu beißen versuchte. Durch meine golden erstrahlende Rüstung konnten sie nicht einmal hindurchbeißen, dennoch waren sie extrem lästig. Ixcalotl erwischte dank der Größe seiner Axt immer mehrere zugleich und Leana war mit ihrem Dolch einfach wendiger, was deutlich besser geeignet war um diese Blutsauger aus der Luft zu stechen.
Es blieb jedoch das Ungeziefer was es war und bald hatten wir die Viecher abgeschlachtet, dass sich der Boden färbte. Besonders Leana letztes Kunststück war bemerkenswert, als sie dem Sturzflug ihres Gegners so geschickt ausgewichen war, dass dieser in die offene Klinge geflogen war.
In der einstigen Fledermauswohnhöhle fanden wir jede Menge Unrat, dessen Durchsuchung den Bruchstück eines großen Schwertes und einen Heiltrank zu Tage brachte. Dies war die letzte Kammer gewesen und ein wenig enttäuscht schlurften wir zurück zur Stadt. Mit dem wenigen Gold, das wir momentan unser eigen nannten, war eine Ausbildung nicht zu bezahlen.
Zumindest die Nacht war angenehm und am nächsten Morgen konnten wir ausgeruht das kostenlose Frühstück zu uns nehmen. Immerhin etwas…
Ein kurzer Fußmarsch brachte uns zur Magiergilde, wo wir das Bruchstück des Bihänders abgaben. Die reich verzierte Klinge war unsere letzte Hoffnung, das nötige Kleingeld zusammenzubringen.
Anschließend erstand ich auf dem Markt einen neuen Schild, zum Glück zu einem annehmbaren Preis. Dann betrachteten wir drei das schwarze Brett, auf dem verschiedene Aufträge angeboten wurden. Leana wies auf die Möglichkeit hin, als Boten zu arbeiten. Leider musste ich sie aufklären, dass diese unglaublich schlecht bezahlt wurden, sodass wir uns dieses Angebot aus dem Kopf schlugen. Ich liebäugelte ein wenig mit der Variante, Teil der Stadtwache zu werden. Zumindest für eine gewisse Zeit könnte man somit durch die Tage kommen und würde entsprechend ausgebildet werden.
Aber unsere Hoffnung ruhte auf dem Bruchstück des Schwertes und tatsächlich erwartete uns am folgenden Tag in der Magiergilde Haelgardes eine freudige Nachricht:
„Dieses Heft war womöglich einst Teil einer mächtigen, magischen Waffe aus dem hohen Norden, genauer: aus Waeland. Zumindest ist dies unsere Vermutung. Wärt ihr bereit, es an uns zu verkaufen?“
Wir berieten uns kurz, dann trat Leana mit ihrem besten Albisch hervor:
„Wir sind neugierig, ob dieses Gerücht stimmt und wollen eine Zusammenarbeit vorschlagen. Ixcalotl, Abedi und ich gehen nach Waeland und holen dort Informationen über das Schwert ein. Sofern es uns möglich ist, werden wir auch die fehlenden Bruchstücke mitbringen.“
Was folgte war eine harte Feilscherei, die so gar nicht nach meinem Geschmack war. Der Magier versuchte unablässig uns zu übervorteilen und rausrücken wollte er das gute Stück auch nicht. Schließlich konnten wir uns aber mit einer gewissen Härte meinerseits und Leanas Charme andererseits durchsetzen, dass wir 200 Goldstücke jetzt für die Reise erhielten sowie 1500, wenn wir innerhalb von einem Monat mit dem Bruchstück wiederkämen. Pro Person versteht sich.
Mit einem Abrieb des Schwerts und der Information, dass wir unsere Erkundung in Usegorm beginnen sollten, machten wir uns auf den Weg. Zuerst besorgten wir uns am Marktplatz warme Kleidung, denn Leana berichtete von einem kalten Land, wo fast ganzjährig Schnee lag. Dieses gefrorene Zeug hatte ich noch nie im Leben gesehen und war sehr neugierig, was uns erwarten würde.
7 Tage später (und wieder um einiges Gold leichter) erreichten wir schließlich per Schiff Waeland, mit einigen Brocken dieser Sprache im Gepäck und fest eingemummelt in unsere Pelzkleidung. Um meine Glatze zu schützen trug ich noch eine Wollmütze, die ich mir so tief ins Gesicht zog, wie es nur ging. Meine warme Heimat Urrutti war mir da deutlich lieber!
Es dauerte nicht lange, bis Leana einen ihrer Klasse gefunden hatte; einen Schamanen, welcher so etwas wie den „Seelsorger“ für die Waelinger hier gab.
Wir suchten diesen Mann namens Krakar in seiner hölzernen Kirche auf. Zunächst hielt er uns für Boten und brauchte nicht lange, um mitzuteilen, dass er unsere schlechte Bezahlung bedauere und gerne etwas Trinkgeld geben würde. Aber ehe Ixcalotl Ja sagen konnte, klärte Leana den Mann auf. Seine faltigen Gesichtszüge erhellten sich und hastig forderte er den Abrieb des Schwerts zu sehen.
Krakar bat uns, den nächsten Tag wiederzukommen, bis dahin wollte er die Inschrift übersetzen.
Wir taten wie uns geheißen und suchten ein Gasthaus auf, wo man lediglich ein Goldstück für die Nacht forderte. Zumindest waren die Waelinger nicht so wahnsinnig mit ihren Preisen wie die Albai…
Der nächste Morgen brachte Erleuchtung, denn Krakar hatte das Schwert als jenes erkannt, welches aus dem Geschlecht der Aeglirer kam, genauer aus deren Stammesführergeschlecht. Die Inschrift besagte: „Nur ein wahrer Krieger kann dieses Schwert führen!“.
So schickte er uns zu Asar, dem derzeitigen Anführer der Aeglirer. Dort nahm man uns recht freundlich auf, wenn man die bisherige Schroffheit der meisten Waelinger zum Vergleich nahm.
Wir wurden zu dem Häuptling geführt, dessen Augen glänzten, als er unsere Geschichte hörte. Er rief ein paar schnelle Worte, dann wurde die uns fehlende Hälfte des Schwertes herbeigebracht.
„Dies ist das Erbstück meiner Familie. Nur wir können es tragen – es gehört nach Usegorm! Ich biete euch 6000 Goldstücke, wenn ihr zurück nach Haelgarde reist und mir den fehlenden Teil der Waffe bringt. Vorausgesetzt natürlich, es ist die richtige!“
Diesmal bedurfte es keiner langen Beratung. Die Magiergilde hatte keinen guten Eindruck bei uns hinterlassen und Asar bot schlicht mehr. In unserer momentanen Situation war letzteres ausschlaggebend.
„Euer Entschluss freut mich. Nun denn, ich lasse eines meiner Schiffe bereitmachen. Es gilt keine Zeit zu verlieren!“
Und ehe wir uns versahen, standen wir am Ende dieses Abends auf einem der waeländischen Drachenboote und segelten zurück nach Alba.
Piraten brauchten wir keine zu fürchten, immerhin reisten etwa dreißig bis an die Zähne bewaffnete Waelinger mit uns.
Vier Tage brauchte es, bis wir Haelgarde wiedersahen, wo wir schnurstracks zur Magiergilde liefen. Unser Verhandlungspartner lächelte bereits herablassend, da er vermutete, wir kämen, um aufzugeben.
„Nein. Will Bruchstück zurück“, sagte ich kurzangebunden.
„Ihr…was? Das geht nicht. Es ist Eigentum der Magiergilde!“
„Du nur untersucht, es nicht deins. Geben zurück!“
„Aber das kostet…und außerdem euer Auftrag! Ich habe jedem von euch eine Vorauszahlung gegeben!“
„Kriegst Geld zurück“, und diesen Worten ließ ich Taten folgen. Es war nicht meine Absicht, den Mann zu prellen, aber das Schwert war in meinen Augen noch immer mein Besitz.
Die weitere Diskussion war zwar nicht langwierig, aber dennoch nervenaufreibend. Schließlich gab der Mann resigniert und wehklagend das Schwert zurück und wir drei konnten wieder zum Hafen zurückkehren. Gerade rechtzeitig, denn es hatte sich bereits ein ordentlicher Tumult gebildet und dutzende Stadtwachen standen bereit. Das Drachenschiff verursachte deutlich mehr Unbehagen, als wir angenommen hatten, doch eine Eskalation hatten die Männer Aeglirer zum Glück verhindert.
So konnten wir schnell und unbeschwert zurückreisen und Asar die zweite Hälfte der Waffe überbringen. Seine Augen schienen Feuer zu fangen, so freudig nahm er das Heft entgegen und eilte persönlich zum Schmied, der direkt mit der Arbeit begann.
In der Zwischenzeit gingen wir in seinem Auftrag zum örtlichen Gefängnis und nahmen im Einverständnis mit der Wache einen zum Tode Verurteilten mit, welcher an seine Freilassung glaubte und bereitwillig mitging.
Asar erwartete uns bereit und hielt in seinen Händen einen gewaltigen Bihänder, dessen Klinge leicht gezackt war und um die herum mächtige Flammen schlugen.
„Dies ist ‚Die Flamme des Nordens‘. Erblicket ihre Macht und verzweifelt!“, rief der Herr der Aeglirer aus und sprang mit einem gewaltigen Satz heran und zerteilte den Gefangenen vom Scheitel bis zwischen die Beine. Kein Blut spritzte, das Fleisch war direkt schwarz versengt. Lediglich der Geruch von verbranntem Menschenfleisch erfüllte die Luft und Asar begann, beinahe wahnsinnig klingend, zu lachen.
„Bringt diesen Menschen ihre Belohnung. Sie sollen meine Gäste sein, solange wie sie wollen. Denn sie brachten mir mein Erbe. Nun bin ich der mächtigste Mann Waelands und die anderen Stämme werden schon bald diese Klinge zu spüren bekommen!“
Wir betrachteten noch, wie einige seiner Berater herantraten und zu etwas mehr Umsicht rieten, dann entfernten wir uns.
Die Streiter Ischkurs verbrachten nun einige Monate in Waeland und lernten bei Asars besten Kriegern (und Leana zusätzlich noch bei Krakar).
Doch auch hier kam der Tag, da es uns nach neuen Abenteuern dürstete und wir uns auf den Weg ins nächste Abenteuer machten…

Das Labyrinth von Thalassa

Zum Ende unserer Lernzeit in Usegorm waren wir drei – oder zumindest Ixcalotl und ich – uns sicher, dass wir Waeland verlassen wollten (insbesondere wegen des nahenden Winters) und nahmen daher einen Sprachkurs bei Krakar in Vallinga. Der Huatlani war dieser Sprache allerdings bereits mächtig, sodass er sich für Chryseiisch entschied, er schien da bereits so ein Gefühl zu haben…
Während dieser Wochen intensiven Sprachtrainings hörten wir immer wieder von einem Mann namens Tarukas, welcher herumlief und jedem, der es hören wollte, von einem mysteriösen Labyrinth erzählte. Unsere Aufmerksamkeit war geweckt und zielstrebig wanderten wir durch die Kneipen Usegorms, bis wir diesen Geschichtenerzähler fanden.
„Ja, ihr liegt richtig, ich bin Tarukas der Erzähler. Wer seid Ihr?“
„Wir sind die Streiter Ischkurs, Sieger des…“, weiter kam ich nicht, denn ein fieser, kleiner Ellbogen bohrte sich zwischen Rippen und Hüfte.
Die Schamanin und Besitzerin eines äußerst spitzen Armgelenks setzte das Gespräch dann fort: „Wir sind eine Gruppe Abenteurer; Abedi, Ixcalotl und ich, Leana. Uns wurde berichtet, Ihr kennt die Lage eines Labyrinths. Was hat es damit auf sich?“
„Oh ja, die kenne ich, aber versteht Ihr, ich verdiene mein Geld mit dem Erzählen…“
„Nun, versteht Ihr, dass wir die Freunde Asars, Jarl der Aeglirer, sind“, gab Leana zuckersüß zurück.
Tarukas Gesicht wurde kurz blass, dann rötete es sich. „Sagt das doch gleich! Für Freunde des Jarls sind alle Auskünfte natürlich kostenlos! Also höret gut zu:
Man berichtete mir von einem Labyrinth aus längst vergangenen Tagen, welches sich in Thalassa befindet, einer Stadt des fernen Chryseias. Vor einigen Jahren legten die Einwohner dieser Stadt das riesige Monument frei. Nun wisset, dass man sich Legenden über einen Minotaurus erzählt, der im Kern auf Eindringlinge wartet. Viele reiche Händler dieses Landes würden gut zahlen für die Hörner dieses Ungetüms. So machten sich seit der Entdeckung immer wieder Abenteurergruppen in das Labyrinth auf, dessen Pforten sich nach jedem Eintritt für sieben Tage schließen… oder das Vorhaben gescheitert und der Minotaurus an Menschenfleisch gesättigt ist. Keiner weiß, was einen dort drinnen erwartet, doch stets gibt es neue Wagemutige, die auf den Tod des Biests drängen. Neben der Belohnung für die Hörner erhält man nämlich die Titel ‚Bezwinger des Minotaurus‘ und ‚Held von Thalassa‘.
Seid auch Ihr solcherlei Abenteurer, für die nur das Gefährlichste und Unmögliche einen Reiz hat?“
Es brauchte keine Diskussion. Rang und Ruhm für die Streiter Ischkurs? Wer konnte dazu Nein sagen!
„Da sind wir dabei. Danke für eure Auskünfte, Tarukas. Vielleicht sehen wir uns wieder“, damit verabschiedeten wir uns und gingen zu Asar.
Der Jarl war wie immer in den letzten Wochen mit der Planung des Frühlingsfeldzuges beschäftigt, denn der hereinbrechende Winter hatte seine Großmachtträume zunächst verschoben. Als wir eintraten, winkte er uns heran und versuchte uns ein weiteres Mal für sein Gefolge zu rekrutieren.
Nach einer weiteren dankenden Ablehnung, kam Leana zum Punkt: „Jarl Asar, uns drei drängt es, nach Thalassa zu reisen und dort ein Labyrinth zu meistern. Könnt Ihr uns ein weiteres Mal ein Schiff zur Verfügung stellen.“
Das Oberhaupt der Aeglirer überlegte kurz, dann meinte er: „Ja… ich habe da tatsächlich noch etwas, das für euch hilfreich sein könnte. Ein kleines Schiffchen sowie die Mannschaft unter Kapitän Prikel. Wachmänner kann ich jedoch keine entbehren, wer kampffähig ist, muss sich für meinen Siegeszug vorbereiten!“
„Das klingt gut“, meinte Leana. Ein Augenrollen angesichts des letzten Satzes unterdrückte sie gerade noch. „Wie heißt das Schiff?“
„Es hat keinen Namen. Aber fragt einfach am Hafen nach Kapitän Prikel. Ich denke, es kann nur einen Tag dauern, bis er auslaufbereit ist.“
Namenlos klang schrecklich entbehrlich, aber der Einmaster, den wir dann später am Hafen vorfanden, schien zumindest diese Fahrt noch nicht auseinanderzufallen. Der wortkarge Kapitän sicherte uns zu, dass wir den nächsten Morgen auslaufen könnten.
Somit verblieb uns noch ein Abend im eisigen Usegorm, welchen Ixcalotl und ich nutzen wollten, um zu unseren Göttern zu beten. Leana hingegen meinte nur verschmitzt zu uns, sie müsse dringend „Bedürfnisse befriedigen“. Dabei lunzte sie bereits verstohlen zu einem der Waelinger hinüber, der ebenfalls Kontakt aufgebaut hatte. Ich verdrehte die Augen und ließ sie mit ihrer Nymphomanie alleine. Zwar predigte Ischkur keine Enthaltsamkeit, aber es schien mir doch deutlich erfüllender, sich einen Partner fürs Leben zu suchen und sich nicht blind den Trieben hinzugeben.
Dass dies schließlich auch nicht immer erquickend war, bezeugte die Schamanin beim Frühstück mit einer säuerlichen Mine. Ergänzt durch eine gewisse Wortkargheit wagten Ixcalotl und ich gar nicht erst zu fragen, bevor sie wie eine Furie auf uns losging. Für mich ein kleiner Sieg der Tugend.
Nach dem Essen gingen wir zu Jarl Asar und verabschiedeten uns. Er versicherte uns wie immer, dass wir stets in Usegorm willkommen wären. Dann war seine Aufmerksamkeit auch schon wieder bei den Taktikern und wir machten uns zu Kapitän Prikel auf, welcher sein Wort hielt und wir segelten los.
Die Reise war äußerst eintönig, lediglich Leana brachte mit ihrer Querflöte etwas Unterhaltung mit. Die Waelinger schienen nicht gerade erfreut, uns wie ihre hohen Herren über die Meere zu fahren und machten sich dementsprechend bei unserer Ankunft in Thalassa schnell wieder davon.
Etwas perplex standen wir dann vor der großen Stadt, welche reich an alten Ruinen war und vor allem der einen, die wir suchten. Mit dieser Absicht waren wir definitiv nicht die ersten, denn bald kamen Kutschen in unser Blickfeld und jeder ihrer Besitzer pries marktschreierisch seine Dienste an. Ihre Wägen waren stets mit Plakaten verziert, welche bizarre Labyrinthe und verzerrte Minotaurusfratzen abbildeten.
Wir nahmen den erstbesten, welcher uns informierte, dass die Reise in die Kernstadt etwa zwei bis drei Stunden dauern dürfte, unter anderem den alten Häusern geschuldet, welche lange keinen Bewohner mehr gesehen hatten. Der Mann stellte sich uns als Goodwyn vor und wir nahmen seine Dienste an, auch wenn Ixcalotl gerne noch die gefühlt einhundert anderen gefragt und ein Wettbieten heraufbeschworen hätte.
Die Fahrt verbrachten wir schweigend, doch bei unserer Ankunft konnten wir Goodwyn dann noch dazu überreden, uns ein wenig über dieses Labyrinth zu erzählen.
„Nun, dieses riesige Gebäude sieht von außen eher wie eine Tempelanlage denn wie eine Todesfalle aus oder ein Gefängnis für dieses Monster. Es ist erstaunlich, dass es so lange unentdeckt geblieben war, bis man es vor einigen Jahren freigelegt hatte – immerhin erstreckt es sich über mehrere Kilometer! Einige der gelehrteren Abenteurer haben vor ihrem Eindringen kund getan, dass dieses Labyrinth mehrere Jahrhunderte alt sein muss, eventuell noch aus der Zeit, als die Seemeister hier residierten!
Ein kleiner Tipp für euch: ‚harte Abenteurer‘ gehen ins ‚Blutige Beil‘! Es ist gar nicht so weit von hier…“
Seiner Beschreibung folgend, war das Wirtshaus schnell gefunden und sein Name erklärte sich sogleich von selbst: in der Tür steckte ein großes Schlachterbeil auf dessen Spitze präzise der Kopf eines Mannes platziert war. Er wirkte sogar relativ frisch, aber nicht besonders glücklich über seine momentane Situation…
Zum Glück beschädigten wir diese „Deko“ nicht, als wir eintraten. Da der Tag noch nicht so weit fortgeschritten war, herrschte noch einige Ruhe und wir konnten ungestört an den etwas älteren Wirt herantreten, welcher sich uns als Erik vorstellte und sogleich einige Dinge über sein Gasthaus berichten konnte.
„Das Blutige Beil wird stets mit dem Kopf eines zum Tode verurteilen geschmückt. Der da draußen war zum Beispiel ein Menschenhändler gewesen, ziemlich miese Burschen“, an der Stelle hakte ich kurz ein und bestätigte, dass wir solches Vorgehen aus Urrutti kannten. Wir nutzten jedoch lieber Speere, worauf wir die Köpfe platzierten. Erik grinste halbherzig und setzte dann seine Erzählung fort.
„Hier ist alles kostenlos – Bier, Essen, Übernachtung, alles gratis. Mein Gasthaus lebt davon, dass jeder, der hierher kommt, freiwillig einen gewissen Betrag da lässt. Bisher hat es sich gut gehalten und ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass mein Gasthaus das bekannteste und beliebteste in ganz Thalassa ist!“
Wir waren erstaunt, aber von der Idee grundsätzlich sehr angetan. So beschlossen wir auch gleich, etwas zu bestellen, bevor die langsam eintrudelnden Gesellen alles vernichteten. Leana und ich waren ziemlich erstaunt über die Größe unserer Gefäße. Aus einem „Glas Milch“ wurde ein riesiger Humpen und ein „Glas Wein“ wurde zur Flasche. Ixcalotl bestellte dann noch drei Bier – für sich drei Bier!
Der Huatlani knüpfte nun meinen Bericht über Verbrecher in Urrutti an. „Bei uns in Nahuatlan erfüllt ein jeder einen wichtigen Zweck. Wer keine Arbeit hat, kann immerhin noch die Straßen sauber halten. Doch wer Verbrechen begeht oder selbst für die einfachsten Arbeiten zu schwach ist, der wird geopfert. So erfüllt er einen großen, rituellen Zweck und dient damit der Gemeinschaft.“
Menschenopfer?! Ich versuchte sogleich mit Ixcalotl zu diskutieren, welche Götter er denn anbete, dass sie es verlangten, das Blut Unschuldiger zu vergießen. Doch sein rasch steigender Alkoholpegel machte ihn für jegliche Diskussion unzugänglich und er suchte sich dann lieber jemanden, der mit ihm mittrinken konnte.
Leana tauschte währenddessen Komplimente mit Erik aus, welche anfangs noch zaghaft, mittlerweile jedoch weitaus mehr als anzüglich waren.
Ich klinkte mich kurz ein, um wenigstens noch etwas Sinnvolles zu tun.
„Wir sollten so gut wie möglich vorbereitet sein, wenn wir in das Labyrinth eindringen. Erik, kennst du einige gute Läden hier in Thalassa, wo wir Ausstattung finden können?“
„Lasst mir einfach eine Liste da, wenn ich morgen meine Einkäufe erledige, dann bringe ich euch die Sachen mit. Aber das kostet natürlich den normalen Preis.“
Wir berieten uns kurz und stellten fest, dass es eigentlich nur noch einiger Fackeln und Wasserschläuche bedurfte, um gut ausgerüstet zu sein. Das konnte sich Erik auch so merken und auf Leanas Bitte hin, erklärte er noch den Weg zu einem der Badehäuser.
Die Schamanin und ich suchten dieses dann auch auf, aber der bereits recht angeheiterte Ixcalotl wollte sich nicht von seiner „Verzierung“ trennen und gerne weiter stinken.
Wie wir zurückkamen, war bereits ordentlich Stimmung ins Blutige Beil eingekehrt; unser Zöllner tanzte mit einigen anderen Arm in Arm auf einem Tisch und holte immer wieder eine Runde Bier – für sich.
Leana schnappte sich eine weitere Flasche Wein und begann weiter mit Erik anzubandeln. Es gelang mir noch, zu erfahren, dass vor etwa fünf Tagen eine sechsköpfige Abenteurergruppe in das Labyrinth eingedrungen war, weswegen dies noch verschlossen war. Dann warf die Schamanin dem Wirt einen eindeutigen Blick zu, gefolgt von einem verruchten Augenaufschlag, wie es die Konkubine des Kaisers von KanThaiPan nicht hätte besser machen können und der Mann vergaß alles um sich herum. Er sprang über den Tresen, packte die Schamanin, hob sie empor und rannte mit ihr in eines der Schlafgemächer.
Etwas peinlich berührt trankt ich weiter meine Milch und meinte, ab und an, ein lustvolles Stöhnen durch das wilde Treiben der Menschen um mich herum zu hören. Das könnte aber auch vielleicht daran liegen, dass einige andere Gäste noch weniger Hemmungen besaßen…
Zwei Stunden später tauchten die beiden mit breitem Grinsen wieder auf. Erik wirkte sehr erschöpft und schien alles gegeben zu haben. So zumindest schaute Leana drein, die sich mit einem wohligen Seufzer neben mir auf einem Barhocker fallen ließ. Diese Bärenmutter hatte ihren Honig bekommen!
Doch nun kam, was ich fast schon irgendwann bei diesem Lebensstil erwartet hätte. Erik begann zu betteln, dass unsere Schamanin nicht mit ins Labyrinth ging. Der arme Teufel hatte wohl noch nicht erkannt, dass Leana nicht unbedingt der klassische Beziehungstyp war. Sie winkte selbstsicher ab und meinte, dass wir das schon schaffen würden und weiterhin gestand sie ihm bereits offen, dass eine Ehe für sie nicht das passende wäre. Nicht, dass es Eriks Bemühungen beeinträchtigt hätte.
Der spielte dann auch prompt seine Rolle als Platzhirsch, als ein schlanker Mann mit blonden, langen Haaren heranschritt und Leana auf ein Glas Wein einladen wollte – in einem Gasthaus, wo alles zunächst kostenlos war. Ein paar kurze, heftige Worte, dann sprang der alte Mann wieder über den Tresen und eine wilde Schlägerei entbrannte.
An der Stelle wollte ich mir auch einmal einen Spaß erlauben und mit Ixcalotl über den Ausgang wetten, doch noch ehe ich den Huatlani entdeckt hatte, flog Blondie bereits in hohem Bogen aus der Tür.
Ein ereignisreicher und ziemlich prägender erster Tag in Thalassa lag somit hinter uns und wir beschlossen alle zu Bett zu gehen. Leana sogar in ein eigenes!
Am nächsten Tag standen unsere Sachen bereit, ebenso wie ein schön bereitetes Frühstück von Erik. Unsere Teller waren bereits üppig gefüllt, aber Leanas quoll schlicht über und sie hatte Probleme, auch nur die Hälfte in sich hineinzustopfen. Der Wirt kam dann noch einmal zu uns und berichtete, dass sich die Tore zum Labyrinth geöffnet hatten – die andere Abenteurergruppe war gescheitert. Ich sandte ein kurzes Gebet an Ischkur, die im Kampf Gefallenen aufzunehmen. Doch sie waren wohl nicht stark im Glauben gewesen und somit das Scheitern unvermeidlich.
Ich sandte einen kurzen Blick zu meinen Gefährten; Leana, welche hemmungslos ihren Trieben folgte und Ixcalotl, der gerade wieder zum Bier griff, um seine Kopfschmerzen mit erneutem Rausch zu verdrängen. Inständig hoffte ich, dass sie im rechten Moment den Fokus und den Glauben aufbringen könnten, um gegen die Gefahren des Labyrinths zu bestehen. Aber ich war zuversichtlich, schließlich hatten sie mich bisher nicht enttäuscht, trotz all der Fehler, die ihnen eigen waren.
Dann kam der Zeitpunkt des Aufbruchs. Wir ließen Erik eine großzügige Zahl an Goldstücken da, sodass sein Geschäftsstil sich wieder einmal bewährt hatte. Anschließend überlegten wir, ob wir die zwei Stunden zum Labyrinth wirklich zu Fuß bewältigen wollten und kamen stattdessen auf Goodwyn zurück, dessen Kutsche zufällig in der Nähe war. Jede Kraft, die wir sparen konnten, würde nützlich sein.
Ixcalotl war weiterhin in Gönnerlaune und bezahlte uns die Fahrt zum Eingang des riesigen Gebäudes. Seine Ausmaße überstiegen weit unsere bisherige Vorstellung. Das Gebäude, welches mehr einem Tempel, denn einem Labyrinth ähnelte, maß mehrere Kilometer der Länge der nach und mindestens einen in der Breite. Dazu gab es ein Nebengebäude, von welchem aus man diesen Komplex erkunden würde – hier befand sich das Tor, welches sich uns wie der Schlund einer gewaltigen Bestie entgegenreckte. Die Treppe, einer Zunge gleich, führte uns zu diesem Eingang. Goodwyn wünschte uns noch viel Erfolg und trieb dann eilig seine Pferde davon. Zu viele Leute schien er bereits hierher ins Verderben geführt zu haben, dass er es noch mitansehen könnte.
Wir beteten noch einmal, ehe wir in das Gebäude eintraten. Ich war voller Zuversicht, dass mein Gott mich auch dieses Mal nicht alleine lassen würde und empfand tiefe Beruhigung bei diesem Gefühl. Wir würden die Helden Thalassas werden und den Minotauren bezwingen!
Dann traten wir in den ersten Raum ein und prompt fuhren aus der Wand zwei Marmorwände, die den Ausgang versperrten. Doch es blieb hell; aus unbekannter Quelle heraus blieb die Luft erhellt und wir brauchten uns gar nicht erst abzusprechen, um zu wissen, dass wir es hier mit einem magischen Gebäude zu tun hatten – keine besondere Überraschung, aber es mahnte einmal mehr zur Vorsicht.
Die Wände waren kahl und alles, was es vielleicht einmal an Mobiliar gegeben hatte, war im Laufe der Jahrhunderte – oder Jahrtausende? – zu Staub zerfallen. Die Schamanin holte ein Pergament heraus und begann den Raum zu skizzieren, wie sie es mit allen weiteren Gängen und Verzweigungen tun wollte. So würden wir die Orientierung nicht verlieren.
Es gab drei Abzweigungen und die erste, die wir nahmen, wollte ich mit Kreide markieren. Doch diese haftete schlicht nicht an der Wand, egal wie sehr ich es versuchte. So mussten wir uns ganz auf Leana verlassen, welche mir bereits unterstellte, dass ich ihr nicht trauen würde. Da war aber jemand wieder empfindlich…
Zum Glück war sie in diesen Dingen erfahren und hatte eine neue Methode, alle Gänge und Räume übersichtlich aufzuzeichnen. Sie sprach dabei von „moderner Technik“ aus Nahuatlan, die Ixcalotl angeregt hatte, aber ich war kein Kartograph und vertraute schließlich stumpf auf sie.
Das war auch nötig, denn bei all den verwinkelten Gängen und leeren Räumen, die folgten, hatte ich bereits nach einer Stunde jede Orientierung verloren. Meine Axt bereithaltend, lief ich hinter den beiden her und brummte ab und an etwas, sobald wir über die Richtung unseres Weges diskutierten. An der Stelle musste ich einsehen, dass ich einfach Ischkurs Mann für offene Kämpfe war. Alles andere fiel mir deutlich schwerer.
So hatte ich jedoch einen genaueren Blick auf das uns umgebende Marmor, einem äußerst wertvollen Gestein, welches man in Urrutti quasi nicht vorfinden konnte. Dieses hier wies eine wechselnde Färbung auf, die mal dunkler, mal heller wurde. Allerdings schien dies keinem bestimmten Muster zu folgen und den Farbverläufen zu folgen, brachte mir schließlich nur ein, zwei Zusammenrempler mit Ixcalotl oder Leana und schmerzende Augen. So ließ ich es schließlich bleiben und lief weiter meinen Gefährten hinterher.
Leana merkte an, dass wir wohl mittlerweile nicht mehr im Nebengebäude waren und das eigentliche Labyrinth erst begann. Ich brummte unwillig, aber insgesamt kamen wir doch sehr zügig voran.
Schließlich erreichten wir eine Treppe, welche uns wohl auf eine andere Ebene führen würde… doch durch die erste Stufe trat Ixcalotl einfach durch! Ebenso durch die zweite und dritte. Schnell hatten wir begriffen, dass eine Illusion am Werke war und der Huatlani ging trotzig weiter, bis er für unsere Augen ganz in der Treppe verschwunden war. Etwas Skepsis machte sich in mir breit. Das wäre ein guter Ort für eine Falle… doch bald kam der Zöllner zurück und meinte, aus einer Sackgasse habe er nichts gefunden.
Einen Nutzen konnte ich ab dann erfüllen, als es plötzlich um uns herum dunkel wurde und wir unsere Fackeln einsetzen mussten. So brachte ich Ischkurs Licht an diesen dunklen Ort, um uns den Weg zu einem der Kreaturen des Bösen zu erhellen.
Wir eilten weiter durch die langen, verwinkelten Gänge und großen, leere Räume, bis wir eine weitere Illusionstreppe fanden. Die Öffnung zur oberen Ebene war jedoch keine Täuschung und mit gegenseitiger Hilfe spielerisch zu erreichen. Doch wir hörten auch bereits das Klicken und Klacken von Wesen, die Leana Insekten zuordnete.
So bereiteten wir uns ein weiteres Mal mit intensiven Gebeten oder Zauberei darauf vor, in den Kampf zu gehen. Meine Rüstung erstrahlte im warmen Gold, während Ixcalotls Arme an die Grenze des menschenmöglichen anwuchsen. Neu war jedoch Leanas Verwandlung; ihre Haut schien sich zu verfärben, schließlich zu verhärten und einen Moment fragte ich mich, ob etwas schief gelaufen war. Doch ein spitzbübisches Lächeln offenbarte, dass die Rinde, welche sie als Haut trug, genau das war, was sie sich erhofft hatte. Überraschend, was so alles in dieser kleinen Frau steckte.
Schnell hatten wir uns gegenseitig empor gehievt oder gezogen und machten uns bereit, die ersten Gegner im Labyrinth auszuschalten. Wenngleich wir siegessicher waren, jagte uns der erste Anblick dieser Kreaturen jedoch einen Schauer über den Rücken. Fünf hundsgroße Spinnen, welche beim Aufrichten unser Gesicht würden treffen können, krabbelten heran und zischten unheilvoll.
Ich hatte zwar keine Angst vor Spinnen, aber in der Größe waren sie mir doch etwas unbehaglich. Dennoch unterschätzte ich ihre Kraft und achtete zu wenig auf meinen Stand. So war es für die erste eine Leichtigkeit, mich umzuwerfen, als sie an mich herankam.
Ixcalotl setzte jedoch gleich einen Treffer, welches die helle, leicht grünliche Flüssigkeit aus dem haarigen Spinnenleib spritzen ließ. Doch auch seine riesige Axt hatte das Viech nicht direkt niedergestreckt – keine Gegner, die man unterschätzen durfte!
Wie durch ein Wunder traf mich nun jedoch weder die erste Spinne, noch die zweite, welche sich mir zugewandt hatte. Ein kurzer Dank an Ischkur, dann sprang ich auf eine der Kreaturen los und trieb ihr mit einem gewaltigen Hieb meine Streitaxt mittig in den Körper. Sie bohrte sich so tief ein, dass ich den Stiel mit zwei Händen greifen musste und mich einmal um mich selbst drehte, bis sich das Vieh löste und gegen eine nahe Säule klatschte.
Auch Ixcalotl traf in diesem Moment ein weiteres Mal und mit einem Hieb seines gewaltigen Schlachtbeils flogen drei Beine davon, sodass die Spinne zur Seite fiel und wild zu zappeln begann. Der Huatlani setzte einen Gnadenstoß und spaltete dabei die Reihe der acht Augen entzwei.
Ohne eine Miene zu verziehen, wandte er sich Leanas Gegnern zu, von denen eine soeben die Schamanin umgeworfen hatte und sich nun daran machte, über sie zu krabbeln. Einen kurzen Moment überlegte ich, zur Hilfe zu eilen – diese Ablenkung nutzte meine Gegnerin gnadenlos aus und sprang mich nahezu um. Ein Treffer im Gesicht blieb mir dank Ischkurs Schutz erspart… unterstützt von dem Metallhelm.
Doch meine Rache folgte auf den Fuß und riss den dicken Beutel der Spinne auf, dass sich ihr klebriger Körperinhalt auf dem Marmor entleerte.
Auch Leana und Ixcalotl setzten wieder zum Sturm an und setzten auf ihre jeweiligen Gegner zu, wobei sie ein äußerst gegensätzliches Bild darstellten. Die kleine Schamanin mit ihrer verholzten Haut setzte auf kleine Stiche, jedes Mal von einem wilden Aufschrei und Zähnefletschen untermalt. Ixcalotl dagegen drosch mit seiner riesigen Axt von links nach rechts und trieb die Speißspinne bis an die Wand. In die Ecke getrieben, bäumte sie sich auf und versuchte sich todesmutig auf den Huatlani zu stürzen. Der machte jedoch einen knappen Schritt zur Seite und rammte ihr entgegen der Bewegung das Beil in den haarigen Leib. Ein wildes Fiepen erklang, dann kringelte sie sich tot auf dem Boden zusammen.
Währenddessen trat ich zur letzten Spinne, die bereits einige Treffer durch die Schamanin eingesteckt hatte. Kurz betrachtete ich ihre langsam erlahmenden Bewegungen, passte den richtigen Moment und dann streckte ich sie mit einem deftigen Hieb zwischen die Augen nieder.
Grimmig nickte mir Leana zu, deren Haut langsam wieder das gewohnte blass-rosa annahm. Ixcalotl trat mit leichtem Grinsen heran. Dies dürfte keine Stelle gewesen sein, an der andere Abenteurer umgekommen waren.

