Die Rosen der Macht

Wehrhaft wie eh und je ragte Deorstead vor uns auf, als wir über den großen Grenzfluss Devern übersetzten und damit nach einigen Wochen Clanngadarn wieder hinter uns ließen. Der Rückweg war ohne größere Schwierigkeiten vonstattengegangen, sodass wir einigermaßen ausgeruht in die „Zivilisation“ zurückkehrten, wie Garric stark betonte.
Wir setzten auf altvertrautes und suchten das Goldene Hufeisen auf. Kaum hatten wir es uns bequem gemacht, so näherte sich uns bereits ein bekanntes Gesicht: der Schäferssohn Jeremy!

„Na, Hallo! Ihr seid mir ja welche, seid einfach ohne mich abgehauen!“, beschwerte er sich sogleich, was Caileass mir grinsend übersetzte.
„Aber wir haben doch einen Treffpunkt ausgemacht und dann mussten wir eben dringend los… so lange waren wir ja auch nicht weg!“, beschwichtigte Olo seinen speziellen Freund, dem das in Verbindung mit einem Dünnbier bereits zu reichen schien. Wenig später scharwenzelte er wieder um Miyako herum, die ihn mit einer vergleichsweise freundlichen Nichtbeachtung konfrontierte. Aber Jeremy war ein hartnäckiger Bursche und so hatte die KanThai, ganz gegen ihren Willen, den ganzen Abend einen getreuen Verfolger, der sie auf Albisch zuschwafelte, dass ihr die Ohren bluten mussten. Indes stellte Landis unverhofft die Frage, wie es denn mit seiner Entlohnung aussehe.

Nach einigen Minuten des Schweigens, verfinsterte sich das Gesicht des Waldläufers merklich, der keinerlei Spaß zu kennen schien, wenn es um die goldene Entlohnung ging. Beschwichtigend hob Garric die Hände: „Mein Freund, es dürfte eigentlich kein Problem geben. Wir erwarten eine großzügige Entlohnung seitens der Phönixgilde in Haelgarde, die auch sicherlich dir winken dürfte, da du uns überhaupt ermöglicht hast, durch das gefährliche und barbarische Land der Twyneddin zu reisen. Komm mit uns dorthin und dein Aufwand soll entschädigt werden.“
„Das will ich hoffen“, knurrte Landis, der nun zum ersten Mal seit wir ihn kannten, tatsächlich wütend wirkte. „Ich habe vorerst noch einige Dinge hier in Deorstead zu erledigen, dann werde ich nach Haelgarde reisen. Und wehe euch, diese Worte entpuppen sich als Lügen!“
Mit diesen Worten verließ uns der Waldläufer, um in sein Haus zurückzukehren. Es schien mir tatsächlich ein handfestes Problem der Menschen, dass sie einander bei klaren Worten nicht vertrauen konnten. Bei meinem Volk war es zwar üblich, die Wahrheit durch geschickte Konstruktionen zu verschleiern… aber eine offene Lüge war ausgeschlossen.

Am nächsten Tag verkauften wir unsere Pferde, die uns lange genug gute Dienste geleistet hatten. Insbesondere Olos Pony schien glücklich über den Besitzerwechsel zu sein. Danach suchten wir Deorsteads Hafen auf, um dort ein Schiff nach Haelgarde zu finden. Zügig entdeckten wir einen Seelenverkäufer, der den Namen auch verdient hatte: an Bord liefen einige Menschen herum, die einen eisernen Ring um den Hals trugen als Zeichen ihres Sklavenstatus. Es war ein Schiff aus dem Süden, wo solche wahrhaft barbarischen Praktiken Gang und Gebe waren… es bedarf kaum einer Erklärung, dass wir es ausschlossen, an Bord dieses Schiffs zu reisen. Zu unserem Glück gab es dann auch eine Alternative, die zwar den dreifachen Preis verlangte, dafür jedoch nur von freien Seefahrern bemannt war: das Schiff Sereena. Wir sprachen uns mit dem Kapitän ab, welcher am frühen Abend lossegeln wollte und brachten unser Gepäck an Bord. Es gab nur 4er-Kajüten, sodass einer unserer Gruppe zu Fremden musste, was Caileass auf sich nahm.

Unsere letzte Aufgabe in Deorstead war es noch, den hiesigen Laird zu informieren, dass die Bedrohung von Norden her gebannt war, was freudig aufgenommen wurde. Dann verließen wir die Stadt mit einem am Hafenkai winkenden Jeremy, dem langsam dämmerte, dass wir ihn schon wieder zurückgelassen hatten.

Die Nacht und der erste Tag vergingen ereignislos… bei meinem zweiten Schlaf an Bord wurde ich jedoch von einem lauten Krachen geweckt. Erschreckt fuhr ich hoch und hüpfte halb aus meiner Koje, um rasch alle Sachen packen zu können. Das Schiff musste Leck geschlagen haben, irgendein Riff…noch ein Krachen. Plötzlich runzelte ich die Stirn. So laut war es nun auch wieder… Krachen. Verdutzt blickte ich zu der am tiefsten hängenden Koje in dem Zimmer, in der sich eine kleine Gestalt beinahe vollkommen unter einem dicken Seesack begraben hatte. Mit Krachen für Krachen schob sich eine kleine Hand einen Zwieback nach dem nächsten in den Mund, wo sie lautstark zermalmt wurden. Miyako schien sich bereits Stofffetzen in die Ohren gesteckt zu haben und Garric presste sich ein Kissen auf den Kopf. Seufzend legte ich mich zurück in die Koje, während Olo genüsslich seinen Zwieback bearbeitete, den er sicherlich nicht freiwillig von dem Smutje bekommen hatte. Doch viel Schlaf war mir nicht vergönnt – hatte ich gedacht, dass Heulen hungriger Wölfe würde einem den Schlaf rauben… so schien mir das wie das Schnurren eines Kätzchens im Vergleich zu der Geräuschkulisse des Halblings.

