Der Seemeister

Wir stehen am Rande einer Felsklippe. Unter uns brandete das Meer wild an und schien uns den Boden unter Füßen entreißen zu wollen. Noch ehe wir uns wundern konnten, durchdrang lautes Kreischen die Luft und von unterhalb des Abhangs schossen drei Harpyien hervor und stürzten sich auf uns – verzerrte Mischungen aus dem Körper einer Frau und eines Vogels, die Gesichter vor Hass verzerrt und messerartige Klauen nach uns gereckt.        
Mara, Suena und Artos stürzten sich mit Dolchen und Speer in den Kampf, Zedd machte einige Schritt zurück und begann, ein Gebet zu sprechen. Meinen Dolch ließ ich am Gürtel stecken, das war nicht meine Waffe. Hastig sah ich mich um. Wir waren an einer Steilklippe, die kaum bewachsen war – doch ich fand einen Ast, den ich als provisorische Keule nutzen konnte.

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Jenseits des Wassers

Der Isada brauste unter uns hinweg, wurde von einem weiteren Fluss verstärkt, der vor uns in den Strom mündete. Der Gesang lag jedoch kristallklar über dem Rauschen und wir folgten den Stimmen, den unbekannten Fluss hinauf. Er verjüngte sich immer weiter, bis wir an einen kleinen See unterhalb eines schmalen Wasserfalls gelangten. Seerosen darüber, vereinzelte Felsen glitzerten im etwas mehr als kniehohen Wasser. In der Mitte des Sees lag der größte Felsen – groß genug, um einer jungen Frau Platz zu bieten, die sich dort räkelte und mit lieblicher Stimme sang. Ihr langes Haar fiel über ihre bloße Haut, bedeckte manches, ließ vieles offen. Zu ihren Füßen hockte ein muskulöser Mann und übernahm den anderen Teil des Duetts.   
„Andonio!“, rief Klaves aus. Der Gesang verstummte. Die Blicke des Pärchens, bis gerade eben aneinandergefesselt, lösten sich und wandten sich uns zu. Während der Mann verklärt dreinschaute, machte die Frau einen amüsierten Blick.     
„Ah, Besucher! Wie schön.“      
„Seid gegrüßt“, sagte Suena. „Wir sind hier, weil unser Wegführer seinen Freund Andonio sucht. Er ist schon länger von Zuhause fort und sollte bald zurückkehren.“    
„Zurückkehren?“, fragte die Frau und blickte lustvoll zu ihrem Begleiter. „Ich würde ihn aber noch gerne eine Weile behalten.“         
„Andonio? Willst du nicht mit zurück?“                
Er schüttelte den Kopf, hatte wieder nur Augen für die Herrin dieses Sees.

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Die Legion der Verdammten

„Was soll das heißen, es gibt hier keinen Alkohol?!“     
„Es tut mir sehr leid, aber in Tura wurde die Prohibition ausgerufen“, sagte der Wirt. „Es gab Missernten und der Fürst will verhindern, dass wir das wenige, was wir haben, in Alkohol umsetzen.“
„Ist denn kein Rest übrig, den man trinken kann?“, fragte ich entsetzt.
„Nun … seid ihr bereit für einen Spaziergang?“               
„Dorthin, wo es Alkohol gibt?“
Der Mann rollte die Augen. „Etwas leiser, wenn’s geht. Geht eine Straße weiter. Dort gibt es ein Gasthaus, dessen Räumlichkeiten in einem Keller liegen. Man sagt sich, dass der Wirt dort noch ein paar Restbestände an Wein hat, die er vernichten muss. Damit sie nicht schlecht werden.“     
„Sehr gut“, sagte ich zufrieden.

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