Wir begannen mit der Erkundung dieser riesigen Halle, deren lange Säulen jenseits unseres Lichts die Decke stützten. Schnell wurde klar, dass auch dieser Teil des Labyrinths kahl war… bis wir am Ende eine Empore fanden, zu der einige Stufen hinaufführten.
Dort oben auf einem Thron ruhte eine verschwommen schillernde Gestalt: ein Geist. Leana merkte an, dass es sich um einen Geistlichen aus dieser Region handeln könnte und schritt sogleich Stufe um Stufe näher heran. Ich blieb dicht hinter ihr, dieser Geist und diese Empore allgemein vermittelten mir ein unsicheres Gefühl. Es war, als ob sich ein Schatten über mich legen würde, etwas stimmte hier nicht!
Ixcalotl schien dies ebenfalls zu spüren und blieb am Fuß der Treppe zurück. Leana jedoch schritt unbeirrt näher und näher an den Geist heran. Auf ihre Rufe in verschiedensten Sprachen folgte keine Reaktion. Schließlich, sie war nur noch einen Schritt entfernt, sprang das Biest auf und attackierte mit einem geisterhaften Schlag, der ihr durch Körper fuhr und ihr schlagartig ein Stück ihrer Lebenswärme raubte.
Ich rief nach Ischkur und wollte diese Kreatur binnen eines Moments bannen…doch ich verlor die Verbindung! Dieser Ort musste tief befleckt sein, dass mein Gott hier keinen Einfluss nehmen wollte!
Mit einem Satz sprang ich stattdessen heran und drang mit meiner magischen Axt auf diese Kreatur ein. Ischkur brüllend setzte ich nach und auch Leana erholte sich von der Überraschung und zückte ihren mystisch aufblitzenden Dolch. Der heimtückische Angriff schien ihre Wut entfacht zu haben, selten stieß sie derart wild und ohne jede Rücksicht zu.
Jeder Treffer ließ den Geist blasser werden und bald wandelte sich die arrogante Miene zu einem Bild der Furcht und schließlich war es Leana, die mit einem letzten Hieb dieses Wesen ins Nichts drängte. Gegen unsere Übermacht hatte es keine Chance gehabt.
Kurz wurde durchgeatmet, dann untersuchte die Schamanin den Thron, auf welchem der Geist geruht hatte. „Eine schwarze Aura hüllt diesen Ort ein. Etwas Schreckliches muss hier geschehen sein.“
Ich nickte und begann zu beten. Mit meinen Worten versuchte ich, Ischkur zu überzeugen, mir die Kraft zu geben, diesen Ort zu reinigen. Der Tod des Geistes schien ihm wohl gefallen zu haben und mit seiner Unterstützung reinigte ich diesen Hort des Bösen von der Finsternis!
Zufrieden konnten wir also diese Halle verlassen und kämmten weiter das Labyrinth ab. Viele Räume und Gänge, teilweise länger als eine Meile, lagen bald hinter uns, alle leer und tot. Eine Fackel folgte der nächsten und unsere Stimmung sank Stück für Stück. Gegen Monster zu kämpfen war manchmal weniger schlimm, als sich über scheinbar nie enden wollenden Marmorboden zu schleppen…
Plötzlich sprang die vor mir gehende Leana mit einem überraschten Aufschrei zurück. Fragend sah ich sie an, denn kein Monster erschien noch offenbarte sich eine Falle. „Schau mal genauer hin“, meinte sie schnippisch und ich erkannte es. Über dem Boden, der vor uns lag, flirrte die Luft. Ich fühlte mich an meine Heimat Urrutti erinnert, wo dies auch ab und an zu beobachten war. Vorsichtig setzte ich meinen Fuß auf den Marmor, aber zog ihn sogleich zurück. Er war heiß, als würde jemand darauf Fleisch braten wollen!
„Also…ich bin wohl der beste Läufer von uns, ich werde nach vorne sprinten und sehen, was dieser Gang für Geheimnisse verbirgt!“
Die anderen beiden waren zwar skeptisch, beschlossen aber, mich machen zu lassen. So blieb aller unnötige Ballast bei ihnen und ich sprintete den Gang entlang. Ich fühlte mich sogleich wie damals in Urrutti, als ich bei den Männern Ischkurs meine Ausbildung begonnen und häufiger schnelle Botengänger über das unwegsame Gelände hatte machen müssen. Zwar war der Marmor eben, doch ebenso wenig, wie ich auf dem brüchigem Boden hatte lange stehen dürfen, hielten es meine Füße hier auf dem „Herd“ aus.
Als links eine Abzweigung erschien, ergriff ich diese sofort, um meine leicht rauchenden Lederschuhe abzukühlen. Hier gab es weitere Abzweigungen, welche ich nur oberflächlich untersuchte, schließlich wollte ich die anderen nicht zu lange warten lassen. Auffällig war ohnehin nur ein Raum, dessen Wände mit Verzierungen bedeckt waren. Diese liefen auf ein zentrales Element zusammen: ein Bullenschädel stierte mir mit grimmigen Blick entgegen. Ich wäre fast erschrocken, so lebensecht war die Zeichnung. Doch dies war nur Kunst, weshalb ich zum heißen Gang zurückkehrte und die restliche Strecke nahm.
Diesmal zog sie sich länger und ich glaubte fast, es würden sich Brandblasen bilden, da erblickte ich ein Tor, durch das fast schon hindurchsprang.
Hinter mir verschloss sich blitzschnell der Eingang und ich merkte, dass ich in einer riesigen, erleuchteten Halle war. Genauer gesagt, eine Arena. Und in der Mitte stand… der Minotaurus.
Mein Herz sackte mir in die Hose. Mein Vertrauen in Ischkur war zwar stark, aber für solche Himmelfahrtskommandos gab er keinen Segen. Doch er musste seine schützende Hand über mich halten, das Monstrum bemerkte mich nicht. Fast doppelt so groß wie ich, stand es regungslos da, fest die riesige Axt umklammert, gegen die selbst Ixcalotls Schlachtbeil wie Kinderspielzeug erschien.
Links von mir erspähte ich eine weitere Pforte und sprintete zu dieser hin, wonach sich diese ebenfalls hinter mir verschloss. Ich atmete tief durch. Der Minotaurus war erstmal keine Gefahr. Doch nun war ich irgendwo in diesem riesigen Labyrinth und hatte keine Ahnung, wie ich meine Freunde finden sollte!
Es brauchte ein Gebet zu Ischkur, um mich wieder zu besinnen, dann war ich wieder der alte und schritt selbstsicher durch die Gänge vor mir. Keine Abzweigungen nichts, meine Befürchtung stieg, dass ich in eine Sackgasse kommen würde… und so kam es auch. Aber der letzte Raum beinhaltete etwas, was sich meinem genauen Blick zunächst entzog. Ein eigentümliches Leuchten, ein waberndes Etwas, kaum erkennbar. Ich trat an diese Leuchtkugel heran und musterte sie. Kein beklemmendes Gefühl befiel mich und da ich ohnehin keine Wahl mehr hatte, fasste ich dieses Ding an.
Kurz wurde mir schwindelig, dann konnte ich wieder klar sehen. Doch die Umgebung hatte sich verändert, ich war in einem anderen Teil des Labyrinths! Aber das Glück war mir hold, sofern es sich um solches handelte, diesen Bereich waren wir bereits gründlich abgegangen und ich bahnte mir zielsicher meinen Weg zurück zu meinen Gefährten.
Sie schienen mindestens so erleichtert wie ich, als ich wieder bei ihnen war und bekamen große Augen, als ich meine Erlebnisse schilderte. Nun war zumindest klar, dass die Legende über den Minotaurus wahr war.
Doch dies war genug gewesen für den ersten Tag im Labyrinth und wir suchten uns eine Kammer, in der wir schlafen konnten. Ich wollte wie üblich eine Wacheinteilung vornehmen, doch die anderen waren dagegen, jeder würde seinen Schlaf brauchen und bisher waren auch noch nicht sonderlich viele Gegner zu sehen gewesen, die sich herumtrieben. So unruhig wir dann auch schliefen, schien diese Idee nicht die schlechteste gewesen zu sein und Ischkur behütete uns, sodass keine Schrecknisse des Labyrinths die Nacht störten.
Am nächsten Morgen, sofern wir es einschätzen konnten, machten wir uns in die Gänge auf, welche wir bisher ausgelassen hatten. Zum Glück hatten wir Leana und ihren Plan dieses Labyrinths, sonst wäre ich wohl bereits wahnsinnig geworden.
In einem Raum fanden wir sogar tatsächlich Mobiliar, insbesondere eine Truhe, die mit einem eigentümlichen Schloss versiegelt war. Leana erklärte uns, dass es sich um ein Zahlenschloss handelte und die Symbole auf den drehbar gelagerten Eisenstücken für die Ziffern 0 bis 9 standen. Was folgte, war ein munteres Ausprobieren, bis es schließlich bei „12“ klick machte und die Truhe ihren Inhalt preisgab: ein paar schwarzer Stiefel. Ixcalotl hatte sie so schnell angezogen, wie Leana und ich nicht einmal schauen konnten. Aber sie schienen seine Füße auch nicht direkt aufzufressen, womit er diesen Leichtsinn zum Glück nicht mit Schmerzen bezahlte.
Ein paar Schritte offenbarten bald ihr wahres Geheimnis. Genauer genommen, verbargen sie es; kein Laut war zu hören. Dazu musste man sagen, dass der große und massige Huatlani bisher kein Musterbeispiel an Stille gewesen war! Er forderte mich dann noch dazu auf, die Fackel an den Stiefel zu halten. Feuerfest waren sie zwar, aber er spürte die Hitze. Seine Überlegung, hiermit den kochenden Gang überqueren zu können, war damit auf Eis gelegt.
Es ging weiter und immer wieder stießen wir auf Sackgassen, die Zahl gangbarer Wege wurde übersichtlicher. Aber jedes Mal, wenn ich diesen Gedanken äußern wollte, tat sich ein neuer Raum auf, der gleich drei Ausgänge hatte.
Ein solcher Ausgang erweckte bald unsere besondere Aufmerksamkeit: aus Düsen am Boden schossen Flammen zur Decke und versperrten den weiteren Weg. Unsere selbst ernannte Pyromanin bemerkte: „Bei einem Sprung dürfte man keinen größeren Schaden erleiden. Vorausgesetzt natürlich, man stolpert nicht.“
Ich nickte, ließ jedoch zur Sicherheit Ischkurs Kraft in mein Kettenhemd fließen, dass es das vertraute sanft-goldene Licht aussandte und die einzelnen Glieder enorm stärkte. Und einen Moment später war ich auch schon durch die Hitze gerannt. Ohne Probleme folgten Leana und Ixcalotl. Wir nickten einander zu und schritten voran, als wäre nichts gewesen.
Doch plötzlich vernahmen wir ein Krabbeln, ähnlich dem aus der großen Halle, doch irgendwie anders. Wir beschlossen, uns erneut vorzubereiten, da begann Ixcalotl erneut aufs Übelste zu fluchen. Bei dem, was ihm da über die Lippen kam, brauchte er sich aber auch manchmal nicht wundern, dass sein Gott ihm keine Hilfe war. Ohnehin wäre es besser, er würde direkt zu Ischkur beten, anstatt zu einem seiner Diener. Denn nur er ist der höchste und der mächtigste!
Dann tauchten unsere nächsten Gegner auf und erneut zog sich eine Gänsehaut den Rücken entlang. Drei mannsgroße Würmer näherten sich, ihre glitschigen Körper schimmerten im Licht der am Boden liegenden Fackel und ihre kopfgroßen Münder offenbarten mehrere Reihen scharfer Zähne, die sich ineinander verschoben.
Doch sie trafen hier nicht auf irgendwelche Abenteurer, hier waren die…
„Streiter Ischkurs! Kämpft!“, brüllte ich und wir setzten jeder auf eine der Kreaturen zu. Axt, Schlachtbeil und Dolch, alle fanden ihr Ziel und grüner Schleim spritzte auf den Boden und gegen die Wände.
Die Größe dieser Monstren verminderte aber nicht im Geringsten ihre Wendigkeit. Die Art ihrer Bewegung, ein rutschen und schlängeln, verursachte zudem ein tiefes Unbehagen, was ich in den Willen umzusetzen versuchte, es einfach umzubringen. Doch so schnell das Viech sich herumwand und immer wieder von einer anderen Stelle aus angriff, fiel es mir schwer den entscheidenden Schlag anzubringen.
Ixcalotl nutzte nun den vollen Vorteil seines gewaltigen Beils aus und hieb großzügig in alle Richtungen um sich herum. Was unkontrolliert und teilweise auch nicht sonderlich kompetent anmutete, verbarg eine brutale Effizienz, die sich perfekt gegen diese Würmer einsetzen ließ. Sein Gegner versuchte schließlich, direkt das Gesicht zu attackieren. Als sich das Beil dazwischen schob, zerfetzte sich die Kreatur selbst die erste Hälfte ihres Leibes. Der Huatlani setzte noch nach und trennte das Vieh dann ganz der Länge nach in zwei Teile.
Leana erlitt währenddessen zwar auch keine schlimmen Treffer, doch der massige Wurm hatte sich aufgerichtet und überragte sie somit deutlich. Immer wieder zuckte das Maul herab, was die Angriffe der Schamanin unterbrach und sie somit zur Passivität verdammte.
Schließlich erkannte ich dann doch eine Schwäche in der Bewegung des Wurms und ließ unbarmherzig die Streitaxt niedersinken. Chitin wurde gespalten und der Körperinhalt der Kreatur sackte auf den Boden. Unbeirrt schien sich aber die Hälfte mit Maul noch einmal erheben zu wollen. Ein Tritt meinerseits beförderte das Wesen in die Ecke, wo es dann endlich tat, was es sollte: sterben.
Nun eilte ich Leana zur Hilfe, während Ixcalotl zunächst seine große Axt polieren wollte. Ein zorniger Ruf meinerseits brachte ihn aber wieder zur Räson und zu dritt drangen wir dann auf den Wurm ein.
Doch dieses Wesen schien aus dem Untergang seiner Brüder gelernt zu haben und kämpfte umso verbissener, kaum einer unserer Schläge saß. Doch mit einem Mal war der Knoten geplatzt und der Huatlani und ich trafen kurz nacheinander den massigen Leib. Aber noch immer stand das Vieh und wollte Leana den gar ausmachen. Diese packte nun ebenfalls all ihre Wut zusammen und rammte einfach den Dolch zwischen den endlos erscheinenden Zahnreihen hindurch, tief in den Rachen. Dann drehte sie die Waffe noch einmal herum und zog sie ruckartig heraus. Grüner Schleim flog ihr entgegen, aber elegant schritt sie zur Seite. Ein letztes Röcheln, dann starb der letzte Wurm.
Wir gönnten uns einen Moment der Ruhe bis wir die Truhe untersuchten, welche von den Monstern beschützt worden war. In dieser befand sich eine Schriftrolle, Leana merkte an, dass es sich hierbei um den Spruch „Feuerkugel“ handele. Schnell war das Pergament in den Tiefen ihres Rucksacks verschwunden und wir machten uns wieder auf den Weg.
Schließlich ging es eine Treppe empor und wir erreichten erneut die Arena!
Nun hatten wir länger Zeit, als ich am Vortag, um die Umgebung zu begutachten. In der Mitte war ein großer Felsen, hinter dem Minotaurus. Die Treppen hinter uns würde er wohl nicht begehen können, dafür war er zu groß. So entwickelten wir die Idee, ihn mittels einiger Pfeile heranzulocken und dann auf der Tribüne, wo wir uns befanden, in die Zange zu nehmen.
Vorher kümmerte ich mich kurz um die Wunden Ixcalotls. Ischkur war zwar ein Gott des Krieges, aber er war auch gnädig und verhalf seinen Dienern zu einer heilenden Hand, um die rechtschaffenen zu unterstützen. Ixcalotl war da zwar vielleicht nicht das Musterbeispiel für jemanden, der göttliche Hilfe verdient hatte, aber immerhin ein Mitstreiter. Man muss nicht immer Gutes wollen, um es zu tun!
Dann legte ich auf den Minotaurus an, welcher leider so weit entfernt war, dass der Schuss äußerst schwierig werden würde.
Aber der erste Treffer saß! Wenngleich nicht sonderlich tief, aber die Aufmerksamkeit des Minotauren hatten wir. Ich ließ weitere Pfeile folgen, doch sie segelten wirkungslos an ihm vorbei. Gemächlich schritt das Monster hinter den Felsen und brachte sich so in Sicherheit.
Leana und Ixcalotl konnten sich die spitzen Kommentare kaum verkneifen. Davon ließ ich mich jedoch nicht beirren und schwenkte das Banner der Streiter Ischkurs: zwei gekreuzte, goldene Dolche auf blauem Grund.
„Hier sind die Streiter Ischkurs, Sieger des Fünfkampfes von Uchano und die Helden von Kalimar! Wenn du wirklich so schrecklich bist, dann komm her!“
Es erfolgte keine Reaktion. Sodann beschlossen wir, in die Arena hinabzusteigen und dem Monster von Angesicht zu Angesicht zu begegnen. Nacheinander halfen wir uns runter und machten uns dann bereits dem Minotauren entgegen zu treten, welcher unsere Ankunft bemerkt hatte und im Sprint auf uns zuraste.
Der riesige Manneskörper hätte so schon Respekt eingeflößt, doch der geifernde Stierschädel mit den langen Hörnern machte diese Kreatur zu einer Tötungsmaschine ohnegleichen. Die riesige Axt, die der Minotaurus führte war so gewaltig, dass wir sie nicht würden nutzen, wohl gerade mal anheben können. Doch Ischkur war mit uns!
Leichtsinnig trat ich dem Biest entgegen und versuchte einen Treffer zu landen. Zur Antwort hieb er mir mit dem Stiel seiner Axt gegen die rechte Hand, welche sofort in höllischem Schmerz aufging. Die Rüstung verhinderte wohl schlimmeres, doch erst musste ich in die Defensive gehen, bis das Gefühl in die Finger zurückkehrte und nicht vom Schmerz überdeckt wurde.
Ixcalotl und Leana griffen umso biestiger an, was den Minotauren jedoch nicht im Geringsten beeindruckte. Geschickt wich er den Angriffen aus und ließ hier und da ein verächtliches Schnauben hören. Doch plötzlich entglitt ihm seine Axt und die Pause in seiner Angriffsserie wurde direkt vom Huatlani genutzt, um eine Wunde in seine Seite zu reißen. Ein fürchterlicher Schrei erklang und sofort ergriff das Monster wieder die Axt und vollführte einen Rundumschlag, welchen Leana und ich gerade noch entgingen. Dafür traf Ixcalotl fast die ganze Wucht des Hiebes und es holte ihn von den Füßen. Geschickt sprang er wieder auf, doch das zahlreiche Blut, das aus der Wunde kam, verriet, dass er nicht noch so einen Treffer würde ertragen können.
Endlich konnte ich meine Hand wieder frei bewegen und griff mit viel Gebrüll an. So schnell hatte das Biest nicht mit mir gerechnet und der Treffer in die Kniekehle ließ es kurz zu Boden sacken. Ixcalotl nutzte diesen Moment und setzte einen Schlag gegen die Schulter an.
Mittlerweile troff dem Minotauren Blut aus etlichen Wunden, doch seine Bewegungen waren nicht im Mindesten langsamer geworden! Schließlich setzte sogar Leana noch einen Treffer und ritzte die Bauchdecke auf. Damit war der Zorn der Kreatur endgültig geweckt, die Augen begannen sich zu verdrehen und Schaum trat vor den Mund. Ein gewaltiger Schrei und noch brutaler als vorher, drang die Kreatur auf uns ein. Mich traf ein Hieb so heftig gegen den Schild, sodass ich einige Schritte nach hinten schlidderte. Es kostete mich alle Mühe, noch auf den Beinen zu bleiben und ich spürte, wie meine Kräfte nachließen. Ischkur, wo bist du?!
Aber noch schienen meine Freunde unbeirrt, Leana versuchte um den Minotauren herumzutänzeln und einen empfindlichen Stich in die Nieren anzusetzen. Doch die boshafte Intelligenz der Kreatur war größer, als sie angenommen hatte und sie lief genau in seine Falle. In einer fließenden Bewegung drehte sich der Minotaurus und führte seine Axt gegen ihre linke Seite. Sie drang tief in das Fleisch ein und mehrere Rippen schienen zu brechen. Nicht einmal ein Schrei erklang und die Schamanin ging zu Boden.
Hasserfüllt gingen Ixcalotl und ich wieder auf den Minotauren los, aber ein Hieb nach dem anderen ging fehl! Unsere Kräfte ließen weiter nach und der Schweiß lief immer wieder in die Augen. Schwer atmend vermochten wir schließlich nur noch die Angriffe zu parieren, alle Hoffnung schien sich in Nichts aufzulösen. Es wurde dunkel um uns und ich begann den Glauben aufzugeben. Ischkur, wo bist du nur?!
Doch da! Eine Lücke in der Verteidigung, der Schlag des Minotauren war zu hoch angesetzt, die Achsel entblößt. Ein wilder Schrei entfuhr mir und ich trieb die Streitaxt tief unter dem rechten Arm des Monsters ins Fleisch. Das Blut spritzte wie aus einer Fontäne und jegliche Kraft entwich dem Gliedmaß, das gewaltige Schlachtbeil ging zu Boden.
Der Minotaurus ging in die Knie und starrte gen Decke. Ixcalotl hob seine Waffe auf und enthauptete ihn mit einem einzigen, sauberen Schnitt. Es war geschafft!
Wir vergewisserten uns, dass Leana gerade noch so überlebt hatte, dann hörten wir ein Beben. Im Felsen in der Mitte der Arena öffnete sich eine Pforte zu einer Treppe. Gleichzeitig ging ein Zittern durch die Mauern um uns herum.
„Hier stürzt gleich alles ein!“, rief ich und packte Leana. Ixcalotl nahm die riesige Axt und den Minotaurenkopf und gemeinsam rannten wir die Treppe im Fels hinunter. Am Ende erwartete uns eine weiße Lichtkugel, wie ich sie bereits gesehen hatte.
„Los, berühren wir sie, dann kommen wir bestimmt raus. Zumindest ist das unsere letzte Möglichkeit!“, forderte ich Ixcalotl und Leana auf. Sie nickten und gleichzeitig griffen wir ins Licht.
Kurz war alles schwarz – doch dann erwachten wir inmitten eines weiten Felds, welches nicht bewachsen war und wie eingedrückt erschien. Es brauchte einen Moment, bis wir realisierten: wir hatten uns eigentlich nicht fortbewegt… aber das Labyrinth war verschwunden!
Dann erkannten wir noch etwas anderes: um uns herum standen Tausende von Menschen, der Großteil der Bewohner Thalassas. Und sie jubelten uns zu! Laut riefen sie ihre Glückwünsche für die Bezwinger des Minotaurus… für die Helden von Thalassa!
Ixcalotl hob den Kopf nach oben, sodass er deutlich sichtbar war und eine neue Jubelwelle brach los, die das bisherige in den Schatten stellte. Auch ich erhob mich und schwenkte unser Banner:
„Die Streiter Ischkurs haben den Minotaurus getötet!“
Wieder Jubel, wenngleich der Name Ischkur wohl den wenigsten ein Begriff war. Eines Tages, würden sie es verstehen und dann würden auch sie glauben!
Aber diesen Moment der Freude begannen sogleich die ersten Unterhändler ausnutzen zu wollen. Wie ein Schwarm Heuschrecken kamen sie heran und riefen die verschiedensten Preise, die sie bereit waren für die Hörner und die riesige Axt zu bezahlen. Ein Herr Luiz bot 2000, der Bürgermeister Wall 3000. Letzter lud uns sogleich in sein Haus ein. Wir baten den Boten jedoch zunächst, uns zu entschuldigen. Vor allem Leana benötigte Ruhe und die bisherigen Angebote stellten uns nicht zufrieden, damit würden wir nicht einmal unsere weitere Ausbildung bezahlen können.
So gingen wir zunächst, umgeben von der Menschenmenge, zurück ins Blutige Beil und zielstrebig in unsere angestammten Kammern. Der Schlaf kam schnell und war sehr beruhigend.
Am nächsten Morgen erwartete uns ein etwas befremdlicher Anblick, genauer genommen Leana. Erik hatte auf dem Weg von ihrem Zimmer zum Frühstückstisch Rosenblätter verteilt und sich ordentlich in Schale geworfen. Erneut bettelte er sie an, doch bei ihm zu bleiben. Ehrlich wies sie ihn ab, mittlerweile fast schon ein wenig ärgerlich. Es machte mich etwas traurig, wie sie mit dem Herzen des armen Mannes umging. Etwas weniger Hur… „Umtriebigkeit“ hätte das verhindert. Auf der anderen Seite hätte der Wirt durchaus wissen müssen, auf was er sich da einlässt. Immerhin veranstaltete er hier einen Zirkus, als würde seine geliebte Freundin seit Kindheitstagen auftauchen und nicht eine Dame, die er seit drei, vier Tagen kannte.
Nach dem Frühstück, beschlossen wir, dass es am besten war, wenn Ixcalotl mit dem Minotauruskopf in Blutigen Beil blieb, damit ihn Niemand stahl. Währenddessen würden Leana und ich uns in der Stadt umhören. Dabei ging sie einfach umher, während ich zielstrebig zum Bürgermeister ging.
Dort überreichten sie mir zunächst ein Pergament, auf dem laut ihrer Aussage festgehalten war, dass Ixcalotl, Leana und ich nun die „Helden von Thalassa“ und „Bezwinger des Minotaurus“ waren. Allerdings blieb es bei dem läppischen Angebot von 3000, gemessen an dem Risiko und dem, was wir benötigten, Nichts. Ungehalten verwies ich auf unsere neuen Titel, doch der Bürgermeister bestand darauf, dass es sich eher um Zeremonielles handele und redete noch einen weiteren Schwall heißer Luft.
„Gibt es denn hier vielleicht einen, der mehr zahlen würde?“
„Nun, ein Mann namens Schakal sicherlich. Er ist Sklavenhändler und besitzt eine Menge Gold.“
„Sklavenhändler? Ich dachte, die landen bei euch auf dem Blutigen Beil?“
„Schakal ist kein einfacher Sklavenhändler, er ist reich…“
Ich stand auf und ging. Wer solche Praktiken in Schutz nahm, konnte kein angemessener Handelspartner sein. Die Empörung saß tief in mir und auch Leana brachte wenig erfreuliche Nachrichten mit ins Wirtshaus. Hier in Thalassa war wohl keiner so reich, dass er uns würde angemessen bezahlen können. Ihr Vorschlag war, nach Valian zu reisen und wir stimmten dem zu. Mit der Obrigkeit von Thalassa hatte ich abgeschlossen. Hier gab es nichts als Augenwischerei und in Schutz genommene Sklaventreiber.
Im Hafen fanden wir ein Schiff, welches noch an diesem Tag ablegte und die Chance ergriffen wir beim Schopf. Gleichzeitig entsandten wir aber auch einen Boten ins ferne Waeland. Vielleicht besaß Jarl Asar Interesse an den Minotaurenhörnern – fragen kostete ja quasi nichts, es handelte sich schließlich um Botendienste.
Kurz vor der Abreise verkauften wir zumindest das Schlachtbeil für einen recht ansehnlichen Preis.
Die folgenden Tage brachten uns nur weitere Ernüchterung. Auch in Valian wollte Niemand unserer Preistvorstellung folgen und wir begannen uns zu überlegen, dass wir mit weniger zurechtkommen mussten. Da erreichte uns Asars Antwort: 2000 Goldstücke für jeden! Das traf unsere Vorstellung und schnell war ein Schiff in den Norden bestiegen.
Mit großer Freude begrüßte uns der Jarl. Mittlerweile schien er uns richtig lieb gewonnen zu haben und er war sofort damit einverstanden, dass wir wieder bei ihm wohnen und von seinen Männern unterrichtet werden wollten. Er hoffte wohl immer noch, uns für seinen Kriegszug im Frühling zu gewinnen.
So hatten wir schließlich wieder in vertraute Gefilde gefunden und bekommen, was wir wollten. Doch es war nun tiefster Winter in Waeland, die Temperaturen sanken unerträglich. Selbst der dickste Mantel verschaffte mir kaum Wärme und die ständige Dunkelheit drückte auf mein Gemüt. Da kam es, dass eines Abends Leana in mein Zimmer trat und einen nur allzu vertrauten Blick aufsetzte.
Ich beging einen großen Fehler.