Der nächste Tag brachte ebenso wenige Überraschungen, wie der vorherige, aber immerhin konnte ich ein wenig an Deck dösen, ehe die Nacht hereinbrach und sich Olo weiter an seinem geheimen Vorrat zu schaffen machte.
Krachen.
Olo?!
Ein hölzernes Krachen.
Ich öffnete langsam ein Augenlid.
Etwas schien das gesamte Schiff zu erschüttern und warf mich aus der Koje. Mit diesem Schlag war ich hellwach und packte in Windeseile alle meine Sachen – ebenso wie meine drei Gefährten in der Kajüte. Gemeinsam mit Maglos spurteten wir an Deck und bekamen mit, wie die Matrosen herumwuselten, die meisten hasteten ins Unterdeck. Der Kapitän stand mit resigniertem Gesicht am Steuer. „Wir haben ein Leck“, murmelte er immer wieder, fasste sich aber ein Herz, als er uns sah und koordinierte uns zu den beiden Rettungsbooten. Wir sprangen sofort in eines davon, in dem bereits etwas kauerte… es brauchte einen Moment bis sich herauskristallisierte, dass unter diesen ganzen Tauen tatsächlich ein lebendes Wesen lag: ein langbärtiger Zwerg!
„Was ist das denn?“, rief Garric.
„Ein Prachtkerl von einem Zwerg natürlich!“, knurrte der Vertäute zurück.
„Es spricht!“, japste der Gelehrte flachsend.

Bald gesellten sich der Kapitän, zwei Matrosen und noch ein älterer Mann mit einem seltsam leuchtenden Stab zu uns und das Beiboot wurde zu Wasser gelassen. Eilige Ruderschläge trugen uns fort von der versinkenden Sereena. Eine Welle nach der anderen schob uns ebenfalls hinfort und bald verloren wir das Schiff aus den Augen…und das andere Beiboot. Mit Caileass an Bord?

Aber das stürmische Meer hielt uns noch einige Zeit auf Trab, bis allmählich der Morgen graute und das Wasser sich beruhigte. Als sich die Wolken verzogen erspähten wir nicht weit entfernt Land, auch wenn es seine Zeit brauchen würde, bis wir dort ankamen. Immerhin hatten wir dank Olo einen großen Sack mit Zwieback dabei…ein halbgefüllter Sack. Das Rätsel um den Verbleib des anderen Bootes blieb und ich bat Garric, seinen Vogel aus der Gattung der Rabenvögel auszusenden, um mit seiner Hilfe die Umgebung zu erkunden. Es blieb leider erfolglos, sodass wir uns unseren dubioseren Begleitern neben dem kleinen Bruchteil der Schiffsmannschaft zuwandten…

„Wer seid Ihr eigentlich?“, fragte Olo den Mann, der einen weiten blauen Umhang noch über einer braunen Robe trug. Sein Haar war bereits ergraut, er trug es kurz sein Erscheinungsbild wirkte betagt jedoch nicht greisenhaft. Hervorstechend war der mannshohe Stab, den er nicht einmal los gelassen hatte. Er war aus gräulichem Material, das ein schattenhaftes Muster zierte – zur Spitze hin wurde er zunehmend knorriger, bis am Ende ein gelbliches Leuchten die Formen verschwimmen ließ. Eine offene Zurschaustellung von Magie…
„Mein Name ist Feanor“, beantwortete der Mann mit ruhiger, sonorer Stimme die Frage des Halblings. „Dies ist mein Begleiter und Beschützer“, ergänzte er noch mit einem Wink in Richtung des Zwergs, der sich innerhalb seiner Taue zumindest in sitzende Position aufgerichtet hatte. Man konnte nun etwas mehr erkennen, so trug der offensichtliche Krieger ein Kettenhemd und darüber ein Bärenfell, das sogar noch den Kopf als Kapuze für die Glatze besaß, welche der Langbart mit einer Tätowierung versehen hatte. Im Gegensatz dazu wallte natürlich ein gepflegter Bart bis auf die Brust. Auf dem Schoß des Kriegers ruhte der Stiel eines überlangen Hammers, über den die nervösen Hände des Zwergs immer wieder zärtlich strichen.
„Komm‘ aus’m Pengannion-Gebirge“, murrte der Zwerg mit verwaschener Aussprache. „Schmeckt mir ja nich so, dass wir so’n olles Spitzohr hier an Bord ham.“

Ich blickte zu dem Zwerg hinüber, atmete kurz und enttäuscht aus und versuchte erst gar nicht, das Gespräch zu suchen. Manche Dinge würden sich mit der Zeit ergeben oder waren einfach nicht dafür bestimmt zu sein. Und wenn dieser Krieger sich entschloss, den ummauerten Tellerrand seines Volkes zu verteidigen, so würde ich mir keine Mühe geben, diesen zu unterminieren.

