Die Zauberer von Alba

Die kalten Wintermonde verweilten wir im Alt-Corrinis, wo Kost und Logis weiterhin auf Kosten der Stadt gingen. Die Straßen der Handelsmetropole waren uns mittlerweile sehr vertraut – ein Umstand, der mir einen Hauch von Langeweile verschaffte. Allmählich waren auch die kleinen Gaunereien durchexerziert und für Größeres bräuchte ich Verbindungen zur Diebesgilde… doch zunächst stand ein großes Fest auf dem Plan: Nubliona, das albische Neujahrsfest! In der nahen Stadt Fiorinde waren zum ersten Mal alle Zauberer Albas geladen, eine Trideade lang das Volk zu bespaßen. Bei so einem Ereignis blieb es natürlich nicht aus, dass sich unsere bunte Truppe auf den Weg machte!

Schnell war eine Fähre gewählt und wir segelten durch den kalten Wind an die andere Seite der Bucht der Bäume – das gewaltige Fiorinde bereits im Blick. Etwa achtzehntausend Einwohner lebten innerhalb der gewaltigen Stadtmauern, sodass diese bereits aus allen Nähten platzten und die neusten Bauten außerhalb errichtet wurden. Imposant erhob sich die gewaltige Burg über allem und schien jedem verächtlich entgegen zu lachen, der glaubte, er könne eine Belagerung versuchen.

Doch wir waren nicht allein auf der Fähre: allerlei buntes Volk trieb sich hier herum, von einigen Zauberern, die vielleicht sogar selbst Auftritte hatten, über viele Händler bis hin zu einfachen Besuchern wie uns war alles dabei. Und davon erweckte ein recht alter Kerl meine Aufmerksamkeit. In einer hellen, groben Robe, über die lediglich ein Mantel geworfen wurde, stand er da und kraulte sich nachdenklich seinen langen Bart. Es schien, als würde er gerade etwas Dringliches überdenken… da fiel mir wieder ein, woher ich den Menschen kannte! Beinahe zwanzig Jahre war es her, dass wir uns zuletzt getroffen hatten – für mich ein Wimpernschlag, für ihn ein halbes Leben!

Rasch eilte ich auf meinen alten Bekannten zu und rief laut: „Pomu! Du alter Krawallmeister, was machst du denn hier?“
Überrascht sah er mich an, zog die Stirn nachdenklich kraus, ehe ein breites, warmes Lächeln auf seinem Gesicht auftauchte: „Tikkmikk! Dass ich dich mal wieder sehe hätte ich nicht gedacht! Ich, ähm…bin auf diesem Schiff nach… wohin fahren wir noch gleich?“
„Fiorinde“, brummte Anduril, der zusammen mit den anderen herangeschlappt war.
„Ah vorzüglich! Was gibt es da so?“
„Das Fest der Zauberer von Alba, ein großes Treffen der Gelehrten oder derjenigen, die sich für gelehrt halten“, klärte ich meinen alten, vergesslichen Freund auf.
„Interessant. Ihr geht da auch hin?“
„Natürlich“, antwortete Leana. „Tikkmikk, willst du uns nicht vorstellen?“
„Jaja. Das hier sind Leana, Anduil und Kilian – meine Reisegefährten seit einigen Monaten mit denen ich schon allerlei bunte Dinge bis hin zu Alpträumen durchlebt habe. Meine Gefährten, das hier ist Pomu Krawumms!“

„Hallo“, übernahm der eigentlich recht gelehrige Mann seine Vorstellung. „ Ich bin ebenfalls schon ziemlich herumgekommen. Nachdem ich jedoch mehrfach meine Bleiben in die Luft gesprengt habe – so wie erst kürzlich bei meiner Familie – bin ich zurzeit wieder auf Wanderschaft.“

Damit war das Nötigste geklärt und es schien wie selbstverständlich, dass sich uns der schrullige Alte zumindest für die Dauer der Festivitäten anschließen würde. Die restliche Zeit der Überfahrt beschloss unser Ermittler mit einer waghalsigen Aktion vertreiben zu wollen und kletterte die Takelage empor, um einige gefährliche Hochseilakte zu wagen. Währenddessen nahm ich Anduils alte Filzmütze entgegen und sammelte mit dieser Goldmünzen ein – warum ich mir keine eigene kaufte? Schon mal was von Zusammenarbeit gehört?!
Tatsächlich entpuppte sich der Araner hoch droben als erstaunlich gewandt und entlockte den Zuschauern beeindrucktes Staunen, gemischt mit dem angsterfüllten Stöhnen derer, die sich schon in der Rolle derer sahen, etwaige „Flecken“ auf den Planken wegwischen zu müssen.
Die Ausbeute aus der ganzen Aktion war neunzehn Goldstücke, deren Verteilung ich prompt in meinem ganz eigenen Stil vorschlug:
„Also: ein Drittel geht selbstverständlich an Anduil, als Hutmiete“, mit den Worten drückte ich Filzkappe sowie sechs Goldstücke an den Albai ab. „Vom Rest würde ich selbst zwei Drittel beanspruchen, da ich es immerhin war, der das Gold gesammelt habe. Also mit zwei Drittel des Rests, meine ich die zweite Drittel, die vom Ganzen überbleiben, nachdem bereits ein Drittel abgezogen wurde. Wichtig ist dabei zu bedenken, dass es sich hierbei um einen nicht ganz einfachen Akt der Mathematik handelt, denn es sind quasi Zwei Drittel von Zwei Dritteln, obwohl ich selbstverständlich Zwei Drittel eines Ganzen meine…“
Verwirrt und etwas verzweifelt blickte Kilian in die Runde, während sich auf Anduils Gesicht sein typisch-dümmliches Grinsen ausbreitete. Es endete damit, dass ich für mich acht Goldstücke herausschlagen konnte. Und der Araner, der sein körperliches Wohl riskiert hatte? Naja, der bekam immerhin fünf…