Von grimmigen Wölfen und dummen Schafen - Teil 1

Langsam stiegen die Temperaturen wieder an, wenngleich es die Gesamtsituation in Waeland kaum verbesserte. Es war immer noch schrecklich kalt und der Gedanke an wärmere Tage ging einher mit dem Feldzug Asars, der sich hartnäckig in seinem Kopf festgesetzt hatte.
Ixcalotl war darum nicht gerade unglücklich, als ihn eine Nachricht aus Nahuatlan erreichte und zur Rückkehr aufrief. Der Zöllner verabschiedete sich in seiner wortkargen Art von uns und machte sich auf den Weg zurück in seine Heimat.
Blieben nur noch Leana und ich, wie früher. Allerdings war es mir unangenehm in ihrer Nähe zu sein. Während sich für sie scheinbar nichts verändert hatte, erschien mir unser Verhältnis erschüttert. Natürlich würde ich noch immer alles tun, um sie zu unterstützen, doch war die Leichtigkeit aus der Freundschaft gewichen. Was wir getan hatten, sollte Eheleuten vorbehalten bleiben und war für mich mehr als „der Sport“, wie es Leana ausdrückte. Aber ich hoffte, dass irgendwann wieder alles ins Lot kam.
Abends saßen wir trotz allem beieinander in einem Wirtshaus, sie mit einem Wein (hier in Waeland zwar aus Honig gewonnen, aber sie schien sich daran zu gewöhnen) und ich mit einem Humpen gut ausgekochter Milch und redeten über unser Training und die Pläne für die nächsten Reisen.
In letzter Zeit waren diese Planungen immer konkreter geworden, denn unsere Lehrstunden gingen dem Ende zu und das Fernweh ergriff uns.
Da trat des Abends einer von Asars Dienern zu uns an Tisch: „Jarl Asar wünscht euch zu sehen.“
Bereitwillig folgten wir ihm, nicht, dass wir eine große Wahl hätten, wenn der Herr der Aeglirer ruft. Dieser erwartete uns in seiner großen Halle und schien ebenfalls gerade das Essen beendet zu haben. Er lächelte, als er uns erblickte und rief: „Schön, dass ihr so rasch gekommen seid.“
Wir setzten uns neben ihn, tauschten unsere Grüße aus und bedankten uns ein weiteres Mal für seine Gastfreundschaft. Die üblichen Floskeln eben. Dann kam es zum eigentlich Gespräch und Asar verriet rasch, was er von uns wollte.
„Es ist mittlerweile einige Zeit her, dass ihr mir dieses wunderschöne Erbstück meiner Familie zurückbrachtet. Vorher besaß ich lediglich eine Leihgabe meines Vetters Erik. Ein ebenfalls sehr schöner Bihänder, aber nun habe ich keine Verwendung mehr für ihn und er hätte ihn gerne zurück. Da es sich hierbei jedoch um eine äußerst wertvolle Waffe handelt, macht sich Erik einige Gedanken um den Transport. Daher würde es mich freuen, wenn ihr diese Aufgabe übernehmt und meinem Vetter den Bihänder bringt.“
„Es wäre uns eine Freude, Asar. Wohin geht die Reise und wie sieht es mit einer kleinen Aufwandsentschädigung aus?“, erfragte Leana.
„Mein Vetter ist ein Beamter in Diptyche, einer Stadt in Chryseia. Man sagt, sie wäre ein Zentrum für Musik… irgendwas Weibisches. Nichts für ungut“, fügte er noch hinzu und zwinkerte Leana zu. „Ihr beide erhaltet 500 Goldstücke im Voraus und Erik selbst wird euch ebenfalls noch einmal entlohnen. Zudem kann er euch weitere Aufgaben anbieten, was Abenteurern wie euch wohl entgegenkommen wird… ach eine Kleinigkeit habe ich noch vergessen. Mein Vetter ist wirklich sehr besorgt, um den Transport und hat daher einen seiner Männer hergeschickt, um euch zu begleiten.“
Mit diesen Worten trat ein Mann aus einer der Wandnischen, wo er sich vorher im Schatten gehalten hatte. Er war wohl ein wenig größer als ich und wohl sogar noch ein Stück muskulöser. Die Glatze offenbarte gebräunte Haut und stand im Kontrast zu dem dunklen Vollbart, der sein Gesicht zierte. Eine Narbe über dem linken Auge rundete das Bild eines bereits recht erfahrenen Kämpfers ab.
„Seid gegrüßt, ich bin Leonis. Derzeit bin ich ein Söldner im Auftrag von Erik dem Aeglirer aus Diptyche.“
„Grüße, ich bin Leana aus Moravod.“
„Willkommen in unserer Runde. Ich bin Abedi und wir sind die Streiter Ischkurs, die Sieger des Fünfkampfes von Uchano, Helden von Kalimar und Thalassa und die Bezwinger des Minotaurus“, zählte ich unsere Errungenschaften auf.
Leonis nickte anerkennend, auch wenn ihm die einzelnen Namen nichts sagten. An der Stelle war das Gespräch aber auch vorerst beendet und wir gingen los, um unsere Sachen zu packen.
Am nächsten Tag trafen wir uns an dem Schiff wieder, welches uns nach Chryseia bringen sollte: die „Weißer Stern“ mit ihrem Kapitän Alexandros Boffus war zum Ablegen bereit und als eine lange, vernagelte Kiste mit dem Bihänder darin eintraf konnten wir aufbrechen.
Die ersten Momente waren etwas chaotisch und es dauerte merkwürdig lange, bis Leana endlich in Erfahrung brachte, dass die Reise etwa 25 Tage dauern würde. Bei der Vorstellung stöhnten wir zunächst auf, aber ändern ließ sich das nicht. Stattdessen betete ich wie üblich, dass Ischkur uns eine sichere Überfahrt gewähre – oder zumindest unser Leben schützte.
Am zweiten Tag griff die Langeweile bereits um sich und ich ging zu unserem neuen Begleiter. „Leonis, wie wäre es mit einem Übungskampf? Es würde mich sehr interessieren, wie gut du bist.“
Der Söldner schien nur darauf gewartet zu haben: „Sehr gerne, Abedi.“
In der Mitte des Decks nahmen wir Position auf, nur leicht gegen Wind und Kälte geschützt und die Waffen eingewickelt in Tücher, damit wir keine schlimmeren Wunden davon trugen. Leonis überraschte mich gleich zu Beginn, als er sich mit Langschwert und einer Streitaxt aufstellte. Selten hatte ich jemanden beidhändig kämpfen sehen und immer waren es äußerst starke Krieger gewesen!
Dann begann der Tanz! Wir beide waren äußerst zielsicher und ich war froh, dass wir Tücher über die Klingen gelegt hatten. Ansonsten hätte es wohl rasch genug Grund zum Schrubben gegeben. Leonis beherrschte sein Handwerk und seine Hiebe waren äußerst schmerzhaft. Doch selten traf er mit beiden Waffen zu gleich, wodurch er seinen größten Vorteil einbüßte und der Kampf entgegen meinen Befürchtungen ausgeglichen war. Ischkur schien mir selbst in dieser einfachen Situation gewogen!
Plötzlich stolperte Leonis an mir vorbei und sein Langschwert entglitt seinen Fingern. Unsere Blicke folgten der Klinge, wie sie einen hohen Bogen beschrieb… und jenseits der Reling nach unten ging. Zwischen dem üblichen Meeresrauschen ertönte ein leises Platschen.
Schockiert starrte der Söldner seiner Waffe hinterher, doch er gab sich nicht auf!
Mit großer Wildheit setzte er seine Angriffe fort und ich spürte direkt, dass er mit einer Waffe noch besser traf! Doch seinen großen Vorteil hatte Leonis eingebüßt und schließlich trat ich ihm gegen das Knie, dass er auf den rutschigen Planken zu Boden ging. Ehe er aufstehen konnte, ruhte die umwickelte Schneide meiner Axt an seiner Kehle. Anerkennend nickte er mir zu und ich half ihm auf.
„Du bist ein äußerst guter Kämpfer, Leonis. Diese Technik mit zwei Waffen gleichzeitig zu kämpfen ist bemerkenswert.“
„Aber du hast mich übertrumpft und ich habe mein Langschwert verloren.“
Leonis wirkte sehr enttäuscht, doch einen kurzen Augenblick später erhellten sich seine Gesichtszüge. Ich lieh ihm mein elfisches Langschwert mit dem ich ohnehin kaum umgehen konnte. Zwar unterschied es sich nur äußerlich von anderen Klingen, aber es würde ein guter Ersatz sein, bis sich der Chryseier ein neues beschaffen könnte.
„Was mich in meinem Kampf gestärkt hat, war der Glaube an Ischkur“, setzte ich das Gespräch wieder fort.
„Wer ist dieser Ischkur?“
„Ein Gott, der nur im fernen Urrutti bekannt ist, obwohl er der größte aller himmlischen Herrscher ist. Ischkur ist der Herr des Krieges und der Gerechtigkeit und wacht über jene, die das Böse bekämpfen.“
„Krieg und Gerechtigkeit, wie geht das zusammen? Und wer entscheidet, wer das ‚Böse‘ ist?“, hinterfragte Leonis. Er mochte ein Krieger sein, doch das Schwert schien nicht seine einzige Waffe zu sein. Unter seinen Muskeln versteckte sich zweifellos ein scharfer Verstand.
„Kriege sind gerecht, wenn man sie gegen das Böse führt, um deine Fragen zu beantworten. Das ‚Böse‘ tritt in Form von Dämonen auf, aber auch einfacher Menschen, die anderen Leid zufügen.“
„Und was ist mit ihr?“, fragte Leonis und wies zu Leana hinüber, die gerade Flöte spielte. „Glaubt sie an Ischkur?“
„Auf ihre Weise ja. Sie glaubt an Totemgeister der Tiere und der Pflanzen. Da Ischkur auch Herr über diese Wesenheiten ist, glaubt sie an indirekt an ihn. Auch“, setzt ich mit einem Seufzen an. „wenn sie das nicht selbst versteht. Ein direkter Bezug zu Ischkur würde ihre Kräfte noch verstärken!“
Leonis nickte bedächtig, er schien noch einige Zweifel zu haben, aber im Großen und Ganzen schien ihm Ischkur nicht gänzlich abgeneigt. Dann setzte er ein leicht verschmitztes Lächeln auf. „Und was ist mit euch beiden?“
„Was soll sein?“, brummte ich.
„Nun, ein Mann und eine Frau, die schon länger allein miteinander unterwegs sind… seid ihr ein Paar?“
„Ähm, was? Wir…ein… Paar? Nein, nein! Da waren sonst noch immer… äh… andere dabei! Also wirklich allein waren wir…eigentlich fast noch nie…auf Reisen meine ich.“ Ich spürte wie ich rot wurde. Was war nur los mit mir?
„Aber habt ihr zwei denn nie…?“, setzte Leonis noch an.
„Also ich bin eher der Mann für eine einzige, ernste Beziehung. Und Leana…“, ich seufzte. „Naja, sie ist eine den irdischen Freuden nicht gänzlich abgeneigte Frau.“
„So ganz hast du meine Frage nicht beantwortet“, ließ der Chryseier nicht locker.
Ich stotterte noch ein paar ähms und abers, aber ein Satz wollte mir nicht aus den Lippen rinnen. Dafür war mir die Gesamtsituation etwas zu unangenehm, was der Krieger auch erkannte und beschwichtigend meinte: „Du musst nicht darüber reden, wenn du nicht willst.“
Dankbar nickte ich und wir gingen auf unsere Kajüten, um uns auszuruhen.
Am nächsten Tag trafen wir uns erneut an Deck und Leonis war bereit für eine Revanche. Das elfische Langschwert blitzte verheißungsvoll im Sonnenlicht, ehe es mit Tüchern umwickelt wurde und wir uns auf Position begaben.
Diesmal schien der Krieger besser in Form zu sein und attackierte unablässig mit seinen beiden Waffen. Ich fühlte mich, wie über das Deck gescheucht, doch stets teilte ich aus, wenn er sich durch seine komplexen Angriffe die Blöße gab. So gelang es mir, über den Großteil des Kampfes mit ihm gleichauf zu bleiben, trotz seiner doppelten Zahl an Angriffen. Einen Moment war ich verwundert, dass mir dies so gut gelang, da erwischte mich plötzlich die Axt am Knie und ich knickte ein. Gnadenlos traf mich der nächste Hieb an der Schulter und mir entglitt meine Waffe. Leonis hatte gesiegt!
Er half mir auf und ich gratulierte ihm.
Die nächsten Tage ruhten wir uns jedoch auf, zum einen um uns zu schonen, aber auch unsere Waffen. Der Verlust von Leonis‘ Langschwert musste keine Fortsetzung bekommen. Doch am fünften Tag der Reise, kam dann Kapitän Alexandros zu uns, um uns die Langeweile zu vertreiben. Er habe ein Rätsel für uns und als geprüfte Fünfkämpfer von Uchano sagten Leana und ich natürlich gleich zu. Auch Leonis war sichtlich interessiert, seinen Verstand auszureizen.
„Atemlos lebt es,
Kalt wie der Tod schwebt es,
fühlt keinen Durst, doch trinkt es,
trägt ein Kettenhemd, doch nie klingt es.“
Leonis war am schnellsten und meinte: „Wolken!“ Doch der Kapitän schüttelte nur den Kopf. Dann war Leana an der Reihe: „Meer!“ Auch das war nicht richtig. Einen Moment dachte ich noch nach, dann kam ich darauf: „Ein Fisch! Er gleitet durchs Wasser, ohne atmen zu müssen und hat die ganze Zeit das Maul offen, obwohl er keinen Durst hat. Und die Schuppen sind das Kettenhemd.“ Anerkennend klatschte der Kapitän.
„Sehr gut. Für ein weiteres Rätsel könnt ihr meinen ersten Maat Siggi aufsuchen.“
Das taten wir dann auch, schließlich lagen noch etwa zwanzig Tage Reise vor uns und die Langeweile würde noch aufs Gemüt drücken.
„Was hat Wurzeln, die man nicht sieht,
wächst ständig…“
„Die Berge“, löste Leana. Das ging schnell und auch mir kam das Rätsel bekannt vor. Gab es da in Alba nicht die Legende von einem Halbling, der… leider erinnerte ich mich kaum.
Beleidigt trottete der erste Maat davon. Sportsgeist sah deutlich anders aus!
Zwei Tage später kehrte der Kapitän zu uns zurück.
„Was schreit ohne Stimme,
fliegt ohne Schwinge…“
„Der Wind!“, meinte Leana und ließ auch Alexandros kaum zu Ende zu reden. Diesmal schien er über unseren Erfolg nicht erfreut und ging davon. Ich meinte noch, er murmelte etwas von Klugscheißern. Wofür stellte er Rätsel, wenn man sie nicht lösen sollte?!
Aber der Wettkampf war noch nicht vorbei. Der erste Maat Siggi trat erneut an uns heran.
„Wer Hörner nicht zum Stoßen trägt,
seinen Bauch zu hüten pflegt,
dessen Worte Ohren sengen,
dessen Augen nichts entgeht.“
Während ich an Metaphern hinsichtlich der verbrannten Ohren und der Hörner dachte, brachten Leana und Leonis uns eher auf den richtigen Kurs und suchten ein Tier. Allerdings nutzten alle, die wir kannten ihre Hörner auch zum Stoßen, wenn es nur war, um ein Weibchen zu umwerben. Nach einer Weile gab Siggi dann den entscheidenden Denkanstoß. Es handele sich um ein magisches Wesen und dann dauerte es nicht mehr lange, bis Leana überzeugt vorbrachte: „Ein Drache!“
Während Siggi zufrieden mit uns schien, bemerkten wir bereits feindselige Blicke der übrigen Matrosen. Entweder hatten sie dieses Rätsel selbst nicht gelöst und fühlten sich vorgeführt oder… sie waren schlechte Verlierer. Einer von ihnen hatte zumindest den Ehrgeiz, selbst etwas vorzubringen.
„Was kann nie verliehen oder verdient werden
und wird trotzdem immer verschwendet?“
Es dauerte nicht lange und ich murmelte: „Die Zeit.“ Anschließend brachen die Schiffsmänner jeglichen Kontakt zu uns ab, sie waren erbärmliche Verlierer. Ein süffisantes Lächeln stahl sich auf mein Gesicht.
Die folgenden Tage vergingen ereignislos ohne Übungskämpfe und Rätsel. Doch als ich mich in der sechzehnten Nacht in meine Koje verkroch, war mir nicht viel Schlaf vergönnt. Ein Krachen und Splittern ertönte, ein heftiger Ruck ging durch das gesamte Schiff und plötzlich hörte das allgegenwärtige Schaukeln auf. Alarmiert sprang ich aus der Koje und rannte auf den Gang. Von Leana und Leonis war nichts zu sehen, sie schliefen wohl fest…miteinander?! Ich sollte den Gedanken am besten nicht vertiefen…Leonis war ein vergleichsweise gut aussehender Krieger, ohne Narben… aber sonderlich gut verstanden hatten sie sich auch nicht. Ich schüttelte diese verwirrenden Gedanken ab und ging an Deck.
Das Schiff stand tatsächlich still, aber leicht schief. Um uns herum tobte ein heftiger Sturm und peitschte mir Regen ins Gesicht. Ich blickte umher, doch keiner der Matrosen nahm Notiz von mir. Da erblickte ich Alexandros Boffus, welcher einsam im Regen stand und konzentriert nachzudenken schien.
„Was ist geschehen, Kapitän?“
„Wir wurden von einer dieser riesigen Wellen auf einen Felsen geschleudert. Die Bilge ist zerstört und wir setzen fest, aber wenigstens laufen wir nicht voll. Das Schiff…ist verloren… wir werden mit den Beibooten an eine nahe gelegene Insel schippern, sobald der Sturm sich gelegt hat.“
Bei diesen Worten merkte ich, wie blass der Mann war. Sein Lebensinhalt hing auf dem Felsen und der Sturm hatte ihn wohl alles gekostet, was er in den letzten Jahren aufgebaut hatte. Doch ich würde ihm nicht helfen können – zumindest hatte Ischkur unser aller Leben bewahrt.
Ich ging wieder unter Deck, wo Leana und Leonis immer noch auf ihren (oder ihrer?) Kabinen waren.
Am nächsten Tag erfuhren die beiden dann auch was geschehen war und die Beiboote wurden zu Wasser gelassen. Ich fragte Leana, ob sie den Bihänder aus ihrer Kabine holen wolle, da trat sie nervös von einem Fuß auf den anderen und meinte: „Hm, wollt ihr zwei Männer das nicht machen?“
Ich runzelte die Stirn, nickte aber. Zusammen mit Leonis gingen wir in die Kabine und hoben die Kiste an… welche plötzlich unheimlich schwer geworden war! Was zum…?
Wir trugen unser Paket zunächst nach oben, dann fragte ich nach: „Warum ist der Bihänder plötzlich so schwer?“
„Nun, ich habe versucht, IHN herauszuholen“, antwortete Leonis. „Doch er war zu schwer gewesen und ich habe es nicht geschafft.“
Ich bemerkte ein unangemessenes, schelmisches Grinsen bei Leana. Das waren mir ja zwei…
Zum Glück versank das Boot nicht unter unserer Last und wir erreichten sicher die nahegelegene Insel, wo wir dann diese Kiste eine Stunde schleppen mussten, bis wir ein kleines Fischerdorf erreichten. Außer den Hütten gab es eine Taverne „Ochs und Bär“ sowie eine Werft mit Hafen, wo zurzeit sogar ein Schiff anlag! Die Matrosen verzogen sich zunächst in die Kneipe und hofften wohl ihren Kummer im Alkohol ertränken zu können, aber die Streiter Ischkurs hielten sich mit so etwas nicht auf. Zielstrebig gingen wir zu dem Schiff und fanden schnell Kapitän Sterdas. Zu unserem Glück war dessen Reiseziel ebenfalls Dyptiche, allerdings beabsichtigte er nur Waren zu transportieren. Wir redeten ihm gut zu und schließlich meinte er mit einem Seufzer:
„Nun gut, aber dann müsst ihr mir ‚helfen‘. Ein Händler verkauft Balsamicoessig und Olivenöl. Essig ist doppelt so teuer wie das Öl. Er besitzt jeweils ein Fass mit den Maßen 8, 13, 15, 17, 19 und 31 Litern. Ein Mann nimmt Öl und Essig zu jeweils 280 Goldstücken ab. Eines der Fässer bleibt übrig, welches ist das und was ist sein Inhalt?“
Zunächst stöhnten wir angesichts dieser mathematischen Herausforderung auf, aber schließlich hatten wir keine Wahl, wenn der Kapitän auf solch merkwürdige Weise unsere Mitreise bezahlt sehen wollte.
Schnell merkten wir an, dass man den Inhalt des fehlenden Fasses anhand der Angaben nicht ermessen kann, was Sterdas mit einem wohlwollenden Lächeln anerkannte. Dann wurde es knifflig.
Leonis schien zwar nicht unbedingt zu dumm für dieses Rätsel, allerdings schien ihm jede Motivation zu fehlen, sich damit auseinanderzusetzen. So riet er zweimal, was den Kapitän sehr ungehalten machte und androhte, bei einem weiteren blinden Rateversuch das Gespräch zu beenden.
Ein erster Ansatz meinerseits war es dann, dass die Literanzahl der fünf gekauften Fässer durch drei teilbar sein musste. Jedoch biss ich mich in der ersten dieser Zahlen fest und konnte diese anhand der Fassgrößen nicht rekonstruieren. Leana brachte dann weitere Möglichkeiten ins Spiel und schließlich hatten wir die Zahl und konnten sie auch abbilden. Da wollte ich lösen, doch zweimal fuhr mir die Schamanin ins Wort, weil sie meinte, wir wären noch nicht sicher. Doch schließlich setzte ich mich durch und legte Sterdas die Lösung dar.
„Das 19-Liter Fass bleibt übrig, die 13- und 15-Liter Fässer enthalten den Balsamicoessig, die 8-, 17- und 31-Liter Fässer das Öl.“
Sterdas applaudierte kurz. „Die Eramona legt in einer Stunde ab, ich erwarte euch dann hier.“
Wir nickten und gingen zur Taverne, um uns kurz von den Matrosen zu verabschieden und eine Erfrischung einzunehmen. Die Wirtin begrüßte uns jedoch sehr ungehalten. Ständig rotzte sie in ein kleines Schälchen und starrte nur auf das verdreckte Glas, das mit einem noch dreckigeren Lappen „putzte“.
„Willkommen in Europosäa, Fremde“, kam es ihr widerwillig über die Lippen und erinnerte mehr an eine Verwünschung als eine Begrüßung.
Wir bestellten Wasser, Bier und Wein. Doch was uns die Frau dann auf den Tresen stellte… mein Wasser war nicht nur trüb, es besaß eine eigentümliche, rötliche Färbung und ich machte Dreckbröckchen aus, die darin schwammen. Ich schob es gleich wieder von mir fort. Leonis‘ Bier hatte dieselbe Farbe wie mein Wasser, lediglich etwas gelblicher Schaum saß darauf. Leanas Wein schien noch am ehesten trinkbar, doch nachdem sie darin nippte, erbrach sie sich fast auf den Tresen.
„Typisch Fremdlinge. Wissen nichts zu schätzen, undankbares Pack!“, fluchte die alte Frau und verteilte dabei Spucke. Leonis wurde rot und wütend packte er seinen Bierkrug und schleuderte ihn gegen die Wand. „Was soll diese Scheiße?!“, brüllte er und verließ schimpfend das Haus. Ich war kein Freund von Wutausbrüchen, doch dieser war angemessen und angewidert folgten Leana und ich dem chryseiischen Söldner.
Die Eramona besaß sieben Mann Besatzung. Die Matrosen waren weniger „geistreich“, aber dafür geselliger als unsere letzte Hochseebegleitung. Wir schliefen die folgenden fünfeinhalb Tage in einem Gemeinschaftsraum ohne, dass es Probleme gab. Zwischenzeitlich durfte Leonis sogar eine Stunde das Ruder führen und machte seine Sache nicht einmal schlecht.
Wir erreichten Dyptiche am späten Nachmittag. Die Stadt mit ihren etwa zweitausend Einwohnern lag auf einem Hügel erhöht vor uns. Es wurde ein mühsamer Weg mit dem besonders schweren Bihänder in der Kiste. Doch schließlich war es geschafft und ohne Probleme kamen wir durch das Stadttor. Ein gewisser Igeas empfahl uns dort das Wirtshaus „Georness‘ Stolz“, das in Sichtweite lag. Wir machten uns auf den Weg dorthin, als uns plötzlich ein Bettler ansprach und um ein wenig Geld bat.
Leonis zückte rasch zwei Goldstücke und erfreut flüsterte der Mann: „Der Mendarch dankt euch.“ Damit ließ er uns ratlos zurück, doch bevor wir nachfragen konnten, war der Bettler wieder verschwunden.
Georness‘ Stolz lag mit seinen zwei Stockwerken imposant vor uns und war mit etwa 150 Menschen prall gefüllt. In der Decke zum 1. Stock war ein Loch gelassen, um zum einen dem gewaltigen Kronleuchter Platz zu verschaffen und den Obenstehenden einen freien Blick auf die Tanzfläche zu gewähren. Wir erblickten eine riesige Theke und machten uns dorthin auf den Weg, zielstrebig durch die Masse der Feiernden hindurch. Doch anstatt, dass wir bedient wurden, schickte uns der Wirt Giotte Jarnes zu einem Tisch. Auch eine der herumlaufenden Damen schien uns nicht zuhören zu wollen, so setzten wir uns waffenstarrend und in Rüstung mit einer beinahe menschengroßen Kiste an den Rand des Wirtshauses.
Doch trotz dieses befremdlichen Anblicks schien keiner Anstoß zu nehmen oder die gerade spielende Bardengruppe fesselte die Masse. Die musikalische Begeisterung der Dypticher äußerte sich hier in beinahe ekstatischen Tänzen. Aber es gab hier auch andere Ausländer, so saßen am Tisch neben uns einige Moraven. Sie würfelten und tranken dabei Unmengen an Bier. Alleine in der Zeit, in der wir warteten, einmal bedient zu werden, erhielten sie drei neue Runden. Besonders sympathisch wurde mir das Ganze nicht. Man konnte den Menschen zwar nicht verbieten, sich dem Laster hinzugeben, aber man konnte diejenigen, welche in schlichter Absicht, ein Bett zu finden, wenigstens angemessen behandeln und schnell bedienen.
Dann trat endlich eine junge Dame heran, welche sich als Larissa Therokles vorstellte. Es stellte sich heraus, dass Georness‘ Stolz aus seiner Lage unverschämt Kapital schlug und zwanzig Goldstücke für die Übernachtung verlangte. Pro Person!
In gewisser Weise verstand ich also Leonis, welcher sich weigerte diesen Preis zu bezahlen, noch etwas zu trinken zu bestellen. Doch ich wollte mir an der Stelle einmal ein wenig Luxus gönnen und kein neues Gasthaus suchen. So bezahlten Leana und ich und bestellten einen Tee sowie einen Wein. Mein Wunsch verwunderte Larissa und am Ende zahlte ich sogar mehr. Nein, dieses Gasthaus würde von mir wahrlich keine Empfehlung erhalten.
Leonis versuchte sich unterdessen anderweitig ein Nachtlager zu verschaffen und sprach eine Dame an. Durch den Lärm konnten wir jedoch nicht hören, was sie sagten, aber sie schien seinen Offerten deutlich abgeneigt und wandte sich schließlich empört ab. Wie ein getretener Hund kam der Krieger zurück und fluchte ordentlich über dieses Etablissement.
Anschließend stellten Leana und ich unsere Sachen im Nebengebäude auf unsere Zimmer, gingen zurück und orderten etwas zu essen. Mein Magen knurrte, die eintönige Schiffsmahlzeit machte mir an sich nichts aus, aber hier und da war etwas Feineres durchaus willkommen.
Leonis versuchte währenddessen ein weiteres Mal sein Glück bei den Frauen, aber trotz seines Aussehens, schien ihm das Schicksal heute nicht gewogen. Dann hockte er sich zu den Moraven und prüfte, was dort getrieben wurde. Viel verstand ich nicht, aber plötzlich erhob sich mit gerötetem Kopf. „Ich bin ein Streiter Ischkurs und was ihr tut ist schändlich!“
Sein Eifer erfreute mich, aber auf anderer Seite war ich jemand, der den Glauben durch eigenes, vorbildhaftes Verhalten verbreiten wollte und nicht durch Nötigung. Leonis beließ es zum Glück bei mahnenden Worten und es artete in keine Wirtshausschlägerei aus. Unterstützt wurde das durch Leana, die ihre Landsleute erfolgreich ablenkte. Der Krieger verzog sich an das andere Ende des Gasthauses und da ich sonst alleine wäre, hockte ich mich eben auch zu diesem merkwürdigen, moravischen Haufen.
Es handelte sich zum Großteil um Boten, welche sich trotz ihrer schlechten Bezahlung ein ordentliches Feierabendbier gönnten. Einer von ihnen tat das sogar schon seit mehreren Monaten, da er sein Ziel – einen gewissen „Magnus“ – nicht aufgefunden hatte. Der Alkohol schien ihm mittlerweile den Verstand zerfressen zu haben und ich war mir nicht einmal sicher, dass es wirklich einen „Magnus“ gab…
Zu meiner Erleichterung forderten die Moraven weder Leana noch mich zum Glücksspiel heraus. Das hätte ich deutlich abgelehnt. Stattdessen wollten sie uns Rätsel stellen. Da waren wir Sieger des Fünfkampfes von Uchano natürlich in unserem Element und durch die Übungen vor einigen Tagen auch gut aufgewärmt.
„Will man vieles von mir haben,
muss man mich erst begraben.“
Leana antwortete innerhalb weniger Sekunden: „Samen!“ Der Mann namens Platon nickte anerkennend und prostete uns zu.
„Sitzt einer auf dem Dach und raucht,
obwohl er keinen Tabak braucht.“
Diesmal war es an mir, rasant zu antworten: „Schornstein!“
Ein Mann namens Krateos wollte, dass wir aus drei leeren und drei vollen Wassergläsern eine abwechselnde Reihenfolge erstellten. Leana schüttet eines um und das Rätsel war gelöst!
„Es ist manchmal kalt wie Eis
und manchmal heiß wie Feuer.“
Ich überlegte kurz und stellte dann mit einem Schnauben fest: „Liebe“.
Dann kam das kniffligste Rätsel. Der Mann namens Ilgios forderte uns auf ein Glas so zu leeren, dass es exakt zur Hälfte gefüllt war. Allerdings wählte er dafür Gläser an denen man dies nicht abschätzen konnte und wartete darauf, dass wir einen Trick fanden. Währenddessen hockte er die ganze Zeit mit einem dümmlichen Grinsen vor uns und hielt sein Bierglas schräg.
Weder Leana noch ich kamen darauf, denn all unsere Vorschläge hinsichtlich Hilfsmittel oder schätzen wurden mit fast kindlicher Stimme abgelehnt: „Mag ich nicht!“ Das zehrte wirklich an meiner Beherrschung und schließlich gaben wir auf.
Ilgios erklärte uns darauf, dass ein Glas immer halbvoll sei, wenn man es schräg halte. Stirnrunzelnd akzeptierten wir das, aber einige Tage später kamen wir darauf, dass der Alkohol dem Mann den Verstand benebelt hatte.
Die letzten Rätsel wurden von Zwillingen gestellt und waren nach Ansicht der Moraven die schwersten. Im Vergleich zu dem vorhergegangenen Schwachsinn waren sie jedoch erfrischend.
„Ich bin scharf wie eine Schneide
oder stumpf wie ein Stein,
auch wenn ich den Kampf meide,
soll ich es nennen mein.“
Leana kombinierte rasch zur Lösung: „Verstand!“
„Solange ich bei meinem Herren bleibe,
helfe ich ihm nicht,
wenn er mich aber fortgibt,
so nütze ich ihm.“
Gleichzeitig antworten wir mit Gold und Geld und beides war richtig. Damit waren wir durch und die Männer schienen ersichtlich zufrieden. Insbesondere Leana schien ihre Gunst gewonnen zu haben und einer überreichte ihr einen tiefblauen, wallnussgroßen Saphir, der leicht zu schimmern schien. Auf ihre Frage, was diesen Edelstein besonders machte, lachten die Männer nur und von irgendwo hörte ich: „er leuchtet blau!“.
Für mich wurde es nun jedoch Zeit zu gehen, während die Schamanin begann, sich mit den Männern zu betrinken. Was auch immer heute noch geschehen sollte, ich wollte nicht zwingend Zeuge werden.
Beim Hinausgehen bemerkte ich Leonis, welcher auf einem Tisch lag. Irgendwie schaffte er es, dort zu schlafen und von den Menschen um ihn herum störte sich auch keiner daran.
Ich verbrachte eine zweifellos angenehmere Nacht im Bett, nur gestört durch den einen oder anderen Betrunkenen, der nicht gerade leise schlafen ging. Und durch den Nachbar, welcher seinen Nachttopf immer wieder auffüllte.
Am nächsten Morgen wirkte Leana ein wenig verschlafen und Leonis trotz des unangenehmen Schlafplatzes recht erholt. Ihn hatte wohl keiner herausgeworfen und er begrüßte uns, als wäre nichts gewesen. Nun, andere Länder, andere Sitten.
Wir bestellten Frühstück, wobei ich für den Söldner zahlte, dem dieses Gasthaus definitiv zu teuer schien. Oder er wollte diesem Sündenpfuhl kein Geld überlassen, zumindest ging er nun in seiner neu entdeckten Leidenschaft für den Glauben auf Leana los.
„Dein Verhalten ist doch krank!“
„Was?!“, blaffte sie zurück und verschluckte sich fast.
„Eine Frau ganz allein in einer Männerrunde… hast du denn keine Ehre?“
„Bitte?! Was soll ich denn getan haben, oh edler Krieger?“
„Du hast doch mit ihnen geschlafen. Mit einem oder mehreren oder am Ende noch mit allen gleichzeitig. Da stimmt doch was nicht mit dir. Abedi, wie kannst du nur mit ihr reisen?“
Ich zuckte mit den Schultern. „Was sie auch tut, wenn es nicht gottgefällig ist, wird sie die Strafe früh genug ereilen. Solange sie an unserer Seite für das Gute zu streiten vermag, ist sie mir willkommen.“
Leana schien von dieser Erläuterung allerdings nicht sonderlich angetan und schwieg vorerst. Erst als Larissa herbeikam machte sie wieder den Mund auf und fragte nach dem Mendarchen. Die Dame wurde ein Stück blasser und stotterte leicht bei ihrer Antwort.
„Er ist eine einflussreiche Person in Süd-Chryseia. Man sagt er sei der Herr von der Ruinenstadt Thalassa. Öfter hört man den Namen ‚Bettlerkönig‘. Ihr solltet nicht weiter nachfragen, es kann gefährlich werden.“
Wir runzelten die Stirn, waren aber weitestgehend zufriedengestellt und folgten dem Ratschlag. Nach dem Frühstück wollten wir dann aufbrechen und zu Erik gehen, Leonis konnte uns führen.
Also standen wir auf, holten die Kiste mit dem Bihänder und machten uns auf den Weg. Da trat uns plötzlich eine überwältigende Schönheit entgegen, dass Leonis und ich unser Transportgut fallen ließen. Es war eine Elfe mit langen Haaren bis über die Taille und ebenmäßig-heller Haut. Ihre tiefgrünen Augen standen leicht schräg und waren forschend auf uns gerichtet.
„Mein Name ist Jasmina Thylos Alezzia, Erzmagierin der Gilde vom Siebenstern und…“
Was folgte war ein Gewirr von Titeln von denen ich mir keinen merken konnte. Vielleicht hatte Leana ja Recht, dass man nicht jedes Mal alle aufzählen sollte. Aber immerhin war ich nicht der einzige mit dieser Leidenschaft!
„…ich habe euch eigentlich gestern erwartet. Aber wie dem auch sei, liefert euer Transportgut bei Schatzmeister Erik dem Aeglirer ab, ich begleite euch. Hinterher werden wir sprechen, ihr müsst für eure kommenden Aufgaben geprüft werden.“
Wir nickten und sie ging, nein, schwebte voran. Unsere Blicke folgten ihren eleganten Bewegungen bis sie sich noch einmal umdrehte und die Augenbrauen hob. Einen kurzen Moment paralysiert, hoben wir dann sofort die Kiste auf und folgten ihr.
Dann grübelte ich kurz. Die ursprüngliche Reise hätte fünfundzwanzig Tage dauern sollen, nach sechzehn erlitten wir Schiffbruch und brauchten weitere sechs, um Dyptiche zu erreichen. Da wir keinen Umweg gefahren waren, hatten wir somit drei Tage gespart. Wir waren also definitiv früher da, als geplant… leider war dies nicht das letzte Indiz dafür, dass in dieser Stadt und insbesondere in der Magiergilde ein großer Kult um bewusstseinsmindernde Gestalten zelebriert wurde.
Auf dem Weg erzählte Leonis ein wenig über seinen Auftraggeber. Erik war nur zur Hälfte Waeländer, hatte aber auch so noch genug Schwierigkeiten gehabt, sich in Dyptiche nach oben zu arbeiten, wo er nun den Posten als Schatzmeister bekleidete. Anschließend fragte uns Alezzia aus, welche Kompetenzen wir vorweisen könnten.
„Nun, wir sind die Streiter Ischkurs, weitgereiste Abenteurer“, setzte ich an. „Wir haben den Fünfkampf in Uchano gewonnen und das Biest von Kalimar besiegt und werden dort als Helden gefeiert. Außerdem waren wir bereits einmal hier in Chryseia, genau genommen in Thalassa. Wir durchquerten das dortige Labyrinth und töteten den Minotaurus, weshalb man uns auch dort mit Ehrfrucht betrachtet. Natürlich sind wir auch gute Freunde von Jarl Asar.“
„Thalassa…nun, von dem Vorfall habe ich nichts gehört. Der Süden Chryseias ist unzivilisiert, wir ignorieren gerne seine Existenz. Ich denke, es wird notwendig sein, euch eigens zu prüfen.
Was ist größer als Gott,
böser als der Teufel,
die Armen haben es,
die Reichen brauchen es.“
Ich kannte das Rätsel bereits und löste: „Nichts.“
Alezzia wirkte einigermaßen zufrieden, aber mich ließ irgendwie das Gefühl nicht los, dass sie dieser Welt ein wenig entrückt war. Es schien zwar, dass sie sich für uns interessierte und etwas von uns wollte, aber es blieb für mich bei diesem Schein. Wirklich Glauben schenken, konnte ich ihr nicht. Irgendwie beruhigte es mich, als wir bei Erik ankamen und sie sich vorerst von uns verabschiedete. Wir sollten dann später zu ihr in die Gilde kommen.
Ohne Umschweife brachte man uns in das Büro des Schatzmeisters, wo der Aeglirer auf einem Thron saß, vor sich einen gewaltigen Tisch voller Pergamente, Bücher, Tintenfässchen und einiger Federkiele. An den Wänden fanden sich Karten von Dyptiche und Chryseia, mit verschiedenen Notizen versehen, voll mit Pfeilen und Markierungen.
Der Vetter Asars sah ihm trotz des chryseiischen Blutes zum Verwechseln ähnlich. Er war groß, breit und trug die langen Haare in einem Zopf, während ein geflochtener Bart das Gesicht zierte. Eine beeindruckende Gestalt trotz seiner eher ruhigen Arbeit. Bei unserem Eintreten sah er auf und lächelte.
„Ah, Leonis! Sehr schön und ich nehme an, ihr zwei seid die Abenteurer meines Vetters? Habt ihr das Schwert?“
Wir wuchteten die Kiste herein und stellten sie auf den Boden ab. Erik trat heran und öffnete die Kiste. Er sah sehr zufrieden aus und überreichte uns ohne Umschweife tausend Goldstücke, pro Person! Für ihn schien das nur Taschengeld zu sein, so leichtfertig gab er es aus der Hand. Dann meinte auch er, wir sollen nun zu Alezzia gehen und schickte uns hinaus.
Die Gilde zu finden war kein größeres Problem, sie war in Dyptiche wohl bekannt und überall liefen Lehrlinge herum, eine richtige Novizenstadt. Die elfische Gildenmeisterin empfing uns und offenbarte unseren Auftrag.
„Vor drei Tagen wurde der Schüler Vagias Terlas tot in seinem Gemach aufgefunden. Es fanden sich Bissspuren an seinem Hals, wir gehen also davon aus, dass es sich um einen Vampir handelt. Euer Auftrag ist nun, diesen zu finden und zur Strecke zu bringen. Bedenkt, dass dies ein Test ist, wenn ihr versagt, habe ich keine weitere Verwendung für euch. Wenn ihr es jedoch schaffe solltet, dann seid ihr fähig genug, die eigentliche Aufgabe anzugehen. Wie gut kennt Ihr euch mit Vampiren aus?“
Für mich waren diese finsteren Kreaturen etwas, das man unbedingt töten musste. Leana schien etwas mehr zu wissen und daher verzichteten wir auf eine umfängliche Erklärung. Alezzia gab uns noch einen Verweis auf den Schmied, welcher magische und versilberte Waffen bereithielt, welche man benötigte, um diese Kreaturen zu bekämpfen, danach entließ sie uns.
Auch der Handwerker war schnell gefunden und als der Name der Erzmagierin fiel, brauchte es nicht lange, bis der Mann zwei silberne Langschwerter herbeibrachte und sie Leonis in die Hand drückte. Auf den Dolch verzichtete Leana, sie besaß bereits eine magische Waffe. Eine Streitaxt gab es nicht einmal. Dafür erhielt ich mein elfisches Langschwert von Leonis zurück.
Dann waren wir vorbereitet und begannen unsere Recherche im Raum des Novizen Vagias Terlas. Dort fand sich nicht viel, der Täter war gründlich gewesen. Lediglich etwas Blut verblieb am Kopfkissen. Da die Leiche bereits entfernt worden war und sicher erste Nachforschungen seitens der Gilde betrieben wurden, beschlossen wir, den verantwortlichen Ermittlungsleiter aufzusuchen.
Vor dem Raum fragten wir einen der vorbeiströmenden Novizen, ob er wisse, wer diese Person sei. Allerdings wusste der junge Mann nicht einmal, dass es einen Toten gab. Wie das an ihm vorbeigehen konnte, war mir ein Rätsel. Die einzige Erklärung war, dass man diese Ermittlungen geheim halten wollte, sodass wir nicht weiterfragten und einen der ehemaligen Lehrer von Vagias aufsuchten.
Der Meister der Schutzzauber beschrieb den jungen Novizen als fähig und engagiert und war bekümmert über dessen Tod. Entdeckt wurde er von einem seiner Mitnovizen, einem so genannten „Kommilitonen“. Der genannte Mann war sein rechter Zimmernachbar, welchen wir aufzusuchen gedachten, der sich allerdings bei unserer Ankunft irgendwo anders aufhielt. Daher nahmen wir mit dem linken Nachbar vorlieb.
„Seid gegrüßt, dürfen wir eintreten?“, übernahm Leana das freundliche Klopfen. Zwar trugen Leonis und ich unsere Rüstungen nicht, aber es war sicherlich etwas beruhigender, wenn eine Frau das Gespräch leitete anstatt zweier Athleten, der eine mit einem vollständig vernarbten Gesicht.
Eine etwas nervös klingende Stimme antwortete: „Ja… einen Moment.“
Dann öffnete er uns und ließ uns hinein. Das Zimmer war klein und ähnelte dem Vagias Terlas‘ sehr. Zusätzlich war es hier stickig und das Fenster mit einem Vorhang verhüllt.
„Hallo, wir untersuchen Vagias‘ Tod. Wie ist dein Name?“
„Elisias.“
„Hast du vor drei Nächten etwas mitbekommen?“
„Hm…äh, nein… also habe ich nicht!“, wurde die Antwort zittrig vorgetragen. Er wirkte blass, die Augen dunkel. Eine unangenehme Ahnung befiel mich und Leana meinte plötzlich: „Nun gut, einen schönen Tag noch.“ Dann schob sie uns förmlich hinaus. Draußen war viel Betrieb, wohl war gerade eine Unterrichtsstunde vorbeigegangen. Die Schamanin ging mit uns auf die andere Seite des Novizenstroms und sagte fest entschlossen: „Es handelt sich um einen Vampir!“
Sie brauchte uns nicht lange zu überzeugen und wir beschlossen, unsere Ausrüstung zu holen, um das Zimmer zu stürmen. Leana wollte währenddessen die Tür überwachen, damit Elisias nicht fliehen konnte.
Die Rüstung war schnell geholt und voll gerüstet klopften wir bei Alezzia. Verwundert hob sie den Kopf, als wir eintraten.
„Wir haben den Vampir gefunden. Es ist Novize Elisias. Wir sind auf dem Weg, ihn zur Strecke zu bringen und wollten euch informieren. Eventuell wollt Ihr euch uns anschließen?“
Langsam erhob sie sich und noch langsamer sagte sie: „Hm? Ein Vampir bei uns in der Gilde? Das ist aber eine Überraschung. Nun, geht und tut, was ihr tun müsst. Viel Erfolg.“
Etwas verwundert gingen wir also, sie schien keinerlei Bedenken hinsichtlich des mächtigen Untoten zu haben. Doch es sollte ja auch unsere Probe sein… noch glaubte ich, dass die Handlungen der Gilde von Rationalität geprägt sein konnten.
Vor dem Raum bereiteten wir uns nach allen Regeln der Kunst vor und ich spürte, dass es Ischkur wohlgefiel, einen gefährlichen Vampir auszulöschen. Wir hatten Pfähle dabei, um sie in das Herz zu rammen, aber unser eigentlicher Plan war es, das Fenster zu öffnen und somit das Sonnenlicht einzulassen.
Doch als ich die Tür auftrat war Elisias verschwunden. Verwundert blickten wir zu Leana, welche mindestens so verdutzt aussah wie wir.
„Ich habe die Tür die ganze Zeit im Auge gehabt, sie hat sich nicht einmal geöffnet! Hm… ach verdammt“, sie fluchte. „Er wird sich in Rauchform hinausgeschlichen haben. Irgendwo muss er eine Ruhestätte haben und sich dort verstecken. Draußen ist es noch zu hell, also sollten wir im Keller nachsehen!“
Auf dem Weg zum Untergeschoss sprachen wir mehrere Magier an, dass sie uns bei der Suche helfen sollten. Sie wirkten lethargisch, beinahe gleichgültig. Ich hatte eigentlich erwartete, dass sich bei dem Wort Vampir ein jeder überschlug und uns bei Seite stand, aber am Ende waren es lediglich sieben, die mitsuchten. Wie konnte man derart leichtfertig mit einer solchen Bedrohung umgehen?
Im Kellergewölbe der Novizengebäude fanden wir nichts und stürmten in Windeseile zu jenem der Schulgebäude. Irgendwo musste Elisias sein! Einer der Magier bot sich schließlich an, weitere Hilfe zu holen. Wir waren froh, dass endlich jemand, wirkliches Interesse zeigte, uns zu helfen.
Aber…kaum war der Mann weg stutzten wir. Hatte er nicht ebenfalls eine ungewöhnliche Blässe. Ein Blick zu Leana und verzweifelt nickte sie. Ein weiterer Vampir!
Die Schamanin schenkte mir noch einmal neue Kraft, die intensive Vorbereitung von vorhin hatte mir einige Kräfte geraubt. Dann spurteten wir los, ihn zu suchen – mittlerweile war es dunkel genug, dass ein Vampir draußen überlebte und wir folgten unserem Instinkt und liefen durch die Straßen. Ein Magier kam uns entgegen.
„Habt Ihr einen blassen Kollegen gesehen?“
„Ja… einer hat sich gerade Richtung Stadttor aufgemacht. Ist etwas los?“
Wir verweigerten ihm eine genaue Auskunft und rannten los. Ob etwas los sei? Mindestens zwei Vampire trieben in der Akademie ihr Unwesen und keiner schien zu bemerken, dass ein Kollege offensichtlich eine leichte Sonnenallergie besaß! Diese verdammten Magier.
Die Wachen am Stadttor bewiesen jedoch einen noch kleineren Geist. Kein Magister war vorbeigekommen, kein Nebel, keine Fledermaus. Aber ein Wolf. Ein schwarzer Wolf war aus der Stadt nach draußen gelaufen. Laut den Männern nichts Besonderes, so etwas kam hier wohl öfter vor.
Bei dieser Aussage hätte ich am liebsten angefangen zu weinen, doch es blieb keine Zeit, sich über die Dummheit der Schafe aufzuregen, wenn die Wölfe noch frei herumliefen.
Wir liefen die Straße entlang und einen Hügel hoch, weiter hatten die Wachen das Tier nicht gesehen. Einen Moment schien es tatsächlich, als hätten wir versagt und der Magier-Vampir sei entkommen. Doch da entdeckte Leonis eine Spur und führte uns zu einer Höhle. Der Abstieg war matschig, doch wir schafften es, ohne zu stürzen.
Es war ein ideales Versteck für Vampire, der Eingang zum Glück nur durch ein paar Holzbretter versperrt, die rasch zur Seite gefegt waren. Dann betete ich erneut zu Ischkur und auch Leana bereitete sich vor, so gut sie konnte. Und es ging hinein in die Tiefe.
Hatte ich bei Vampiren eher an jene Sorte gedacht, die sich als feine Herren gaben, wurde ich hier überrascht. Es war das reinste Drecksloch, die Blutsauger lebten hier wie die Tiere und versteckten sich vor der Sonne. Verabscheuungswürdige Kreaturen, ich freute mich bereits darauf, sie zur Strecke zu bringen.
Das Höhlensystem schien nicht sonderlich groß, wir hatten schnell einige Sackgassen entdeckt. Dann standen wir vor einer metallbeschlagenen Tür mit zwei eingelassenen, weißen Steinen. Darüber stand „Die Sonne ist unser Feind!“. Leonis zog entschlossen einen der Steine wie einen Griff nach unten und der Raum offenbarte sich uns. Er war etwa zwanzig Meter breit wie lang mit einigen Opferaltären in der Mitte, auf denen Menschen lagen. Über ihnen beugten sich zwei blasse, ausgemergelte Gestalten. Mit einem Fauchen bemerkten sie uns und schlitzten ihren Opfern, die sie eben noch genüsslich hatten verspeisen wollen, die Kehlen auf.
Sie rannten auf uns zu, von rechts kam noch ein weiterer Blutsauger. Doch Leana schleuderte ihnen eine Feuerkugel entgegen, deren Explosion sie kurz aufhielt. Dann stürmten wir mit einem lauten Ischkur-Ruf hinein und jeder stürzte sich auf einen der Vampire.
Mein erster Streich zielte auf den Hals des Untoten ab und beinahe hätte ich ihn direkt abgetrennt, doch er bewegte sich blitzschnell und brachte sich durch einen absichtlichen Rutsch unter die Klinge. Diese Biester waren verflucht schnell und ihr untotes Leben schien keine Erschöpfung zu kennen, was sie zu schwierigen Gegnern machte. Von weiteren schwarzmagischen Fähigkeiten ganz zu schweigen, doch im Nahkampf, Auge in Auge, würden sie zumindest diese nicht gegen uns einsetzen können.
Meinen nächsten Schlag fing der ehemalige Novize einfach mit seinem Arm ab und stieß mich mit einem Tritt vor die Brust zurück.
Währenddessen hieb Leonis zielstrebig auf ein und dieselbe Stelle ein, kurz nacheinander bohrten sich seine Schwerter hinein und hinterließen eine verheerende Wunde. Zumindest ein Mensch wäre nach diesen Angriffen zu Boden gegangen, doch der Vampir blutete nicht und bleckte wie ein wildes Tier die Zähne. Mit seinem Dolch stieß er vor und nutzte den Moment, in dem der Krieger seine Balance wiederfinden musste. Die Klinge bohrte sich durch die Kettenringe und zerschnitt sie, es musste einiges an Kraft dahinter stecken, eine solch kleine Waffe so verheerend einzusetzen. Doch dieser Triumph blieb von kurzer Dauer für den Untoten, da traf ihn Leo erneut mit einer seiner Klingen und scheuchte das Biest vor sich her. Die schnellen Schläge nach einander erweckten den Eindruck eines unablässigen Waffenwirbels und ein ungeübter Mensch hätte den Angriffen nicht einmal folgen können, ehe sie ihn in Stücke rissen.
Leana hatte größere Probleme mit ihrem Gegner, welcher äußerst gerissen war und viele ihrer Angriffe einfach ins Leere gehen ließ. Nach dem letzten sprang er plötzlich nach vorne und umklammerte die Schamanin in der Körpermitte. Der Vampir hob sie an und schleuderte sie anschließend zu Boden, wo sie einen Moment keuchend liegen blieb, was ihr Gegner nutzte um ihr einen Stich zwischen die Rippen zu verpassen. Sie keuchte auf, rang nach Luft. Er hatte ihre Lunge zumindest gestreift. Doch hier hatte er es nicht mit einem einfachen Opfer zu tun, Leana sprang wieder auf die Beine und attackierte ungerührt von ihren Wunden weiter. Hier stand keine Dame aus edlem Haus, hier stand eine Bärin und wütete, als wären ihre Jungen in Gefahr.
Mir gelang es endlich zwei Treffer kurz nacheinander zu setzen, die diese Ausgeburt nicht abwehren konnte. Ich riss damit große Stücke Fleisch aus seinem Leib, doch ohne das übliche Blut fiel es mir schwer abzuschätzen, ob mein Gegner bald vergehen oder noch drei Stunden kämpfen würde. Zumindest Ischkur verließ mich nicht und das goldene Strahlen meiner Rüstung schreckte das Biest ab und wenn es traf, dann verhakte sich der Dolch mehr in dem Kettenhemd, als dass es durchdrungen wurde.
Doch die Vampire ließen nicht nach, ihre Bewegungen waren teuflisch schnell und fast jeder unserer Angriffe ging daneben. Leonis‘ Gegner tänzelte um ihn herum, trotz des geöffneten Körpers in dem geschwärzte und verschrumpelte Organe zu sehen waren. Mehrfach trat er ihm von hinten gegen die Kniekehlen und immer wieder erlangte der Kämpfer mit Mühe und Not sein Gleichgewicht wieder. Zumindest Leana gelang endlich wieder ein Treffer, während mich mein Gegner von den Füßen fegte und auf mich stürzte. Ich packte ihn und warf ihn mit aller Kraft von mir, spürte, wie Ischkur meine Muskeln unterstützte. Doch sie brannten unheimlich, ich wusste, lange würde ich es nicht mehr aushalten. Aber noch war ich entschlossen, ob meine Waffen auf und ging erneut auf meinen Gegner los.
Leanas Treffer hatte ihren Gegner gereizt und er griff wilder an denn je. Schließlich schleuderte er seinen Dolch nach ihr, sie wich gerade so aus und fiel ihm damit direkt in die Arme. Brüllend umfasste er ihren Schädel und versuchte ihn herumzureißen, damit das Genick zerbrach.
Es schien ihr Glück, dass der Schweiß ihren Kopf benetzte und es gelang ihr im letzten Moment aus dem Griff herauszurutschen.
Unterdessen traf Leonis mit einem gewaltigen Hieb das Knie seines Gegners. Unter einem Krachen schien das Gelenk zerschmettert zu werden und der Vampir jaulte auf. Nun war er deutlich geschwächt, seine Bewegungen waren nicht mehr so schnell – aber immer noch so schnell, wie ein fähiger Krieger. Den Schmerz schüttelte das Biest mit einem weiteren Zähnefletschen ab und attackierte wieder, die schiere Blutlust in den toten Augen.
Leanas Gegner hatte seinen Dolch wiedergefunden und ging wie ein Wahnsinniger auf sie los. Ohne Rücksicht auf Verluste setzte er Schnitt um Schnitt, schnitt tief und das Blut lief ihr über den Körper. Speichel floss dem Vampir bereits aus dem Maul, er malte sich schon aus, wie er sie austrinken würde. Da bohrte sich sein Dolch bis zum Heft in ihren Oberschenkel. Die Schamanin schrie auf und ging zu Boden. Es trieb mir die Verzweiflung ins Gesicht, doch die Bärin war noch nicht am Ende. Mit dem gesunden Bein trat sie den Vampir von sich und zog den Dolch aus ihrem Bein, während die andere Hand zur Tasche mit einem Heiltrank wanderte.
Unter entschlossenen Ischkur-Rufen starteten Leonis und ich eine weitere Angriffsserie und verstümmelten unsere Gegner noch ein Stück mehr. Doch mit diesen beherzten Schlägen verlor ich den letzten Rest Kraft und hielt mich nur noch durch den Glauben auf den Beinen. Mein Gott würde es nicht zulassen, dass diese Kreaturen weiter auf Midgard wandelten, nicht, wenn er ein williges Werkzeug zur Verfügung hatte. Und so kämpfte ich weiter – wie der Hammer, der niemals ermüdet.
Leonis entging währenddessen gerade so einem gefährlichen Streich gegen seinen Kopf. In meiner Vorstellung hatte sich die Klinge bereits neben seinem Ohr in den Schädel gebohrt, doch der Krieger war äußerst gewandt und dem Angriff in letzter Sekunde entgangen.
Wutentbrannt attackierte er ein weiteres Mal und durchschlug mit seinen Schwertern erst das rechte, dann das linke Schlüsselbein. Tief gruben sich die Klingen hinein und trafen sich im Zentrum des Brustkorbs. Leonis hatte ein „V“ in den Oberkörper gerissen. Ungläubig starrten ihn die toten Augen des Vampirs an, dann verging er zu rotem Nebel.
Unvermittelt stürzte sich jedoch Leanas Gegner von hinten auf ihn und rammte den Dolch in seinen Rücken. Der Söldner ächzte und sank neben der Schamanin zu Boden, ihre verzweifelten Blicke trafen sich.
Rasch warf ich dem Krieger einen Heiltrank zu, den er prompt abkippte. Seine Wangen färbten sich wieder rötlich ein, Leben strömte zurück und er stand auf. Leana war trotz ihres Trunks zu geschwächt, um uns noch zu helfen, aber nun waren es auch „nur“ noch zwei gegen zwei.
Meine Hiebe waren tumb, ihnen fehlte es an meiner gewohnten Präzision, doch es musste reichen, dass ich überhaupt noch stand. Ischkur schützte ich mich vor schweren Treffern, das Leuchten meiner Rüstung war ein Trost in diesem dunklen Moment, da unser Überleben alles andere als sicher war. Und plötzlich gab sich der Vampir eine Blöße! Er hatte zu seinem Gefährten hinübergeblickt, welcher gerade von Leonis attackiert wurde und einen Augenblick, an seinem eigenen „Überdauern“ gezweifelt. Das bewahrheitete ich mit einem Schlag mitten in den Schädel. Knirschend gingen die Knochen auseinander, doch statt Blut zu verspritzen, verging auch dieser Vampir zu einem roten Nebel.
Nun gingen Leonis und ich gemeinsam auf den letzten Vampir in diesem Raum vor. Zwei wirbelnde Schwerter und eine Axt mit göttlicher Unterstützung kamen wie eine Sintflut über ihn und die Treffer kamen im Sekundentakt. Wir waren eingespielt, als hätten wir schon immer gemeinsam gekämpft und schließlich fixierte der Krieger mit seinen Treffern den Vampir, dass ich mit einem mächtigen Streich beinahe den Kopf von den Schultern trennte. Bevor ich das Werk jedoch beenden konnte, verwandelte sich auch dieser Untote in rötlichen Nebel und verließ die Kammer auf der anderen Seite.
Wir packten Leana und machten uns schleunigst auf den Weg zurück nach Dyptiche.

