Die Schlacht der Verfluchten

Ehe wir aufbrachen gab es jedoch einige Dinge zu klären. Miyako hatte sich lange geheimnisvoll gegeben und sich bemüht, so wenig von sich preis zu geben, wie dies möglich war. Ein Schloss zu knacken war eine Sache, ihre große Begabung im Schwertkampf eine andere. Doch die Kenntnisse einer Meuchelmörderin, mit der Präzision einer Ärztin genau die zentralen Lebensknoten eines Menschen zu attackieren… Das beunruhigte mich.
Und so nahm ich Miyako an einem Abend in unserem Gasthaus zur Seite. Sie schien bereits zu ahnen, worauf es hinauslaufen würde und wirkte ebenso wenig angespannt wie sonst auch.
„Nun, Miyako. Wir kennen uns jetzt schon eine ganze Weile“, begann ich. „Besitzt du eigentlich einen Nachnamen?“
„Ja… Kinjo. Miyako Kinjo.“
„Sehr schön! Also, nachdem wir nun die verfänglichen Fragen geklärt haben…“, versuchte ich die Situation mit einem denkbar schlechten Scherz aufzulockern. „Mir ist nicht entgangen, wie du Gormigust angegriffen hast. Oder wie du einen der Zombies vor seinem Turm hingerichtet hast. Das ist keine Allerweltsfertigkeit. Solche Kenntnisse sind Assassinen vorbehalten… sag mir, wo hast du das gelernt?“


Miyako schien einen Moment zu überlegen, dann sagte sie: „Ich denke, wir kennen uns mittlerweile lange genug und ich glaube, ich kann dir in einem gewissen Rahmen vertrauen. Meine Ausbildung erhielt ich bei den KuroScha in KanThaiPan. Das bedeutet so viel wie die ‚Schwarzen Mörder‘.“
„Eine Vereinigung von Meuchelmördern? Untersteht ihr eurem Kaiser oder wie legitimiert sich eine derartige Organisation?“, fragte ich, während mir ein unangenehmes Kribbeln im Nacken aufstieg. Ich kannte Miyako bereits eine ganze Weile, doch solche Fragen einer Assassine zu stellen war immer gefährlich. Denn man wusste nie, ob man mit einer Antwort auch leben durfte.
Doch die KanThai wirkte entspannt. Vielleicht war es die große Entfernung zur Heimat, die es ihr erlaubte, mir solche Dinge zu erzählen, ohne mir bereits Gift eingeflößt zu haben… Mit plötzlichem Unwohlsein musterte ich meinen Tee.
„Wir sind… unabhängig. Es ist schwer unsere besondere Rolle in KanThaiPan zu erklären, da du unsere Kultur so wenig kennst. In erster Linie dienen die KuroScha unserer Göttin YenLen und daher stehen Priester an unserer Spitze, die ihren Willen deuten. So werden dann auch unsere Ziele ausgewählt – es ist von der Göttin vorherbestimmt, dass sie sterben.“
Ich schluckte schwer. Miyako sprach, als wäre sie ein einfacher Schlachter. Der Tod unvermeidlich, die Assassinen lediglich als vollendende Kraft. Keine Gedanken an das Warum oder, dass es sich um Menschen handelte…
„Wenn ihr also einer Religion folgt, erfüllt ihr also keine Auftragsmorde? Keine Tote gegen Geld?“, hakte ich nach.
„Doch. Wer mit ausreichenden Mitteln an uns herantritt, dem ist YenLen gewogen. Dann können wir einen Kontrakt abschließen. Eine Ausnahme machen wir hierbei für den Kaiser – die Gunst der Göttin für ihn ist natürlich unbestritten, daher erfüllen wir jegliche Wünsche für ihn ohne etwas zu verlangen.“
„Das klingt ehrlich gesagt, als wäre euer religiöser Anspruch etwas vorgeschoben, Miyako“, erwiderte ich – und atmete erst entspannt aus, als ich sah, dass die KanThai mit Kritik gut umgehen konnte.
„Wir erfüllen Aufträge in erster Linie aus eigenem Interesse. Wenn sich das mit weltlichen Entlohnungen deckt, dann kann das nur von Vorteil sein“, erklärte sie, als hätte sie dieses Mantra bereits hundertmal beschworen. Ich verzichtete auf eine weiterführende Diskussion in diese Richtung, denn es gab noch andere, dringlichere Dinge zu klären.
„Miyako… soweit die Gerüchte stimmen, die ich vernommen habe, so sind solche Vereinigungen doch meist sehr verschworen und ihre Mitglieder haben gewichtige Verbindlichkeiten. Du bist jedoch schon sehr lange bei uns…“
„Ich bin wegen dem Tod meiner Schwester freigestellt worden, um dieser Sache auf den Grund zu gehen. Und sie zu rächen.“
„Aber Niall ist bereits einige Zeit tot, oder nicht? Dehnst du deine Freistellung zurzeit etwas aus?“
„Niall… war nur der Anfang“, erklärte Miyako und beließ es dabei. Und damit schien die Fragerunde beendet zu sein. Immerhin war nun klar, dass sie noch immer ein gewichtiges Interesse verfolgte… hoffentlich keines, was sich mit jenen in die Quere kam, die der Rest von uns verfolgte. Was dann geschehen würde, wollte ich mir nicht in Alpträumen ausmalen und so beschloss ich, dieses düstere Thema vorerst auf sich beruhen zu lassen.