Dann erreichten wir auch schon den Hafen Fiorindes, wo uns recht schnell erklärt wurde, dass sich das Gelände für die Zelte auf der anderen Seite der Stadt befand. Die war dann auch schnell durchquert und uns erwartete der Anblick dutzender recht chaotisch umherstehender, bunter Zelte. Einige stachen durch ihre Größe heraus und konnten wohl mit Leichtigkeit etwas mehr als hundert Besucher Platz bieten. Unser Blick wurde jedoch von der größten Konstruktion eingefangen, die wohl das Zentrum des Fests darstellte: etwa fünfzig Meter hoch und von gewaltigem Umfang, bot dieses Zelt sicherlich Raum für eintausend Zuschauer. So langsam schienen die Albai zu entdecken, wie man eine Veranstaltung auszustatten hatte!
An einer Art Informationsstand erfuhren wir, dass hier eine besondere Währung genutzt wurde: für sieben Silbermünzen erhielt man einen so genannten „Sigl“. Während Pimo und ich uns mit eher beschiedenen Mengen zufrieden geben mussten, nahm Kilian ohne mit der Wimper zu zucken gleich eintausend Stück. An der Stelle sei erwähnt, dass sich der Ermittler ein blaues Wams mit Purpurschimmer zugelegt hatte. Sein bisher erworbener Reichtum schien ihm zu Kopf gestiegen zu sein.

Anschließend suchten wir das Zelt der Verwaltung auf, wo Leana den Dispositor Dwyllianred MacCeata auf Geheiß Alezias aufsuchen wollte. Diesen Beisatz hatte ich komplett verdrängt und gluckste daher verdächtig auf, als die Schamanin den Wachen erzählte, es gäbe etwas zu übergeben. Ein böser Blick der anderen war mir sicher und verlegen grinste ich mein unschuldigstes Gnomenlächeln. Schließlich wurde Leana zu Dwyllianred durchgelassen, Kilian kam als Geleitschutz mit. Kurze Zeit später waren sie wieder da und die Schamanin erklärte, dass wir uns am sechsten Festtag nach der Aufführung mit dem Magier treffen sollten.
Anschließend begaben wir uns zu dem Gelände für die Zelte, da keiner von uns große Lust hatte, sich stundenlang in der überfüllten Stadt umzusehen. Zudem hatte Kilian bereits drei magische Schlösser ausgeliehen, die Alarmtöne ausstießen, wenn sich Unbefugte näherten.

Nachdem die Zelte aufgestellt waren, kam Pimo mit einem jugendlichen Grinsen zu mir herüber und fragte mich verschwörerisch: „Hey, Tikk. Hast du noch was zu rauchen?“
„Hm…“, ich begann zu überlegen, da kam ein lautes Räuspern von der Seite. Ach ja, unsere Schamanin war ja auch noch da! Eine Minute später hatten wir uns in ihr Zelt zurückgezogen und eine Pfeife angefüllt mit Rauschkraut zog stetige Bahn durch unsere Hände. Irgendwann lugte Anduil herein und fragte Momo, ob er denn dessen Flöte haben könne. Grinsend überreichte der Alte das Musikinstrument, mit dem Kilian und der Albai sich auf den Weg zu unseren jugendlichen Nachbarn machten. Was genau sie da vorhatten, blieb mir nicht im Gedächtnis haften, aber sie brachten die Flöte unbeschädigt zurück: „Bodo, hier hast du sie wieder!“
Währenddessen erzählten Leana und ich von unseren Abenteuern, wobei die Schamanin noch einiges mehr auf Lager hatte als ich.

Am nächsten Morgen machten wir uns auf die Suche nach einer Möglichkeit zum Frühstücken, wobei mein Blick an einer noch nicht geöffneten Attraktion hängen blieb: eine kreisrunde Apparatur, auf der mehrere Sitze befestigt waren – die Füße ruhten dann scheinbar auf einer Art Pedal, die sich treten ließen. Wenn ich ganz tief in meinen Erinnerungen an diverse Konstruktionen im Artross-Gebirge kramte, kam mir in den Sinn, was das ganze sein konnte… ein „Karussell“! Es war von seiner Größe her zweifellos für Kinder gedacht. Und für Gnome! Ich bekam große Augen und zupfte Kilian am Wams, doch der zog mich kommentarlos weiter. „Das hat noch nicht auf, Tikk!“

Sättigung für unsere Mägen fanden wir in einem er mittelgroßen Zelte, allerdings wurde hier auch prompt der stolze Preis von fünf Sigl verlangt, der mich arg schlucken ließ. Wenn hier alles so teuer war, konnte ich bald nach Corrinis zurückkehren…
Anschließend gingen wir wieder zum Infopunkt, wo uns bereits eine Stadtführung angeboten worden war. Zwar war ich nicht unbedingt an einer staubtrockenen Belehrung über alte Steine interessiert, allerdings mussten wir uns noch irgendwie die Zeit vertreiben, bis Nubliona – das Neujahrsfest – begann. Doch es wurde der enorme Preis von 30 Sigl pro Person aufgerufen! Anduil und Leana zahlten, Pomo beschloss, lieber selbst planlos durch die Stadt zu laufen, was bei seiner Gedächtniskapazität… gewagt war. Kilian und ich beschlossen jedoch, uns nicht lumpen zu lassen. Einer auf der linken, einer auf der rechten Straßenseite begannen wir, der Gruppe aus Festbesuchern und Reiseführer zu folgen, sobald sie losgingen. Allerdings flog der Araner bereits nach wenigen Metern auf und der skeptisch dreinschauende Stadtkundige hielt bereits die Hand offen, um die Bezahlung entgegen zu nehmen. Kilian, natürlich wollte er sowieso bezahlen, übergab großzügig die geforderten Münzen. Währenddessen folgte ein kleiner Gnom schattengleich der Gruppe und konnte auch dank seiner guten Ohren alles mitkriegen, was da so erzählt wurde…