Mindestens zwei Vampire warteten in der Höhle noch auf uns, eher mehr. Dies war eine Aufgabe, bei der wir Unterstützung brauchten und diese verdammten Magier sollten alles aufbieten, um diese Vampire auszurotten. Wie eine Seuche waren sie über die Stadt gekommen und keiner schien es bemerkt zu haben.
Vollgeschmiert mir unserem und vor allem Leanas Blut stolperten wir in Alezzias Zimmer.
„Wir benötigen eure Heilung!“
Zum Glück beherrschte die Elfin im Gegensatz zu den meisten Magiern auch einige Heilzauber und konnte uns schnell versorgen. Doch danach wurde es schwierig mit ihr. Wir forderten die Unterstützung der Magiergilde und bessere Ausrüstung, einige Heiltränke und dergleichen. Teilnahmslos hörte sie uns an, sagte, dass sie vielleicht ein paar Magister werde auftreiben können, gab uns stolze zwei Heiltränke. Das war die verdammte Magiergilde, von einer Vampirpest befallen! Hätten wir es nicht besser gewusst, hätte ich gesagt, sie beschützt diese elenden Blutsauger. Ich war kurz vorm zerplatzen, dass es so wenig Rückendeckung für den Einsatz gab. Wenigstens wies sie uns an, zum Alchemisten zu gehen und dort weitere Mittel einzuholen.
Vorher meditierten wir, doch ich war wegen dieser Erzmagierin und ihrer Neigung, am allerliebsten nichts zu tun zu verärgert, um mich zu beruhigen. Leana und Leonis bekamen dies besser hin und der Krieger holte anschließend seine komplette Vollrüstung, um für den endgültigen Kampf gewappnet zu sein.
Der Alchemist war ebenso so zögerlich, doch blutbefleckt und zornig, wie ich war, schien er wenigstens nicht größere Lust zu verspüren, mich zu verärgern und gab vier Heiltränke an uns aus. Nun etwas besser ausgerüstet trafen wir bei der Höhle ein, wo sich unglaubliche fünf Magister und Alezzia versammelt hatten. Leonis baute sich vor uns auf.
„Wir kämpfen hier nicht gegen irgendwelche Blutsauger! Es sind Verräter aus den eigenen Reihen, eine Bedrohung für ganz Dyptiche! Wir wissen nicht, wie viele noch da drin sind, doch eines sage ich euch, wir werden da hineingehen und wenn wir hinauskommen, wird es keine Vampire mehr geben, die diese Stadt bedrohen könnte! Für Ischkur!“
In den letzten Schlachtruf stimmte ich ein und gemeinsam rannten wir in das Höhlensystem, bereit, die Biester zu vernichten.
Bereits an der „Opferstätte“, wo wir vorhin drei Vampire bezwungen hatten, verloren drei Magister ihren Mut und blieben dort, um „Untersuchungen anzustellen“. Spätestens hier fragte ich mich, ob es diese Menschen wirklich wert waren, beschützt zu werden. Doch gleich vertrieb ich diese lästerlichen Gedanken. Man konnte Schafe nicht dafür verurteilen, Schafe zu sein. Auch wenn sie unsagbar dumm waren.
Aus dem Raum führte ein weiterer Gang und als wir in den letzten Abschnitt dieser Höhle eindrangen, erblickten wir die Opferstätte.
Eine Reihe von Särgen stand aufrecht in Nischen an den Wänden, ansonsten war hier kaum etwas bearbeitet, die Blutsauger lebten tatsächlich wie niedere Kreaturen. Doch sie waren nun in die Enge getrieben und würden alles geben, um zu überdauern.
Elisias war da, auch der Schutzmagus und drei weitere Vampire. Alezzia stürzte sich mit einem grün aufflammenden Lichtschwert auf den abtrünnigen Magister, die Lehrer unsererseits gemeinsam auf Elisias. Für die Streiter Ischkurs blieb wieder jeweils ein Kontrahent.
Diesmal war ich besser auf die Gegner eingestellt, auf ihre raschen Bewegungen und es gelang mir, kurz hintereinander zwei Hiebe in der Seite zu platzieren. Doch der Vampir bleckte nur seine langen Reißzähne und stürzte sich mit seinem Dolch auf mich wie ein Besessener. Zwar gelang es mir, jeden Schlag abzuwehren, doch die Hiebe gegen mein Schild fühlten sich mehr an wie Keulenschläge und es dauerte nicht lange, bis ich wieder verzweifelt um Luft ringen musste und mir meine Seite stach. Ich hatte seit dem letzten Kampf nur wenig Energie regeneriert und musste nun den Preis dafür zahlen.
Leonis focht zu Beginn ebenfalls souverän, doch bald waren seine eigenen, großen Worte verhallt und der schnelle und einfache Sieg blieb verwehrt. Es würde mühselig werden und anstrengend und in der Vollrüstung lief ihm schnell der Schweiß über die Stirn. Doch er war entschlossen… bis ihm bei einem ungeschickten Angriff das Schwert aus der Hand glitt. Der Vampir lachte auf, doch es schien als hätte der Krieger diesen Moment der Ablenkung geplant. Mit dem anderen Schwert stach er einmal durch den Oberschenkel und dem Knirschen nach zu urteilen sogar durch den Knochen!
Ein Mensch wäre zu Boden gegangen und hätte vor Schmerz um seinen Tod gebettelt. Doch der Vampir machte weiter, wenngleich seine Bewegungsfreiheit eingeschränkt war.
Mein Gegner setzte mir weiter zu, versuchte irgendwie den goldenen Panzer zu knacken. Doch Ischkurs Gunst war bei mir, jeder Hieb glitt an seinem göttlichen Schild ab. Das machte den Vampir aggressiver. Schließlich ließ er seine Deckung ganz offen und sprang mir entgegen.
Ich ließ ihn über meinen Schild abgleiten, sodass er hinter mir auf den Boden landete. In einer fließenden Bewegung hieb ich mit der Axt auf sein linkes Bein und versuchte es abzutrennen. Der Vampir jaulte auf, doch untotes Fleisch war zäh, ich schaffte es nicht. Mein Gegner rollte aus meiner Reichweite und stand wieder auf. Er würde weiterkämpfen, auch wenn das Bein nur noch halb an seinem Körper hing.
Leana hielt sich unterdessen zäh, aber der Frontkampf war nicht ihre Leidenschaft. Gegen einen so schnellen Gegner war es kaum möglich, einen Treffer anzusetzen, vor allem wenn die Klinge so klein war, wie die eines Dolches. Aber zumindest hielt sie die feindlichen Angriffe aus, ihre Rindenhaut schützte sie, so wie mich mein goldener Panzer.
Leonis bekam einen Tritt vor die Brust und fiel auf den Rücken, er sah einen Moment aus wie ein zappelnder, in Stahl gehüllter Käfer. Der Vampir setzte nach und schlug auf den Kopf ein, aber der Helm verhinderte alles Schlimmere. Gewandter als erwartet erhob sich der Krieger dann und hieb wieder auf seinen Gegner ein. Aber sein Angriff wirkte unsicher…sah er überhaupt etwas?
Mit dem Unterarm streifte er sich den Helm vom Kopf und rieb das Blut aus den Augen. Diesen Moment nutzte der Vampir und trat gegen das Fußgelenk, in der Hoffnung, Leonis werde wieder zu Boden gehen. Und es knackte hörbar, aber die stählerne Gestalt blieb auf den Beinen. Der Knöchel schien maximal verstaucht und der Krieger ging unvermittelt in den Angriff über.
Einer der Magister ging zu Boden, der Vampir hatte ihm mit bloßer Hand die Kehle aufgerissen. Bei dem Anblick stockte Leana einen Moment…und blieb zwischen einigen Steinen stecken. Ihr Gegner kam näher, um ihre Situation auszunutzen und es zu beenden. Doch die Bärenmutter riss ihren Fuß gnadenlos aus der Falle, es knackte, doch grimmig stach sie wieder nach dem Angreifer.
Dann folgten endlich unsere ersten Erfolge! Leonis spaltete den Schädel seines Kontrahenten mit dem einen Schwert und zerfetzte das Gesicht ein weiteres Mal mit dem anderen Schwert. Scheinbar schien sich dieser Vampir nicht einmal mehr regenerieren zu können, denn er verwandelte sich nicht in Nebel. Leonis schlug trotzdem den Kopf ab, sicher war sicher.
Währenddessen landete ich den gefühlt einhundertsten Schlag, meine Glieder schwer und die Axt noch schwerer – und es reichte! Der Vampir wankte einen Moment, die Klinge im Brustkorb. Dann zerfiel er zu rotem Nebel, welcher in eine der Nischen floss. Im offenen Sarg materialisierte sich seine Gestalt, die Augen geschlossen und scheinbar schlafen. Er würde nachher mit den anderen hingerichtet werden.
Gemeinsam eilten Leonis und ich unserer Kampfgefährtin zur Hilfe, doch deren Gegner schien einer der Gewandtesten zu sein. Keiner unserer Hiebe saß und wir waren zu dritt! Von allen Seiten kamen die Angriffe, doch der Vampir war wie Wasser und schien förmlich jedes Mal zu zerrinnen, wenn man ihn hätte treffen sollen.
Leonis ließ plötzlich erneut seine Waffe fallen, aber Ungeschick oder Taktik, der Blutsauger fiel nicht darauf herein. Während der Chryseier sein Schwert wieder aufhob, gelang es mir endlich, meine Axt wieder im untoten Fleisch zu versenken, dann sprang plötzlich eine Masse Stahl gegen den Vampir und riss ihn von den Füßen. Grinsend blickte Leonis mir zu und mit voller Wucht trieb ich meine Axt in den Brustkorb, dass die Knochen barsten. Das Monster röchelte nicht einmal mehr und der neu gewonnene Streiter Ischkurs trennte mit einer sicheren Bewegung den Kopf ab.
Gemeinsam eilten wir nun dem verbliebenen Magister zur Hilfe, welcher verzweifelt seinen Kollegen verteidigte. Seine Zauber hatten nur mäßigen Eindruck auf den Vampir gemacht und es wurde Zeit, dass wir uns mit geballter Waffengewalt um den Blutsauger kümmerten, welcher sich bereits genüsslich über die Zähne leckte und seinen Dolch zückte. Elisias wirkte kein Stück mehr wie der unschuldige und verunsicherte Novize – er zeigte uns nun sein wahres, hässliches Gesicht.
Meinem ersten Angriff entging er mit Leichtigkeit durch eine Drehung zur Seite und packte Leana am Unterarm. Mit einem Hieb gegen ihr Handgelenk zwang er sie, die Finger zu öffnen und ihre Waffe fiel zu Boden. Leonis wollte ihr zur Hilfe eilen, doch der Novize tauchte einfach unter seinen Angriffen hinweg und hieb ihm dafür in die Seite. Der Krieger ächzte trotz der dicken Rüstung. Plötzlich schoss Elisias‘ Fuß empor und traf den Chryseier am Handrücken. Ächzend fiel auch ihm die Waffe hin. Kurz überlegte ich, ob man den beiden demnächst die Griffe ankleben sollte, doch Leana machte zumindest ihren Fehler gleich wett.
Der Vampir wollte sie nun ein weiteres Mal attackieren, doch sie wich geschickt zur Seite aus, ließ aber den Knöchel stehen. Bei den sonst so schnellen und gewandten Bewegungen der Blutsauger, wirkte dieser Sturz befremdlich, doch er gewährte der Schamanin und Leonis eine Möglichkeit, ihre Waffen aufzuheben.
Nun setzten wir erneut an, einen wahren Klingentanz aufzuführen. Doch Elisias schien darin geübt und vermochte es, nahezu jedem Angriff auszuweichen und ließ sich in keine Ecke drängen. Tatsächlich war es Leana, die plötzlich hinter dem Vampir auftauchte und ihren Dolch ins Schulterblatt bohrte. Sie riss die Waffe heraus und stach gleich wieder zu, dass der Blutsauger quiekte. Ich setzte dazu und schlug gen rechte Seite und riss einiges Fleisch heraus. Aber damit weckte ich seinen Zorn und er sprang mich förmlich an. Ich stolperte nach hinten, öffnete meine Deckung und hätte ein leichtes Ziel abgegeben. Doch das stählerne Monstrum schob sich vor mich und verhinderte einen Treffer.
Leonis schien es nun beenden zu wollen. Zwei Treffer trafen den Gegner mitten ins Gesicht, dass er zu Boden stürzte. Elisias war nun nicht mehr zu erkennen, ein Auge fehlte sowie ein großes Stück der Nase. Die linke Seite wirkte eingefallen, als hätte sich das Jochbein aufgelöst. Doch die Angst vorm Vergehen trieb das Biest erneut auf die Beine, nur um wieder zu Boden geschickt zu werden. Leonis hatte den ehemaligen Novizen in seinem Griff. Weitere Schnitte trafen ihn, als er versuchte, davonzukriechen. Dann reckte er sich noch einmal empor, beinahe sah es aus, als würde er vor dem chryseiischen Krieger knien. Der legte die beiden Schwerter wie eine Schere um den Hals… und schnitt in einer fließenden Bewegung hindurch. Nun würde die verlorene Seele des Mannes ihre Ruhe finden können, so hoffte ich.
Es war Zeit für den letzten Vampir, den verräterischen Magister. Dieser musste der Urheber für die Seuche sein und dementsprechend der mächtigste von ihnen allen. Alezzia hatte ihn bisher kaum mehr als in Schach halten können. Und schnell merkten wir, woran das lag. Der Magister schaffte es, sich stets in Rauch zu verwandeln, wenn ein Treffer nahte. Einen alleine hätte er wohl in wenigen Sekunden in Stücke gerissen, ohne auch nur einen Kratzer zu erleiden. Aber wir waren nicht allein, wir waren die Streiter Ischkurs!
Doch dann ging es ganz schnell, erst packte der Vampir Leana und warf sie wie eine Puppe durch den Raum, dann stieß er seinen Dolch in meine Achsel. Massig Blut spritzend ging ich zu Boden und griff hektisch nach meinem Heiltrank. Leonis hielt den Magister solange in Schach, seine Vollrüstung gewährte ihm ausreichenden Schutz…vorerst.
Dann kamen Leana und ich zurück, auch wenn mein Hals immer noch höllisch brannte und mein Verstand über die Angst siegen musste. Die Schamanin schien keine Zweifel zu kennen und warf sich einfach gegen den Vampir. Dieses Manöver kam selbst für ihn überraschend und es gelang ihr tatsächlich, ihn niederzuringen!
Doch die beiden waren eng miteinander verkeilt und weder Leonis noch ich trauten uns, einen Schlag anzusetzen. Das hätte diesen Kampf vielleicht beenden können, aber ein fehlgeleiteter Treffer gegen die bereits geschwächte Schamanin wäre ihr Tod! Leana schien diese Gedanken zu hören und rollte sich von dem Magister herunter. Mir gelang direkt ein leichter Treffer, der den Blutsauger in seiner Aufwärtsbewegung aus dem Gleichgewicht brachte. Somit war er leichtes Futter für Leonis, der mit ordentlichem Knirschen zwei Treffer landete. Aber es reicht immer noch nicht! Bei meinem nächsten Angriff, wich der Vampir wieder aus, als wäre nie etwas gewesen und er ließ derart Leana ins Leere laufen, dass sie den Dolch gegen die Steinwand schlug. Es knackte hörbar, doch ein sonderbares Zischen und ein helles Flackern entlang der Klinge machten deutlich: diese besondere Waffe brach nicht so leicht!
Dann traf ich wieder, zumindest die Aufmerksamkeit des Vampirs ließ nach. Da war plötzlich Leana wieder da, setzte einen Stich gegen den Hals, der Magister wich vor ihr zurück, starrte sie ungläubig an. „Wie kannst du es…“
Da bohrte sich ihr Dolch tief an die Stelle, wo das Herz saß. Entsetzt blickte der Blutsauger auf den verheerenden Angriff und die lässig grinsende Leana. Unglaublich, die Schamanin hatte ihren ersten Vampir und damit den Anführer der Untoten in Dyptiche getötet!
Ich jubelte, dann dankte ich Ischkur intensiv für seine Unterstützung. Leonis verschwendete keine Zeit und trennte jedem einzelnen Vampir, welcher versuchte, sich in einer Nische zu erholen, den Kopf ab. Alezzia kam auf uns zu und heilte die schlimmsten Wunden.
Leana erkundete eine kleine Kammer, die noch hinter dieser Ruhestätte lag. Doch als ich dorthin kam, war nur noch Schrott übrig. Verrostete Waffen und dergleichen. Einer genaueren Untersuchung unterzogen wir sie nicht. Wären sie besonders, hätten die Vampire sicherlich nicht auf einfache Dolche zurückgegriffen.
Wir verließen die Höhle und beschlossen gemeinsam mit den Magistern, diese Höhle zu versiegeln. Ein halbes Dutzend Feuerkugeln erhoben sich und schwebten gemächlich in das ehemalige Vampirversteck hinein. Dann gab es eine gewaltige Detonation, die uns beinahe von den Füßen holte und der Eingang brach in sich zusammen.
Anschließend kehrten wir nach Dyptiche zurück, wo Alezzia jedem von uns zur Belohnung fünfhundert Goldstücke übergab. Eine absolut überwältigende Bezahlung für die Ausrottung von acht Vampiren. Ich hätte diese Aufgabe zwar sowieso erfüllt, allein um Ischkur zu preisen, doch angesichts des Reichtums einer so großen Magiergilde, schlug uns hier der blanke Geiz entgegen.
Leana erhielt obendrein einen neuen Dolch, welcher unverkennbar mächtig sein musste. Ihren alten gab sie an mich weiter. Des Weiteren gab sie eine Flöte und den Saphir an Alezzia, damit deren Leute Untersuchungen anstellen konnten. Die kleine Schamanin griff alles ab, was bei drei nicht auf dem Baum war…nicht nur bei den Männern.
So endete unsere erste Aufgabe in Dyptiche, zur „Probe“ hatten wir eine ganze Vampirpest ausgerottet. Angespannt erwarteten wir, was Alezzia eigentlich von uns wollte …

Das Tal der Verdammten

Zunächst suchten wir wieder Garnness‘ Stolz auf. Wir sehnten uns nach einer Pause und Erholung. Eine neue Bardengruppe hatte sich versammelt; die Narrenkönige heizten den Dyptichern ganz schön ein. Leonis und mir war jedoch nicht unbedingt nach feiern, wir waren schlicht erschöpft von diesem Tag. Leana dagegen schien hemmungslos nach Alkohol zu lechzen. Sie wirkte angeschlagen, blass und fast schon ein wenig verängstigt. Der Kampf schien ihr ganz schön zugesetzt zu haben, insbesondere, da sie ein, zwei Mal nur durch Glück dem letzten, verheerenden Schlag entgangen war. Ein Glas Wein nach dem anderen rann ihre Kehle hinunter und ihre Stimmung wandelte sich von angespannt zu hemmungslos enthemmt.