Das weitere Gespräch wurde unterbrochen: durch die Sichtung eines großen Schiffes, das auf uns zuhielt. Die aufkeimende Hoffnung enthielt jedoch einen bitteren Beigeschmack: es handelte sich um den Kutter der Sklavenhändler und ob sich diese an albisches Recht hielten, wenn sie uns auf dem Meer auflasen hielten wir allesamt für unwahrscheinlich – mit Ausnahme Feanors.
„Lasst uns Kontakt zu ihnen aufnehmen!“
„Das ist doch verrückt, die versklaven uns doch!“, begehrte Garric auf.
„Die Küste ist außerdem nicht mehr fern, bald sind wir an Land und können uns weiter durchschlagen“, ergänzte ich.
„Das Schiff nähert sich schnell“, bemerkte Feanor und er hatte in der Tat recht: wir würden es mit Sicherheit nicht schaffen, ihnen zu entgehen.
„Dann müssen wir uns kampfbereit machen!“, erklärte Olo. „He, Zauberer! Was kannst du eigentlich?“
„Meine Fähigkeiten sind eher… theoretischer Natur“, erklärte der Mann etwas ungehalten.
„Also…Nichts? Zumindest keinen Zauber, der uns weiterhelfen würde?“
Das Gesicht des Magiers verhärtete sich und mit einer herrischen Geste ließ er Olos Morgenstern in die Luft steigen und brachte ihn einige Meter hinaus aufs Wasser.
„Warum bringt Ihr den verdammten Morgenstern dorthin?“, rief ich aus. Feanor blickte mich einem Lehrer gleich an und sagte: „Ich dachte, Elfen sind besonders bewandert in den magischen…“
„Ich frage auch nicht nach dem Wie, sondern dem Warum, Feanor“, schnitt ich ihm das Wort ab. „Wir sitzen hier nicht nur sprichwörtlich in einem Boot. Gebt Olo seine Waffe zurück.“

„Nun gut. Aber er möge nicht noch einmal meine Integrität und Kompetenz anzweifeln!“

Der Halbling lächelte glücklich, als er seine geliebte Waffe in die Arme schließen konnte, warf dem Magier aber dennoch einen Blick zu, der es einem sich zweimal überlegen ließ, ob man Olo seinen Schatz wegnehmen sollte…

Nun war das große Schiff nah heran und eine Strickleiter wurde heruntergelassen. Seufzend taten die Matrosen die letzten, nötigen Schläge und wir ergaben uns in unser Schicksal. Die Sinne aufs Äußerste geschärft und bereit, direkt die Waffe zu ziehen, kletterten wir nach oben, wobei ich zuletzt kam, Maglos festhielt und mit der Leiter hochgezogen wurde.
Es schien jedoch so, als wollte sich der Kapitän dieses Schiffes nicht an unserer Not bereichern. Er führte ein kurzes Gespräch mit Feanor und brummte schließlich, dass wir unsere Decken auf Deck auslegen könnten. Von dem anderen Beiboot hatte er wohl jedoch Nichts gesehen…wo musste es Caileass und die anderen hin verschlagen haben?

Um mich abzulenken, beschäftigte ich Maglos, den die geringe Bewegungsfreiheit an Bord zu schaffen machte. Währenddessen unterhielten sich die anderen ein wenig, Feanor mit Garric, Olo mit dem Zwerg, doch dem schenkte ich wenig Aufmerksamkeit.
Es brauchte nur noch bis zum Nachmittag, dass wir Haelgarde erreichten, wo wir uns von dem Magier Feanor und seinem bärtigen Begleiter trennten und uns zunächst umhörten, ob denn andere Schiffbrüchige in letzter Zeit angekommen waren… die Antwort lautete anhaltend: Nein. Verzagt wandten wir uns daher dem eigentlichen Ziel dieser Reise zu: die Phönixgilde mit ihrem gewaltigen Leuchtturm.

Erstaunlich schnell erhielten wir diesmal eine Audienz, vielleicht spielte der abgeschlagene Kopf in einem Sack eine Rolle, den Garric immer noch als Beweis mit sich herumtrug. Und so standen wir wieder vor dem Hohen Rat der Magier. Es handelte sich um dieselbe, schlichte Kammer, wo hinter einem quer gestellten Tisch drei Männer und eine Frau auf ihren schmucklosen Stühlen saßen.

„Ihr seid zurück, das erfreut uns“, eröffnete die Frau das Gespräch. „Welche Neuigkeiten bringt ihr von Norden?“
„Verehrte Meisterin und verehrte Meister“, eröffnete Garric Falstaff. „Wir, die wir hier vor euch stehen, haben den abtrünnigen Earn MacRathgar ausfindig gemacht und seine Praktiken der Totenbeschwörung aufgedeckt. Nicht nur frevelte er damit den hohen Idealen der Magie, nein, er schändete Gräber und mordete Unschuldige, um seine kranken Interessen umsetzen zu können. Zuletzt sammelten wir Beweise für seinen wahnsinnigen Plan, Nordalba mit einer Armee aus Untoten anzugreifen und stellten die Verbindung zu dem Attentäter von Crossing, dem Schwarzalb Rythvar her. Als wir den Schwarzmagier schließlich stellten, ließ er uns jedoch keine andere Wahl und wir brachten ihn zur Strecke.“
Als Beweis für seine Worte legte der Gildenmagier den Beutel mit dem Kopf auf den Tisch sowie die wichtigsten Dokumente aus Earns Haus. Mit ausdrucksloser Miene begutachteten die Magier den mittlerweile mitgenommenen Schädel und schienen sich kurz wortlos miteinander zu verständigen. Schließlich erhob wieder die Frau die Stimme.
„Wir freuen uns, über euren überragenden Erfolg. Es wäre zwar wünschenswert gewesen, Earn lebend herzubringen, um ihn befragen zu können, doch es ist klar, dass ein so gefährlicher und wahnsinniger Hexer nicht am Leben gelassen werden kann. So möchten wir euch nun mit einer angemessenen Belohnung entlassen…“