Fiorinde wird von ihren Einwohnern gerne als die gebildetste Stadt Albas bezeichnet, was unter anderem aufstrebende Hochschulorte wie Cambryg gegen den Strich gehen dürfte. Allerdings hat die Stadt allein durch ihr enormes Alter ein hohes Maß an Bedeutung. Noch vor dem Krieg der Magier gebaut, wurde sie nach schrecklichen Verheerungen wieder aufgebaut und ist heutzutage sowohl für die Gilde der Magie (welche sich auf Thaumaturgie fokussiert hat) als auch für die Hohe Schule der Nützlichen Wissenschaften bekannt – einem alten Gebäude, in dem nahezu ebenso alte Gelehrte Vorlesungen über Medizin hielten, dabei jedoch vollkommen auf Maralinga arbeiteten. Keine Ahnung, wer sich so einen großkotzigen Kram geben kann…

Nach der fast dreistündigen Stadtführung setzte ich mich von den anderen ab und verbrachte noch einige Zeit damit, „Material“ ausfindig zu machen. Tatsächlich kam ich billig an eine nicht unbeträchtliche Menge Kraut. Lediglich der Verkäufer wirkte etwas…ach quatsch, wird schon alles stimmen!
Abends setzten Leana, Pomi und ich uns dann für eine weitere Pfeife zusammen und nutzten dabei meinen neuen Stoff… binnen weniger Minuten schien es mir, als würde jemand einfach ruckartig den Vorhang zuziehen.

Das nächste, was in meinen Verstand vordrang, war Anduils beständiges Gemaule, dass wir endlich aufstehen sollten. Verschlafen öffnete ich erst das eine und dann das andere Auge und realisierte nach scheinbar endlosen Minuten, dass ich immer noch in Leana Zelt lag.
„Kilian und ich wollen zum Festzelt, kommt ihr mit?!“
„Ja…ja…“, grummelte ich, wobei mir der Geschmack schlechten Krauts in den Mund stieg. Ui, an der Konzentration musste man noch arbeiten. Schließlich gelang es den anderen und mir dann aber doch, aufzustehen und erst einmal mit den anderen Essen zu gehen. Böswillige Kopfschmerzen blieben jedoch haften und legten sich über den ganzen Tag wie eine schwarze Gewitterwolke.

Doch wie lange konnte ein Tag dunkel und grausam sein wenn das Karussell aufgemacht hatte?! Den kleinen Preis von einem Sigl war ich gerne bereit zu zahlen und schwang mich auf den seltsamen Sitz verknüpft mit einem Drahtgestell und begann zu strampeln, was meine Beine hergaben…bis ich merkte, dass ich dabei eine zusätzliche Eigenrotation erzeugte, die mir beinahe das Frühstück wieder heraustrieb. Trotz Kilians beständiger Anfeuerung, nahm ich ein, zwei Gänge zurück und genoss das gemütliche Dahingleiten der Welt um mich herum. Man mag mein Verhalten für ein klein wenig kindisch halten, aber wer bereits tausende Jahre auf dieser Welt weilte und Götter vergehen sah, der wusste, dass die Meinungen anderer keine Rolle spielten, wenn es um ein verdammtes Karussell ging!

Dann schlug die Uhr jedoch zwölf und wir ergatterten dank Kilian einige gute Plätze im riesigen Festzelt. Rasch waren alle Plätze besetzt und eine magische Verdunkelung setzte ein, um den Fokus auf die Manege zu lenken, die zwanzig Meter unter den erhöhten Sitzen lag. Es wurde still, bis sieben Zauberer wie aus dem Nichts erschienen – es handelte sich um die Veranstalter und damit um einige der bedeutendsten Magier, die Alba zu bieten hatte. Der mittlere war in eine schwarze Robe gehüllt, auf die in irgendeine Art und Weise Fäden und Glitzerstoffe eingewebt waren, dass es wirkte, als hätte er sich in den Nachthimmel selbst gekleidet. Als er den Mund öffnete, erfüllte seine magisch verstärkte Stimme das gesamte Zelt.
Nun, ihr wisst, dass ich kein Freund großer Reden bin, aber am Ende gab es ein hervorragend ausgerichtetes Feuerwerk IM Zelt, welches etlichen Zuschauern Begeisterungsrufe entlockte. Damit war jedoch bereits die Hauptveranstaltung des ersten Tages beendet, wenngleich dies auch nur der Anfang einer ganzen Trideade von Zaubertricks sein sollte. Kilian zog ein wenig die Schnute, weil er sich zu Anfang ein Feuerwerk gewünscht hatte. Also ein metaphorisches. Irgendwie so.

So wurde es Zeit, sich das weitere Gelände anzusehen, um Attraktionen für sich zu entdecken. Dabei stolperten wir zunächst in das Glücksspielzelt, wo um diese Uhrzeit allerdings vollkommen tote Hose war. Danach entdeckten wir einen Stand, der Zucker in klebrige Fäden brachte, um sie auf einem Stil gepackt an kleine Kinder zu verkaufen. Mit großen Augen blickte ich Kilian an und zupfte erneut an seinem schönen, neuen Wams. Seufzend kaufte der Araner mir eine Portion dieser so genannten Zuckerwatte und nachdem er in die Augen der anderen sah, holte er noch vier weitere.

Das nächste abstruse Objekt unserer Aufmerksamkeit war eine riesige Kugel aus festem Stoff, welche aufgebläht in der Luft hing, mit Seilen war ein großer Korb darunter befestigt, der sicherlich Platz für mehrere Menschen bieten konnte. Warte… verblüfft sahen wir einander an. Konnte das ein Gerät zum Fliegen sein? Neugierig stromerten wir los und plötzlich verdunkelte sich die Welt über mir.