Während Leonis und ich weiter über Ischkur sprachen und ich ihn weiter in den Glauben an den mächtigsten Gott einführte, langweilte sich Leana und schließlich warf sie sich einfach gegen den chryseiischen Krieger und lallte ihm irgendetwas unverständliches, aber zweifellos obszönes ins Ohr. Man konnte sich nicht mal sicher sein, ob sie eine uns bekannte Sprache benutzte und angewidert rückte Leonis weg, sodass die Schamanin unsanft der Länge nach auf der Bank landete. Peinlich berührt sahen wir uns an, während Leana sich langsam aufrichtete und bei der wiederkehrenden Bedienung einen weiteren Wein bestellte.
Unsere Leistungen schienen sich etwas herumgesprochen zu haben und wir wurden deutlich freundlicher und vor allem schneller bedient, im Vergleich zum letzten Mal.

Leana begann gerade, ziellos in die Luft zu stieren, da trat plötzlich Alezzia an uns heran. Freundlich fragte sie, ob sie sich setzen dürfte. Wir sagten zu, wenngleich sie nicht gerade in meiner Sympathieliste ganz oben stand.

„Verpflegung und Übernachtung gehen heute auf mich, ihr habt es euch verdient. Des Weiteren habe ich noch drei Geschenke der hiesigen Thaumaturgen.“

Mit diesen Worten hielt sie drei kleine Briefe empor. Hastig forderte Leonis: „Ich hätte gerne zwei!“

Irritiert und etwas missbilligend sah ich zu dem Krieger hinüber, aber scheinbar wollte er lediglich den zweiten Brief haben und keine zwei. Versicherte er uns zumindest mit aufgesetztem Hundeblick. Leana forderte dagegen die „Draaaaayyyyyiiii“ für sich ein.

Alezzia zog die Augenbrauen hoch, verteilte die Briefe aber, wie gefordert. Wir machten durchaus einen überwältigenden Eindruck… Neugierig öffnete ich das Geschenk und entdeckte einen unscheinbaren Silberring. Aber der beiliegende Zettel informierte mich, dass ich mit diesem Schmuckstück die Nacht nicht mehr zu fürchten brauche. Neugierig zog ich ihn auf, doch in der beleuchteten Taverne zeigte sich keine besondere Auswirkung. Leonis sah aus wie gewohnt und auch bei Leana zeigte sich kein offensichtlicher Effekt. Es würde sich schon früh genug zeigen, was es sich mit ihren Artefakten auf sich hatte.

Alezzia erhob sich. „Morgen könnt ihr wieder Erik aufsuchen, er wird euch die eigentliche Aufgabe mitteilen. Ich werde nun aufbrechen, um mich für meine Heimreise zu wappnen.“
Leana erwiderte: „Bleeeeiibt doch *hick*, noch ein büsschen. Ähs machd scho *hick* wiel Spasch!“

Die Erzmagierin schien das geflissentlich zu überhören und schritt davon. Entsetzt sahen wir Leana an. Doch die schien nichts zu bekümmern und versuchte beinahe ebenso schäbig die Bedienung anzumachen. Verunsichert lächelte diese und suchte rasch das Weite. Leonis und mir blieb nichts weiter, als unsere Gesichter schamvoll in den Händen zu vergraben.

Der chryseiische Krieger begann, sich Bier zu bestellen und an die herumstehenden Gäste zu verteilen. Sein Plan, um Alezzias Börse zu erleichtern. Ich wusste nicht recht, was ich davon halten sollte, nahm es aber erst einmal so hin.

Die Schamanin steckte sich ungerührt eine Pfeife an und grünliche Rauchschwaden stiegen empor. Entnervt verließen wir das Gasthaus und suchten unsere Zimmer auf. Die Frau war unberechenbar und ich hatte schon meine ganz eigenen Erfahrungen gesammelt…

Die Nacht war ruhig und äußerst erholsam. Meine Muskeln hatten nach den Kämpfen nur so nach Ruhe gebrüllt. Leonis war auch früh wach, vernünftigerweise hatte er keines der bestellten Biere selbst getrunken. In Garnness‘ Stolz war noch nicht viel los und schnell wurde uns ein üppiges Frühstück bereitet. Dann trat Larissa Therokles, eine der Bardamen, an uns heran und legte uns peinlich berührt ein Oberteil auf den Tisch. Bei näherem Hinsehen, entpuppte es sich als die Stoffgewandung, die Leana normalerweise trug. Irritiert sahen wir auf.

„Eure Freundin hat gestern noch mit zwei Kerlen getanzt…der eine hat sie wohl angegraben, da hat sie schon alles von sich geworfen und wenn die beiden nicht kräftig genug gewesen wären, um sie herauszutragen…nun dann hätten wir die Tanzfläche wohl besonders gründlich putzen müssen.“

Nun war es an uns, peinlich berührt da zu sitzen, bis die Übeltäterin selbst ins Gasthaus trat. Nur ein dünnes Tuch über den Brüsten eilte sie auf uns zu und zog sich eilig das Obergewand an.
„Was ist denn mit dir passiert?“
„Ähm…ich weiß nicht mehr viel. Bitte…nicht so viel fragen. Mein Kopf…“

Wir folgten ihrer Bitte und ließen sie die Folgen ihrer Herumhurerei erleiden. Lustlos stocherte die Schamanin in ihrem Essen und Leonis übernahm es gern, sich die Überreste einzuverleiben.

Danach machten wir uns auf den Weg zur Erik dem Aeglirer. Der Waeländer erwartete uns freudig in seinem Büro, räumte seine Zettel zur Seite und bot uns freundlich einen Platz an.

„Ihr habt eure Aufgabe zur vollsten Zufriedenheit Dyptiches erfüllt und die Vampirgefahr ausgerottet. Damit ist bewiesen, dass ihr die wohl fähigsten Kämpfer seid, die ich kenne. Nun gilt es jedoch zu testen, ob eure geistige Stärke ebenso ausgereift ist. Für meine Aufgabe werdet ihr nämlich beides brauchen. Seid ihr bereit für die letzte Prüfung?“

Etwas erstaunt über diese Ansage, nickten wir. Etwas ironisch fragte ich aber vorher noch nach, ob er eine weitere Vampirmeute als „kleinen Test“ für uns habe. Erik verneinte und wies auf drei silberne Krüge in seinem Wandschrank. Einer trug die Beschriftung Gold, der nächste Silber, der letzte Gold und Silber.

„Einer dieser Krüge beinhaltet Goldmünzen, einer Silbermünzen und der letzte beides. Ich werde nach eurer Anweisung aus einem ziehen und ihr müsst mir danach erklären, wie die Beschriftungen eigentlich zuzuordnen sind. Die momentanen sind auf jeden Fall falsch.“

Wir überlegten eifrig, doch es dauerte nicht lange, ehe wir in eine Sackgasse kamen. Wie um Himmels willen sollte man auf den Inhalt der anderen beiden schließen? Es war unsere Schamanin, die den Dankanstoß gab und den letzten Satz wiederholte: „Die Beschriftung ist auf jeden Fall falsch!“ Also ordneten wir an, dass Erik aus der Gold/Silber Kanne ziehen sollte. Hervorkam eine Silbermünze. Also war „Silber“ Gold und „Gold“ Gold/Silber. Anerkennend nickte Erik uns zu und begann seinen Auftrag dar zu legen.

„Es gibt ein Tal im Süden Chryseias. Einst herrschten dort zwei mächtige Zauberer, welche jedoch in einen Wettstreit verfielen und einander bekämpften. Niemand weiß, was genau geschehen ist, doch plötzlich kehrte keiner der Händler oder Boten zurück, der dorthin ging. Seitdem spricht man von dem Tal der Verdammten…“

Erik endete und sah uns einen Moment forschend an. Dann erhob er wieder die Stimme: „Ich habe bereits drei Abenteurergruppen vor euch geschickt, um den sagenhaften Schatz der Zauberer zu finden – also vielleicht Gold, vielleicht Artefakte oder… nichts mehr. Niemand ist zurückgekehrt, doch ihr erscheint mir fähiger, als eure Vorgänger und ich glaube, dass ihr es schaffen könnt!“

„Und wir sollen euch den Schatz bringen, weil…?“, setzte ich fragend an.

„Ich gebe euch 1000 Goldstücke für eure Vorbereitungen und wenn ihr zurückkommt erhaltet ihr 2000 Goldstücke. Pro Person! Außerdem gestehe ich euch die Hälfte des Schatzes zu, wie auch immer er denn geartet ist.“

Da mussten wir doch ganz schön an uns halten, dass uns die Kinnladen nicht herunterklappten. Hastig sagten wir zu und Erik überreichte uns eine Karte, auf der das Tal der Verdammten eingezeichnet war. Außerdem schob er drei dicke Beutel voller Gold hinüber und empfahl uns, Pferde zu kaufen. Mit ihnen würde die einfache Reise zehn Tage dauern. Dankend verabschiedeten wir uns und begannen mit den Einkäufen.

Schnell waren drei Rösser erstanden und beim Alchemisten einige Hilfsmittel erstanden. Allerdings ruhten wir uns noch einige Tage in Dyptiche aus, damit wir (und vor allem Leana) bei vollen Kräften aufbrechen konnten. Die Abende spielten weiterhin die Narrenkönige, doch weitere Eskapaden seitens der Moravin blieben aus und so konnten wir in angemessener Ruhe die restliche Zeit verbringen und weiterhin Alezzia Aufschreibungen machen.

Dann brachen wir auf, wohl gerüstet und entschlossen, das Rätsel um das Tal der Verdammten zu lösen. Somit offenbarte uns sich zum ersten Mal die eigentliche Landschaft Chryseias, wo wir bisher nur Städte gesehen hatten. Etliche Weinberge säumten unseren Weg, ansonsten gab es viele Flüsse und Wälder. Ein leicht hügeliges, insgesamt jedoch angenehmes und vor allem warmes Land, das meinen Gefallen fand. Es war nicht so rau wie meine Heimat oder so kalt wie Waeland.

Wir kamen gut voran und hatten nach dem ersten Tag bereits die Hälfte des Weges nach Arta hinter uns gebracht. Die Nacht verging ruhig und bot mir die Möglichkeit, meinen Ring ausprobieren. Problemlos blickte ich durch die Finsternis und konnte es kaum fassen, dass mir alles taghell erschien. Ein zufälliger Blick ins Feuer brachte mich aus dem Konzept, aber ansonsten funktionierte diese Magie einwandfrei. Ab dem nächsten Abend übergab ich den Ring stets an den Wachhabenden, so waren wir nun deutlich sicherer!

Am zweiten Tag erreichten wir gegen Mittag das kleine Städtchen Arta, wo wir kurz im „Rebenhaus“ halt machten. Der Wirt stellte sich als Lytos Alezzia vor und Leana kombinierte messerscharf: „Der Name kommt mir bekannt vor, seid Ihr zufällig mit Jasmina Alezzia verwandt?“

Lytos nickte. „Ja, das ist meine Cousine. Seid ihr Freunde von ihr?“

Es folgte eine kurze Pause und dann ein zögerliches Ja. Vielleicht konnte man es auf irgendeine Art und Weise als eine entfernte Form von gewisser Zuneigung ansehen. Ganz sicher war ich mir da aber nicht.
Sonderlich weit brachte uns das jedoch nicht, hier hatte wahrscheinlich noch keiner vom Tal der Verdammten gehört, der sich nicht speziell damit beschäftigte. So ritten wir weiter und schliefen eine weitere Nacht ohne Zwischenfälle durch.

Der dritte Tag verging so ruhig, wie zuvor. Als wir jedoch am Abend ein Nachtlager suchten, erspähten wir eine kleine Lichtung am Rand des Waldes. Dort waren bereits zwei Zelte aufgestellt und drei Gestalten beugten sich über ein Lagerfeuer, welches nicht so recht angehen wollte. Leonis war skeptisch, doch wir hielten auf sie zu. Da wandelte sich plötzlich Leanas Erscheinung. Ihr rötlichbraunes Haar fing die Sonnenstrahlen auf und schien sie plötzlich zu reflektieren…erst blinzelte ich irritiert, doch ich irrte mich nicht: ihre Haare waren nun blond!
„Leana, alles in Ordnung?“
„Natürlich“, antwortete sie ohne eine Miene zu verziehen. Ich beließ es dabei, sollte die Schamanin tun, was sie wollte…

Die drei Personen trugen Lederrüstungen und hinter den Zelten waren einige Pferde angebunden. Einer glich mir hinsichtlich seiner Hautfarbe, die anderen beiden mochten wohl hier aus der Gegend sein; der eine lang und schlank, die andere Person war eine Frau mit gewelltem, braunem Haar. Sie kamen uns damit recht vertraut vor und wir mussten leicht grinsen, dass es tatsächlich noch so eine merkwürdige Zusammenstellung wie uns gab.
„Seid gegrüßt“, übernahm Leana die Wortführung. „Dürfen wir uns euch anschließen und hier unser Lager aufschlagen?“
Dankbar nickten die drei und winkten uns heran. Zunächst halfen wir ihnen das Lagerfeuer anzuzünden, was für uns lediglich eine Routinearbeit war. Dann stellten sie sich uns als Dacia und Kretos Lystotes vor, Geschwister, und Ibdul. Wir taten es ihnen nach und es entwickelte sich ein angenehmes Gespräch um das Lagerfeuer herum. Die drei waren Händler auf dem Weg nach Arta, wo sie Weinproben und Trauben präsentieren mussten, damit bestätigt wurde, dass ihre Familie „echten Dipto-Wein“ herstellen konnte.

Ibdul war tatsächlich einer meiner Landsmänner aus Urruti, genauer aus Lalapudawa. Diese Stadt meiner Heimat hatte ich noch nie betreten, aber wenn dort alle so schweigsam waren, wie sich Ibdul erwies, dann musste es ziemlich langweilig sein.

Die verging ereignislos während wir jeweils mit einem aus der anderen Reisegruppe wachten. Am nächsten Morgen verabschiedeten wir uns und wünschten den drei alles Gute.

Gegen Nachmittag erreichten wir Rhabdos, das letzte Städtchen auf unserem Weg. Wir wollten diese Chance nutzen, noch einmal in einem richtigen Bett zu schlafen und vielleicht noch einige Informationen über das Tal der Verdammten einzuholen. Daher suchten wir das Gasthaus zu Keil und Käfer auf, wo sich uns ein vertrauter Anblick bot: die Narrenkönige waren hier und spielten erneut, um die Gäste zu bespaßen. Allerdings war ihre Liederauswahl diesmal deutlich ruhiger, was wohl an dem älteren Publikum liegen mochte. Schnell war eine Übernachtung für uns und die Pferde sowie Verpflegung ausgehandelt und wir konnten uns daran machen, nach Legenden und Mythen rund um das Tal zu forschen. Einer fand sich tatsächlich, der uns etwas erzählen wollte, nachdem seine Stimme reichlich mit Wein geölt und seine Augen durch Leanas Anblick feurig geworden waren.

„Es gibt die Legende von einem fernen Tal im Süden Chryseias. Einst war es an zwei Zauberer gegeben worden, welche dort mit ihren Schülern lebten und die verworrenen Wege der Magie studierten. Allerlei Artefakte und neue Zaubersprüche entstammten ihren Arbeiten und sie waren schon bald über die Grenzen ihres kleinen Tals bekannt. Im freundschaftlichen Wettstreit gegeneinander versuchten sie stets aufs Neue die Errungenschaften der anderen zu übertreffen. Doch eines Tages wandten sich die beiden Zauberer gegeneinander. Niemand weiß, was geschehen ist, doch plötzlich waren sie sich spinnefeind! Fortan nutzten sie ihre Kräfte nicht mehr, um Schönes zu erschaffen – sie begannen einander Werke zu zerstören und gerieten in einen schrecklichen Kampf. Am Ende tobte ein riesiger Sturm über dem Tal und Niemand hat es seitdem mehr betreten und ist zurückgekehrt. Seitdem trägt es den Namen: das Tal der Verdammten! Man spricht von ihm als den grausamsten Ort nördlich des Nyktoros.“

Dankbar verabschiedeten wir uns von ihm und fragten weiter herum, doch keiner wusste mehr. Woher auch, wenn Niemand zurückkehrte… Leonis ging schlafen, ich tat es ihm bald nach. Leana hingegen ließ es sich nicht nehmen mit einem der wenigen Jünglinge im Wirtshaus zu tanzen.

Am nächsten Morgen verloren wir nicht viel Zeit und brachen nach dem Frühstück auf. Wir brachen in einen großen Wald auf und bald umgaben uns etliche Meilen Wald. Nur die Straße führte uns, wenn man den Weg so nennen wollte.
Es war Mittag, wie wir um eine Kurve ritten und fünfzig Meter vor uns ein Wolfsrudel ausmachten, welches gerade ein Reh erlegt hatte. Einen Moment überlegten wir, uns zurückzuziehen, doch es war zu spät. Knurrend sprangen sie auf und eilten los. Leonis ritt ihnen entschlossen entgegen und zog dabei seinen Morgenstern. Ich kannte mich mit dem Reiterkampf nicht aus und stieg daher ab, ehe ich Ischkur um einen Beistand gegen diese Bestien bat. Leana wirkte jedoch zögerlich und trabte gar einige Schritte zurück. Was zur Hölle ging mit ihr vor, das waren wilde Tiere verdammt!

Leonis‘ Morgenstern raste knapp über den Kopf des ersten Wolfes hinweg, welche zusammen mit zwei weiteren zu mir rannte und sich von der goldenen Rüstung nicht schrecken ließ. Entschlossen trat ich ihnen mit meiner Axt entgegen, doch es waren flinke Gegner und mein erster Angriff ging daneben.
Leonis sprang währenddessen behände von seinem Pferd zwischen die restlichen drei Wölfe und schlug gnadenlos mit seinem Morgenstern zu, der eine gewaltige Wunde riss und einen der Wölfe beinahe direkt tötete. Von diesem Beispiel angetrieben versengte ich meine Axt tief im Pelz des einen Wolfes, welcher jaulend zur Seite knickte, aber noch weiterkämpfte. Doch ich hatte den anderen aus den Augen gelassen, welcher mich nun ansprang und zu Boden riss. Gierig schlug er seine Zähne in meinen Hals…doch da war die Rüstung, die meine Kehle schützte. Mit einem Schildschlag trieb ich das Tier von mir runter und stand wieder auf.

Der chryseiische Krieger wechselte unterdessen wieder auf seine zwei bewährten Langschwerter und entfesselte einen Sturm des Stahls über seine Gegner gegen den der Pelz des bereits getroffenen Wolfes keine Chance hatte. Jaulend ging das Tier zu Boden und Leana schien bestürzt die Hände vor den Mund zu schlagen. Auf wessen Seite war die Schamanin eigentlich?!

Immerhin jubelte sie nicht, als eines der Biester Leonis in die Hand biss und er einige Sekunden brauchte, um sie wieder zu befreien. Dann brüllte jedoch auf und schlug umso härter zu.
Einer meiner Gegner hinkte nur noch und griff schwächlich an. Meine Rüstung war durch Ischkur gesegnet und es dauerte nicht lange, bis die Wölfe begriffen hatten, dass es hier kein schnelles Durchdringen gab. Mehr und mehr schienen sie von Furcht ergriffen und schlichen nur noch um mich, in der Hoffnung mich zu ermüden. Aber ein Streiter Ischkurs wurde nicht schwach! Entschlossen schlug in meine Axtklinge in die Kehle des geschwächten Biests und noch während dessen Blut spritzte, setzte ich nach und zertrümmerte einem anderen das vordere Knie, sodass er jaulend vor mir niederging. Wieder stach ich gnadenlos zu und beendete das Leben des Angreifers.

Leonis fiel unterdessen wie ein Wilder über seinen verbliebenen Gegner her. Dem blieb nichts, als zurückzuweichen, doch der Wolf war einfach nicht schlau genug, zu flüchten. Ein böses Glimmen im Blick wollte er bei seinem Rudel bleiben und so erwarteten ihn die Angriffe des chryseiischen Kriegers wie die Schnitte des Sensenmannes.

Somit blieb nur noch eines der Biester bei mir. Aber anstatt davonzulaufen, griff es mich wieder an. Eines musste man den Biestern lassen, sie waren zäh. Aber es war ein sinnloses Unterfangen, diese Rüstung wurde von Ischkurs Gnade durchzogen und dagegen kamen die Zähne eines einfachen Wolfes nicht an. Somit beendete ich die verzweifelten Attacken mit einem einzigen Schlag, der den Kopf des Tiers beinahe abtrennte. Langsam kam Leonis herangetrottet und nickte mir grimmig zu. Keiner von uns hatte eine Wunde davongetragen und wir saßen wieder auf, um weiter zu reiten. Da trat Leana an die Wölfe heran, das Gesicht blass und elend.

„Ich möchte um sie trauern und sie begraben.“
„Was? Sie haben uns angegriffen Leana!“, erwiderte Leonis und ich nickte zustimmend.
„Es sind Tiere, das liegt in ihrer Natur“, hielt sie trotzig dagegen und scherte sich nicht weiter um uns.

„Komm, Abedi, lass uns vorreiten. Diese Frau hält uns nur auf! Bereits in Dyptiche haben wir vier Tage wegen ihr gewartet und nun schon wieder? Sie hat uns ja nicht einmal im Kampf unterstützt. Es wäre zwar nicht nötig gewesen, aber von einer Gefährtin erwarte ich es zumindest, dass sie es versucht.“ Leonis war sichtlich ungehalten und ich teilte seine Meinung. Doch ich hatte bereits einiges mit Leana durchgestanden und beschloss zu warten. Der Krieger schnaubte nur und ritt vor. Ich hockte mich an den Wegesrand und sah zu, wie die Schamanin zwei Stunden lang irgendein Ritual durchführte, wohl um die Geister der Tiere und vor allem ihres Totemgeistes zu beruhigen.

Später holten wir ihn ein, doch es wurde ein stilles Nachtlager. Die Stimmung in der Gruppe war reichlich angespannt, dazu kam noch die komplizierte Beziehung zwischen Leana und mir…

Am nächsten Tag verließen wir den Wald, doch die Schamanin wirkte weiterhin mitgenommen. Irgendetwas sah sie in diesen Tieren, was Leonis und mir verborgen blieb. Dennoch waren wir weiterhin fest davon überzeugt, dass es nichts Schlechtes daran geben konnte, sich selbst zu verteidigen. Es folgte der siebte Tag unserer Reise und das Gelände wurde deutlich hügeliger. Wir hatten die Straße bereits verlassen und ritten anhand der Karte durch dieses Niemandsland im Süden Chryseias. In der Ferne konnte man bereits das Gebirge ausmachen – und Rauchschwaden eines großen Lagerfeuers!

Wir banden die Pferde an und näherten uns vorsichtig der Quelle: es war ein kleines Lager, zehn Männer saßen dort und schienen entweder mit dem Saufen oder Gold zählen beschäftigt. Sie waren verwildert, jedoch sah man nirgends Jagdtrophäen oder etwas anderes, dass sie als Waldarbeiter auswies. Somit blieb nur eine Möglichkeit: Banditen!
„Wir sollten sie umgehen. Sollen sie machen, was sie wollen, es ist ein unnötiger Kampf“, setzte Leana an, doch da traf sie bei Leonis und mir auf Granit. Zum einen waren wir von unserem jüngsten Erfolg beflügelt, zum anderen war es eine heilige Pflicht, Wegelagerer ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Diese Männer würden keine Unschuldigen mehr überfallen!

Wir bereiteten uns gerade vor, da stürmten zwei Männer von einer anderen Seite heran. Sie schrien laut und warnten die Banditen vor unserer Ankunft. Na dann durfte der Tanz ja beginnen. Ich sprach noch ein letztes Gebet…doch da war plötzlich Leere. Ischkur? Ich wiederholte meine Worte, diesmal laut, pries seinen Namen und erbat seinen Beistand. Da merkte ich, dass er noch da war, aber er schien seltsam fern, irgendwie entrückt. Da wurde es mir klar: er strafte mich! Ich hatte einen schrecklichen Fehler begangen und Ischkur auf erzürnt. Aber war ich nicht immer fromm gewesen, hatte alles getan, um ihn zu preisen? Mein Blick wanderte zu Leana hinüber, die gerade eine Feuerkugel heraufbeschwor. Diese Hexe…

Doch vorerst war nicht die Zeit für ein Gespräch, die Banditen waren bereit und stürmten uns entgegen. Allerdings hatten sie wohl nicht damit gerechnet, dass ihnen eine Zauberin gegenüberstand, welche die Feuerkugel zwischen ihre Reihen schleuderte. Vier von ihnen riss es von den Füßen als das Ding explodierte, zwei flogen sogar mehrere Meter weit weg. Ihre Glieder waren, soweit noch am Körper befestigt, in schrecklichste Richtungen vom Leib gestreckt und es war klar, dass sich diese beiden nicht mehr würden rühren können. Grimmig lachte Leana auf und im nächsten Moment verwandelte sich ihre Haut in Rinde während sie den Dolch zückte.

Leonis lief voraus und fing zwei der Banditen ab, welche sich uns näherten. Aus dem Lauf heraus setzte er den ersten Angriff an, der zweite folgte, schräg von oben. Mehrfach zog er auf diese Weise ein X über die Verteidigung des Wegelagerers, bis es diesem die Waffe aus der Hand schlug und unser Gefährte ihm mit einem Knirschen den Brustkorb zerschmetterte und mit ihm die darunter liegende Lunge. Verzweifelt nach Luft ringend, ging der Mann zu Boden. Doch Leonis hatte mit diesem blindwütigen Angriff seine Deckung vollkommen offen gelassen und es war ein leichtes für den anderen Banditen, ein Messer in seinen Rücken zu bohren. Die Rüstung verhinderte das Schlimmste, doch minderte sie nicht die Wut des chryseiischen Kriegers, der herumfuhr und sich diesem Angreifer zuwandte.

Nun erreichten drei Banditen Leana und mich. Mein Gegner focht mit einem Langschwert und es gelang ihm, den ersten Schlag von der Klinge abprallen zu lassen, doch dann überraschte ich ihn. Mit einem Schildhieb hämmerte ich das Schwert zur Seite und öffnete mir so den Weg. Gierig fraß sich meine Axt in die Eingeweide meines Gegenübers. Was nach diesem Treffer nicht zerfetzt war, hing aus der klaffenden Wunde, die der Mann ungläubig anstarrte – ehe er wild schreiend zu Boden ging.

Leana kämpfte nun verbissen mit dem Dolch weiter, ein wölfisches Grinsen im Gesicht und die Augen voller Mordlust. Sie schien dringend einen Ausgleich für den Tod der Wölfe zu brauchen und hier fand sie ihn. Ihre Waffe war zwar klein, doch von Meisterthaumaturgen verzaubert und richtete verheerenden Schaden an. Damit überraschte sie ihren Gegner erneut, der seine Deckung angesichts eines „mickrigen Dolches“ vernachlässigte, und durchbohrte seinen linken Arm.

Leonis kämpfte unterdessen tapfer weiter, doch er war zu sehr auf seine Angriffe fokussiert. Wie mit einer Scheuklappe drosch er auf den Gegner ein, bis er schließlich auf eine Finte hereinfiel und beinahe stürzte. Zum Glück hatte er den Banditen bereits genug geschwächt, dass der lieber die Atempause genoss, als einen Schlag zu platzieren.

Mein Gegner focht weiter, trotz seines Kameraden, welcher elendig am Boden lag und nach seiner Mutter rief. Aber sein Kampfstil war unpräzise, vorhersehbar. Bald erahnte ich, wie sein nächster Schlag aussehen würde und wollte ihm gegen die Hand schlagen. Er reagierte schnell und drehte sie rechtzeitig weg. Sie blieb dran, doch war geprellt und er brüllte auf. Das nutzte ich und setzte einen Schlag gegen sein Bein an. Er wankte, als sich die Axt bis auf den Knochen durchfraß, doch wilde Entschlossenheit blitzte mir aus seinen Augen entgegen. Wäre er nie vom falschen Pfad abgekommen, hätte er einen Mut nutzbringend einsetzen können… getrübt von diesem Gedanken, war mein nächster Angriff nicht stark genug und er schlug ihn zurück, um gleich nach zu setzen. Doch das Gelände machte einen Strich durch die Rechnung, er blieb mit dem Fuß an einem Stein hängen. Reflexartig riss ich die Axt hoch und der Mann enthauptete sich durch seinen Sturz selbst.

Nun sah sich ein Bandit durch Leana und mich zugleich bedroht. Bei ihm spürte man deutlich die Angst – der eine Gegner golden schimmernd, die andere wie ein rachsüchtiger Naturgeist mit rindener Haut. Dennoch wehrte er meinen ersten Angriff ab, allerdings sollte dieser auch nicht viel mehr sein als eine Ablenkung. Die Schamanin sprang heran und bohrte den Dolch zunächst in die Achsel, riss ihn dann schnell heraus und bohrte ihn noch einmal durch den Brustkorb, dass die Lunge pfeifend in sich zusammenfiel.

Die restlichen Banditen hatten sich nun auch herangewagt und verteilten sich auf uns drei Streiter Ischkurs. Leonis lachte plötzlich laut, wie einer der Berserker des Nordens, dann öffnete er mit einem Streich den Hals seines Gegners und mit dem nächsten trennte er dessen Unterarm ab. Blut spritzte in einer Fontäne gen Himmel und besprenkelte die nahenden Gegner. Was sollten sie gegen solchen Wahnsinn ausrichten?

Plötzlich war ich umringt von drei Banditen, doch all ihre Angriffe prallen entweder an meinem Schild oder an der Rüstung ab. Ischkur war etwas von mir abgerückt, doch gegen diese verabscheuungswürdigen Verbrecher sandte er mir Hilfe! Unermüdlich teilte ich zur einen, dann zur anderen Seite aus und schließlich brach ein weiterer unter meinen Angriffen zusammen.

Leonis rannte zurück zu uns, anscheinend hatte er alle seine Gegner erledigt. Seine Geschwindigkeit überraschte die Wegelagerer erneut und er landete einen ordentlichen Schlag.
Währenddessen wandte ich mich einem der Männer zu, die bereits eine Feuerkugel abbekommen hatten. Seine Rüstung war sichtlich angesengt und er blutete, doch war er von irgendeinem wilden Geist besessen, wie mir schien. Zweimal schlug ich zu und zweimal wich er meisterhaft aus, um mir im Anschluss gegen den Arm zu schlagen. Jedes Mal keuchte ich und brauchte einen Moment, bis das Gefühl wiederkehrte, doch meine Rüstung verhinderte jeden Schaden.

Der andere „Verkohlte“ stand bei Leana und schien ihren Angriffen nichts entgegensetzen zu können. Zielsicher stach sie dorthin, wo das Feuer bereits schreckliche Wunden gerissen hatte und drang so mühelos tief ins Fleisch ein. Es war wie eine Szene aus einem Folterkeller, er hatte schlicht keine Chance. Es schien ihm wohl einer Erlösung gleich, als die Schamanin seine Kehle aufriss und damit sein Leben beendete.

Leonis hielt sich nicht mit den bereits geschwächten Banditen auf und schnappte sich einen, der bisher noch keinen Treffer abbekommen hatte. Der Verbrecher hatte sich wohl bisher hinter seinen Gefährten versteckt, doch dem chryseiischen Auge entging nichts. Er sprang heran und führt beide Schwerter gleichzeitig von rechts nach links. Das Gesicht wurde zerspalten und im nächsten Moment der Kopf abgetrennt.
Endlich gelang es mir, meinen Gegner zu umgehen und ich schlug mit meiner Axt von hinten gegen seine Niere. Die Wirbelsäule erbebte und wie eine Puppe knickte der Mann um.

Da blieb plötzlich nur noch ein Gegner, welcher vor Leonis stand und von Wahnsinn besessen sein musste, sich nun nicht einfach zu ergeben. Seinen Angriff schlug der Chryseier zur Seite, wie eine lästige Fliege, dann trat er dem Banditen vors Knie, dass dieser einknickte und beinahe kniend auf den Boden sank. Leonis legte seine Langschwerter um den Hals und mit einer Scherenbewegung trennte er ohne scheinbare Anstrengung den Kopf. Das Blut schoss zum Himmel und ein grausames Lächeln stahl sich auf das Gesicht des Kriegers. Man sollte ihn Leonis Blutdurst nennen.

Leana und ich prüften, ob die Wegelagerer etwas Nützliches bei sich hatten, während der Krieger eventuellen Überlebenden das Sterben erleichterte. Wir kamen auf ein wenig Gold, das wir unter uns aufteilten, sowie Nahrung, welche die Schamanin für uns verwahrte. Dann wurde es Zeit für ein dringendes Gespräch.

„Leana! Wegen dir hat sich Ischkur von mir entfernt, mir ein Stück seiner Gnade entzogen!“

„Was? Warum soll ich daran schuld sein, dass du deinen Gott enttäuscht hast?“

„Tu dich nicht so! Du bist eine lasterhafte Hure, die durch die Gasthäuser schleicht und lüstern jeden Mann in ihr Bett zieht, der bei drei nicht auf dem Baum ist!“

„Ach so ist das also! Nur weil du so prüde bist, ist jeder andere, der ein wenig Spaß hat, eine Hure?“

Ich überlegte kurz, ob ich nun dieses eine Thema ansprechen sollte und entschloss mich schließlich dafür.

„Du hast mich missbraucht, Leana! Das hat Ischkurs Zorn auf mich gelenkt. In einer finsteren Nacht bist du wie ein Sukkubus in mein Gemach gekommen und hast mich benutzt!“

„Ach, stell dich nicht so an, Abedi. Du hast es doch genossen.“

Ich dachte an diese Nacht zurück. Nein, sie war nicht einmal gut gewesen. Für jemanden mit derart viel Übung hatte sie sich reichlich ungeschickt angestellt. Doch ich beließ das Gespräch dabei und wandte mich ab. Leonis sah uns mit offenem Mund entsetzt an. Dann wandte er sich schnell seinem Rucksack zu, den er wohl dringend organisieren musste…

Wir ritten noch ein wenig weiter, dann rasteten wir. Die Stimmung in der Gruppe war schon deutlich besser gewesen, aber vielleicht würde unser aller Zorn mit den kommenden Tagen verziehen. Immerhin stand die eigentliche Aufgabe noch vor uns und bisher haben wir ohne Verluste Wölfe und eine ganze Banditenbande ausgelöscht. Damals in Urruti hätte ich nicht im Traum daran gedacht, zu dritt gegen zwölf Mann anzutreten.

Die folgenden Tage reisten wir durch felsiger werdendes Gelände. Teilweise ragten links und rechts von uns Steinwände bis zu drei Meter in die Höhe und vermittelten ein unangenehmes Gefühl der Enge. Schließlich erblickten wir den Dennma – hinter dem hohen Berg soll das Tal der Verdammten liegen und damit das Ziel unserer Reise. Wir ließen die Pferde an einer Stelle zurück, wo sie grasen konnten und hofften, dass sie bis zu unserer Rückkehr nicht verdursteten, und begannen, den Berg über schmale Pfade zu erklimmen. Immer wieder mussten wir kurz klettern, doch es war nichts, dass uns sonderlich schwer fiel.