Eine Tür öffnete sich und ein junger Mann trat herein, bewaffnet mit genügend, kleinen Ledersäckchen für jeden von uns, außerdem dabei kleine Broschen, die eine stilisierte Feder darstellten.
„Dies sind eintausend Goldstücke für jeden von euch sowie ein Symbol eurer Verdienste um die Phönixgilde. Wir bieten euch hiermit die Ehrenmitgliedschaft an“, erklärte die Frau weiter.

Natürlich nahmen wir alle das Angebot dankend an. Wenngleich wir nicht alle gänzlich von den Zauberern überzeugt waren, so war es sicherlich eine Möglichkeit, sich in der komplexen Bürokratie der Menschen manche Tür zu öffnen. So wurden wir von den Magiern verabschiedet und zu den Gästezimmern geführt, welche wir die nächsten Tage und Wochen bewohnen durften, um hier in Haelgarde unsere Fertigkeiten weiterzuentwickeln – und auf Caileass zu warten.

Es dauerte nur wenige Tage, da erhielten wir schließlich einen Brief des albischen Fechters. Er erläuterte darin, dass es das andere Rettungsboot im Sturm zu den Hjalta-Inseln verschlagen hatte, den vorgelagerten Eilanden Albas, die in ungemütlicher Nähe zu dem rauen Land der Waelinger lagen. Doch er schien es so weit gut überstanden zu haben und teilte uns mit, vorerst eigene Pläne verfolgen zu wollen. Immerhin waren die Hjalti ein raues Volk, wie Garric erzählte, aber als Albai natürlich nicht übermäßig barbarisch… was als Aussage des Gildenmagiers schon wie das höchste Lob zu sein schien.

Bereits ein Mond war vergangen und allmählich erschöpften sich unsre Lernanstrengungen in müßigen Wiederholungen, die keine neuen Erkenntnisse brachten. Da begegneten wir, als unsere gesamte Gruppe durch die Magiergilde lief, einen unserer jüngeren Bekannten: Feanor, allerdings ohne seinen Begleiter.
„Ah, seid gegrüßt“, hielt der Zauberer er uns, der seinen seltsam glühenden Stab natürlich bei sich trug.
„Grüße“, brummte Olo, nicht sonderlich erfreut, den Mann wiederzusehen. Der Rest von uns verhielt sich ähnlich reserviert, hatte Feanor eher herrisch auf dem Boot inszeniert und wirkte nun mit einer unerwartet freundlichen Stimmlage deutlich so, als bräuchte er Hilfe… und meine Erwartungen sollten sich bestätigt finden. Nach ein wenig Geplänkel, wie es uns denn ergangen sei, lud er uns ein, ihn abends im Gasthof zum Goldenen Kalb zu treffen, wo er uns einen Vorschlag unterbreiten wollte, der zudem von höchster Dringlichkeit sei. Achselzuckend sagten wir zu, schließlich lohnte es sich bisher immer, zumindest die Ohren offen zu halten.

So kehrten wir abends in dem bürgerlichen Gasthaus ein, welches nicht gerade die ärmsten Albai der Stadt nutzten, um hier einen Whisky zu genießen. Feanor erwartete uns bereits und ebenso sein zwergischer Wächter, der gerade lauthals rülpsend seinen gewaltigen Bierhumpen abstellte und sich daraufhin mit der Rückseite der Hand über den Mund wischte. Als wir herantraten, ließ er den Blick seiner dunklen Augen über uns schweifen.
„Der Elf? Feanor, wenn du willst, dass die ganze Sache auch nur einen Hauch von Erfolgschance hat…“
„Sei bitte still“, verbat sich der Magier den Kommentar und blickte mich entschuldigend an. Ich schmunzelte nur amüsiert und setzte mich mit den anderen an den Tisch.