Nun, etwas übertrieben, aber da stand jemand vor mir, dessen Schatten so gewaltig war, dass ich einen Moment dachte, die Sonne wäre verschwunden. Es war tatsächlich ein Mensch, zumindest dem Oberkörper nach. Seine Beine waren jedoch zwei Meter lang und es handelte sich ganz sicher nicht um irgendwelche Stelzen: die Hosen gingen gerade mal bis zum Knie. Grinsend rief er zu uns hinunter: „Hallo, Fremde!“
„Grüße, großer Mann. Erstaunliche Beine sind das!“, entgegnete Kilian.
„Nun, ich habe mich einst freiwillig zu einem Experiment gemeldet…den nicht endenden Effekt könnt ihr hier bestaunen. Aber bei Gelegenheiten wie diesen kann ich damit gutes Geld verdienen!“, erklärte Herr Langbein, dem eine grundzufriedene Ausstrahlung anhing, egal was geschehen war. Wir wünschten ihm dann noch einen schönen Tag und gingen zum Ballon hinüber. Leana indes wirkte einige Momente etwas abwesend und schien süffisant über etwas nachzudenken…

Der Besitzer des „Ballon“ genannten Gefährts hieß Kelvin MacBeorn. Er klärte uns auf, dass er bald losfliegen würde und eine mehrstündige Tour lockte. Kilian und Leana waren sofort dabei und nachdem ich für mich den Kinderpreis ausgehandelt hatte (den selbstverständlich mein temporärer Gönner und Mäzen Kilian bezahlte) schloss ich mich an. Anduil blieb skeptisch und Pulmo waren die Mittel zu knapp, sodass er beschloss, sich günstigeren Attraktionen zuzuwenden.
Tatsächlich dauerte es nicht mehr, bis wir abhoben. Trotz des unglaublichen Gewichts von zwanzig Menschen schaffte es Kelvin irgendwie mittels eines Feuers unter dem nach unten geöffneten Ballon irgendwie uns in die Luft zu wuchten. Sobald wir einige Meter Höhe gewonnen hatten, begann der Mann – offensichtlich ein Zauberer – einige kleine Gesten auszuführen und wir begannen uns zielgerichtet auf den Broceliande zuzubewegen. Einige Stunden flogen wir über das grüne Meer des teilweise unberührten Waldes, in dem Legenden und Mythen lebendig waren. Tatsächlich sahen wir eine kurze Zeit lang ein silbriges Schimmern zwischen den Bäumen. Mochte dies Tírthalion gewesen, eine der legendären Elfenstädte, die wie Mondlicht scheinen soll?

Doch dann wandten wir uns bereits ab und es blieb kaum mehr als der Hauch einer Erinnerung, von dem bald die meisten Mitfahrer sagen werden, sie hätten es sich bestimmt eingebildet. Kilians Gesicht blieb dabei eine Mine der Gelassenheit, während Leana den Anblick mächtiger Natur förmlich in sich aufsog. Indes erzählte Kelvin davon, dass er diesen Ballon selbstverständlich nicht allein gebaut habe, sondern dies ein Produkt jahrelanger Arbeit zusammen mit einer ganzen Riege von Zauberern war. Die Frage unseres steinreichen Araners, ob man so etwas kaufen konnte, verneinte unser Luftkapitän als wäre es eine Beleidigung. Gleichzeitig belehrte er uns, dass nur ein entsprechend ausgebildeter Magier steuern könne, sodass für alle anderen ein Flug unkontrollierbar wäre.
Als wir uns dann wieder Fiorinde und auch dem Boden näherten, wurde es etwas unruhiger im Korb. Trotz der magischen Fähigkeiten Kelvins ruckelte und zuckelte es immer wieder und als wir aufsetzen geschah dies nicht sanft wie eine Feder, sondern eher ruppig wie ein geschleuderter Stein. Unglücklicherweise stolperte ich nun über meine Füße und beinahe in die Arme eines Mitfahrenden, der ebenfalls gerade Mühe und Not hatte, nicht zu stürzen. Durch einen seltsamen Zufall zerriss dem Mann dabei die (aber auch viel zu dünne) Schnur, die seinen Geldbeutel am Gürtel hielt. Als die gute Seele, die ich war, bückte ich mich rasch danach und hob die Börse auf. Der arglose Herr war jedoch bereits aus dem nun ruhenden Korb herausgetaumelt und schien seinen Verlust nicht bemerkt zu haben. Nun, wer’s findet, darf’s behalten!

Nach dieser glorreichen Landung bewegten wir uns auf einen Stand zu, der durch einen langen Holzbalken auffiel, der gen Himmel ragte. An diesem entlang konnte eine Kugel nach oben geschlagen werden, sofern man mit einem großen Hammer mächtig genug draufschlagen konnte. Anduil begrüßte uns bereits grinsend. „Das ist ‚Hau den Sakul‘. Ich habe schon mal einen Rekord eingestellt, falls ihr euch daran versuchen wollt!“
Leana und ich machten demonstrativ einen Schritt zurück. Solche Form irrational ausgebrochener Stärke war nicht den edlen Tugenden eines Gnoms entsprechend! Aber für Kilian schien das durchaus einen Reiz zu haben und bereitwillig zahlte er die Sigl für einen Versuch. Mit einer fließenden Bewegung nahm er den großen Hammer vom Besitzer des Standes entgegen, führte ihn über den Kopf und ließ ihn mit einem ordentlichen Krachen auf die Trefferfläche niedersausen – die Glocke schoss hoch, weit über meinen Kopf hinaus. Doch das magische Läuten für einen neuen Rekord blieb aus. Anduil, kurz nervös geworden, lachte fröhlich und klopfte Kilian aufmunternd auf die Schulter. „Komm, lass uns ein Bier trinken gehen…“

Nicht mit dem Ehrgeiz des Araners! Der bezahlte für eine zweite Runde. Wieder nahm er den Hammer hoch, merkte jedoch gleich, dass es so nichts würde. Er griff um, schlug zu. Und scheiterte erneut. Nun… Kilian blieb stur. Es folgten die Versuche drei, vier, fünf…sechs…zehn…zwanzig…