Nach diesem Gespräch beschlossen wir zusammen mit Olo und Groam, dass wir die letzten Einkäufe erledigen sollten, um bald aufbrechen zu können. Dabei machten wir uns auf den Weg in die naheliegende Siedlung. Téamhair war vor allem ein spirituelles Zentrum in Erainn und durch das Heiligtum bekannt. Das kleine Dorf am Ufer des Flusses Runan namens Cuannin Nathrach war dabei kaum nennenswert. Wir erwarteten dementsprechend nicht viel und wurden sogar noch etwas enttäuscht. Die Waffen, die wir erstanden, waren unverhältnismäßig teuer und ich fand nicht einmal einen Speer, der wirklich angemessen gewesen wäre, um als Ersatz im Notfall zu dienen. Verdrossen wählte ich also eine leichtere Variante meiner Waffe, mit der ich deutlich geringere Durchschlagskraft entwickeln würde. Immerhin die Pferde und Ponys wurden zu einigermaßen gewöhnlichen Preisen angeboten. Olo beschwerte sich zwar, dass wir Reittiere erstanden für die Reise, aber als er nach einigem Überlegen darauf kam, dass das immer noch bequemer war, als zu laufen, übernahm er die Verhandlungen. Es gelang ihm hier und da noch etwas für uns herauszuhandeln, doch wir waren nichtsdestotrotz ziemlich geschröpft – auch weil bereits viel Gold an unsere Ausbilder in den letzten zwei Monaten geflossen war. Miyako musste sich sogar bei mir verschulden, um ihre Kosten tragen zu können.

So hatten wir bereits alles beisammen außer haltbarem Proviant, daher kehrten wir in unser Gasthaus zurück und ich sprach etwas mit dem Wirt. Nachdem das Notwendige geklärt war, erkundigte ich mich noch, was der Mann so über Mallachtéara wusste.
„Das verfluchte Land? Nathir verhüte es, dorthin solltet ihr nicht reisen. Es ist eine weitgehend leere Ebene. Kaum ein Mensch wohnt dort und selbst Tiere scheinen Mallachtéara zu meiden. Und natürlich gibt es da unzählige Gerüchte, Mythen und düstere Erzählungen…“
„Leider werden wir das in Kauf nehmen müssen“, entgegnete ich. „Kennt Ihr Dörfer in der näheren Umgebung? Uns wurde berichtet, dass nicht weit von Téamhair eine Siedlung ist.“
Der Wirt überlegte eine Weile, ehe er sich zu erinnern schien. „Ja, ja. Soweit ich weiß gibt es gerade mal ein Dorf, was man als ‚nah‘ bezeichnen könnte. Das ist Arthlinn, etwa fünf Tagesritte entfernt. Dafür müsst ihr in nordöstlicher Richtung reisen, die Straße entlang. Ich habe eine Karte der Umgebung, falls Interesse besteht?“
„Natürlich, das kann nicht schaden.“

Und so kaufte ich dem Wirt noch eine grobe Skizze ab, die für die allergröbste Orientierung reichen dürfte. Weitere Informationen konnte er uns jedoch nicht liefern, selbst die Pilger, die herkamen schienen andere Wege benutzt zu haben oder sprachen nicht viel über das Verfluchte Land. Meine Befürchtung wuchs, dass der Name sich alle Ehre machen würde.
Wir beendeten unseren letzten Abend in Téamhair mit einem gemütlichen Abendessen, das uns Olo ausgab. Dann gingen wir früh zu Bett, um am nächsten Morgen mit den ersten Sonnenstrahlen aufbrechen zu können.