„Nun denn, danke, dass ihr meiner Einladung gefolgt seid“, begann Feanor sobald er für Olo, Garric, Miyako und mich sowie noch etwas mehr für den Zwerg etwas zu Essen und zu Trinken geordert hatte. „Was ich euch zu erzählen habe, ist uraltes Wissen, dass ich nach jahrelangen Studien zusammengetragen habe, also hört gut zu: Einst gab es acht Weise, mächtige Hexenmeister, welche über große Macht verfügten und diese zudem durch thaumaturgische Mittel zu binden wussten. Jeder dieser Männer hatte sich auf eine der Essentien der Welt spezialisiert. Für die Unkundigen unter euch, dies sind Feuer und Wasser, Erde und Luft, Holz und Eis sowie Magan – das Chaotische und Teil nahezu aller Magie – und Metall. Für jede dieser Essentien erschuf einer der Weisen eine Roseblüte aus einem dazu geeigneten edlen Material wie Edelsteine. Diese bündeln die Macht dieses Weltenstoffs und bergen gewaltige Kräfte. Dies alles ist nun Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende her, und die acht Weisen mit ihren Anhängern sind verschwunden – die Rosen sind jedoch geblieben. Einige davon sind weitestgehend ungefährlich, wie jene, die ich in diesen Stab eingearbeitet habe.“ Bei diesen Worten ließ Feanor die Spitze seines Stabes noch einmal heller aufflackern, ehe sie kurz erlosch und man einen Blick auf die silberne Rose werfen konnte, welche in etliche Facetten das Licht um uns herum spiegelte.
„Dies ist der Stein des Metalls… doch es gibt auch andere.“ Und bei diesen Worten holte der Zauberer eine Schatulle hervor, welche er sorgsam mit einem Riegel und einem Vorhängeschloss gesichert hatte. Außerdem schien kurz ein Thaumagramm aufzuflackern, als Feanor mit der Hand darüber fuhr. Als der Deckel aufklappte, erhaschten wir den Blick auf eine bizarre Rosenblüte, die aus einem mir unbekannten Material gemacht war… es war sehr dunkel, hatte aber violette Einsprenkelungen, die sich…zu bewegen schienen. Ein tiefes Summen erklang in meinem Kopf, meine Augen blieben wie gebannt auf diesen Edelstein gerichtet, meine Hand begann nervös zu zucken und mir fuhr durch den Kopf, dass die anderen auch hier am Tisch waren. Die Rose war gefährlich, ich musste sie in Sicherheit bringen, weg von all diesen Menschen…für mich ganz allein…
Da schlug Feanor die Klappe wieder zu und der widerwärtige Einfluss fiel von meinem Geist ab. Entsetzt blickte ich zu dem Magier, welcher wissend nickte.
„Ihr könnt euch sicherlich vorstellen, dass solche Macht unvorstellbare Gefahren birgt. Dies war nun lediglich ein passiver Effekt, stellt euch vor, was passiert, wenn düstere Gestalten die unendlichen Fähigkeiten der Rose heraufbeschwören. Es braucht wohl nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, wie viele Kriege wegen dieser Steine geführt wurden und wie viel Leid sie mit sich brachten. Daher ist es in unser aller Interesse, sie zu finden und sicher zu verwahren. Und dies ist die Aufgabe, mit der ich euch betrauen möchte.“

Feanor hatte gute Überzeugungsarbeit geleistet – die Macht der Rosen war zu groß. Als er schließlich sogar zugestand, sie im Zweifel sogar zu zerstören, war ich überzeugt. Bei dem einen oder anderen löste die Aussicht auf eine umfangreiche Belohnung die letzten Zweifel auf und wir nahmen die Aufgabe an.
„Sodann, meine neuen Begleiter in dieser Unternehmung. Ich werde gen Osten reisen, zunächst nach Candranor, um herauszufinden, wo weitere Steine sein könnten. Bisher weiß ich lediglich von einem die ungefähre Lage und den werdet ihr jagen. Es gibt passende Gerüchte im Wald von Escavalon, südlich von Crossing. Das ist sehr ungenau, ich weiß, aber ich vertraue auf eure abenteuerlichen Spürnasen. Haltet die Ohren offen und früher oder später findet ihr den Stein. Ich werde euch noch eine spezielle Truhe nachschicken, um ihn gegebenenfalls wegsperren zu können.“
„Muss ich mit dem Elfen reisen?“, ächzte der Zwerg an dieser Stelle auf.
„Ja, ich denke, so bist du für diese Unternehmung am hilfreichsten. Die Straßen Candranors erfordern andere Stärken als die Hand an einer Waffe.“
Missmutig brummte der rotbärtige Krieger, rebellierte aber nicht weiter. Anschließend verabschiedete sich Feanor und überließ es uns, die weiteren Pläne für die Reise aufzustellen…

Nachdem wir uns am nächsten Tag mit Pferden sowie weiterem Reisebedarf ausgestattet hatten, brachen wir auf, entschlossen, zunächst in Crossing den MacAelfins von unserem Erfolg in der Sache von Earn MacRathgar zu berichten.

Der erste Halt fand am Gasthaus „Kreuzstube“ statt, nachdem wir einige Stunden geritten waren. Kaum waren wir eingetreten, da verlangte der Zwerg laut den ersten Humpen Bier. Erst sobald dieses gezapft war, ließ er den Wirt in Ruhe und wir konnten ein Essen sowie ein Zimmer für die Nacht ordern.
Allerdings schienen merkwürdige Dinge vor sich zugehen, kaum, dass wir uns gesetzt hatten schien das Bier des Zwergs verdunstet. Energisch bestellte er sich ein Zweites, und wir hatten erst fertig gegessen, da ein Drittes.
„Gebt Acht, Herr Zwerg, dass Ihr den Aufbruch morgen nicht verschlaft“, merkte ich an, was mir nur einen wenig amüsierten Blick des Bärtigen einbrachte. „Dass ich vor dir aufstehe, ist doch wohl klar. Läbbsche Elflein, im Wald macht ihr doch nichts anders, als auf Moos zu schlafen und über Blumenwiesen zu tanzen.“
Erheitert ließen wir unseren neuen Begleiter im Schankraum, als er sich das vierte Bier bestellte und jeder ging in seinem Zimmer zu Bett.