Es war jener zweiundzwanzigste Anlauf, als Kilian den Hammer nahm und in einer flüssigen Bewegung zum Himmel erhob, dass der gewaltige Kopf dieses Instruments beinahe die Sonne verdunkelte. Dann ließ er der Schwerkraft ihren Lauf, warf sich obendrein mit all der Stärke seiner Muskeln in den Schlag und beförderte die Glocke zehn Zähler weiter als Anduils bisher ungeschlagenen Rekord!
Endlich glücklich mit sich und der Welt, nahm der berserkartige Rausch des Araners sein Ende und wir konnten uns in das Glücksspielzelt verdrücken, wo sich jeder ein Dünnbier holte, dann aber auseinanderging. Schließlich wollten wir uns nicht untereinander besch… ähm, uns nicht den Erfolg nehmen…

Kilian versuchte sich wohl an Messerstechen, Leana ging tanzen und ich suchte mir eine Bande der grimmigsten Tegaren, die aufzufinden waren, und mit einem breiten Grinsen meine Karten auf den Tisch knallte. „Spiel?“

Es ging immer wieder hin und her und es wurde klar, dass ich nicht der einzige war, der spezielle Techniken zum Einsatz brachte. Doch war ich derjenige, der sie wahrlich künstlerisch vollendet hatte – Niederlagen dienten lediglich der Täuschung, möchte ich sagen. So flossen mir nach etlichen Runden insgesamt achtunddreißig Sigl in die Tasche! So langsam war ich wieder flüssig. Auch Kilian schien Erfolg gehabt zu haben, dem griesgrämigen Eindruck seines Kontrahenten zufolge. Nach diesem Triumph ging er auch kurz auf die Tanzfläche, allerdings nicht zu Leana. Die Turtelei zwischen den beiden schien mittlerweile beendet. Ich ging nun jedoch zu Bett, denn Pumos Vorschlag, etwas zu rauchen, konnten wir ohne Leana nicht umsetzen.

Der nächste Tag brachte zunächst nicht viel Neues. Ich erstand mir eine Meerschaumpfeife, während die anderen bei einer Tombola mitmachten. Später wurde mir noch erzählt, dass Anduil erneut den Tagesrekord für Hau den Sakul einstellte, woran Kilian erneut lange verzweifelte. Zur Aufführung trafen wir uns wieder und erlebten von den der Großen und Erhabenen Gilde der Magie eine eher klassische Zaubereiaufführung, wie man sie – natürlich in kleinerem Maßstab und nicht unbedingt magisch – von Jahrmärkten kannte. So wurden Freiwillige in Scharen in die Luft erhoben oder auch in Luft aufgelöst. Wenn ich mich nicht verzählt hatte, dann waren aber auch alle wieder sicher zurückgekommen. Außerdem erfuhren wir, dass sogar die junge Königin Soredamor anwesend war.
Deren königlichen Fanfarenmeister trafen wir kurz danach: Nox Auertopf, seines Zeichens Gnom, war pflichtbewusster Verkünder der Majestät – sich allerdings auch nicht zu schade, abends bei uns vorbeizuschauen, um meine Meerschaumpfeife anzurauchen.

Am Morgen ging es dann wieder etwas denkwürdiger los, als eine gut aussehende, junge Dame Leanas Zelt mit einem leicht glasigen Blick verließ und verträumt davontrottete. Wenig später kam auch die Schamanin selbst heraus, merkwürdigerweise mit roten Haaren!
Während ich mir grinsend zusammenreimte, was das junge Ding für neue Erfahrungen mit unserer Moravin gemacht hatte, lieferten Anduil und Kilian sich ein Wettrennen zu ihrem Hammerspiel. Ich glaube das Ergebnis ähnelte dem der letzten Tage…

An diesem Tag bespaßten uns die Novizen aus Cambryg mit einem Schauspiel auf der Manege. Darsteller waren jedoch keine Menschen, sondern verzauberte Porzellanpuppen, deren regungslose Gesichter und ruckartigen Bewegungen ohne weiteres eine Gänsehaut über meinen Körper jagten. Als dann noch welche dieser Gestalten durch die Reihen liefen, sprang ich mit einem Satz auf Leanas Schoß… verlegen hockte ich mich wieder normal hin, als ich mich beruhigt hatte…
Am Ende wurde uns jedoch von Myrdin von Mordan eine große Feuerschau für den nächsten Tag angekündigt!
Anschließend gingen wir Dosenwerfen, wo allerdings mit enorm schweren Kugeln gearbeitet wurde. Natürlich gab man mir auf Anfrage eine Kinderkugel – doch trotz jahrelanger Erfahrungen auf den Marktständen dieser Welt wollte mir der Wurf beim ersten Mal nicht gelingen. Irgendwas war da falsch. Der zweite war dann erfolgreich, doch seltsam blieb die Sache dann doch. Kilian verzettelte sich indes wieder mal in einen Kleinkrieg mit den Dosen und versuchte durch sein vieles Geld, also viele Versuche, sein Unvermögen wettzumachen. Oh… ich hoffe, er liest das hier nie.

…nach einem langen Kampf gegen die offensichtlich getricksten Kugeln, gelang meinem Gönner und Mäzen ein meisterlicher Wurf, mit dem er alle Ziele auf einmal umschmiss!

Abends holten Leana, Pomu und ich uns jeweils vier Mal die „Nachtigall“, einen extrem harten Schnaps, der vom Geschmack her jedoch intensiv nach Beeren schmeckte. Und nach den Schanepesen…

Schon wieder? Ernsthaft, Tikkmikk?

Als ich das nächste Mal mit meiner gesamten Körperkraft mein Augenlid aufriss, stand die Sonne bereits beinahe auf Mittag, das hieß…die Feuershow! Ich würde sie noch verpassen!
Hastig stürmte ich los und eilte durch die Massen hindurch zum Eingang des großen Zelts, bis mir auffiel, dass ich mein Geld vergessen hatte. Doch Leana, die kurz nach mir herbeirannte, war zum Glück schlauer als ich und konnte den Eintritt für uns bezahlen. Pomu kam dann irgendwann gemütlich nachgeschlappt.