Es war der sechste Tag der ersten Trideade des Draugmondes als wir aufbrachen. Kalte Winde hatten das Land erfasst, der Winter war während unseres Aufenthalts in Téamhair gekommen. Doch mit ausreichender Kleidung vermochte das harsche Wetter uns nicht aufzuhalten. Wir folgten zunächst der Straße in südöstlicher Richtung während wir im Norden die Naomhardán sehen konnten – die „Heiligen Höhen“ Erainns.
Die ersten drei Tage vergingen ereignislos. Die Straße führte schließlich nach Norden in Richtung der Stadt Ealalinn. Doch im Winter waren nur sehr wenige Händler unterwegs, sodass wir uns in den weiten Ebenen Erainns etwas verloren vorkommen konnten.

Erst am vierten Tage kamen wir zu einer Weggabelung und eine Straße zweigte in östliche Richtung ab. Dies war die Strecke, die wir gehen mussten. Nun erst betraten wir die Mallachtéara, das Verfluchte Land. Groam hatte uns mittlerweile noch Geschichten von Zyklopen erzählt, die hier ihr Unwesen treiben sollten und mittlerweile hatte ich das Gefühl, dass selbst das Erscheinen eines solchen, einäugigen Riesen mich nicht mehr würde verwundern können.
Der Weg war deutlich schlechter ausgebaut, da es keine Stadt gab, zu der er führen konnte und laut den Berichten ohnehin jeder, der konnte, Mallachtéara mied. Und tatsächlich fiel mir auf, wie wenige Tiere hier unterwegs waren und man fand auch keine vereinzelten Gehöfte oder andere Anzeichen menschlicher Anwesenheit in diesem Landstrich – unseren einsamen Pfad einmal ausgenommen. Die umliegenden Hügel erschwerten außerdem, dass man sich einen Überblick verschaffen konnte. Unbehagen war unser Begleiter während der ersten Stunden auf der Straße.

Wir trotteten gerade durch einen kleinen Engpass. Die Hügel links und rechts waren recht steil und nicht so leicht zu erklimmen und ragten außerdem hoch genug, dass man nicht über sie hinwegsehen konnte. Als wären wir in einem engen Tal war uns jede Übersicht geraubt. Und plötzlich hörten wir Schritte, Rufe und wie Schwerter aus ihren Scheiden gezogen wurden. Fluchend hielten wir an, dann waren wir bereits umzingelt. Mindestens sieben Räuber waren vor uns, aber genauso viele auch hinter uns. Sie waren bunt gemischt, einige führten Dolche, andere aber sogar Langschwerter. Ihre Rüstungen waren in guter Verfassung und sie wirkten deutlich organisierter als eine einfache Bande von Wegelagerern. Ein mulmiges Gefühl stieg in mir auf und dann rief einer der Männer auf Erainnisch: „Ergebt euch oder sterbt! Wir sind bei Weitem in der Überzahl.“
Wir saßen von unseren Pferden ab und Miyako flüsterte: „Vielleicht sollten wir uns wirklich ergeben. Seht nur, wie viele das sind!“
Doch uns anderen fehlte der Wille aufzugeben. Sich der Gnade einer Räuberbande zu übergeben konnte wohl kaum gut enden. Und so zogen wir die Waffen.

Groam und ich standen vorne (der Zwerg über den Umstand, dass er neben einem Elfen kämpfen musste natürlich überaus erbost), hinter uns die Pferde, dann bildeten Olo und Miyako unsere andere Verteidigungslinie. Während die Banditen nun mit gezogenen Waffen heranstürmten, holte ich einen Fliegenpilz hervor, den ich in einer Tasche bei mir trug. Während meiner Lernzeit in Téamhair hatte ich mithilfe des Geistes der Bernsteinrose einen Zauber erlernen können, der nicht zu meiner üblichen Grünen Magie gehörte. Und mithilfe des getrockneten Pilzes konnte ich ihn wirken. Es bedurfte nur weniger Formeln und während ich etwas von meiner Kraft gab, floss arkane Stärke nicht nur in meine Muskeln sondern auch in die meiner drei Begleiter. Auch wenn Miyako kurz angewidert das Gesicht verzog, war sie doch ebenso dankbar wie die anderen über die nun gefundene Kraft. Doch dann wurde es auch für mich Zeit, den Speer in die Hand zu nehmen.