Es wäre eine Lüge, wenn ich verneinen würde, dass mir das unterdrückte Grumpeln und Fluchen des Zwergs am nächsten Morgen nicht eine Freude gewesen wäre, als er mich bereits beim Frühstück sah.

Drei Tage vergingen, bis wir Crossing erreichten. In der altbekannten Stadt steuerten wir zielstrebig das Haus der MacAelfins an. Der Buttler Gill öffnete in seiner gewohnt reservierten Art die Tür und erklärte, dass die Familie derzeit nicht hier weilte. Wir waren natürlich dennoch willkommen und wir veranlassten außerdem einen Brief, der Melodien informieren sollte, dass der abtrünnige Magier, der für den Tod ihres Geliebten verantwortlich war, zur Strecke gebracht wurde.
Doch mehr als eine Nacht verweilten wir nicht und brachen wieder früh auf, diesmal auf der Straße nach Süden, dem Wald von Escavalon entgegen. Die letzten Wegstunden führten uns allmählich fort von der großen Königsstraße, etwas querfeldein, um zu den kleinen Dörfern der Gegend zu kommen.

Es war Mittag, da erblickten wir eine erste Ansammlung von Hütten, die hier am Rande des Waldes lagen. Ein kleines Dorf, vielleicht ein dutzend Häuser. An einem Hügel gelegen schienen sie zudem eine Mine zu besitzen. Einige Karren standen davor, zwischen dem Gestein glitzerte es im Sonnenschein immer wieder auf: Gold. Der Zwerg schien augenblicklich große Augen zu bekommen, wenngleich er sich auch zu ärgern schien. Die Methoden der Menschen waren ihm wohl im Vergleich zu seinem Volk zu primitiv, mutmaßte ich.

Einige der Einwohner eilten direkt auf uns zu und begannen energisch auf Albisch auf uns einzureden, allen voran ein Mann von kräftiger Statur mit nur grob getrimmten Bart. Sie wirkten alle äußerst aufgewühlt.
„Das ist Gustaff, sowas wie der Vorarbeiter hier“, übersetzte mir Olo. „Er berichtet von dem Stollen… ach Christstollen meint er! Ein äußerst feines Gericht, das wir auch bei uns im Halfdal kennen. Ja, ja, die Albai können sich nicht ewig hinter ihrem Haferbrei verstecken, da muss auch mal etwas Feines in die Küche.“
„Olo?“, fragte ich mit gehobener Augenbraue nach.
„Ja, nun, also das ist so: man braucht für einen Christstollen zunächst mehrere Dinge. Das sind unter anderem ein paar getrocknete Früchte, viel Zucker, etwas, das unsere herausragenden Köche Marzipan nennen…“ Nachdem der Halbling dies noch einige Zeit weiter ausführte und mich so in meinen mangelnden Sprachkenntnissen nicht nur gefangen hielt, sondern viel mehr geißelte, kam er darauf zurück, was eigentlich gesprochen wurde.
„In der Mine gab es einen Einsturz, einige Arbeiter sind verschwunden, wahrscheinlich verletzt oder sogar tot. Die Rede ist von einem Monster, das dort eingedrungen ist. Gustaff bittet uns inständig darum, dieses Vieh zu erlegen.“
Da ich um Olos Geisteszustand wusste, enthielt ich mich eines Kommentars zu seinem makabren Scherzen mit dem Stollen und hielt mich wieder an die anderen unserer Gruppe. Unser Reisegepäck war schnell im dörflichen Gasthaus verstaut, die Pferde untergestellt und Maglos als Bewacher eingeteilt. Dann eilten wir zur Mine, denn eine Diskussion, über das „ob“ der Hilfe musste kaum stattfinden. Jene unter uns, denen jegliche Nächstenliebe abging, wurden zumindest davon gelockt, dass die Einwohner mit den hiesigen Goldvorräten kaum arm sein konnten…

Gustaff führte uns zur Förderhalle, wo zwei Arbeiter am Schacht nach unten Wache standen. Mit Pickeln bewaffnet wirkten sie nicht unbedingt glücklich über diese Aufgabe, da sie wohl wie alle anderen Beteiligten wussten, wenn das Monster hier heraufkäme, würden wohl nur ihre Todesschreie das Dorf warnen. Ihre einzige Hoffnung konnte darin bestehen, dass es sich bei der Kreatur um eine Ausgeburt der Phantasie verzweifelter Flüchtender handelte, die dem plötzlichen Erdstoß eine Persona aus einem Alptraum verliehen hatte.
Wir fünf stellten uns in einen großen Korb, welcher an Seilen befestigt war und wurden von den Männern heruntergelassen.

Unten erwartete uns eine Haupthalle, in der Schienen für die Loren verliefen – zumindest bis zur Einsturzstelle, wo sich gewaltige Steinbrocken bis zur Decke auftürmten. Ein Bein ragte zwischen den Felsen hervor, zeigte jedoch keinerlei Regung und die Haut wirkte bereits verfärbt. Es hatte keinen Sinn diese Leiche freizulegen, zumindest nicht, so lange noch dringlichere Angelegenheiten zu klären waren. Ein Gang führte noch von der Haupthalle fort, den wir jedoch zunächst ignorierten, da er nicht hinter die Bruchstelle zu führen schien. Dahingegen wirkte eine Bretterwand rechter Hand kurz vor dem Einsturz vielversprechend und einen mächtigen Hieb von Olos Morgenstern später war der Weg frei. Ein kurzer Pfad führte uns in eine weitere, kleine Höhle. Ein Mann lag auf dem Boden, merkwürdiger, schwarzer Schleim bedeckte seinen Körper. Aber er krümmte sich noch…er lebte!