Gegen Mittag des zehnten Tages, ging es dann wieder bergab, bis wir einen zwei Meter breiten „Weg“ erreichten, zu dessen beiden Seiten Steinwände in die Höhe ragten. Schließlich hörte das Gefälle auf und auf ebenem Weg gingen wir, bis wir einen steinernen Torbogen erreichten. Die Art der Schriftzeichen hatte ich noch nie gesehen, da murmelte Leonis: „Das ist Maralinga, eine alte Sprache, die hier einst benutzt wurde. Mit meinem Chryseiisch kann ich ein wenig davon entziffern…“ Er überlegte kurz, dann las er laut vor:

„Im Tal der Verdammten,
Tage brechen golden,
Über grüne Wiesen glühen,
Bis die Nacht zurückkehrt.“

Das war mehr als kryptisch und achselzuckend traten wir durch. Es dauerte nicht mehr lange, da öffneten sich die Steinwände zu unseren Seiten und gaben den Blick auf die Landschaft frei. In der Ferne lagen große Wälder und Felder, durchzogen von klaren Flüssen. Vogelschwärme zogen dahin und am Horizont glitzerte verheißungsvoll das Meer. Dort lag eine große Stadt, welche Eriks Karte als Tyrre auswies. Aber direkt vor uns lag das Tal der Verdammten. Links und rechts gingen Pfade entlang, im Zentrum lag ein kleines Plateau. Unsere Augen wurden jedoch von einem Podest vor uns gefangen, genauer genommen von dem blauen Stein, der darüber schwebte. Seine Form war atemberaubend; irgendwie in sich selbst verschlungen, vernebelte er die Sinne. Wo war Anfang, wo Ende? Fasziniert von diesem Meisterwerk merkten wir gar nicht, wie wir näher traten und gierig unsere Hände ausstreckten. Nur noch ein paar Zentimeter, dann war dieser Schatz mein, meiner ganz allein. Ich würde ihn nicht teilen, nein, Niemand würde ihn bekommen… da durchfuhr mich von den Fingerspitzen ausgehend ein Blitz und ich machte einen Satz zurück. Der Stein verlor schlagartig jegliche Anziehungskraft. Leonis schien es ebenso zu gehen und verwundert blickten wir Leana an, die den Stein tatsächlich ergriff und zwischen beide Hände nahm. Verzückt blickte sie ihn an, bis sich ihr Gesicht zu einer Fratze verzog. Dann schrie sie laut vor Angst: „Nehmt es weg, nehmt es weg! Bitte!“ Sie warf das Ding von sich, welches summend seinen Platz über dem Podest wieder einnahm. Die Schamanin zitterte vor Angst wie ein kleines Kaninchen, dem man die Schlachtbank gezeigt hatte.

Wir nahmen sie zwischen uns und führten sie den linken Pfad entlang. Dort gab es mehrere Öffnung in der Steinwand und wir betraten gleich die erste Höhle, welcher früher einmal als Schlafstätte gedient hatte. Hier rasteten wir vorerst, damit sich die Schamanin vom Schock erholen konnte. Leonis wiederholte seine Predigt, dass die Frau uns nur aufhalte, doch fiel blieb uns sonst nicht übrig.

Die ganze Nacht durch zitterte Leana und schreckte immer wieder aus Alpträumen hoch. Dieses Artefakt war zweifellos ein Wächter, um jene aufzuhalten, die allzu furchtsam waren. Schien prächtig zu funktionieren, wenn keiner zurückkehrte und von dem schrecklichen, blauen Stein zu erzählen….

Am nächsten Morgen war Leana wieder die Alte, ein wenig mürrisch, aber ansonsten bei Sinne. So setzten wir unsere Erkundung auf der linken Seite des Tals fort. Zunächst fanden wir einen Balkon, von dem sich der große Platz in der Mitte hervorragend einsehen ließ. Nicht weit von ihm entfernt war allerdings auch ein Becken im Boden eingelassen, angefüllt mit Menschenknochen. Leana beugte sich darüber und begann die verschiedenen Überbleibsel zu untersuchen. Sie brauchte nicht lange, da erhob sie sich und verkündete stolz: „Diese Menschen sind an der seltenen Tiberius-Knochenmarkskrankheit gestorben. Äußerst bemerkenswert!“

Absolut überzeugend und über alle Maßen hin fasziniert von dieser einzigartigen Jahrhundertidee…beschlossen wir diesen Fakt vollkommen zu ignorieren und gingen eine Treppe nach unten.

Die Stufen führten in eine weitere Höhle, deren hervorstechendstes Merkmal eine große, rote Platte war, in deren Mitte ein fünfzackiger Stern eingraviert war. Auch hierzu hatte Leana eine Theorie, welche dieses Mal etwas sinnvoller klang: „Frühere Magier haben hier meditiert, um Einsichten über die Zukunft zu erlangen…ich werde das auch mal ausprobieren.“

Gesagt getan, wir warteten eine halbe Stunde. Die Schamanin erhob sich und zuckte mit den Achseln. Keine großartigen Visionen – Leonis rollte nur noch mit den Augen. Mir blieb es auch nur noch zu seufzen. Ja, ja, Frauen brauchen immer etwas…ich meinte, einen geistigen Schlag zu spüren, oder war es einfach nur der böse Blick, den mir Leana zuwarf?

Da wir nun das mittlere Plateau erreichen würden, allerdings noch nicht die rechte Seite erkundet hatten, gingen wir zurück und begannen auch hier Nachforschungen anzustellen. Zunächst befand sich hier auch ein Schlafgemach, ähnlich spartanisch wie auf der anderen Seite mit Nischen in der Wand. Eine weitere Kammer war hinter einer nahezu vollständig verrotteten Holztür zu finden. Aber außer gammligen Essen gab es nichts für uns.
Eine Treppe führte nach unten und wir entdeckten das ehemalige Kräuterbeet. Mittlerweile gab es jedoch nur noch Unkraut, was zwar schön anzusehen war, aber keinen Nutzen erfüllte.

Dann betraten wir endlich das große Plateau, dessen Boden merkwürdig zertrampelt aussah, als hätte jemand mehrfach hineingeschlagen oder gebissen. Es war sehr seltsam. Aufmerksamkeit generierte jedoch der Stein am Ende des Tals, hinter dem sich ein Ausblick auf die weite Landschaft ergab. Es war ein menschengroßer Monolith, welcher nach allen Seiten abgerundet oben zu einer sanften Spitze zusammenlief. Auf Kopfhöhe befand sich ein Loch, auf Brusthöhe war eine Inschrift eingraviert. Leonis übersetzte für uns: „Die starken zwei – die letzten zwei!“

Unzweifelhaft waren damit die Zauberer gemeint, welche hier im Zwist gelegen hatten. Nun überprüfte Leana den Stein und befand, dass dieser beinahe eine göttliche Aura ausstrahlte. Dann standen wir einen Moment ratlos herum, bis ich mich an die Zeilen vom Anfang des Tals erinnerte: „Bis die Nacht zurückkehrt! Lasst uns warten, bis es dunkel wird, vielleicht offenbart der Stein dann etwas.“

Die anderen stimmten mir zu und wir zogen uns zu der Höhle mit Balkon zurück, damit wir einen Ausblick auf den Monolith bei angemessenem Abstand hatten. So begann eine elende Warterei, bis es Abend wurde und die letzten Strahlen der Sonne auf das kreisrunde Loch fielen. Fasziniert beobachteten wir, wie dieses plötzlich hell zu leuchten begann. Links an der Seite des Steins flackerte es dann noch grün auf und rechts rot. Leana und ich gingen los, um dieses Schauspiel zu untersuchen, Leonis blieb jedoch zurück. Er schien der ganzen Sache noch nicht so recht zu trauen.

Während wir uns näherten, zückte ich behutsam mein Langschwert und hielt es nach kurzem Zögern mitten in das helle Licht. Es gab einen Ruck und beinahe wäre mir die Klinge ins Gesicht geschleudert worden. Wirklich weiter als vorher waren wir nicht, auch die Aura schien sich laut Leana kaum verändert zu haben. Einen Moment zermarterten wir uns den Kopf, da kam Leonis angelaufen. Er wirkte ein wenig angeschlagen, hatte einen blauen Fleck am Kopf, aber er winkte nur ab, als ich fragte.

„Ich habe einen Tunnel entdeckt! Durch eine der Wände kann man einfach so durchlaufen. Doch ich kam nicht sonderlich weit, es ist dunkel und die Fackel hilft nicht.“

Anerkennend klopfte ich Leonis auf die Schulter, dann gingen wir gemeinsam zurück. Es war tatsächlich so, wie der chryseiische Krieger beschrieben hatte: der Fels war an einer Stelle lediglich Illusion und man konnte hindurchgehen. Das Fackellicht verging hier, so beschwor ich Ischkurs Beistand herbei und mit einem Schlag wurde es hell, als meine Rüstung golden zu leuchten begann. Es schien weit in den Berg hineinzugehen und der Platz reichte nur aus, um hintereinander zu gehen. Da beschwerte Leonis sich scheinbar darüber, dass wir nur zu dritt waren – immerhin meinte er zu mir: „Du gehst in der Mitte und Leana und ich gehen vor!“

Der Plan ging mit drei Leuten nun nicht so ganz auf und das sah er auch zum Glück schnell ein…

Schließlich konnten wir uns einigen und ich führte die Expedition in die Tiefe an. Bald ging es eine lange Treppe nach unten und dann einige Meter weiter, bis wir eine alte Holztür erreichten, die die Zeit scheinbar problemlos überstanden hatte. Selbstsicher ergriff ich den Knauf und wollte sie öffnen, da durchfuhr mich ein unangenehmes Kribbeln. Plötzlich war es mir, als würde ich schrumpfen während die Tür vor mir in die Höhe wuchs und schrecklich zu gackern anfing. Schließlich war ich so klein, dass ich selbst mit einem Sprung nicht mehr an den Griff kam und ich begann verzweifelt zu schreien…

„Abedi?“ Ich schüttelte den Kopf und rieb mir die Augen. Nichts hatte sich verändert, ich stand nur da, den Mund noch zum Schrei geöffnet und einen Schritt weg von der Tür, welche zwar nicht mehr lachte, aber immer noch tiefes Unbehagen in mir auslöste. „Das ist Hexenwerk…ich muss mich ausruhen“, keuchte ich und sank an der Wand zu Boden.

Leonis schnalzte nur mit der Zunge, trat an mir vorbei und ergriff ebenfalls den Türknauf. Seine Selbstsicherheit schützte ihn jedoch nicht, er hüpfte weg und sank mir gegenüber zu Boden, zitternd und verängstigt. Leana beschloss nun zu warten, bis wir wieder einsatzfähig waren – doch es dauerte nicht lange, bis das Licht meiner Rüstung erlosch und sie in der Dunkelheit verzweifelte. Ihre Versuche, die Finsternis dieses Ortes zu bannen, blieben zwecklos, so sackte auch die dritte unseres Bundes nieder und kämpfte mit ihrer Angst.

Schließlich erhob ich mich wieder und brüllte laut „Ischkur!“. Meine Rüstung erstrahlte wieder in goldenem Licht, doch ich sparte mir den Kommentar Richtung Leana. Sie würde schon verstehen, dass es mit dem rechten Glauben ging, während ihre Tiere ihr hier nicht weiterhalfen.

Dann wand ich mich der Tür zu und lenkte die göttliche Kraft gegen den finsteren Zauber, dass man beinahe schon die schwarzen Schwaden davonstoben sah. Bevor wir nun jedoch weitermachten, segnete ich meine Begleiter, auf dass ihnen finstere Magie nichts mehr anhaben konnte. Das kostete mich einige Kraft, aber Leana schaffte es mit einem kurzen Zauber, mir etwas davon wiederzugeben.

Die Tür verschloss sich nach unserem Durchqueren sogleich wieder von selbst. Ein ausgeklügelter Federmechanismus bewerkstelligte dies leise und nahezu unauffällig. Doch uns interessierte mehr, was vor uns lag, ein langer Gang, wo wir nach etwa 20 Metern eine weitere Tür erreichten. Dieses besaß jedoch keine Aura und somit wohl auch keine Magie, aber rechts davon befand sich an der Wand eine Art Schiffssteuer. An seinen Enden waren die Zahlen 1, 2, 3 und 4 angebracht und darunter eine Inschrift „Zwei ist schlecht“, wie Leonis berichtete. Darüber war ein kleiner Pfeil, der auf das Rad zeigte. Sinn und Zweck war es wohl, eine der vier Zahlen einzustellen. Den genauen Effekt konnten wir noch nicht erahnen, doch Leana drehte das Rad zunächst und stellte es auf 1. Plötzlich polterte es um uns herum und einen Moment hatten wir das Gefühl, auf unsicherem Boden zu stehen, da war es auch schon wieder vorbei und scheinbar hatte sich nichts geändert. Ich öffnete die Tür und am Boden erspähten wir einen kleinen Spalt, der sich die Wand entlang zog. Scheinbar war dieser Bereich abgetrennt und was abgetrennt war…

„Wir befinden uns in einem sich drehenden Labyrinth!“, stellte Leana fest. Gemeinschaftlich stöhnten wir alle auf, doch es half nichts. Wir mussten dieses Rätsel lösen, denn es stand womöglich zwischen uns und dem Schatz der Zauberer.

In den folgenden Stunden irrten wir unter Tage umher. Immer wieder taten sich neue Gänge auf, andere verschwanden und ein, zwei Mal landeten wir wieder am Ausgang und ruhten uns kurz an der frischen Luft aus. Doch immer wieder kamen wir an dem Steuerrad vorbei, durch Leanas Markierungen wurde bald klar, dass es sogar zwei von ihnen gab; eines erhielt ein Dreieck, das andere ein Viereck. Die Dinger schienen sich immer mehr zu verklemmen und schließlich schaffte es die Schamanin nicht mehr, sie selbst zu drehen. Leonis schaffte dies jedoch weiterhin mit Leichtigkeit. Zumindest gelang es ihr währenddessen selbst Licht heraufzubeschwören, denn auf die Dauer war meine goldene Rüstung ein verschwenderischer Umgang mit Ischkurs Gunst.

Schließlich war es Leonis, der sich ein Herz fasste und das Rad auf zwei drehte – ungeachtet aller Konsequenzen, die da kommen mögen. Wir hofften einfach nur noch, dass dieser Alptraum enden würde. Ich hasse Labyrinthe!

Doch wir landeten wieder beim Ausgang, es war zum Haare raufen…zumindest, wenn man welche hatte. Aber als wir den Weg einfach wieder zurückgingen, erreichten wir einen längeren Gang, an dessen Ende eine weitere Tür und dahinter endlich einen neuen Raum! Hinter uns verschloss sich die Pforte und setzte uns einem weiteren Rätsel aus, welches sich uns in Form dreier Türen offenbarte, welche sich an der uns gegenüberliegenden Wandseite befanden. Sie waren aus Silber gefertigt und in ihnen befanden sich Gravuren.

Die erste: „Tür 3 ist eine Falle ODER Tür 1 ist richtig.“
Die zweite: „Wenn Tür 3 der Weg zurück ist, ist Tür 1 die Falle.“
Die dritte: „Wenn Tür 1 die Falle ist, ist Tür 3 die richtige.“

Minuten vergingen, jeder war tief in seinen Gedanken versunken. Immer wieder öffnete einer den Mund, sagte ein paar Dinge, doch sie wurden gleich wieder verworfen. Entweder brachten uns die Schlüsse nicht weiter oder sie waren Schwachsinn… Leonis überlegte kurz, einfach auf Glück Tür 3 zu öffnen, doch im letzten Moment wandte er sich ab. Wie sich noch erweisen sollte, eine gute Entscheidung.

Dann war es ausgerechnet ich, der eine Idee aufbrachte und gleichzeitig töricht genug war, diese auszuprobieren.

„Wenn Tür 3 der Weg zurück ist, wäre Tür 1 die Falle. Nach Tür 3 bedeutet dies jedoch, dass Tür 3 richtig ist. Sie kann aber nicht gleichzeitig der Weg zurück und richtig sein! Tür 1 wird die richtige sein!“

Geflissentlich ignorierte ich bei meiner Ausführung, dass Tür 1 nicht richtig sein konnte, wenn Tür 3 eine Falle war und sie sogar die Falle barg, wenn Tür der Weg zurück war. Rückblickend überlegt hatte ich keinen wirklichen Anhaltspunkt dafür, dass Tür 1 richtig war, außer, dass ich mir sicher war, Tür 3 sei in irgendeiner Form falsch. Aber ich glaubte es, also packte ich den Knauf und öffnete die Tür.

Keine Feuerkugeln explodierten, keine Gegnermassen fluteten uns entgegen. Vor uns lag nur ein weiterer Gang, den ich siegesgewiss durchschritt. Nach zwanzig Metern folgte eine weitere Türe, welche ich öffnete…und wir sahen uns wieder drei silbernen Türen gegenüber. Ich schluckte schwer und bemerkte, wie vorschnell meine Überlegung gewesen war. Aber eine schützende Hand schwebte fast schon sichtbar über mir.

Nun war jedoch alles klar, da Tür 1 nicht richtig war, blieb für Tür 3 nur die Falle. Mit ein wenig Kopfschmerzen gingen wir hindurch und erreichten einen zehn Meter durchmessenden, kreisrunden Raum dessen einziges Inventar eine einen meterhohe Säule aus tiefschwarzem Tisch. Darauf befand sich ein Becken, in dessen Rand Schriftzeichen eingeprägt waren.

„Auf den Schwingen des Todes,
Durch die Hände des Schicksals,
Durch das dunkelste Licht,
Vom dunkelsten Mond,
Durch stille Ozean,
Über hohe Berge,
Alle stehen als Einheit heute Nacht.“

Ratlos standen wir da, aber wirklich aufschlussreich waren die Worte nicht. Leonis packte frohen Mutes seinen Wasserschlauch aus und ließ etwas davon hineinfließen. Doch es verschwand und hinterließ keinerlei Spur. Da zückte der Krieger sein Messer und schnitt sich in die Hand. Plätschernd trafen die Blutstropfen auf das Becken, bevor es einen Schlag tat und uns die Splitter der Säule um die Ohren flogen. Sie richteten keinen wirklichen Schaden an, dafür schien es nicht ausgelegt zu sein. Dafür wurde im Stumpf des Steins der Griff einer Waffe sichtbar. Mit bloßer Hand packte Leonis ihn und riss ihn heraus.

Im nächsten Moment schienen sich Schatten um den Fund zu verdichten, dann war da plötzlich eine mattschwarze Streitaxt in Leonis‘ Hand, welche wir alle bewundernd anblickten. Einen Moment schien der Krieger sehr von seinem Fund verzückt, da verwies ich auf meine Axt und meinte, dass sie bei mir besser aufgehoben sei. Der Chryseier nickte, wenngleich er nicht sehr glücklich schien, diese prächtige Waffe aus der Hand geben zu müssen.

Ich verstand nie wirklich viel von der Zauberei der irdischen Magier, doch selbst ein Bauer hätte die Macht gespürt, die von dieser Axt ausging. Ehrfürchtig schwang ich sie ein paar Mal. Dann überlegte ich mir, wie praktisch es wäre, wenn sie bis auf den Griff schrumpfen würde… plötzlich löste sich das Axtblatt auf und ich konnte den Rest bequem an meinen Gürtel hängen.

Auffordernd hielt mir Leana die Hand hin und ich übergab ihr nach kurzem Zögern die Waffe. Die Schamanin ließ ihre fachkundigen Augen über den Stahl huschen.

„Diese Axt vermag Licht zu bannen und wird wohl die Ursache für die magische Finsternis hier drin gewesen sein. Vielleicht sollten wir das beim Monolith auf dem Plateau anwenden.“

Wir behielten uns dies als Idee im Hinterkopf und verließen endlich dieses Labyrinth, um uns auf den Weg zum Stein zu machen. Mittlerweile war es dunkel geworden, doch die Sonnenstrahlen schienen im Monolith gefangen zu sein. Aber die scharfen Augen Leanas ließen sich davon nicht ablenken und sie machte uns auf etwas aufmerksam: „Hey Jungs, seht mal, da hinten beim ehemaligen Kräutergarten leuchtet es!“

Und tatsächlich, wir erklommen die Treppe und eine der Höhlenwände leuchtete von innen heraus. Es war ein seltsamer Anblick und es war keine große Überraschung, als Leonis seine Hand hindurchstecken konnte. So traten wir in gewohnter Formation („einer in der Mitte und zwei vorne“) in das nächste versteckte Höhlensystem ein. Doch kaum waren wir eingetreten, mussten wir die Augen schließen – zu grell war das Licht, welches auf uns eindrang. Nun war es Zeit, unsere jüngste Beute auszuprobieren und ich erhob die Axt. Mittels des Schlüsselwortes, das Leana vorhin entziffert hatte, konnte ich die Kräfte entfesseln und um uns herum wurde das Licht gedämmt. So konnten wir voranschreiten und erreichten bald einen kleinen, runden Raum. Uns gegenüber lag eine Tür, welche sogleich von unserer Schamanin untersucht wurde. Ehrfürchtig wich sie zurück: „Sie verstrahlt eine göttliche Aura. Ich glaube nicht, dass uns Gefahr droht.“

Leonis vertraute ihren Worten und zog am Knauf. Tatsächlich bekam diesmal Niemand einen Angstanfall. Dahinter lag ein weiterer Raum, der ebenfalls drei Meter durchmaß und abgerundet war. In der Mitte befand sich ein weißer Stein, der auf den ersten Blick wie ein Tisch anmutete. Allerdings war seine Oberfläche gekrümmt, sodass er bei weiterer Betrachtung mehr Ähnlichkeiten mit einem Pilz aufzuweisen schien. Der Chryseier ließ es sich nicht nehmen und stieg sogleich darauf und schlug kräftig mit einem seiner Langschwerter dagegen. So langsam verfiel er in blinden Aktionismus… allerdings schien er plötzlich zufrieden mit sich, stieg wieder ab und setzte sich mit einem Lächeln vor den Stein und starrte ihn an. Seine Miene hätte jedem Wahnsinnigen Konkurrenz gemacht und irritiert blickte ich ihn an. Währenddessen entdeckte Leana eine Zauberformel an der Kante des Pilzes und murmelte etwas von Sesam. Was auch immer da geschah, plötzlich hob der Stein ab und schwebte zur Decke. Leonis‘ Zufriedenheit war mit einem Mal weggewischt, doch das interessierte uns nicht weiter. Durch das Loch würde ein Mensch problemlos durchpassen, darunter jedoch war Wasser und man würde tauchen müssen.

Grinsend zückte Leana den blauen Stein ihrer moravischen Saufkollegen. „Damit kann ich auch im Wasser atmen. Daher würde ich mir das mal anschauen und euch dann informieren.“
Ich nickte und Leonis brüllte plötzlich: „Ausziehen, Ausziehen!“

Das einzige, was mich noch mehr wunderte, als seine lüsternen Rufe, war, dass die Schamanin der Aufforderung tatsächlich folgte. Da war zwar nichts, was ich nicht schon gesehen hätte, aber ich wand mich dennoch ab. Leana lachte nur darüber und im nächsten Moment verschwand sie mit einem Platschen im Loch.

Während wir warteten, dass sie zurückkam, meinte Leonis mit einem spitzbübischem Grinsen zu mir: „Wie wäre es, wenn wir ihre Kleidung verstecken würden?“

Ich blickte nur noch fassungslos an. Er schien eine Renaissance der pubertären Fantasien zu erleben…
Natürlich taten wir nichts dergleichen und es dauerte auch nicht mehr lange, bis die Schamanin zurückkam. „Nach einer kurzen Strecke geht es in einen neuen Raum, dort konnte ich jedoch nichts erkennen. Es ist einfach zu hell.“

Es brauchte keine lange Diskussion, Leonis und ich zogen ebenfalls blank, ersterer sogar vollständig. Unsere Sachen steckten wir in den Rucksack und dann sprangen wir nacheinander ins Wasser. Es war ein erfrischendes Gefühl, nicht einmal übermäßig kalt. Doch wir mussten tauchen, was ich bisher nie gerne getan hatte. Aber irgendwas stimmte hier nicht, nach jedem Armzug verstärkte sich der Druck auf meinen Kopf, als würden wir uns in der Tiefsee befinden. Bald konnte ich kaum mehr die Augen öffnen, die Ohren schmerzten und ich verlor jegliches Gefühl für oben und unten. In Panik öffnete ich den Mund, um nach Luft zu schnappen. Stattdessen lief mir eine große Menge Wasser die Kehle hinunter und ich begann zu prusten und zu husten, sogar die Axt der Finsternis entglitt meinen Händen… da spürte ich eine Hand, die mich packte und in eine bestimmte Richtung zog.

Dann wurde es hell und ich konnte wieder atmen. Leana zog Leonis, der ebenfalls einen Panikanfall bekommen hatte, und mich ans Ufer, wo ich einige Momente brauchte, um wieder zu mir zu kommen. Beruhigt bemerkte ich, dass die Axt nicht in der Tiefe verschwunden war, sondern sich der Griff wieder an meinem Gürtel befand. Nach einigen Momenten der Entspannung gelang es mir dann auch wieder mit ihrer Hilfe, das Licht zu dämmen.

Während Leana und ich uns nun anzogen, stellte Leonis sich plötzlich auf, die Arme zur Seite gespreizt, die Hände an der Hüfte. Der Brustkorb war herausgestreckt und ebenso sein Becken. Mit der eindeutigen Position wollte er wohl posieren, doch den Anblick ersparte ich mir. Allerdings konnte ich mir das Grinsen nicht verkneifen, als ich Leanas Kichern hörte und sie von heftigen Lachern geschüttelt fragte: „Ist da noch was im Busch, lieber Leonis?“

Seine Gesichtszüge entgleisten und er sah nun selbst an sich herunter. „Ähm, das war sehr kalt da drin! Also…“ er wurde knallrot und zog sich rasch an. Danach ging er rasch zur Tür, um diese Peinlichkeit zu überspielen. Aber kaum hatte er den Knauf berührt, fuhr er wie wild herum, blickte mich an und sprang mir an den Hals.

„Ach, Abedi. Ich bin so froh, dass du hier bist. Bei dir fühle ich mich ganz sicher und geborgen.“

Leana rollte sich vor Lachen am Boden herum, während ich mit betretenem Blick Leonis die Schulter tätschelte. „Ähm, würdest du mich vielleicht loslassen?“
Aber der Chryseier ließ nicht ab und grinste selig. Mühsam versuchte ich ihn von mir wegzuschieben, doch er begann nur als Reaktion, fester zu drücken und ich ersparte mir dann doch lieber, von dem Krieger zerdrückt zu werden.

Eine Minute lang dauerte dieses Schauspiel an, dann ließ er mich plötzlich los, sah sich irritiert um und murmelte: „Wie? Wo? Was ist gerade geschehen?“

„Nichts wichtiges“, murmelte ich, während Leana nun zur Tür trat und sie aufzog. Sie schien der Hexerei widerstehen zu können und hielt uns den Eingang offen. Es folgte ein kurzer Gang, eine weitere Tür und dann standen wir erneut in einem annähernd kreisrunden Raum, uns gegenüber vier Pforten, allesamt mit einer Inschrift versehen.
Die erste: „Tür 1 ist richtig, wenn Tür 3 rot ist.“
Die zweite: „Die richtige Tür ist grün, alles andere ist ungewiss.“
Die dritte: „Keine Tür, die an die Gelbe grenzt, ist richtig.“
Die vierte: „Diese Tür ist blau.“

Die Farben mussten auf der anderen Seite aufgemalt sein, uns blickte nur jungfräuliches weiß entgegen. Schnell schlossen wir aus, dass Nummer zwei gelb sein konnte, da sonst nichts richtig war. Ihren weiteren Überlegungen konnte ich auf die Schnell nicht folgen, sie meinte nur schließlich überzeugt: „Ich nehme Nummer dreeeeeeeeeei.“ Warum auch immer diese Moraven die drei immer so betonten!

Aber die Entscheidung war offensichtlich richtig, direkt an die Tür, die sich von hinten als grün herausstellte, grenzte ein großer Raum in dessen Mitte eine kleine Säule mit eingelassener Schale stand. Er schien das Gegenstück zu dem Ort zu sein, wo wir die Axt fanden. Leonis entdeckte auch eine Inschrift, welche dieses Mal angab:

„Auf den Schwingen des Lebens,
In den Händen des Schicksals,
Durch das hellste Licht,
Von der hellsten Sonne,
Durch klare Seen,
Über grüne Täler,
Alle stehen als Einheit heute Nacht.“

Leana drängte jedoch schnell auf die Lösung und wies mich auf das Weihwasser hin, welches ich stets bei mir trug. Anerkennend nickte ich ihr zu und träufelte etwas davon ins Becken, welches direkt zersprang und uns um die Ohren flog.

Diesmal blickte uns ein silberner Griff entgegen, welcher schlicht gehalten war und dennoch edel erschien. Leonis zog ihn heraus und es wurde schlagartig dunkel. Damit war wohl die magische Helligkeit dieses Ortes gebannt und ich beendete den Zauber meiner Axt. Anschließend nutzte Leonis das neue Artefakt und wir konnten wieder etwas erkennen – er brauchte jedoch mehrere Anläufe, immerhin war er unvertraut mit jeglicher Art von göttlicher Macht oder Magie. Der Krieger hielt ein Langschwert in der Hand, welches er ein paar Mal schwang und dabei lächeln musste. Sie schien wohl mindestens so mächtig wie die Axt!

Leana untersuchte nun auch das Schwert, ließ es sogar einmal testweise fallen. Die Klinge verblasste und der Griff flog an ihren Gürtel, wie dies bei meiner Axt geschehen war. Ungeduldig forderte Leonis seine Waffe zurück und die Schamanin zögerte nicht, immerhin konnte sie einem so großen Gerät nichts abgewinnen…

Nun kehrten wir zum Monolithen zurück. Es dämmerte bereits, doch das Licht im Monolith war noch da, ebenso das es flankierende rote und grüne Leuchten. Leonis stellte sich auf die eine Seite, ich auf die andere und reckten die neuen Waffen ins Licht (verkehrtherum zu den Seiten, wo wir sie gefunden hatten).

Das Licht im Loch des Monolithen verstärkte sich, breitete sich aus und kam wie eine wohlige Flut über uns. Gleich einer Welle schlug es einmal über das Plateau, brandete auf und nahm mit einem Mal unser gesamtes Blickfeld ein. Dann verloren wir alle unser Bewusstsein.

Die Schlacht um die Insel des Sonnenuntergangs

Bevor wir erwachten verspürten wir eine Erschütterung der Macht. Etwas Mächtiges war geschehen, doch es schien uns, als würde es Niemals unsere Gefilde erreichen. Da war etwas gewesen, dessen Kraft sicherlich jedes Wesen Midgards mit nur einem Schlag vernichtet hätte…doch es verhallte.

Ich spürte harten, sandigen Boden unter mir und riss die Augen auf. Wo war ich und wie viel Zeit war vergangen? Zumindest Leana und Leonis waren bei mir und gemeinsam blickten wir uns um. Über uns war der freie Himmel zu sehen, welcher tiefblau eingefärbt war. In der Ferne schien die Sonne unterzugehen und tauchte einen Teil des Horizonts in flammendes Rot. Doch uns umgab zunächst meterhoher Fels, wir schienen in einer Art Mulde zu liegen. Der Stein war meist braun oder grau und ich dachte zunächst an meine Heimat, doch diese Gegend schien noch trostloser. Zudem gab es dort keine schwarze Felsen, welche wie Keile aus der Erde ragten. Außerdem erspähten wir über den Fels hinweg vier Türme. Drei von ihnen waren mit dem größten in der Mitte über Brücken auf verschiedenen Ebenen verbunden. Die Gebäude wirkten unwirklich, aus irgendeinem schwarzen Material gemacht, das wie eine Mischung aus Stahl und Fels anmutete. Meterlange Stacheln ragten aus den Türmen und wirkten, als würden sie alles Leben verdammen.

Ansonsten erblickten wir zunächst nichts, daher untersuchten wir schnell unsere Ausrüstung, ob alles bei uns war – doch rasch wurde eines klar: „Die Axt der Finsternis und das Schwert des Lichts sind fort!“

„Vielleicht bringen sie uns wieder zurück, immerhin haben sie uns hierher gebracht.“

Zum Abschluss unserer Überlegungen blickten wir alle zu den Türmen. Es schien eindeutig, wo wir suchen mussten. So fackelten wir gar nicht mehr lange und liefen den einzigen Pfad entlang, der uns aus dieser Mulde herausführte, sodass wir die Umgebung begutachten konnten.

Wir waren auf einer Insel gelandet, welche sich mit Steilküsten gegen das Meer schützte. Teilweise ging es bis zu sechs Meter in die Tiefe, von wo die Gischt heraufspritzte. Das gesamte Areal schien von Fels bedeckt, durch das sich labyrinthartig Pfade schlängelten. Auf manchen größeren Bereichen standen viele der „schwarzen Keile“, die unheilverkündend gen Himmel gereckt waren. Die Entfernung zu den Türmen war nicht sonderlich groß, doch wer weiß, welche Umwege wir marschieren mussten. Ich hasse Labyrinthe!

Entschlossen machten wir uns auf den Weg und kaum waren wir um die erste Ecke abgebogen, erblickten wir in einigen Metern zwei menschengroße Gestalten. Regungslos standen sie da, zerfetzte Mäntel über etwas, das vor langer Zeit wohl einmal eine Rüstung gewesen war. Doch als sie unserer gewahr wurden, begannen sie in unsere Richtung zu humpeln. Wir riefen ihnen auf allen Sprachen zu, die wir kannten, doch sie antworteten nicht. Stattdessen hob der eine ein rostiges Kurzschwert, der andere ein schartiges Schlachtbeil. Die Absicht schien eindeutig, so rief ich Ischkur an und er ließ meine Rüstung erstrahlen. Die anderen gingen ebenfalls in Kampfposition und kaum hatten sie uns erreicht, da attackierten Leonis und ich entschlossen und verpassten ihnen erste Wunden. Doch obgleich sie zu schreien und zu wimmern anfingen, floss kein Blut und sie griffen unbekümmert erneut an. Sie waren rücksichtlos und scherten sich einen Dreck darum, ob sie den nächsten Angriff einsteckten. Das machte es für uns leichter, doch fragten wir uns, welcher Wahnsinn in ihnen steckte!

Ihre Hiebe waren ähnlich unbeholfen wie ihre ganze Art, sich zu bewegen. Der erste Eindruck täuschte, hier handelte es sich keineswegs um Menschen mehr! So war es mir eine Freude, den Gegner mit dem zweiten Treffer niederzustrecken, Leonis tat es mir rasch nach, ließ es sich aber nicht nehmen, mit seinen Langschwertern nachzusetzen, bis sich die Eingeweide seines Gegners auf den Boden ergossen.

Dann untersuchten wir die beiden Leichen, welche auf irgendeine schreckliche Art einmal Menschen gewesen zu sein schienen. Aber mittlerweile waren ihre Gesichtszüge verzerrt, die Körper verkrüppelt. Seltsame Auswüchse entstellten sie oder schienen ihnen in Form neuer Muskeln besondere Kräfte zu verliehen. Leana sprach von „Mutationen“, was ich nicht wirklich verstand – auf jeden Fall schien es sich um untotes Leben zu handeln, welches keine Chance auf Errettung hatte, lediglich Hoffnung auf Erlösung.