Der erste Aufprall mit den Gegnern erfolgte äußerst hart. Von hinten hörte ich schreckliches Geschrei und das Splittern von Knochen, als Olos Morgenstern ein Ziel fand, doch schien der wahnsinnige Angreifer nicht direkt aufgeben zu wollen. Dann fegte neben mir Groams Stielhammer durch die Menge. Ein gewaltiger Rundumschlag hielt gleich zwei Banditen auf Abstand, sodass ich es auf dem Weg mit nur noch einem Gegner zu tun hatte.
Und der Zwerg hatte es plötzlich nur noch mit einem zu tun! Eine der Angreifer war in vollem Sprint herangestürmt und hatte Groam wohl aus dem Lauf mit dem Schwert einen Hieb versetzen wollen – und war mit voller Wucht in den Kopf des Stielhammers hineingerannt. Der Körper hatte tatsächlich noch zwei Schritte auf den Zwerg zu und an ihm vorbei gemacht… während sein Schädel vollkommen hinweggefegt worden war. Blutige Gehirnmasse hatte den nächststehenden Banditen bespritzt. Er hatte Glück, dass er nicht sogleich das nächste Opfer wurde, doch es war seltsam, dass er nicht einen Schritt zurückwich. Konnten das gewöhnliche Wegelagerer sein?

Mein Gegner besaß lediglich einen Dolch, sodass ich die Reichweite meiner Waffe vollständig ausnutzen konnte. Ihn beharrlich auf Abstand haltend, stach ich immer wieder zu und trieb ihn zurück – doch er schien sich schließlich kaum die Mühe zu machen, an mich heranzukommen. Ich war beschäftigt und konnte so nicht dem Zwerg zur Hilfe kommen, der sich nun dauerhaft einer Übermacht gegenübersah. Ich fluchte innerlich darüber, wie leicht ich hier aufgehalten wurde.

Doch da sah ich die nächste Blutfontäne spritzen. Ein einziger Treffer mit Groams Stielhammer genügte und sämtliche Rippen des linken Brustkorbs wurden verbogen, nach innen geschoben und schließlich zerschmettert, sodass sich Knochenpulver mit Blut mischte. In einer kurzen, letzten Zuckung ging der Gegner des Zwergs zu Boden und rollte seitlich davon.
Dann der nächste Sieg! Als ich kurz meinen Blick wandte, während mein Gegner mich mit einer schlechten Finte locken wollte, sah ich, wie Miyako pfeilschnell vorschoss und einen geraden Schnitten über den Bauch ihres Gegners landete. Die Wunde war nicht tödlich, doch hatte sie feinsäuberlich die Haut aufgerissen und den Banditen in eine kurze Phase des Schocks gebracht. Noch während er auf das Blut starrte, das aus ihm herauslief, brachte die KanThai einen Rückhandangriff an und durchtrennte den Kehlkopf des Mannes, der daraufhin röchelnd stürzte und sich noch einige quälende Sekunden am Boden wälzte.

Mir gelang es derweil endlich einen Stich zu setzen, doch mein Gegenüber – wenngleich seine Kräfte schwanden und er mehr taumelte, denn auswich – hielt weiterhin stand. Da hörte ich hinter mir einen weiteren Erfolg. Und das dumpfe Geräusch ließ eindeutig den Morgenstern als Waffe naheliegen… und ich wünschte ich hätte mich nicht umgewandt. Olo hatte einen gewaltigen Schwung von oben nach unten ausgeführt. Die Spitzen der Waffe hatten das Gesicht des Schurken zerfetzt, sodass er sich versucht hatte nach hinten zu werfen, wobei er die Brust gegen die Kugel entblößt hatte. Das Brustbein musste unter dem Aufprall verschoben worden sein und die Organe des Mannes waren in einen Einheitsbrei verwandelt worden. Und Olo wandte sich seinem nächsten Gegner zu – wie Miyako hatte er stets mit zweien zu kämpfen.