Kaum hatten wir unsere Plätze eingenommen, schlugen alle Fackeln im Zelt noch einmal kräftig aus, ehe sie verloschen. Ein Raunen ging durch die Menge, als aus beiden Pforten der Manege jeweils zehn Männer und Frauen herausmarschiert kamen, welche lange Stäbe in den Händen hielten. Einzig kleinere Feuer, scheinbar wahllos in den Sand geworfen, erleuchteten die Szenerie. Nachdem die beiden Gruppen voreinander in Aufstellung gegangen waren, kamen zwei Magier in schwarzen Roben herein; rote Intarsien auf ihrer Kleidung schienen aus sich selbst heraus zu leuchten und vermittelten den Eindruck, als wäre einer der beiden aus Magma während der andere die helle Flamme frisch entfachten Feuers war. Sie stellten sich hinter ihren Kohorten auf, hoben die Hände majestätisch zu beiden Seiten empor und lösten sich vom Boden. Ein erneutes Raunen, als Magma auf Flamme zeigte und mit dem Finger über die Kehle fuhr.
In diesem Moment begannen Trommeln von überall her zu erklingen und sie spielten den schnellen Rhythmus des Krieges. Die Stäbe der Soldaten entflammten an beiden Enden und sie rannten aufeinander zu, um sich im wilden Kampf miteinander zu messen. Die Krieger Magmas führten langsame Hiebe, bei denen das Feuer an den Waffen aufflammte und zu weilen zähflüssig herabtroff. Ihre Widersacher waren wie hektisches Flackern, nahezu ungreifbar und entgingen immer wieder mit Pirouetten und Salti den Attacken ihrer Feinde. Und immer zum Takt des heftigsten und tiefsten Schlages der Trommeln, zuckten Flammenlanzen über ihre Köpfe – als sich die beiden Generäle höchstselbst in die Schlacht einmischten. Sie beide wichen jedoch den Angriffen ihres Duellpartners immer wieder mit Leichtigkeit aus, in dem sie immer weiter nach oben flogen, sodass es bald wie ein Tanz wirkte, der sich schraubenartig zur Spitze hinzog.
Die Schlacht am Boden wirkte jedoch bald entschieden – von den Kämpfern der Flamme waren bereits sieben verloschen und zähe Lava schränkte ihre Bewegungen immer weiter ein. Doch ein lauter Schrei und ein Meteor ging nieder. Der Magma-General war getroffen worden und prallte begleitet vom erschreckten Aufkeuchen hunderter Menschen auf den Boden. Die Trommeln verstummten und der Kampf in der Manege endete. Langsam glitt der siegreiche Feldherr herab zu seinem niedergestreckten Widersacher und reckte bereits die Hände triumphal empor.
Ein neuer Schrei, diesmal tiefer…und tierischer. Die Stimme des Besiegten überschlug sich, wurde zu einem Fauchen und schließlich zum Inbegriff dessen, was ich als das tiefste und wahrste Geräusch von Feuer bezeichnen würde. Flammen sprengten von dem General weg, als er wieder auf die Knie ging und schleuderten alle Umstehenden zu Boden. Dann sprang sie Peitschen gleich zurück und bildeten ein seltsames Knäuel aus Glut und Hitze um den Mann, der plötzlich Form annahm. Flügel krochen aus dem Rauch und ein schuppiger Körper folgte. Schließlich kauerte ein fünfzig Meter langer Drache aus reinem Feuer in der Manege, setzte zum Sprung an und mit einem lauten Gebrüll stürzte er sich auf den kläglich schreienden Magier, der törichterweise auf wenige Meter herangekommen war. Es gab ein leises Aufprallgeräusch des gefallenen Leibes – dann flog der Geschuppte einmal über unsere Köpfe hinweg und ließ uns alle seine Hitze spüren.

Dann wurde es wieder hell um uns herum und die grandiosen Magier in der Manege verneigten sich Hand in Hand nacheinander vor jeder Seite des Publikums, zum Schluss noch zweimal vor Königin Soredamor. Zum Abschied verkündete ihr Sprecher: „Flammende Grüße aus Crossing! Vergesst nie: Preist die Sonne. Immer!“

Anschließend konnte man noch dutzende Menschen beobachten, die über den Festplatz eilten und sich scheinbar in Flammen gesetzt hatten. Doch nach all dem Licht und Flackern, brauchte ich erst einmal eines dieser Fladenbrote, das man hier mit Fleisch befüllte…und Knoblauch. Viel davon!
Derart imprägniert gegen jegliche Annäherung menschlicher Individuen an mein alkoholgeplagtes Selbst suchte ich mir ein sonniges Plätzchen und machte es mir bequem.

Am nächsten Tag fand keine Aufführung statt, dafür jedoch eine Auktion, bei der allerlei magisches Zeug angeboten wurde. Und entweder war das Wegwerfware oder kanthaipanesische Massenproduktion, denn die Preise waren erstaunlich niedrig. Leana erstand beispielsweise ein „Messer des Teilens“, welches alles, außer Fleisch wie Butter durchschnitt – gerade einmal 120 Sigl! Und da kam sie…meine Chance auf eine magische Waffe! Mit Erstaunen beobachtete ich, wie die so genannte Glücksklinge als Verlängerung des Armes angeboten wurde. Doch ich war nicht alleine, bald waren die Gebote jenseits meiner finanziellen Leistungsfähigkeit und selbst Kilian schien nicht mehr in der Lage mitzuhalten…
Doch ich guckte mir den Schnösel aus, der schließlich mit einem breiten Grinsen ein Schriftstück überreicht erhielt, mit dem er sich die Waffe abholen konnte. Einem Schatten gleich, heftete ich mich an seine Fersen und wartete bis nach der Veranstaltung ab, als er das Kurzschwert abholte und sich schließlich durch die Masse hindurchkämpfte, die über den Festplatz stromerte. Überraschend stolperte ich gegen ihn, spritzte ihm Wasser ins Gesicht, während ich mit der anderen Hand die Glücksklinge griff. Vollkommen verdutzt fiel der Mann hintenüber, während ich mit meiner Beute so schnell davonrannte, wie es einem Gnom kaum möglich schien!