Doch nach dem Kampf, als die Anspannung nachließ, spürten wir die Folgen des unangenehmen Transports hierher. Wir schnauften angesichts des plötzlichen Gefühls enormer Anstrengung und kehrten zur Mulde zurück, wo wir nacheinander meditierten, um wieder zu innerer Ruhe zu finden und neue Kraft zu schöpfen. Dabei blieb die Sonne an derselben Stelle im Himmel stehen. Längst hätte sie untergegangen sein müssen, um die Insel in tiefste Nacht zu tauchen. Irgendetwas stimmte hier nicht und unser Gefühl wuchs, dass wir hier vielleicht nicht einmal mehr auf Midgard waren…

Allerdings hielt uns dieser Gedanke nicht auf – immerhin hatten wir zurzeit noch einen Plan und waren uns sicher, dass wir bald wieder zurückkehren würden. So liefen wir erneut in das felsige Labyrinth dieser Insel hinein, wo wir uns vor allem links hielten, also an der Küste.

Es dauerte nicht lange, da erspähten wir drei weitere Gestalten, welche auf den Felsen hockten. Sie sahen beinahe aus wie Menschen, allerdings kaum größer als eine Katze und ihre Haut war mit einem dreckig wirkenden, rostbraunen Pelz bedeckt. Aus ihren Mäulern ragten zudem gelbe Fangzähne und von ihren Rücken hoben sich seltsam fleischige Hautlappen ab, welche überdies grünrot besprenkelt waren. Ein kranker Geist wollte diesen bedauernswerten Wesen scheinbar die Fähigkeit zu fliegen verleihen. Doch so abartig diese Kreaturen auch aussahen, versuchten wir vorerst Kontakt aufzunehmen.

„Was seid Ihr?“
Die Kreaturen sprangen von ihren Felsen herunter und liefen auf uns zu.
„Wer seid Ihr?“, riefen sie uns entgegen.
„Wo sind wir hier?“
„Wo sind wir hier?“, plapperten sie nach, ein breites Grinsen offenbarte eine Reihe von kleinen, aber äußerst scharfen Zähnen.
„Haltet die Klappe!“, fauchte Leonis und zückte seine Langschwerter.
„Haltet die Klappe“, kicherten die Wesen und waren bereits nahe an uns dran.

Wir fluchten und machten uns kampfbereit. Ich sandte ein flüchtiges Gebet an Ischkur – da spürte ich seine Nähe, wie seit einiger Zeit nicht mehr. Sein Geist erfüllte mich, er hatte mir wohl meine Fehler verziehen. Allerdings schien er mir im gleichen Moment wieder entrissen zu werden; dieser Ort war zu weit von den Gefilden Midgards entfernt, dass er mir hier so nahe sein konnte, wie sonst.

Mit einem breiten Grinsen stellte ich mich den Wesen entgegen. Mein Gott hatte mich nicht verlassen, ich konnte nicht versagen. Von Ischkur beseelt schlug ich zu und schleuderte das kleine Monster quer durch die Schlacht, bis es an einer Steinwand zerschellte und zu lauter Ascheklümpchen zerfiel.

Leonis ging mit einem Bein in die Knie und zog das andere nach hinten. Dann zog er seine Schwerter wie ein Schnitter auf dem Feld über den Boden. Ein Wesen konnte sich rechtzeitig ducken, das andere wurde der Hälfte nach gespalten, wonach er ebenfalls zu Staub zerfiel. Die letzte Kreatur hatte sich kaum erhoben, da fegte ich sie mit dem Schild von den Füßen und trennte ihr den Kopf ab.

Leana hatte währenddessen überlegt und erklärte: „Das waren wohl Dämunkuli. Sie werden von Magiern als Knechte erschaffen und dienen ihm, bis sie…naja wieder zu Asche zerfallen. Sie sind nicht sonderlich intelligent.“

Wir nickten und gingen weiter. Bisher schienen die Einwohner dieser Insel nicht sonderlich gefährlich, doch ein vorschnelles Gefühl der Sicherheit durfte nicht aufkommen. Wer wusste schon, was sich innerhalb der vier Türme verbarg.
Auf dem weiteren Weg hielten wir uns beständig links und erblickten bald weitere dieser „Mutierten“. Diesmal trug einer von ihnen eine Kutte, was nichts Gutes heißen konnte. Leana reagierte gedankenschnell und beschwor eine Feuerkugel und jagte sie mitten in die uns entgegenkommenden Untoten. Der Knall hallte von den Felswänden wieder und zerfetzte einen direkt. Ein anderer schaffte noch eine Ausweichrolle, den letzten schleuderte es fort, doch er stand auf und hielt weiter entschlossen auf uns zu.

Ich sprang vor und hieb dem Unverletzten die Axt vors Knie, dass er einknickte und nach vorne fiel, wo ihn Leonis‘ Klingen erwarteten und Kehle sowie Bauch aufrissen. Leana stürzte sich mit einem wölfischen Grinsen auf ihren Gegner und zerschnitt dessen Gesicht, ehe er die verbrannten Arme heben konnte. Somit waren die Mutierten bereits besiegt und der Chryseier trennte ihnen sicherheitshalber noch die Köpfe ab.

Bald mussten wir unseren Plan, uns stets links zu halten, verwerfen. Es hätte schließlich erfordert, uns an der Steilwand entlang zu hangeln, sodass wir uns stattdessen nach rechts wandten, wo uns nach wenigen Metern bereits weitere Gegner erwarteten. Diese Insel war verseucht!
Vier von ihnen waren Dämunkuli, doch der fünfte sah ihnen zwar ähnlich, hatte aber keinen Pelz und offenbarte somit bleiche Haut und den Mangel irgendeines Geschlechtsorgans. Der Kopf war nach oben geöffnet und ihm schien ein großer Kristall das Gehirn zu ersetzen. Die Augen waren ebenfalls ersetzt worden, doch sie blitzten trotz allem unbehaglich auf und das Wesen verstrahlte die Aura einer boshaften Intelligenz. „Das ist ein Homunkulus“, rief Leana noch, dann erhob die Kreatur ihre Hand und wies mit großer Gestik in unserer Richtung. Einen Moment starrten alle erwartungsvoll auf den Homunkulus, doch nichts geschah.

Somit gingen wir in den Nahkampf mit den pelzigen Kreaturen über und ich zerschmetterte direkt den Leib des ersten Wesens. Leonis wollte ebenfalls direkt nachsetzen, doch die Viecher wuselten ihm schlicht zwischen den Beinen herum und sein erster Hieb traf sein Bein, was ihn wütend aufschreien ließ. Dennoch schaffte er es den Bissen und Kratzern seiner Gegner auszuweichen, während ich dem Dämunkulus bei mir mit einem Schildhieb die Hand prellte. Vielleicht war sie sogar gebrochen bei den winzigen Knochen, doch das konnte sich nicht mehr erweisen. Mein nächster Angriff sprengte den Körper auseinander, ehe er zu Asche zerfiel.

Leana stürzte sich ebenfalls begeistert in den Kampf gegen diese abartigen Kunstwesen und zerstach mit zwei Angriffen schnell hintereinander dessen Bauch. Gurgelnd ging es zu Boden.

Einer der kleinen Monster sprang hoch und versuchte Leonis am Arm zu erwischen, kam jedoch nicht durch dessen Kettenrüstung. Zur Rache hüpfte der Chryseier hoch und stieß sich vom Kopf seines Gegners ab. Von dem Geräusch zersplitternder Knochen begleitet eilte er zu dem Homunkulus, welcher ihm verzweifelt die Hände entgegen reckte. Im nächsten Moment segelte der Kristallkopf durch die Luft, ehe er zerfiel.
Fast beiläufig richtete ich den letzten unserer Gegner hin. Mein Schild zerschmetterte sein Hirn.

Leana eilte zu Leonis und machte sich daran seine sich selbst zugefügte Beinwunde zu verarzten, während ich mich umsah. Ich rief eine Warnung, dass sich aus der Schlucht vor uns zwei Mutierte näherten. Die Schamanin fluchte laut und Leonis stieß einen Schmerzensschrei aus. Ihre Behandlung schien ja prächtig zu laufen. Stattdessen gingen sie nun wieder in Kampfstellung und wir erwarteten die Untoten. Der folgende Ablauf verriet, wie eingespielt wir mittlerweile waren und es sah weniger wie ein Kampf aus, denn wie ein choreographierter Tanz.

Ich stürmte dem ersten entgegen und hieb ihn die Axt in die Seite, dass es ihn zur Seite warf und seine Deckung für Leonis‘ vernichtende Schnitte öffnete. Sein Kopf segelte ebenso durch die Gegend wie ein abgetrennter Arm. Unterdessen war Leana hinter dem zweiten Gegner auf und stach ihm den Dolch in die Achsel, dass er auf die Knie sackte, wo ich mit einer fließenden Bewegung aus dem Lauf nur noch den Schädel zu spalten brauchte.

Nach dem Kampf wandte sich Leonis an die Schamanin: „Kannst du mir eine Hand auflegen, um mich zu heilen?“

„Ich kann auch ganz andere Sachen…“, fing sie an, wurde rot und stoppte. Trotz dieser unwirklichen Situation und den Horden von Gegnern die hier noch auf uns lauerten, mussten Leonis und ich herzhaft lachen. Leana ärgerte sich kurz über unsere Reaktion, aber half dann doch schließlich dem Krieger – durch reines Hand auflegen.

Anschließend liefen wir weiter durch diesen felsigen Irrgarten und erreichen den Sockel des westlichsten Turms! Doch er stand auf meterhohen, steil abfallenden Stein. Er füllte das Plateau restlos aus und es gab scheinbar keinerlei Zugang zu diesem Gebäude, außer der Brücke in luftiger Höhe. Fluchend umrundeten wir den Sockel, doch hier schien es nicht in den Komplex zu gehen.

Also gingen wir weiter durch die Schluchten, bis wir den südlichen Turm erreichten. Aber auch hier gab es keinen für uns erreichbaren Zugang. Wir wollten gerade weiter, da eilten uns vier der kleinen Monster entgegen, zwei von ihnen mit dicken Kristallen im Kopf.
Ich wollte ein schnelles Gebet sprechen, doch ein Blitz schoss mir entgegen. Hastig sprang ich zur Seite und entging einem Treffer, aber meine Konzentration war dahin. Wütend packte ich meine Axt und lief den Kreaturen entgegen. Dabei zerschmetterte ich im Vorbeilaufen einem der Dämunkuli den Schädel.

Der andere Homunkulus reckte uns nun ebenfalls eine Hand entgegen. Da gab es plötzlich eine grelle Explosion und in einem Lichtblitz zerfiel sie zu Asche. Ein stummer Schrei entstand auf dem Gesicht des Wesens, während es den Armstumpf betrachtete.

Leonis lief neben mir her und trennte dem Dämunkulus mit zwei Schnitten von oben beide Arme ab. Das Vieh fiel zu Boden, schrie laut und zerfiel dann endlich zur Asche.

Leana erwischte unterdessen ein Blitz, der sie ein wenig Kraft kostete und durch ihre rindenhafte Haut durchdrang. Aufhalten konnte sie das nicht und sie eilte uns hinterher, doch bevor sie uns erreichte, waren die Gegner bereits tot:
Der erste Homunkulus schaffte es noch unter meinem Angriff wegzutauchen, spießte sich aber selbst auf Leonis‘ Schwert auf. Den zweiten fegte ich dann mit einem Rückhandschlag von den Füßen. Halb aufgerissen flog er durch die Luft, ehe er am Boden zerplatzte.

Sogleich tauchten jedoch drei weitere Mutierte auf, allesamt in schwarze, zerschlissene Kutten gehüllt. Die entstellten Gesichter waren unter den Kapuzen verborgen, was uns ihren ekelhaften Anblick ersparte. Sie stießen abwechselnd Stöhnen oder Klagerufe aus, als sie sich uns näherten, doch das rief nicht im geringsten Mitleid in uns hervor – es wäre tödlich gewesen.

Jeder stürzte sich auf eines der Wesen und begann es mit Angriffen zu traktieren. Sie waren langsam, scherten sich nicht um ihre Verteidigung. Für sie zählte wohl einzig und allein, diese Eindringlinge in ihr Reich zu vernichten. Aber ihr erbärmlicher Zustand verhinderte ein schnelles oder besonders raffiniertes zustoßen, mit Leichtigkeit konnte ich den großen Schild zur Deckung hochreißen… da kroch eine Eiseskälte durch das eisenbeschlagene Holz in meinen Arm hinein, als hätte ich ihn in waeländisches Wasser getaucht. Ich spürte, wie sich mein Puls beschleunigte und mir Schweiß auf die behelmte Stirn trat. Was auch immer diese Biester waren, man sollte jegliche Berührung vermeiden!
Wütend schrie ich auf. „Ich verbanne dich von diesem Ort, Scheusal!“ Dann schlug ich meine Axt tief ins Dunkel der Kapuze. Es knirschte ordentlich und mir flogen faulige Fleischstücke entgegen. Ich bemühte mich, nicht getroffen zu werden und eilte Leana zur Hilfe. Diese erwehrte sich tapfer ihrem Gegner, tänzelte ihn aus und versetzte ihm immer wieder kleine Stiche. Dabei ließ es sie sich nicht nehmen, immer wieder wölfisch aufzuheulen, in der Hoffnung, ihre Gegner irgendwie zu beeindrucken. Oder um sich selbst anzuspornen?

Leonis zerstach unterdessen beide Nieren seines Gegners gleichzeitig, riss die Schneiden nach oben und zerstörte das, was von dessen Eingeweiden übrig geblieben war. Mit einem Tritt schob er den regungslosen Körper von sich und gesellte sich zu uns. Leana zerstach in diesem Moment die Achillessehne des Mutierten, während ich sein Schlüsselbein zertrümmerte. Der chryseiische Krieger setzte noch einen nach und machte eine seiner beliebten Scherenbewegungen. Diesmal begann er jedoch am Scheitel und im Schritt… zum Glück war längst jegliches Blut in den Adern der Untoten vertrocknet, sonst wäre das eine noch größere Sauerei geworden.
Wir verschnauften einen Moment, aber nicht lange. Die Gegner waren weiterhin nicht sonderlich stark, doch diese Eiseskälte ließ mich noch immer erschauern. Wenn man von solchen umzingelt wurde…nicht auszumalen, wie schnell sie einem die Lebensenergie aus dem Körper zerren könnten.

Wir liefen weiter durch den Irrgarten und erreichten den Hauptturm, der beinahe doppelt so dick war, wie die anderen. Sein Sockel war ebenso erhöht, aber diesmal gab es einen Pfad zu einer großen, doppelflügeligen Tür! Sie schien aus schwarzem Stein gemacht, wie der Rest des Gebäudes. Doch hatte irgendjemand eine Art Leder dunkelrot eingefärbt und darüber gespannt. Entschlossen stieß Leonis eine Seite auf und wir stürmten mit gezogenen Waffen hinein.

Vor uns offenbarte sich ein großer Raum, der den ganzen Turm einnahm. Auch nach oben schienen keine zusätzlichen Decken eingezogen, bis zum obersten Punkt konnte man blicken. An den Seiten gab es schmale Rampen, auf denen man sich zwischen den Stockwerken bewegen konnte. Doch von diesem Raum gab es keinen Anschluss an sie. So blieb uns nur, das Erdgeschoss näher in Augenschein zu nehmen.
Der Boden wurde von dem Abbild eines Sterns mit einem umschließenden Kreis beherrscht, ähnlich jenem im Tal der Verdammten. Die Zwischenräume der Zacken waren abwechselnd aus Glas und rotem Stein. Zwei blau leuchtende Fackeln spendeten Licht in diesem Turm. Und offenbarten fünf Mutierte, die bei unserem Eintritt zu murren begannen und mit verschiedensten, mittlerweile stark abgenutzten Waffen uns entgegen wankten.

Laut Ischkur brüllend setzten wir ihnen entgegen und ließen unsere Waffen unheilverkündend durch die Luft zischen. Leana versuchte noch einen Zauber auf sich zu wirken, doch irgendwas ging schief, sie stolperte und prallte gegen Leonis. Es knisterte, es leuchtete grün auf und plötzlich hatte sich die Haut des Kriegers in Rinde gewandelt. Er war überrascht, aber ließ sich nicht übermäßig ablenken. Diese Kraft nutzend schien es ihm sogar noch leichter zu fallen, gegen die Angreifer Stand zu halten. Vielleicht sollte sich die Schamanin überlegen, ihm öfter zu helfen…

Ich landete meinen ersten Treffer, während Leonis bereits einen Gegner überwunden hatte und sich wild schreiend dem nächsten zuwandte. Die Schwertschneiden zischten in wilden Wirbeln durch die Luft und wo sie untotes Fleisch trafen, wurde es erbarmungslos zerfetzt.
Dennoch machte sich die Anzahl der Gegner bemerkbar. Immer wieder warfen sie sich einfach gegen mich und nur mit Mühe schaffte ich es, sie mit dem Schild wegzudrücken. Einen ließ ich schließlich darüber abgleiten, drehte mich um und zerschmetterte seine Halswirbel. Während die Augen noch einen Moment unruhig umherzuckten, erschlaffte der Körper.
Leana wurde es unterdessen zu viel. Sie hatte ihrem Gegner nur ein paar kleine Stiche zufügen können, doch die wahnsinnigen Attacken hatten ihr alle Kraft geraubt und sie stürmte aus dem Turm heraus. Nun, Leonis und ich würden es auch ohne die zierliche Dame schaffen.

Dem von ihr geschwächten Mutanten verpasste ich einen Treffer, allerdings hieb mir dafür ein anderer Gegen mein Bein. Die golden leuchtende Beinschiene blitzte auf, hielt aber stand – Ischkurs Segen verließ mich nicht!
So konnte ich ein weiteres Mal zuschlagen und der nächste Mutant blieb regungslos liegen.

Leonis erlitt ebenfalls einige Treffer, doch die Rindenhaut schien ihn gut zu schützen, wenngleich es extrem merkwürdig aussah zwischen den Metallringen. Irgendetwas konnte da nicht stimmen! Vielleicht lag es an diesem Ort, dass die Zauberei nicht abgestoßen worden war…
Soeben trennte er seinem Gegner den Kopf ab und gemeinsam wandten wir uns dem letzten Untoten zu. Ein Mensch wäre wohl bettelnd auf die Knie gefallen, doch dieses Wesen griff einfach weiter an. Es lief in eine Wand aus Stahl, als ihm eine Axt und zwei Schwerter das Fleisch von den Knochen schälte.

Kaum war der Kampf beendet, traten Leana wieder zu uns. Mittlerweile schnaufte ich auch schwer und sehnte mich nach einem Moment Ruhe. Doch wir fanden noch etwas in diesem Raum: eine Art Brunnen war an der uns gegenüberliegenden Wand angebracht. Einige Kerzen sorgten für behagliches Licht an der Stelle. Rote Flüssigkeit schwamm im Becken und erinnerte mich auf unangenhme Art und Weise an Blut…Leonis ließ es sich nicht nehmen und nahm einen kräftigen Schluck. Im nächsten Moment schlossen sich einige Wunden in seinem Gesicht und auch am Rest seines Körpers. „Es schmeckt nicht wie Blut, kommt her!“, rief er.

Leana folgte der Aufforderung und auch ihr schien es besser zu gehen, während mich der blutähnliche Anblick weiterhin abschreckte. Mochte sein, dass dieses Zeug half, doch zu welchem Preis? Dass es der Schamanin nicht gelang, den Brunnen hinsichtlich seiner Ausstrahlung zu untersuchen, machte es nicht gerade besser.

Leonis experimentierte weiter und versuchte etwas von dem roten „Wasser“ abzufüllen, welches jedoch partout nicht in die Flasche fließen wollte. Seufzend ließ er es sein und nahm noch einen kräftigen Schluck. Er verzog das Gesicht, doch sonderlich schlecht schien ihm die scheinbare Überdosis nicht zu bekommen.

Wir verließen den Turm, wo es für uns zunächst kein Weiterkommen gab. Vor dem Eingang meditierten wir noch einmal, um neue Kraft zu mobilisieren. Die schiere Masse an Gegner forderte ihren Tribut. Ich sehnte mich bereits nach langem, ausgiebigem Schlaf, doch noch waren wir in einer fremden Welt gefangen, wo die Sonne seit etlichen Stunden an derselben Stelle am Himmel hing.

Anschließend machten wir uns auf dem Weg zum östlichsten Turm und stießen einen Ruf der Erleichterung aus, als wir erkannten, dass dieser auch einen Eingang besaß. Ich hatte bereits gefürchtet, wir müssten ein Rätsel lösen, damit wir irgendwo eintreten konnten.
Doch ehe wir uns weiter nähern konnten, stürmten uns acht dieser kleinen „Munkuli“ entgegen. Fünf von ihnen hatten dicke Kristalle im Schädel stecken und erhoben bereits die Hände, um Blitze in unsere Richtung zu schleudern. Leana beschwor jedoch bereits eine Feuerkugel herauf und schleuderte sie mitten in den Pulk der Angreifer, wo sie in einer gewaltigen Detonation verging. Eine Handvoll der kleinen Mistviecher zerfielen direkt zu Staub, der Rest hatte sich noch in Sicherheit bringen können. Von Norden erhielten sie bereits Verstärkung, vier weitere Dämunkuli strömten herbei. Es wurde wieder Zeit für blanken Stahl.

Laut Ischkur brüllend rannten Leonis und ich auf die sieben Kreaturen zu. Ohne genau zu zielen hieben wir einfach nach links und rechts, wahlweise traten wir sie von uns, wenn sie hochklettern wollten, oder verpassten ihnen Rückhandschläge, die sie davon schmetterte, dass sie am Boden zerschellten. Binnen weniger Sekunden waren drei von ihnen tot, zwei davon hatte Leonis mit einer Kreiselbewegung zerfetzt, ich einen mit der Axt der Länge nach gespalten. Dann schossen einige Blitze heran, denen ich ausweichen konnte, Leonis jedoch nicht. Nach dem ersten Treffer verzog er das Gesicht, sein Kettenhemd glühte vor Hitze rot auf. Der zweite Blitz war jedoch seltsam eingefärbt, beinahe grün. Als er einschlug, zischte es und Leonis lachte verwundert auf. Das hatte der Homunkulus deutlich vergeigt.

Dann schlugen wir uns weiter durch die Horde kleiner Biester. Einen hieb ich mit dem Schild um und zertrat seinen Schädel, ein anderer verlor nach Leonis‘ Treffer beide Beine. Wir wirbelten noch einmal um uns herum, dann fielen auch die letzten beiden Monster und der Kampf war vorbei.
Nun konnten wir uns endlich dem Turm nähern. Ich sprach ein kurzes Gebet zu Ischkur, damit er uns vor finsteren Mächten schützen werde, dann trat Leonis die Tür ein.

Ein jämmerliches Quieken verriet, dass es einen kleinen Dämunkulus erwischt hatte. Einige seiner Freunde schienen das allerdings nicht halb so amüsant zu finden, wie wir, und attackierten uns gackernd aus dem Raum heraus.

Drei Blitze schlugen Leonis direkt in die Brust, doch er schrie nur vor Wut und stürzte sich wie wahnsinnig auf die Gegner. Er suchte sich dabei einen besonders feisten Homunkulus aus, der beinahe doppelt so breit war, wie seine Artgenossen. Der setzte nur ein breites Grinsen auf und begann sich mit Klauen und Zähnen zu wehren. Es brauchte drei Schläge des Kriegers, ehe diese Missgestalt niedergestreckt war. Währenddessen hatte ich zwei weitere ausgeschaltet, einer davon war durch den Raum gesegelt und hatte eine Truhe getroffen, welche daraufhin zerbrochen war.

Die verbliebenen Gegner hatten sich am Ende des Raums versteckt und beinahe wären Leonis und ich auf den Leichen ausgerutscht, als wir uns näherten. Wobei der chryseiische Krieger aus der Not eine Tugend machte, auf einem der toten Körper rutschte, absprang und in einer schwungvollen Bewegung aus dem Flug heraus beide übrigen Biester zerfetzte.

So genau hatte ich diesmal gar nicht zählen können, aber umherirrende Blitze und dutzende Krallen hatten wieder einiges an Kraft aufgezehrt. Aber es blieb nun endlich ein wenig Zeit, sich in dem Raum umzusehen, dessen Boden nun einen zusätzlichen, roten Farbanstrich bekommen hatte. Neben dem obligatorischen Stern am Boden gab es drei, bzw. nach meinem Treffer nur noch zwei, Kisten. Aber auch diese zerfielen beim Versuch, sie zu öffnen und enthielten vergammelten Unrat. Nach dem enttäuschenden Befund, gab mir Leana mittels ihrer Magie gewaltige Mengen an Kraft zurück, sodass ich mich wieder in der Lage fühlte, Berge zu versetzen und zuversichtlich nach Leonis auf die Rampe trat, welche nach oben führte.

Zunächst erreichten wir eine Zwischenebene, die sich jedoch als leer herausstellte und wir gingen weiter nach oben. Plötzlich stand Leonis vor einer Tür, die er sogleich entschlossen öffnete und wir stürmten in den Raum, die Waffen bereits erhoben.
Es war ganze neun Mutierte, die uns entgegen blickten und mit finsterem Stöhnen die Waffen erhoben. Ein Fluchen entrann meinen Lippen, dann stellten wir uns rasch auf und die Gegnermassen strömten uns entgegen. Dem ersten verpasste ich direkt einen wuchtigen Treffer gegen den Rücken, sodass das Rückgrat bedrohlich knackte. Doch die unheimlichen Mutationen mussten es irgendwie verstärkt haben, ein normaler Mensch hätte nach einem solchen Hieb nicht mehr laufen können!

Leonis gelang es rasch, den ersten Gegner zu überwältigen. Diesmal waren es zwei präzise Schnitte durch die Rippen gewesen, welche alles perforierten, was selbst diese deformierten Körper noch zum Leben brauchten! Leana wollte diesem Beispiel folgen, doch ein Treffer von der Seite ließ sie straucheln. Knapp entging sie einem heransausenden Schwert, federte in die Höhe und stieß blitzschnell zweimal in die Kehle des Angreifers. Damit war der nächste erledigt. Doch sieben waren noch übrig und pressten uns in die Ecke. Leana versuchte tänzelnd ihre kleine Statur auszunutzen und unter den Angriffen wegzutauchen, übersah jedoch ein heransausendes Messer. Pures Glück schien sie vor einem Stich zu bewahren. Doch das hielt nicht lange an, ein mit Metalldornen bespickter Knüppel traf ihren Kopf. Blut spritzte umher, die Schamanin war sichtlich benommen. Bevor wir ihr zur Hilfe eilen konnten, saß bereits der zweite Schlag vor den Brustkorb, der Leana zu Boden sandte.

Ich stieß einen Wutschrei aus und schlug nun meinerseits gegen die Brust des Angreifers. Es gab ein gewaltiges Knirschen, als die Rippen splitterten und sich in die verschiedenen Organe bohrten, teilweise gar aus der Haut traten.

Auch Leonis‘ Zorn war wieder einmal erwacht und beinahe geifernd trennte er einem der Gegner das Bein ab, dass er zu Boden ging. Der Chryseier rückte nach, stellte sich auf die Kreatur und beendete ihr Leiden. Damit war er jedoch in eine tödliche Falle gelaufen. Ein Mutierter schob sich zwischen uns und der Krieger war von vieren der Bastarde umkreist. Kurz nacheinander hieben sie auf ihn ein, ich konnte nur noch sein lautes Fluchen hören, ehe er unter einem Aufschrei zu Boden stürzte.

Ischkurs Namen unablässig gegen diese Ausgeburten hervorspeiend, stellte ich mich mit dem Rücken zur Wand und hieb mit der Streitaxt von links nach rechts, um sie auf Abstand zu halten. Da warfen sie sich gemeinsam gegen mich, versuchte mich unter ihrer schieren Masse zu zerquetschen. Doch ich hielt mein Schild dagegen, meine Muskeln spannten sich an und das Holz ächzte. Schließlich drückte ich mich von der Wand ab und stieß durch den Pulk der Gegner hindurch. In der Vorwärtsbewegung zerschmetterte ich einen Schädel mit der Axt, anschließend drehte ich mich wild im Kreis. Mit einem Tritt beförderte ich den nächsten Bastard zu Boden und zerschmetterte dessen Kehle mit der Schildkante. Dann zog ich mich aus der Mitte der Gegner zurück, suchte wieder die Wand in meinem Rücken. Unerbittlich näherten sich die übrigen drei.

„Ischkur möge euch bannen!“, brüllte ich, während sie mein Schild traktierten. Schlag um Schlag prallte ab, doch meine Bewegungen wurden langsamer und es kostete immer mehr Kraft, die Verteidigung aufrecht zu erhalten. Um so etwas scherten sich die Mutierten nicht und schließlich konnte ich einen mit einem Ausfallschritt nach hinten drängen, setzte nach. Er stürzte mir zu Füßen auf den Boden und erbarmungslos zerfetzte die Axt seinen Schädel. Ich wandte mich den letzten beiden zu, brüllte ein weiteres Mal laut auf und drang auf sie ein. Mein erster Angriff schlug einem Mutierten das Schwert aus der Hand, der nächste trennte diese ab. Noch während die Ausgeburt auf den Stumpf starrte, folgte der finale Treffer und beseitigte es.

Doch der letzte Gegner schien die anderen an Durchtriebenheit noch zu überbieten, geschmeidig entging er meiner Folge blindwütiger Schläge und ein boshaftes Grinsen breitete sich über das faulige Gesicht aus und gab den Blick auf ein nahezu zahnloses Gebiss frei. Ich schnaufte schwer, es war mir als wöge meine Axt so schwer wie eine Kutsche und mein Kettenhemd schien mir einer Lawine gleich, jegliche Luft abzuschnüren. Meine Angriffe wurden immer unpräziser, schwarze Punkte traten mir vor die Augen. Dann ein Stich, Blut rann aus meiner Seite, ein zweiter, diesmal war es die Schulter gewesen. Ich fluchte laut auf, riss mich noch einmal zusammen – meine Gefährten brauchten mich! Doch mein Gegner war verdammt flink. Zwar gelang es mir, seine weiteren Attacken zu blocken, doch im Gegensatz zu mir ermüdete er kaum. Da rief Leonis etwas von einem Angriff von der Seite. Irritierte blickte ich dorthin und schaffte es dann nur in letzter Sekunde den eigentlichen Hieb von rechts abzuwehren. Einen Moment kam ich aus dem Gleichgewicht, doch mein fester Stand hielt mich oben. Dann brüllte Leana: „Das Knie! Das linke Knie!“

Ich blickte dorthin und bemerkte es. Irgendeine Waffe hatte dort bereits einigen Schaden angerichtet… blitzschnell trat ich dem Mutierten gegen das Bein und die Kreatur knickte um, als die Kniescheibe unter einem ekelhaften Schmatzen aus dem Gelenk sprang. Mit einem Hieb, dass der Boden noch eine Kerbe davontrug, trennte ich den Schädel vom Hals.

Erschöpft ließ ich mich niedersinken und schnaufte einige Zeit. Meine Gefährten schafften es, sich mittels einiger Tränke wieder aufzuraffen, während ich etwas von dem Maganbrot verzehrte, das ich Dyptiche erworben hatte. Meine Muskeln entspannten sich und ich spürte, wie das Gefühl in meine taub geschlagenen Finger zurückkehrte. Dann trat noch Leana heran und verband zumindest zu einem Teil meine offenen Wunden.

Ich erhob mich wieder und sah meinen Gefährten ins Gesicht. Die Anstrengungen hatten uns bereits gezeichnet, wir schienen um Jahre gealtert. Sobald wir hier raus waren, wollte ich schlafen – einfach nur noch schlafen.

Wir nahmen die Tür aus dem Raum, welche uns auf eine der Brücken führten, die wir von weitem gesehen hatten. Es war nicht windig und wir würden den schmalen Pfad problemlos überqueren können, doch zunächst nahmen wir uns die nächsthöhere Ebene in diesem Turm vor.

Kaum hatten wir diese betreten, grunzten uns schon vier Mutierte entgegen. Sie umringten einen fünften, welcher wohl einmal ein Oger gewesen sein musste. Mindestens zwei Köpfe größer als die anderen und mit einer riesigen Wampe versehen, die teilweise unter der zerfetzten Rüstung zu sehen war – mittlerweile nur noch eine Ansammlung an fauligem Fleisch. Um den Hals dieses Scheusals hing eine Kette und an dieser war ein Schlüssel befestigt!
Zunächst wandten sich uns jedoch die anderen Untoten zu. Wie immer sprangen sie wahnwitzig an uns heran und glaubten sich unsterblich. Rasch bewiesen Leonis und ich ihnen das Gegenteil. Einige Schnitte blieben nicht aus, doch letzten Endes hatten sie mit ihrem selbstmörderischen Vorgehen keine Chance. Ich setzte einige präzise Hiebe, während Leonis dem Schnitter selbst gleich seine Waffen schwang und die dem Tod so lange Entronnenen endgültig in die Verdammnis schickte. Jeweils zwei fielen durch unsere Hände, dann stürmten wir dem Fettwanst entgegen. Gnadenlos hackten wir nach ihm, doch er bewegte sich ungewöhnlich schnell und legte, im Gegensatz zu den anderen, Wert auf seine Verteidigung. Im Gegenzug schlug er immer wieder mit einer riesigen Axt nach uns, doch wir entgingen seinen Schlägen, tänzelten um ihn herum und setzten immer wieder leichte Treffer, die an seiner Kraft nagten. Seine Bewegungen wurden rasch träger, das Beil erhob sich seltener und die gelben Augen drückten hoffnungslose Wut aus.
Dann setzte Leonis einen mächtigen Kombinationsangriff gegen die Brust an. Der erste Schlag riss das Fleisch herunter und zerschmetterte die Rippen, der nächste zerfetzte Herz und Lunge. Wenngleich es mittlerweile andere Mächte waren, die dieses Wesen am Leben erhielten, reichte die rohe Zerstörungskraft des Angriffes aus, um diese Ausgeburt auszulöschen.

Anerkennend klopfte ich Leonis auf die Schulter. „Seit du angefangen hast, dich mit Ischkur auseinanderzusetzen, bist du ein noch besserer Kämpfer geworden. Deine Wildheit sucht ihresgleichen und dein Können drückt deinen Glauben aus.“
„Ja…“, setzte Leonis an. „Ich spüre einen Halt, wenn ich daran denke, dass Ischkur mit uns ist und wir mit seiner Unterstützung fast alles schaffen können.“
„So ist es. Der Gott des Krieges und der Gerechtigkeit ist gütig zu seinen Dienern und gnadenlos gegenüber seinen Feinden; den Feinden der Menschheit. Gemeinsam werden wir es schaffen, diese Welt zu einem besseren Ort zu machen. Bist du bereit, den Glauben an Ischkur vollends als den deinen anzuerkennen?“
Es dauerte kurz…aber dann sprach Leonis: „Ja. Ich glaube fortan an Ischkur, den obersten der Götter, Herr des Krieges und Bringer der Gerechtigkeit.“
Feierlich legte ich ihm die Hände auf die Schulter: „Willkommen in der Gemeinschaft der Gläubigen, mein Bruder.“

Es folgte ein Moment ergriffenes Schweigen, dann schnalzte Leana mit der Zunge. „Können wir jetzt weiter?“

Wir nickten, doch vorher genehmigten sich die beiden noch einen Schluck aus einem Brunnen an der gegenüberliegenden Seite. Die Ähnlichkeit zu Blut schienen ihnen nichts auszumachen, ganz davon abgesehen, dass wir uns in einer verhexten Welt voller dämonischer Ausgeburten befanden – hier sollte man wahrscheinlich nichts trinken, was einfach so herumsteht.