Ein weiteres Krachen ertönte zu meiner linken. Groams Stielhammer hatte wieder ein Opfer gefunden! Die ohnehin gewaltigen Muskeln des Zwerges, nun noch verstärkt durch Zauberei, hatten den eisernen Waffenkopf derart in den Kopf des Wegelagerers gejagt, dass die Augen zerplatzten und Zähne durch die Gegend flogen. Mit gematschtem Gesicht kippte der Gegner Groams hinten um. Ich glaubte in den hinteren Reihen der Straßenräuber übergab sich jemand und ich musste auch damit kämpfen, die Galle unten zu halten. Der wider den Wolf tanzt… es schien, als wäre ein Dämon in ihn gefahren.

Im Schock ließ mein Gegner sogar seinen Dolch fallen. Ich sprang vor, stach zu… und verfehlte den Mann, der sich wie ein nasser Sack zu Boden warf und seine Waffe packte. Also setzte ich nach, ein Ausfall, eine weitere Attacke. Doch irgendwie schaffte es dieser… Sohn des Glücks aus meiner Reichweite zu rollen und sich wieder aufzurappeln.
Dann hörte ich Miyako wütend etwas in ihrer Muttersprache zischen und blickte kurz zu ihr. Ein neuer Gegner war an sie herangerückt und wirkte besonders bedrohlich. Beinah zwei Meter groß und von ausladender Gestalt begann er mit einem Langschwert das Duell. Doch die KanThai war um Welten gewandter als er und wich Hieb um Hieb aus.

Da fiel einer der Männer zu meiner Linken zu Boden. Groam hatte ihm mit dem Hammerkopf die Füße unter dem Leib weggezogen und stach nun mit der langen Spitze der Waffe wie mit einem Speer auf die Körpermitte ein. Der Dorn bohrte sich tief in die Eingeweide. Das vierte Opfer des Zwergs krümmte sich vor Schmerzen, stellte aber keine Bedrohung mehr da.
Und mein Gegner war endgültig am Ende seiner Kräfte angekommen. Sicherlich hatte er ein halbes Dutzend Stiche abgewehrt, doch schließlich zollte das seinen Tribut. Er taumelte, stolperte – und ich führte meinen Stoßspeer zielsicher zwischen die Rippen in die Lunge. Der Mann riss entsetzt die Augen auf, schien noch einen Fluch wispern zu wollen, doch da konnte er nur noch blutige Blasen herausbringen und sank zu Boden. Gerade rechtzeitig konnte ich meine Waffe befreien, als schon der nächste Bandit auf mich zukam – dieser hatte ein Langschwert und schien den Weg freimachen zu wollen, damit eine größere Überzahl auf Groam losgehen konnte.
Da sah ich, dass es mittlerweile nicht mehr nur die vierzehn Straßenräuber waren, die uns am Anfang herausgefordert hatten. Mittlerweile lagen schon einige am Boden, doch da waren mindestens genauso viele nachgerückt. Das war doch Wahnsinn! Welche Wegelagerertruppe war in solcher Zahl unterwegs? Es waren nicht gerade schlecht ausgestattete Kämpfer, zumindest die meisten und dann diese Entschlossenheit gegenüber einem zwergischen Krieger mit einem gewaltigen Stielhammer, einer KanThai mit Langschwert und gegen den Halbling mit dem schrecklichen Morgenstern – war das eine Truppe, der man sich gerne entgegenstellte?

Und Olo gab ihnen wohl weiter etwas zu Denken: sein Morgenstern fuhr um die Deckung seines Gegners herum und zerschmetterte den rechten Ellenbogen. Mit einem schrillen Schrei ging der Mann in die Knie und wurde von dem Halbling kommentarlos vor die Brust und so nach hinten getreten – nun stimmte der Abstand wieder und die stachelbewehrte Eisenkugel beendete das Duell. Mit einem lauten Kampfschrei ging Olo auf den nächsten Angreifer los. Und auch wenn die Halblinge bisher keine Kriegsgötter kannten, dieser schien von einem beseelt.