Ha! Die Waffe ist mein! Mein eigen, mein liebes, mein…Schatz!

Nach dieser glorreichen Aktion, versuchten Pumo, Leana und ich uns gemeinsam als Gauklergruppe, doch es schien der Wurm drin. Mein alter Bekannter nutzte unsinnigerweise die Flöte, mir glitten die Bälle aus den noch vor Freude zitternden Fingern und Leana…was auch immer sie mit ihrer Flöte anstellte, es sah nicht nur seltsam aus, es klang auch mehr wie das, worüber Katzen jammerten.
Doch sie erhielt bald Möglichkeit zur Rehabilitation: Nachmittags wurde eine Stadtrallye ausgerufen mit lediglich einem Hinweis: „Die Sichel ist es nicht!“
Während sich Pumo, Kilian und ich uns bereits über die Stadtkarte beugten und alles Mögliche als Sichel interpretierten, meinte Leana überzeugt: „Erinnert ihr euch nicht an die Statuen von der Stadtführung? Da gab es doch für jeden Mond eine Spezielle!“
Nachdem wir unsere Anerkennung für diesen Erinnerungsakt geäußert hatten, eilten wir schnell dorthin und fanden uns bereits umgeben von anderen Suchenden. Tatsächlich hielt auch eine dieser Statuen eine Sichel in der Hand, auf der anderen Seite war eine Frau mit Spindel. Wir teilten uns auf, um in beide Richtungen zu suchen – doch nichts, außer dem aufgewirbelten Staub anderer Wettkämpfer. Aber als wir uns wieder an der Säule trafen, wurden wir Zeuge einer jener seltenen häufigen Momente, in denen Kilian sein Genie zeigte (zugegeben: es werden wirklich mehr) und an den Bild der Frau herumtastete…und ehe jemand etwas Schweinisches rufen konnte, nahm er die Spindel heraus und sprang zu uns herunter.
Siegesgewiss gingen wir zum Zelt zurück. Entweder waren wir nun offiziell Vandalen oder hatten die Rallye gewonnen – zu unserem Glück war letzteres der Fall und unserem Meistermittler wurde ein Kettenhemd aus leicht glitzerndem Metall in die Hand gegeben. Aíthinn oder Sternensilber… die Schönheit dieses Materials kann selbst mein zynischer Geist kaum leugnen. Es erschien mir zwar seltsam für so eine schnöde Tat, derartiges überreicht zu bekommen, das sicherlich den Wert des gesamten Halfdals ausmachte – aber die Magier Albas schienen sehr darum bemüht, erfolgreich zu debütieren, um im nächsten Jahr das Fest wiederholen zu können.

Doch was wären all die Feierlichkeiten ohne eine Prise Tragödie hier und etwas Dramatik dort. Als wir am nächsten zum Auftritt unseres Kontakts Dwyllianred MacCeata gehen wollten, erfuhren wir, dass dieser ausfallen musste und suchten besorgt die Verwaltung auf. Einer der dortigen Wachmänner, namens Caileass nahm sich unserer an. Ein auffällig langer, etwas überraschter Blick galt dabei Leana, die ihrerseits recht erfreut wirkte, ihn zu sehen. Woher kannten die beiden sich nun schon wieder?

„Dwyllianred ist seit vier Tagen verschwunden. Wir wissen nicht, wo er hin ist und das hat unsere ganze Organisation durcheinandergeworfen, war er doch als Dispositor vielleicht der einzige, der den kompletten Überblick hatte.“
„Vier Tage?! Habt Ihr denn nicht schon gesucht?“
„Nun, das hier ist ein Großereignis und wie gesagt, er war derjenige, der die Oberaufsicht hatte. Es hat keiner in die Hand genommen, Anweisungen zu erteilen und wir Wachleute konnten uns nicht einfach selbstbestimmt auf die Suche machen.“

Das da was faul sein musste, sprang uns allen direkt in die Nase. Eine Organisation, die das hier alles schultern konnte, wenn der Hauptorganisator vier Tage lang verschwunden blieb, würde sich nicht aus Versehen den Fehler erlauben, nicht nach eben jener Person zu suchen.
Der erste Ansatz, dass es sich um ein inneres Problem handeln musste, wurde bestätigt, als Leana die Unterlagen des Dispositors untersuchen durfte. Es fand sich dabei eine Übersetzung von Alezias kryptischem Brief, den wir überbracht hatten. Kurz gesagt stand dort: „Halwin ist verdächtig.“ Caileass teilte uns anschließend mit, dass es sich dabei um einen Magier handelt, der kleinere Tricks für Kinder aufführt. Allerdings war die Zeit für seinen Auftritt bereits vorbei und er konnte sich gerade überall aufhalten.
Leana beschrieb uns also zunächst Dwyllianred – außer Kilian und ihr hatte ihn keiner gesehen: ein etwa vierzig Jahre alter Mann, der seine pechschwarzen Haare zu einem Zopf gebunden hatte. Gekleidet war er eine gut geschneiderte Robe aus blauen und schwarzen Stoffen.