„Denkt ihr nicht, dass das gefährlich sein könnte?“
Leana konzentrierte sich scheinbar einen Moment, dann meinte sie felsenfest: „Ich habe es überprüft. Dieses Wasser ist absolut harmlos, besitzt jedoch heilende Kräfte. Wir können es uns nicht leisten, auf dieser gefährlichen Insel eine Möglichkeit zu verschwenden, die uns dabei hilft, zu überleben.“

Gegen diese Überlegung konnte ich mich nicht verwehren und probierte schließlich auch das rote Wasser. Als es mir nicht direkt die Zunge herausriss und ich meine Seele scheinbar bei mir behielt, nahm ich einen weiteren, großen Schluck und spürte, wie sich ein wohliges Gefühl in meinem Körper ausbreitete. Nahezu alle meiner Wunden schlossen sich und es waren nur noch Hautrötungen zu erkennen. Es war wohl nicht viel anders als die Heiltränke, die wir beinahe regelmäßig zu uns nahmen.

Dann gingen wir wieder ein Stockwerk tiefer und nahmen die Brücke hinüber in den Hauptturm. Dort erreichten wir jene Rampe, welche sich an der Wand entlangwand und somit die einzige Möglichkeit darstellte, sich in diesem Turm zu bewegen. Wir gingen zunächst nach oben, wo wir schnell ein Gitter fanden, welches uns den Weg versperrte. Um es herum war ein großer, merkwürdig „verwachsener“ Aufbau, der es erheblich erschwerte, genau genommen sogar unmöglich machte, herum zu klettern.

„Wir könnten ein Seil an das Gitter binden und uns herum schwingen!“
Ich gab schon meine Zustimmung für dieses Unterfangen, da entdeckten wir ein kleines Schlüsselloch am Gitter und Leana zückte den soeben erbeuteten Schlüssel. Zuversichtlich schob sie ihn ein, doch ein Klicken blieb uns verwehrt.
„Ist wohl nicht der richtige. Wir sollten runtergehen und dort nachsehen.“

Missmutig nickte ich und wir gingen die Rampe nach unten, bis sie endete und wir eine Tür erreichten, die auf eine weitere Brücke, diesmal zu einem anderen Turm, führte. Als wir in diesen eintraten, kamen aus allen Ecken Feinde gekrochen. Insgesamt fünf der Mutierten bauten sich vor uns auf, drei davon mit den Umhängen – ihre eisige Kälte war bereits deutlich zu spüren.
Leonis und ich brüllten den Namen Ischkurs und stürzten uns auf sie, Leana beschränkte sich auf wölfisches Jaulen, als sie uns nachsetzte und ebenfalls einen ersten Treffer landete.

Doch diesmal kreisten uns unsere Feinde rasch ein, konnten ihre Überzahl ausspielen. Wir stellten uns Rücken an Rücken, doch das verhinderte nicht die Unzahl an Angriffen, die auf uns einprasselten. Das Schlimmste waren die Berührungen der Mantelträger – trotz Schild und Rüstung, spürte ich jedes Mal ein fürchterliches Brennen auf der Haut, als sich die Kälte in meinen Leib fraß. Die Situation wurde schnell kritisch, unsere Angriffe wurden fahrig und unkoordiniert, es schien beinahe, als hätten wir alles vergessen, was wir gelernt hatten. Nur mühselig rangen wir ihnen Kraft ab, wobei mich das Gefühl beschlich, dass wir eher zusammenbrechen würden, als sie.
Aber dann gelang es uns, herauszubrechen. Leonis sandte den ersten Mantelträger zu Boden, dessen abgeknickter Kopf deutlich verriet, er würde nicht mehr aufstehen. Dann verpasste ich einem anderen einen Schildschlag, dass das Knirschen der Handknochen durch den Turm hallte und hieb den anderem mit einem Hieb vors Knie zu Boden. Sogleich setzte ich nach und trennte den Schädel ab – einer weniger, doch hatte ich nicht mehr auf die übrigen drei geachtet. Zwei Angriffe trafen mich von der Seite und warfen mich zu Boden.

Leonis sprang herbei und ließ die Schwerter in altbekannter Entschlossenheit herumwirbeln. Es gelangen ihm zwei schnelle, verheerende Stöße und die beiden fielen. Leana sprang den letzten an und warf ihn um. Auf seiner Brust kniend, stach sie mehrfach in seinen Hals und weidete die Kehle förmlich aus.

Ich rappelte mich wieder auf. Schnaufend blickte ich die anderen an, in deren Augen sich mein Empfinden widerspiegelte – Gegnerschar um Gegnerschar, wann hatte das endlich ein Ende? Leana heilte einige meiner Wunden, davon getragen nur von den geisterhaften Berührungen der Mantelträger. Wenn nicht einmal eine von Ischkur gesegnete Rüstung gegen sie half, von welcher finsteren Macht mussten sie beseelt sein? Mein Verlangen, diesen Ort zu vernichten, wuchs mit jeder Sekunde weiter ins Unermessliche und gab mir Antrieb, entgegen meiner wachsenden Erschöpfung weiter zu machen. Es war meine Aufgabe, hier zu sein und ich würde sie erfüllen, koste es, was es wolle!

Wir nahmen die Rampe nach unten, also erreichten wir wieder das Erdgeschoss. Auch hier war das Sternmuster auf den Boden gemalt und es fanden sich einige Kisten; der Inhalt jedoch so enttäuschend wie bisher. Vielleicht war der Rest von Dreck und Schimmel einmal etwas Essbares gewesen, aber das musste sehr lange her sein. Unter der Rampe, die wir heruntergekommen waren, lag ein menschliches Skelett. Leonis und Leana wandten sich dorthin und begannen es zu untersuchen. Bevor ich mir einen weiteren Vortrag über die seltene Tiberius-Knochenmarkskrankheit anhören musste, beschloss ich, ein weiteres Mal zu meditieren und somit meine Kräfte zu regenerieren.

Als ich meine Augen wieder aufschlug und mich aus meinem Lotussitz erhob, glaubte ich zunächst nicht, was ich da sah: über dem Skelett schwebte die durchscheinende Gestalt eines alten Mannes, gekleidet in eine feine Robe, die rechte Hand hielt einen Stab umklammert. Ein langer Rauschebart hing ihm auf die Brust und er versuchte sich mit den anderen beiden zu unterhalten. Zunehmende Verzweiflung und Verwirrung machte sich auf allen Gesichtern breit.
„Was ist geschehen?“, fragte ich und trat heran.
„Wir haben das Skelett untersucht und dann erschien dieser Mann… er spricht leider nur Maralinga, eine uralte Form der Vallinga. Ich habe keine Ahnung, was er sagt“, meinte Leonis.

Doch plötzlich schien er eine Erleuchtung zu haben und bewarf den Geist mit einem Stück Dörrfleisch. Entgeistert blickten wir den chryseiischen Krieger an, während das Essen auf das Skelett plumpste und der alte Mann verstört aufblickte.
Leana startete ebenfalls noch einmal einen Versuch, zu identifizieren, was der Geist sagte. „Hm…dein? Ja? Dein großer? Hm…warte…“, fragend sah sie die Gestalt an, die nicht die geringste Ahnung zu haben schien, was die Schamanin gerade von sich gab. „Verdammt, was ist denn mit deinem großen Turm?“, rief sie nun empört. Ein leichtes Prusten unsererseits blieb da leider nicht erspart…

Schließlich meinte der Mann noch einmal: „Nos destros magi toskolos!“ Dann schwebte er die Planke nach oben, wandte sich um und winkte uns auffordernd zu. Wir folgten, wobei wir über diese Worte nachdachten. Sollten wir etwas zerstören? Oder eben nicht?

Wir folgten dem Geist, der einst wohl ein Magier gewesen sein musste, bis ins oberste Stockwerk dieses Turms. Dort befand sich neben einem der „Rotwasserbrunnen“, wie sollte es auch anders sein in diesem versuchten Land, eine Gruppe von fünf Mutiertenin Umhängen.
Kommentarlos sprang Leonis hervor und hieb dem ersten sein Schwert durchs Schlüsselbein, bis es im Sonnengeflecht stecken blieb. Der Untote sank nieder, doch mit ihm entglitt dem Krieger eine seiner Waffen – er musste vorerst mit der verbliebenen Vorlieb nehmen.

Leana und ich folgten unserem Waffengefährten auf den Fuß. Die Schamanin deckte die Seite des chryseiischen Kriegers und hielt sich erstaunlich wacker, war sie doch eher eine Meisterin der Magie.

Doch allzu genau konnte ich ihren Kampf gar nicht beobachten, die beiden Mutierten, die sich mit mir duellierten, nahmen meine komplette Aufmerksamkeit in Beschlag. Diese schienen ihnen über den anderen verborgenes Wissen zu verfügen, tänzelten meinen Schritten aus, machten Finten und ließen mich immer wieder Kraft mit gewaltigen Ausfällen verschwenden. Dazu kam ihre eisige Nähe, die sie nur durch leichte Berührungen zu unterstreichen brauchten, um mir Lebenskraft abzusaugen. Plötzlich erfüllte ein Knistern den Raum und wir alle blickten zu Leanas Dolch, welchen sie soeben ungeschickt am Gegner vorbei gegen die Wand geschmettert hatte. Kurz schien es, als würde er in alle Teile zerspringen, aber auf seltsame Weise formte er sich unter einem Zischen und Leuchten wieder und die Klinge blieb ganz.

Rasch nutzte ich die Ablenkung meiner Gegner, schmetterte den einen zur Seite und trennte den anderem den Kopf ab. Der andere erhob sich noch, da platzte sein Magen – angeleitet durch eine Axtklinge – auf und gab den Inhalt preis.
Ich wollte mich gerade den anderen zuwenden, doch Leonis schien die Verwirrung der Gegner ebenso genutzt zu haben und tupfte die Fleischreste bereits von der Klinge…und holte sich das Schwert aus der Brust seines ersten Opfers zurück.

Der Geist schwebte nun voran zu einer Kiste und deutete auf sie. Leonis trat heran und versuchte sie zu öffnen, da zerfiel sie unter seinen Fingern zu Asche. Aber unter dem ganzen Schutt blitzte etwas im Licht auf und zielsicher griff der Krieger danach: ein weiterer Schlüssel! Damit würden wir im Hauptturm fortschreiten können, doch zunächst genehmigten Leana und ich uns noch jeweils einen Schluck aus dem Brunnen. Die gewünschte Wirkung blieb bei mir deutlich verhalten, sodass ich einen weiteren nahm. Diesmal war der Geschmack auf meiner Zunge weitaus bitterer, eine Gänsehaut zog sich über meinen Körper und ich schüttelte mich vor Unbehagen. Eine Überdosis dieser Substanz war wohl eindeutig nicht gut!
Leana bemerkte, dass ich weiterhin ungewohnt blass war, was selbst angesichts meiner dunklen Hautfarbe auffiel, und versorgte mich mit einigen weiteren Heilzaubern. Dann meinte sie stirnrunzelnd: „Ich habe alles hervorgeholt, was du noch an Kräften in dir gehabt hast. Alles Weitere übersteigt meine Kräfte, es dauert einige Zeit, bis sich deine inneren Vorräte wieder gefüllt haben – sei also vorsichtig!“

Ich fühlte mich so, wie sie es beschrieb: ausgelaugt. Doch das hinderte mich nicht daran weiterzumachen, wir würden diesen verfluchten Ort wieder verlassen!
So kehrten wir zurück zum Hauptturm zurück und schlossen das Gatter auf. Allerdings versperrte uns bald ein weiteres Hindernis den Weg: die Rampe war am Ende nach oben weggeklappt, sodass wir das Dach nicht würden erreichen können. Hier fand sich scheinbar kein Mechanismus, doch es gab eine weitere Tür: der letzte Turm.

Ich verteilte noch einmal einen göttlichen Segen an meine Gefährten und wir marschierten über die Brücke. Leana ließ provisorisch eine Feuerkugel in den Raum schweben und wir sprangen hinein, kaum, dass sie detoniert war.
Es hatte keine Gegner gegeben, lediglich ein Hebel und eine Rampe, die nach unten führte. Uns erschien es einleuchtend, dass man mit der Vorrichtung wohl den Weg zum Dach frei machen konnte, allerdings wussten wir nicht, ob wir den Weg nach unten wagen sollten – jeder Kampf, der noch kam, war ein Wagnis. Da deutete der Geist auf mich und murmelte etwas von „Mover Ma…“, den Rest verstand ich nicht einmal ansatzweise. Sollte ich nach unten, da es dort Heilmittel gab? Oder eben nicht? Ich deutete auf mich und nach unten, aber der Geist reagierte nicht eindeutig. Stirnrunzelnd regte ich an, es einfach zu erkunden; ohne Heilung würde ich den entscheidenden Kampf nicht lange überstehen.

Auf den Zwischenebenen gab es nichts, aber ganz unten erspähten wir beim vorsichtigen Auskundschaften vier Mutierte, welche auf einem dieser Pentagramme standen. Zwei von ihnen trugen Umhänge.
Leana jagte eine Feuerkugel in die Traube der lethargischen Untoten, welche sie bereits schwächte, obgleich die Explosion etwas zu wünschen übrig ließ. Die vier kamen uns nun entgegen und Leonis nutzte die Engstelle aus, um ihnen alleine entgegen zu treten. Den Höhenunterschied nutzte er und setzte die meisten seiner Angriffe auf die Köpfe an, welche bei einem Treffer direkt zersprangen wie überreife Früchte. Die Feuerkugel, das hirnlose Attackieren, die Engstelle – all das spielte dem chryseiischen Krieger in die Hände und er metzelte sich durch die vier Gegner, die ihm teilweise geradezu in die Waffen zu laufen schienen. Einige Treffer steckte er selbst ein, doch blieb er glücklicherweise von den meisten der geisterhaften Berührungen der Mantelträger verschont.

Im Erdgeschoss entdeckten wir nach diesem Blut- und Flammenbad zwei Kisten, welche bei unserem Öffnen nicht auseinanderfielen: ihr Inhalt waren zehn Fläschchen vertrauten Inhalts. Ich trank direkt einen mit rötlicher Flüssigkeit und ein tiefes Wonnegefühl breitete sich in mir aus.
Währenddessen entdeckte Leana noch eine vertrocknete Wurzel. „Das dürfte Schnellkraut sein. Ich bin mal gespannt, ob das noch wirkt.“ Vorerst steckte sie die Pflanze jedoch ein, die Metallrüstungen von Leonis und mir verhinderte ohnehin eine derart beschleunigte Bewegung.
Der Krieger ging unterdessen zu einem der Rotwasserbrunnen und genehmigte sich einen Schluck. Tiefe Röte stieg ihm ins Gesicht, das Zeug musste alle Lebensgeister in ihm geweckt haben.

Nun waren wir bereit – wir liefen den Turm hoch, betätigten den Hebel und überquerten die Brücke. Dann begann das tiefe Luftholen vor dem Sprung… Leana beschwor die Kräfte ihrer Naturgeister, Leonis ging noch einmal in sich und ich betete intensiv zu Ischkur und spürte, wie seine göttliche Macht durch meine Muskeln floss. Dann betraten wir das Dach des Hauptturmes.

Es war eine ebene Fläche, auf den Boden war ein weiterer, der wohl bisher größte, Stern gezeichnet. In seiner Mitte stand ein Monolith, ganz ähnlich demjenigen aus dem Tal der Verdammten, nur das er ab dem „Loch“ abgebrochen war, sodass dieses nach oben offen war, einer Schale gleich.
Um dieses Ding standen sechs Mutierte herum, zum Teil in Umhängen, zum Teil nicht. Allesamt wirkten sie größer und bulliger, ihre Rüstungen sahen nicht aus wie Schrott und soweit sie Waffen trugen, blitzten die Klingen gefährlich im Licht der untergehenden Sonne auf. Die Mutationen schienen bei ihnen noch verheerender gewesen zu sein – oder erfolgreicher. Ein Umhang war scharlachrot eingefärbt und mit Goldfäden durchwoben. Der Träger überragte die anderen um einen ganzen Kopf und hatte seine Kapuze zurückgeworfen, sodass man ein uraltes Gesicht erblickte, verdorrt und tot. Lediglich pechschwarze Augen gaben ihm den Anschein von bösem „Leben“. Zwar konnte man ihre Bewegungen nicht erahnen, doch wir fühlten seinen Blick auf uns, er schien sich bis in unsere Seele zu bohren. Später sollten wir erfahren, dass dies der Magister Toskolos war – Erschaffer dieses Reichs und einer der finstersten Magier, die jemals auf Midgard gewandelt sind.

Um dieses Grüppchen am Rande des Abgrunds liefen einige der Homunkuli herum, die sich uns nun auch zuwandten und ihre Hände mit den hässlichen Stummelfingern bereits erhoben.

Dann begann der letzte Tanze: Leana beschwor eine Feuerkugel herauf und ließ sie in die Reihen der Gegner gleiten, wo sie unter ohrenbetäubenden Krachen explodierte. Währenddessen deutete der Geist auf den Monolithen und rief: „Manga nos Toskolos take momaga!“

Was auch immer er wollte, wir hatten keine Zeit uns damit zu beschäftigen. Die ersten Blitze prasselten auf uns ein und ich riss mein Schild empor, um sie aufzufangen. Doch sie schienen es vorerst nur auf Leonis und Leana abgesehen zu haben. Rasch war dieser erste Angriff vorüber und wir liefen hinein ins Getümmel. Die meisten Mutierten hatten sich bereits wieder erhoben, sie schienen von den Flammen deutlich weniger Schaden erlitten zu haben, als wir uns erhofften.

Unsere ersten Angriffe saßen, Leonis trieb seinem Gegner sogar die Rippen in Splittern aus dem Rücken heraus, doch der machte mit einem lauten Brüllen ungerührt weiter. Auch Leana stürzte sich mit in den vordersten Kampf und sprang wild umher, wie ein Wolf stets darauf bedacht, die Kehlen zu zerfetzen. Die Rindenhaut gab ihr etwas Unwirkliches, was uns wiederum alle auszeichnete. Leonis machte Schritt um Schritt, drehte sich umher und wirbelte mit seinen Klingen in jede Richtung, während ich blockte, schlug und meine Rüstung alles hielt, was da kommen mochte. Wo meine Schläge landeten, waren sie verheerend, denn Ischkur beseelte mich. Doch es dauerte auch nicht lange, bis mich die wenigen Kräfte, die ich noch hatte, Stück für Stück verließen.

Leana verlegte sich darauf, die Homunkuli zu jagen, welche uns unablässig mit Blitzen bombardierten. Wich man ihnen aus, so waren sie kein Problem, doch den Überblick in diesem Chaos zu behalten, war nahezu unmöglich. Dazu kam, dass sie es immer wieder schafften durch die Beine der Mutierten hindurch zu feuern, was uns immer wieder unangenehm überraschte. Toskolos hielt sich zum Glück erst einmal im Hintergrund, wenngleich die Formeln, die er murmelte, nicht zur Beruhigung beitrugen.

Dann gelangen uns die erste Erfolge! Leana zerstach einem der kleinen Mistviecher den Hals, während sie ein anders schlicht vom Turm heruntertrat. Leonis landete einen weiteren Treffer im Brustkorb seines Gegners und was noch an Knochen nach dem ersten Angriff übrig geblieben war, wurde nun endgültig zu Matsch. Ich landete endlich einen zweiten Treffer und trennte dabei beinahe den Oberkörper von seinen beiden Beinen. Kreischend ging auch dieser Mutierte zu Boden. Ich nahm hastig einen Trank, in der Hoffnung, er würde mir neue Kraft schenken. Doch in dem Moment rempelte mich einer der Untoten an und ich verschüttete den Großteil der kostbaren Flüssigkeit. Wütend attackierte ich erneut, immerhin war Ischkurs Kraft noch bei mir und ließ mich trotz der eintretenden Schwäche weitermachen.

Da sah ich, wie Leana gerade auf einen Mutierten sprang, dass es ihn zu Boden warf. Die kleine Schamanin kniete sich auf seinen Brustkorb und erhob den Dolch zum Schlag… plötzlich trafen sie zwei Blitze von der Seite und warfen sie von ihm herunter. Gefährlich nahe stand sie dem Abgrund, da raste ein weiterer Blitz heran – und verfehlte sie nur um Haaresbreite. Womöglich hätte sie dieser Treffer vom Turm gefegt! Doch sie hatte Glück gehabt und stach einem nahen Homunkulus den Dolch einmal durch die Kehle, dass er tot zusammenbrach. Das Biest in ihr schien endgültig geweckt.

Angespornt von diesen Leistungen, ging ich wieder voll in die Offensive, ließ absichtlich mein Schild hängen, riskierte einige Treffer, die jedoch zum Großteil in der Rüstung hängen bleiben würden, da war ich mir sicher. Meine Rechnung ging auf, einer hob die Axt zum Schlag und ich hämmerte ihm mit aller Gewalt meine Klinge in die Achse, dass es das Gelenk zerfetzte und der Arm davon trudelte. Grunzend starrte der Mutierte mich an, dann segelte sein Kopf dem Arm hinterher.

Leonis bekämpfte die letzten beiden Mutierten, die beide riesige Zweihänder führten und wie die Berserker umherschwangen. Meistens konnte er ihren Schlägen ausweichen, doch plötzlich gelang es den beiden einen gegenläufiger Angriff, der drohte, den Krieger von beiden Seiten zu zerschneiden. Gerade rechtzeitig ließ er sich zu Boden fallen. Einer der Bihänder schmetterte knapp neben seinem Kopf auf den Boden und hinterließ eine Delle im Turm, Steinsplitter flogen umher. Wenn das traf… da würde sich jede Rüstung in Luft auflösen und das Fleisch dahinter gleich mit.

Doch Leonis wurde nicht getroffen und mit seinen Schwertern zertrennte er vom Boden aus die Achillessehnen der Untoten, dass sie zu Boden fielen. Der Chryseier sprang auf, wirbelte herum und bohrte seine Klingen in die Kehlen der zappelnden Mutierten.

Noch zwei Homunkuli blieben sowie Toskolos, der seine Zauber nun beendet hatte und ein riesiges Schlachtbeil fest umklammerte. Ich trat ihm entgegen und lenkte seinen Zorn zunächst auf mich und die Chance nutzten meine Freunde, um schnell mit den kleinen Drecksviechern abzurechnen.

Der Magister schien zwar ein Meister der Zauberei zu sein, doch seine Hiebe waren gewaltig und erschütterten mein Schild, sodass es beinahe zerbrach. Aber meine Freunde ließen nicht lange auf sich warten und wir kreisten den Urheber des ganzen Unheils ein. Gnadenlos wandte sich dieser nun Leana zu, wohl in dem Glauben, sie schnell beseitigen zu können. Doch Leonis sprang in den Angriff und versuchte mit einem Schwert zu parieren. Tatsächlich glitt die Axt ab und verfehlte Leana, doch es gab ein Knirschen und Knistern, dann zerbrach das silberne Langschwert des Chryseiers. Er fluchte laut, packte das übrige Schwert mit beiden Händen und schlug es dem Magister in die Seite. Damit war der erste Treffer gesetzt und Leonis ließ die Waffe einfach stecken und zückte seinen Morgenstern und ein Schild, um sich gegen die mächtigen Schläge des Toskolos zur Wehr setzen zu können.

Dieser war nun in Rage und hieb wild um sich, brüllte dabei wild auf Maralinga und murmelte ab und an weiterer Zauberformeln. Der Himmel über unseren Köpfen verdunkelte sich, Wolken zogen auf und Blitze zuckten durch sie hindurch – der Zorn des Magisters stieg und stieg.

Dann gelang mir endlich ebenfalls ein Treffer und ich schnitt dem Mann tief ins Bein. Der Blick war freigegeben bis auf den angerissenen Knochen und jeder Mensch wäre zu Boden gegangen. Doch Toskolos humpelte lediglich und mit einem Rundumschlag schleuderte er uns alle zugleich von sich. Um uns herum schlugen Blitze ein, den lachenden Magister ignorierend und von finsteren Mächten geleitet. Doch Ischkur schien seine schützende Hand über uns zu halten, wir sprangen auf und kreisten den Magister erneut ein. Regen peitschte uns ins Gesicht, Wind holte uns beinahe von den Füßen. Doch Toskolos stand da wie ein Berg und hieb unablässig mit seinem Schlachtbeil um sich.

Leana sprang plötzlich vor ihn und rutschte scheinbar aus. Gierig ihr Leben zu beenden, schlug der Magister zu. Doch darauf hatte Leonis nur gewartet; der Morgenstern traf die Unterseite des rechten Unterarmes. Der Ruck riss ihn gegen das Gelenk, welches knirschend zerbrach. Schreiend blickte Toskolos auf das verbogene Körperteil, da nutzte ich die Gunst der Stunde und hieb meine Axt seitlich in seinen Schädel, dass die schwärzlich verfärbte Hirnmasse in alle Richtungen davonspritzte. Der Magister war tot!

Wir stießen laute Jubelschreie aus, doch der Sturm um uns tobte immer lauter, riesige Wellen peitschten gegen die Küste und Blitze schlugen um uns ein. Die Zeit dieser Insel war abgelaufen. Der Geist tauchte wieder auf und eilte zu dem Monolith, welchen er berührte und mit lauter Stimme eine Zauberformel rief. Ein gewaltiges Licht schoss von dem Stein in den Himmel, zerteilte die Wolken. Dann breitete es sich in alle andere Richtungen aus, nahm uns jegliche Sicht. Im nächsten Moment schien es uns als würden wir fallen…

Als ich die Augen aufschlug, blickte ich der aufgehenden Sonne entgegen. Neben mir lagen Leonis und Leana, ebenfalls gerade wieder zu sich gekommen. Wir befanden uns zu Füßen des Monoliths – im Tal der Verdammten; in Midgard. Ich lachte auf vor Erleichterung, zuerst zaghaft, dann aus Herz und Seele, dass mir die strapazierten Muskeln direkt wieder schmerzten. Die anderen vielen mit ein. Wir hatten es geschafft!

Erst nach einer Weile bemerkten wir, dass der Geist auch bei uns war und uns seltsam anblickte. Eine Mischung aus Rührung und Freude stand in seinem Gesicht. Seine Finger wiesen auf den Monolith, neben dem die magischen Waffen lagen und in dem Loch ein kleiner, gelber Stein schwebte. Leana packte ihn und zog ihn heraus. Konzentriert betrachtete sie ihn und merkte an: „Das hier ist wohl ein göttliches Element zur Verstärkung von Schutzzaubern.“

Ergänzend zeigte der Geist auf sich. Wir verstanden immer noch nicht, was er redete, da schwebte er los und müde trotteten wir hinterher. Er führte uns in den Kräutergarten und wies auf einige blaue Früchte. Leana und ich folgten seiner eindeutigen Bitte und aßen jeweils eine der kleinen Beeren, während Leonis zunächst skeptisch blieb. Als der Geist nun sprach, war es, als würden meine Ohren frei geblasen werden: ich verstand ihn!

„Meine Freunde, ich bin euch so unendlich dankbar! Ihr habt den Fluch gebrochen und Magister Toskolos getötet. Ich bin Magnus Teros, ein Magier der fünf Himmel. Sagt mir, welche Zeit haben wir?“

Es war zunächst schwierig, ihm überhaupt klar zu machen, welche Zeitrechnung wir benutzten… dann schien es Magnus langsam zu dämmern: „Es müssen wohl etwas 50.000 Jahre vergangen sein, seit…dem Missgeschick.“

Bei der Wortwahl klappten uns die Kiefer herunter; mittlerweile hatte Leonis auch eine blaue Beere genommen. Bevor wir weiteres klärten, suchten wir uns eine der Höhlen, rollten unsere Decken aus und dann hörten wir der Geschichte des uralten Zauberers aus einem längst vergangenen Zeitalter zu.

„Wir waren einst ein angesehener Orden im Tal der Lehre. Anstatt, dass sich hier Magier, Priester und Druiden wie überall anfeindeten, arbeiteten wir hier zusammen und bildeten hier die besten Novizen Vesternesses aus. Toskolos führte uns an, er war der Oberste im Rat der Fünf, der unseren Orden leitete. Ich war einer von ihnen und für die druidischen Bereiche zuständig. Doch eines Tages kam Toskolos an ein seltsames Relikt, welches seine ohnehin überragende Macht weiter steigerte. Es gelang ihm, diese Insel zu erschaffen, wo die Zeit stillstand und er tun und lassen konnte, was er wollte. Schreckliche Experimente führte er dort durch. Anfangs hatte er wenigstens noch edle Absichten, wenngleich sie niemals rechtfertigen konnten, was er tat. Doch mit den Jahren wurde er wahnsinnig. Schließlich ging es ihm nur noch darum, eine schlagkräftige Armee aufzustellen, um Midgard zu erobern. Da beschloss ich zusammen mit zwei anderen aus dem Rat, dass es unausweichlich wurde Toskolos aufzuhalten – und wir verbannten ihn in sein Reich auf der Insel ohne Zeit. Um ihn fest zu setzen, musste ich dort bleiben. Nur so blieb das Portal geschlossen und der Magister dort, wo er Niemanden schaden konnte, der nicht ohnehin schon tot war. Bis ihr kamt…und ihn endgültig besiegt habt, was uns damals nicht gelang.“

Hätte Magnus weinen können, so hätte er dies nun wohl vor Rührung getan. All die Jahre…verbracht, in der Hoffnung, dass jemand kam und es zu Ende brachte.
„Sagt mir, was ist aus meinem Orden hier geschehen?“
Leana und ich blickten uns zögerlich an, doch wir entschieden uns für die blanke Wahrheit. „Mittlerweile kennt man diesen Ort nur noch als ‚Tal der Verdammten‘. Euer Orden existiert nicht mehr“, fasste die Schamanin es zusammen.

Magnus nickte bedächtig. „Dann haben zumindest die Bannzauber funktioniert… diesen Stein, den du aufgehoben hast. Er stellt die Verbindung von mir zu dieser Welt dar. Ich würde euch bitten, ihn einer Magiergilde dieser Zeit zu überantworten, auf dass ich mein Wissen zur Verfügung stellen kann.“

Dem stimmten wir zu, doch kam die Frage auf, wohin wir wollten.
„Erik will uns bezahlen und damit wäre ja die Magiergilde in Dyptiche die nächste…“
„Die Magergilde in Dyptiche?“, das löste allgemeines Prusten aus. „Wir können Magnus nicht zumuten, sich mit diesen Schwachköpfen herumzuschlagen.“
Plötzlich meinte Leana zu mir: „Ministry! Die dortigen Magier sind wohl die fähigsten, die wir jemals gesehen haben!“
Ich nickte und gerade wollten wir es Magnus vorschlagen, da meinte er: „Also…diese Orte sagen mir nichts. Aber ich möchte nicht über das Meer. Das könnte zu Störungen führen und außerdem ist dies hier meine Heimat, egal wie lange es her ist, dass ich zuletzt hier war.“

„Dann also doch nach Dyptiche“, meinten wir, ein wenig resigniert. Zumindest war das am einfachsten.

Aber vorher schliefen wir uns erst einmal einen ganzen Tag und eine ganze Nacht lang aus. Langsam aber sicher kamen die Kräfte wieder zu uns zurück und wir machten uns an den Abstieg. Die Pferde wirkten etwas ausgehungert, hatten aber überlebt und waren noch in der Lage, uns zurück in die Zivilisation zu bringen.
Die zehn Tage nach Dyptiche vergingen ereignislos, wo wir zielstrebig Erik aufsuchten. Dessen Augen glänzen förmlich, als wir eintraten und unversehens fragte er nach den Reichtümern, die wir im Tal der Verdammten gefunden hatten.

Zunächst erzählten wir alles, was wir erlebt hatten, bis wir schließlich bei Magnus ankamen, der pflichtbewusst hinter uns erschien und mächtig Eindruck auf den Aeglirer machte. Doch er verwies uns dahingehend an Alezzia in Argyre, für sie waren die druidischen Kenntnisse deutlich interessanter als für die Magier und Thaumaturgen, die damit nichts am Hut hatten. Dann wollte er jedem von uns eintausend Goldstücke überreichen. Deutlich ungehalten machten wir ihn darauf aufmerksam, dass es zweitausend pro Person waren und Erik wurde zu seinem Glück vernünftig.

Anschließend machten wir uns auf den Weg zum Badehaus, wo wir uns erfrischten. Leonis schien einen kurzen Ausflug zu Leana in die Umkleide zu wagen, rutschte jedoch auf dem Boden aus und fiel auf seinen Hintern. Anschließend ersparte er sich seine Avancen und beschränkte sich auf Körperpflege der einfachen Art.

Nach einer Nacht in Garness‘ Stolz traten wir die Reise nach Argyre an. Fünf Tage lang reisten wir bequem auf einer großen, gepflasterten Handelsstraße. Dann erreichten wir die Stadt, welche direkt bewies, warum der Weg zu ihr dermaßen ausgebaut war. Sie war riesige, etliche tausende Menschen mussten hier leben und entlang der Hauptstraße ragte Marmorbau um Marmorbau auf. Die Magiergilde stach mit diversen aufragenden Türmen hervor. Schnell war sie erreicht und man führte uns freundlich ins Büro der Erzmagierin.

Sie begrüßte uns freundlich und beobachtete fasziniert, wie sich Leanas Haare rötlich färbten. Doch dann wandte sie sich mir zu, als ich die Handlungsführung übernahm und meinen Charme spielen ließ. An dem Artefakt war sie extrem interessiert und als Magnus dann erschien, war sie bereits überzeugt. Sie fragte uns jedoch, wie sie mit ihm in Kontakt treten sollte. Leana wies sie freundlich darauf hin, dass es einen Zauber gab, den sie als Erzmagierin doch bestimmt beherrschte… Alezzia nickte und hieß uns noch einen Tag zu warten, bis sie erste Gespräche geführt und das Artefakt untersucht hatte. Ich gab zusätzlich noch meine Axt ab und gönnte mir einen Tag der Entspannung und Ruhe. Leonis war skeptisch und behielt sein Schwert bei sich. Er hatte wohl Angst, es nicht wieder zu sehen.

Wir genossen den Frieden in Argyre, die Strapazen der letzten Tage hatten uns gezeichnet und wir verspürten noch immer eine tiefe Müdigkeit. Am nächsten Morgen besprachen wir uns erneut mit Alezzia und nach einer zähen Verhandlung übergab sie jedem jeweils tausend Goldstücke und „klärte den Rest mit Erik“, der eigentlich die Hälfte vom „Schatz“ haben wollte.

Nun waren wir reich genug, um uns das Leben in Argyre für einige Monate leisten zu können und Lehrmeister zu bezahlen. Leana hatte das Glück, dass ihr Magnus einige Dinge beibringen konnte, was ihr das Lernen enorm erleichterte. Da stand wohl jemand in der besonderen Gunst einer ganz hohen Macht!

Der Frühling ging ins Land und wir vertieften unser Wissen über den Kampf, die Magie und den Glauben. Da erreichte uns ein Bote:
„An die Sieger des Fünfkampfes von Uchano: Leana, Abedi und Davin. Ein Jahr ist der Wettbewerb bald her. Erneut werden die Abenteurer aus aller Welt heranströmen, um herauszufinden, wer den Disziplinen gewachsen ist. Neue Herausforderungen warten und es wäre eine große Ehre für Uchano, wenn die Champions wiederkehren würden, die mittlerweile auch als Helden von Kalimar bekannt sind, um ihren Titel zu verteidigen. Doch seid gewarnt, dieses Jahr werden euch bessere Herausforderer erwarten und neue Disziplinen euer Können prüfen.“

Leana und ich nickten uns entschlossen zu, dass wir diese Aufgabe annehmen würden. Doch gleichzeitig dachte ich in diesen Moment an Davin, den merkwürdigen Kauz aus Aran. Mit ihm hatten wir gesiegt, doch die Bestie von Kalimar hatte ihn getötet. Unsere Gedanken würden mit ihm sein, wenn wir den Titel verteidigten!

Auf nach Uchano!