Dann fegte der Sturm weiter. Während ich mich mehrfach mit meinem Schild der wuchtigen Angriffe des Hünen vor mir erwehrte, froh darum, nicht in Stücke gehackt zu werden, wagte Groam einen kurzen Ausfall mitten in drei der Wegelagerer hinein. Sogleich drehte er sich wie ein Kreisel und brachte sich immer weiter auf Tempo. Gerade als einer der Angreifer den Rhythmus erkannt hatte und dazwischen stechen wollte, stoppte Groam und stieß dem Mann das Stielende seiner Waffe in die Magengrube. Benommen taumelte dieser zurück, nur um sogleich den Hammerkopf vor die Brust zu bekommen. Blut spuckend taumelte er einige Schritte nach hinten und stürzte zwischen seinen Gefährten zu Boden. Groam zog sich wieder etwas zurück und erwartete die Attacken seiner Angreifer.

Doch nun schien langsam Verwirrung unter den Banditen aufzukommen. Es waren immer noch mindestens elf oder zwölf von ihnen, aber die Art und Weise wie ihren Begleitern zugesetzt worden war, konnte nicht spurlos bleiben. Miyako setzte just in diesem Moment wieder zu einer Angriffsserie an, deren Geschwindigkeit gepaart mit unfassbar großer Kraft für eine so kleine Frau den größeren der beiden Räuber entsetzt zurückweichen ließ – der andere Angreifer vor Miyako stand allein, wehrte noch ein, zwei Hiebe ab, ehe die Wucht der Schläge seine Waffe zu Boden schmetterte. Und nur eine Sekunde später drang kalter Stahl bereits in sein Herz und brachte einen schnellen Tod.

Olo indes erhielt einen neuen Gegner: ein Bär von einem Mann, der mit einem gewaltigen Schlachtbeil daherkam. Doch wo er noch wild und entschlossen war, hatte der andere Gegner des Halblings beinah schon den Verstand verloren und hieb nur wild um sich. Einer der planlosen Angriffe mit einem Kurzschwert erwischte sogar den gewaltigen Banditen neben ihm, der ihn daraufhin grunzend von sich stieß, um mit voller Wucht auszuholen.
Ich war sicher, dass der Halbling dieser Attacke entgehen würde, und richtete meine volle Aufmerksamkeit wieder auf mein Gegenüber. Zwar attackierte er wie ein Berserker, doch fehlte ihm taktische Raffinesse und das konnte ich sicherlich zu meinem Vorteil nutzen. Nach zwei fehlgegangenen Stichen hatte er eine einseitige Position eingenommen, sein rechter Fuß stand viel zu weit vorne. Gerade setzte ich zu einem Stich gegen das Knie an…da traf mich etwas im Rücken und ich stürzte nach vorne. Instinktiv schlug mein Gegner mit seinem Langschwert gegen die Speerspitze, die sich sonst in seinen Oberschenkel gebohrt hätte und die Erschütterung schlug mir die Waffe aus der Hand. Taumelnd fand ich mein Gleichgewicht wieder, wehrte direkt einen Angriff mit dem Schild ab und sah mich hektisch um.
Eines der Pferde hatte mich angerempelt – nachdem Olo gegen es geschleudert wurde. Der Angriff des riesigen Barbaren vor ihm hatte ihn erwischt und ein gewaltiger Blutschwall war auf den Boden gespritzt. Doch dickköpfig wie er war, erhob sich der Halbling wieder und rückte humpelnd wieder vor. Und in diesem Moment brachte auch Maglos mit einem harschen Bellen das Pferd wieder zur Besinnung, was kurz davor stand, durchzugehen. Ich hob geschwind meinen Speer auf, sah von oben einen weiteren, schwungvollen Schwerthieb heranrauschen und riss den Schild mit der rechten Hand hoch…nur um ein ekelerregendes Knirschen aus meinem Handgelenk zu hören. Das Gelenk gab unter dem Angriff ein Stück zu weit nach und brennender Schmerz flammte meinen gesamten rechten Arm hinauf.