Mit einem großen Stofftuch aus meinem Rucksack legte ich sein Gesicht frei und versuchte so viel von diesem bizarren Belag von ihm herunterzubekommen. Die Schwärze schien sich in ihn hinein gefressen zu haben, denn sie zog dunkle Linien unter seiner Haut, das Weiß der Augen war gelblich und er starrte mit leerem Blick zur Decke, während er immer wieder unter Schmerzen zuckte. Beruhigend legte ich ihm eine Hand auf die Stirn und begann einen leisen Singsang. Das Zucken ließ nach und ich spürte eine enorme Hitze aufwallen. Langsam summte ich weiter, bis er langsam abkühlte und seine Augen klarer wurden. Ein kleiner Anstoß und sein Körper hatte sich wieder, zumindest ein Stück weit, erholt.
„Thorviel ist tot!“, rief der Mann aus.
„Was? Wer ist Thorviel?“, fragte ich rasch.
„Thorviel! Tot! Ein Monster…hat ihn gepackt!“
„Was für ein Monster?“
„Groß…dunkel, aus den Schatten…herumgeschleudert, an die Wand gestoßen…“

Und plötzlich begannen die Zuckungen erneut, Schaum trat vor den Mund und die Augen verdrehten sich. Rasch trat ich einen Schritt zurück – sein Körper hatte sich nur für einen kurzen Moment der Klarheit erholt und nun fraß sich das Gift des schwarzen Schleims endgültig in sein Innerstes. Mit einem unter Gurgeln untergehendem Schrei endeten die Qualen des Mannes und er hörte auf zu atmen.
Bedrückt schritten wir weiter, nun davon überzeugt, dass es sich bei dem Monster tatsächlich um eine große Gefahr für das Dorf handelte. Mindestens zwei Opfer hatte es bereits gegeben.

Eine Abbiegung führte den Höhlengang nach rechts und wir gelangten in eine Kaverne, in der ein Lagerfeuer brannte, an dem eine große Gestalt hockte, die nun instinktiv aufsprang. Beinahe reichte sie bis zu den drei Metern der Decke empor! Grobschlächtige Gesichtszüge, die entfernt einem Menschen ähneln konnten, ein gewaltiger Körper, der sowohl reich an Fett wie an Muskeln war. Er stand auf Beinen wie Baumstämmen und in zwei seiner vier Arme führte er riesige Keulen, die er soeben vom Boden auflas. Laut brüllte er uns entgegen, wobei er gelbschwarze Zähne entblößte, die wie Mahlsteine in seinem Maul schienen. Ein Bergtroll.

Blitzschnell schwärmten unsere Krieger aus, Miyako linker Hand, Olo in der Mitte, der Zwerg nach rechts. Schwert, Morgenstern und Stielhammer zuckten durch die Luft, während das Biest in wilder Raserei begann, um sich zu schlagen.
Der Kopf der schweren, zwergischen Waffe krachte der Kreatur gegen das Knie, sodass sie kurz einknickte – gerade nah genug am Boden, um Olo einen Treffer gegen den Bauch zu ermöglichen. Miyako ihrerseits huschte an dem Troll vorbei und landete einen Stich gegen den Ellbogen eines unbewaffneten Arms, der daraufhin widerwärtig abknickte.

Doch er schüttelte sich nur einmal, erhob sich erneut und mit einem Schwinger seiner Keulen brachte er die drei wieder auf Abstand. Seine Haut musste dick wie Fels sein, denn kaum einer Treffer hatte eine blutige Spur gezogen. Aber die drei Angreifer bewegten sich, als würden sie schon lange zusammenkämpfen, drehten sich langsam um den Troll herum und verleiteten ihn mit einem Angriff nach dem nächsten zu unbedachten, wild rasenden Ausfällen, die einem anderen die Möglichkeiten zu einem Treffer boten. Zwergische Kriegsschreie und die verrückten Jubelrufe des Halblings hallten von den Wänden wider, während Miyako die Stille selbst zu sein schien.
Olo landete schließlich einen weiteren Treffer gegen die Seite der Kreatur und dumpf vernahm man das Krachen eines Knochens. Brüllend stürzte der Troll auf ihn los, die Keulen wild vor sich hin und her schwingend. Wäre der Halbling nicht so gewandt, so hätte ihn eine Waffe in die andere geworfen und sein Rückgrat wäre in seine Einzelteile auseinandergebrochen. So bot er die Ablenkung, welche eine hoch konzentrierte Miyako brauchte. Blitzschnell stach sie nach einer Ferse, wische dann schräg nach oben und zertrennte die Sehnen eines Knies von hinten. Stöhnend sackte der Troll ein, doch gab er immer noch nicht auf. Sein nächster Hieb war jedoch durch den Vorhang aus Schmerz vor seinen Augen fehlgeleitet und krachte gegen die Decke – ein Stück Fels löste sich und sackte nieder.

Blut sickerte aus dem Schädel, der soeben von seinem Besitzer selbst geknackt worden war. Die krallenhaften Hände zuckten noch etwas und der Zwerg beendete sein Leiden durch einen gewaltigen Hieb auf den Kopf, sodass der Troll endgültig tot war.