Anschließend teilten wir uns auf, um an verschiedenen Orten nach Sichtungen des Verschwundenen zu fragen. Anduil nahm sich dabei die Kneipen vor, Pomu rief sich einen Straßenköter herbei, um einer Duftspur nachzugehen, ich ging in den Hafen, Kilian suchte nach zwielichtigen Kontakten in der Stadt und Leana suchte den Festplatz ab.
Es dauerte eine Weile, bis ich feststellte, dass mein Ansatz nicht sonderlich erfolgreich sein würde. Daher ging ich niedergeschlagen zurück zum Festplatz – wo ich Kilian und Leana wiederfand, welche scheinbar bereits der Lösung nahe waren. Sie hatten Halwins Zelt gefunden und Leana konnte nach geschicktem Einschleichen erspähen, dass sich dort vier Gestalten aufhielten und mit ganzen Kisten voller Sigl-Münzen ausgestattet waren. Kilian erläuterte, dass es sich dabei wohl durchweg um Fälschungen handelte. Wir waren wohl auf groß angelegte Kriminalität gestoßen und jetzt war es Zeit, Verstärkung zu holen. Während ich eine Seilfalle an der Hinterseite des Zeltes konstruierte und der Ermittler den Überblick behielt, holte Leana Caileass herbei, der gleich einen ganzen Trupp von Wachen mitbrachte. Entschlossen verteilten diese sich um den Zelt und dann rief der Offizier nur noch: „Zugriff!“
Wie ein Mann, glitten die Wachmänner durch drei Seiten des Zeltes und man hörte von drinnen nur noch überraschte Rufe und dumpfe Schläge, als die Knüppel jene zu Boden schickten, die sich wehrten. Zwei versuchten in Kilians und meine Richtung zu fliehen, stolperten jedoch über meine Falle und waren direkt von den Wachen überwältigt.

Bei den Männern handelte es sich um drei Zwerge sowie den Zauberer Halwin, welcher äußerst aufgebracht abgeführt wurde. Kilian und Leana folgten dem Tross, insbesondere der Araner konnte sich mit seinen Verhörtechniken als nützlich erweisen.
Ich kümmerte mich indes um die Hinterlassenschaften unseres brandneuen Häftlings. Gierig durchwühlte ich seine Kisten und Taschen, doch fand nicht mehr Nützliches, als ein wenig weißes Verschwindepulver. Der Rest war tatsächlich nur Kinderspielerein.

Da steckte plötzlich ein bärtiger Zwerg seinen Kopf herein und starrte mich überrascht an. Ein Spätankommer! Der drehte sich auf der Stelle um und rannte los, doch er hatte nicht mit der Reaktionsschnelle eines Tikkmikk Rasfareen gerechnet! Sofort warf ich das einzige nach ihm, was mir gerade zur Hand war…das Verschwindepulver. Nun, manch einer mag sagen: perfekte Idee, jetzt kann er doppelt gut davonlaufen, sehr gut gemacht! Das gibt ein Sternchen.
Aber diese Zweifler hatten nicht mit der Genialität eines jahrtausendealten Verstandes gerechnet – mein präziser Wurf ging über die Schultern des Mannes hinweg und der Rauch platzte vor ihm auf. Die Verpuffung trieb Körner in die empfindlichen Augen des Zwerges und er ging vor mir auf die Knie. Mit einem ordentlichen Satz war ich über ihn und fesselte seine Pranken mit einem Stück Seil. Dann wartete ich auf einen herumlaufenden Wachmann, der diesen Verbrecher abführen konnte.

Später erfuhr ich dann, was bei der Befragung Halwins herausgekommen war. Hier spielte noch einmal Kilian eine große Rolle, der im Verhör quasi binnen weniger Sekunden erfuhr, was er wissen wollte.
So hatte der Magier Kontakt zu den Zwergen aufgenommen, welche für ihn Sigl-Münzen in großen Maßstäben fälschen konnten. Er gab noch den letzten magischen Schliff dazu und so hatten sie bald kistenweise Zahlungsmittel, das sie bald in Gold umgesetzt hätten. Der Gewinn wäre enorm gewesen, da der Materialwert des „Zaubergelds“ nahe null ging. Doch der Dispositor Dwyllianred MacCeata kam ihnen auf die Schliche…und wurde von den Zwergen auf Anweisung Halwins entsorgt. Dazu passte dann auch noch der letzte Hinweis Pomus, der eine Fährte des verlorenen Verwalters bis zum Meer hin verfolgt hatte.

Doch dann kamen wir ins Spiel und binnen eines halben Tages war die Sache erledigt. Stolz erwarteten wir die Belohnung, die uns die Magier Albas für diese Leistung übergeben würden. Doch wir erhielten nicht eine müde Goldmünze. Stattdessen versprach man uns Vergünstigungen, wenn wir Zauber lernen wollten, da man die Ausbildung selbst übernehmen könne… verdutzt starrten wir den Überbringer der Nachricht an. Die einzige, die wirklich davon profitieren würde wäre Leana. Unsere Schwerpunkte lagen dann doch eher in anderen Bereichen. So nötigten wir den Magiern dann gerade so noch Zuschüsse für unsere Unkosten in Fiorinde ab; was jedoch auch auf die Waffenlehrmeister und die Unterkunft beschränkt blieb. Seufzend sah ich ein, dass ich hier wohl zu Nichts kommen würde. Genau genommen war das doch keine Belohnung: man durfte nur weniger ausgeben. Man bekam nichts. Geizkragen!

Doch ich möchte hier nicht in Grimm verweilen, denn die nächsten Tage boten uns noch einiges Schönes. So wurde bei einer Aufführung das Zelt „geflutet“ und Fische schwammen an unseren Köpfen vorbei. Bei einer anderen erschien die Zeltplane gar als Sternenhimmel und an einem Lagerfeuer erzählten einige Zauberer mythische Geschichten, bei deren Worten sich der Rauch in riesige Tiere und stolze Krieger verwandelte. Schließlich gab es sogar noch eine weitere klassische Zaubershow, bei der ich als Freiwilliger „verschwand“ und als Entschädigung für einen fünfminütigen Aufenthalt in einer engen Kiste einen dicken Smaragd erhielt. Nun, DIESE Magier gefielen mir!

Dann kam jedoch auch schon das Ende des großen Fests. Am Myrkdag wurde ein gewaltiges Feuerwerk in den Himmel geschickt. Einen Moment lang wunderte mich das, da bei den (aber-) gläubigen Albai dieser Tag als unheilig und gefahrvoll galt. Dem begegneten die Magier jedoch mit Strohpuppen, welche symbolisch für alle bösen Geister dieser Welt verbrannt wurden!

Damit fand auch dieses Abenteuer sein Ende und wir verbrachten die weitere Zeit in Fiorinde.

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One thought on “Die Zauberer von Alba

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