Neben dem Lagerfeuer gab es in dieser Höhle nicht viel, nur ein Haufen Knochen in einer Ecke. Das Gebein zeigte deutliche Kauspuren und war häufig aufgebrochen worden, wohl die Reste der Trollmahlzeiten. Neugierig suchte Olo darin herum und ich wollte ihn schon von dieser Geschmacklosigkeit zurückrufen, da rief er aus: „Hey, Leute! Hier hinter ist ein schmaler Gang, da geht’s weiter!“

Wir konnten nicht anders, als dem Halbling für seine verrückte Idee zu danken und begannen, uns durch den schmalen Höhlenweg zu zwängen. Er führte uns einige Meter durch den Fels, bis wir hinter der Bruchstelle auf den Schienen standen. Goldenes Glitzern versah die Wände um uns herum und verriet den Reichtum, der hier in der Erde lag und unerbittlich daraus hervorgerissen wurde. An die heruntergestürzten Gesteinsbrocken gelehnt, ruhte ein weiterer Bergarbeiter. Auch ihn hatte schwarzer Schleim dicht bedeckt und nachdem er sich wohl mehrmals erbrochen hatte, war er hier an seinen Krämpfen gestorben. Ein boshaftes Gift ruhte diesem Stoff inne, der sich hier ausgebreitet hatte.
Nur ein Weg führte weiter: die Schienen entlang.

Nach wenigen Metern öffnete sich der Gang in eine große Höhle, die sich mit unserer Lampe nicht komplett erleuchten ließ. Vorsichtig wagten wir uns voran, bis wir plötzlich ein bedrohliches Klacken hörten. Alarmiert rissen wir unsere Köpfe hoch und erblickten über uns schemenhaft an der hohen Decke einen gewaltigen, haarigen Körper, von dem acht Beine abgingen, die sich an einem dicken Spinnwebgeflecht festhielten. Rotglühende Augen fokussierten uns, ein weiteres Klacken mit den beinahe armlangen Beißzangen – dann ließ sich das Monstrum fallen.

Wie eine Wolke stoben wir auseinander, Olo, Garric, der Zwerg und ich. Jeder hastete in eine andere Richtung davon, einige mit lauten Flüchen auf den Lippen. Nur Miyako… sie blieb stehen, schien die Spinne zu mustern. Bruchteile einer Sekunde vergingen, die sich anfühlten wie die Ewigkeit. Dann zog sie ihren rechten Fuß nach hinten, die linke Hand an das Schwertheft gelegt. Eine Erwartungshaltung verknüpft mit einem Gesicht ohne jegliche Regung, nur ein fokussierter Blick nach oben. Die Bestie, größer als ein Pferd, stürzte nieder, würde die KanThai gleich zermalmen.
Eine blitzschnelle Bewegung, das Blitzen von kühlem Stahl und Miyako ließ sich vom Schwung der gezogenen Waffe mittreiben. Ein sauberer Schnitt, welcher den gesamten Unterleib der Spinne auftrennte, ein gewaltiges Quieken. Durch den Angriff hatte sich die Kämpferin nach vorne gebracht, das Monster stürzte hinter hier zu Boden, grüngelbliche Flüssigkeit strömte hervor. Ein letztes Zucken, dann war es vorbei. Miyako hatte ihr Schwert bereits wieder eingesteckt und starrte uns schweigend an.

Es brauchte deutlich länger, bis wir unsere Sprache wieder gefunden hatten, dann jubelten wir laut über diesen unglaublichen Angriff. Die Schwertmeister der Welt wären wohl begierig gewesen, den Hieb in ein Lehrbuch zu schreiben.
Erleichtert suchten wir den Rest der Höhle ab und entdeckten nur noch einen Gang, welcher nach einigen hundert Metern an anderer Stelle an die frische Luft führte. Wir kehrten um, lediglich noch der Abzweigung direkt am Eingang einen Blick schenkend. Ein Essensraum voller Bänke und Tische, der allerdings auch eine Truhe beinhaltete, in der sich drei kleine Flakons befanden, jeweils gut mit einem Korken verschlossen. Neugierig geworden nahm ich ihn mit, um die Dörfler zu befragen, zu denen wir nun wieder im Korb nach oben gezogen wurden.

Gustaff wartete noch immer auf uns, ebenso die anderen beiden Arbeiter. Kaum, dass Garric einen Satz gemacht hatte, eilte einer laut rufend in das Dorf. Wenig später erklangen weitere Jubelschreie – doch wir hatten auch unerfreuliche Neuigkeiten. Drei Albai hatten es nicht geschafft, waren von einem schrecklichen Gift und dem Steinschlag dahingerafft worden.

Doch das Dorf sah hoffnungsvoll in die Zukunft: nun hatten sie wieder eine Chance, hier leben zu können. Entsprechend freudig beschenkten sie uns, unter anderem mit den kleinen Fläschchen, welche wir im Essensraum gefunden hatten. Es handelte sich wohl um zwei Heiltränke und einen so genannten Grüngarbentrank, welcher gegen Gift half.

Die Rose hatten wir noch nicht gefunden, doch immerhin einem Dorf geholfen. Im Wirtshaus verbrachten wir einige angenehme Stunden unter den ausgelassen feiernden Albai, dann zog es uns schließlich in unsere Betten, um einen wohlverdienten Schlaf zu genießen.

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