Keuchend zuckte ich zurück. Wenn ich die Hand je wieder benutzen wollte, so durfte sie nun nicht mehr getroffen werden. Also ließ ich den Schild fallen und musste mich nun allein auf meine Gewandtheit verlassen.
Doch Miyako schien nicht zuzulassen, dass sich das Blatt gegen uns wendete. Geschickt wich sie den tumben Angriffen ihres Gegners aus. Er mochte zwar groß sein und über große Kraft verfügen, doch ohne entsprechende Kenntnisse im Schwertkampf war er der kleinen KanThai hoffnungslos unterlegen. Und so zog sich die Frau plötzlich an ihn heran, stellte ihr linkes Bein blockierend hinter seine und verpasste ihm einen schwungvollen Schlag mit dem Knauf des Langschwerts vor die Brust. Die unerwartete Wucht, die Miyako damit auf den Banditen ausübte, nachdem sie spielerisch seinen Angriff unterlaufen war, und der leichte Druck gegen die Kniekehle warfen den Mann hinterrücks zu Boden. Sofort wirbelte die Klinge herum und scharfes Eisen bohrte sich knapp oberhalb des Halses in den Schädel.
Keinen Moment später war auch Groam wieder da und zeigte den Strauchdieben auf unserer Seite des Schlachtfelds, dass wir nicht klein beigeben würden. Mit mächtigen Schwüngen flog der Hammerkopf von links nach rechts und wieder zurück, hielt die Angreifer auf Abstand… als einer von ihnen über einen gefallenen Kameraden stürzte. Die Reaktionsgeschwindigkeit des Zwerges trotz seiner Rüstung und seiner Waffe war erstaunlich – der schwere Eisenklumpen traf den Unterleib des Mannes und zerschmetterte die Hüfte sowie die untere Wirbelsäule. Ohne einen Schrei ausstoßen zu können, trieben die Schmerzen den Banditen direkt in die Bewusstlosigkeit und alsbald ins ewige Vergessen.

Ich drang mit neuer Entschlossenheit auf meinen Gegner ein – oder eher mit dem Mut der Verzweiflung. Bei jedem Angriff legte ich so viel Wucht in den Stoß, wie ich konnte, doch Attacke um Attacke wurde pariert. Mit nicht geringem Können hieb er mit der breiten Seite des Schwerts die Stiche einfach zur Seite. Doch auch ihn kosteten diese ungelenken Hiebe einiges an Kraft und ich merkte, wie er zu taumeln begann. Ein weiteres Mal schoss ich vor, mit einem deutlichen Übergewicht auf dem vorne stehenden Bein und versuchte, die rechte Schulter zu erwischen. Hektisch riss der Bandit sein Schwert hoch und konnte den Hieb gerade noch mit der Parierstange abfangen… aber die Klinge wurde ihm dabei aus der Hand gerissen und nach hinten geschleudert. Hastig sprang er zurück, um seine Waffe wiederzuholen. Ich konnte nicht folgen, ohne Groam an meiner Seite wäre ich direkt von dreien umzingelt und würde in Stücke geschlagen werden.

So bekam ich mit, wie Olo humpelnd versuchte, sich unter einem Angriff wegzuducken – den er jedoch falsch eingeschätzt hatte. Der Hieb mit dem Schlachtbeil traf ihn unterhalb der rechten Schulter und schrammte am Knochen des Arms entlang. Blut spritzte, einige Knochenspäne flogen. Aber der Halbling blieb stehen. Der Anblick des sich gerade einmal schüttelnden und wahnsinnig grinsenden Olos rang selbst seinem hünenhaften Gegner geweitete Augen ab. Doch so stark der Wille des kleinen Mannes war… es warteten immer noch so viele Gegner auf uns, wie mittlerweile am Boden lagen. Wo kamen diese Soldaten alle her?

Plötzlich brach unter Groams Gegnern Panik aus. Die beiden Strauchdiebe schienen entschlossen, sich nicht von dem Zwerg hinrichten zu lassen, der gerade wieder eine Serie von Rundumschlägen losließ. Hastig wandten sie sich um… da bekam der erste bereits den Hammerkopf Groams in den Rücken. Das laute Knirschen der Wirbel schallte über den Kampfschauplatz und unter Zuckungen ging der gescheiterte Deserteur zu Boden. Der andere Flüchtende wurde kurzerhand von seinen Kameraden zurückgestoßen – direkt in den Dorn des Stielhammers hinein, der sich unterhalb der Rippen durch das Fleisch bohrte. Keuchend riss der Mann sich los… und wandte sich wieder Groam zu, als er das in der Sonne glänzende Eisen seiner „Verbündeten“ sah. Diese Wahnsinnigen schreckten nicht einmal davor zurück, die eigenen Leute niederzustrecken! Und sie rückten unablässig nach. Es war schwer den Überblick zu behalten, wie viele tot, wie viele noch da waren. Bei meinem zwergischen Begleiter war der Boden bereits gesättigt vom Blut der Gefallenen, wie es bei den anderen war, konnte ich nicht erkennen.

Aber auf der anderen Seite des Schlachtfelds war Miyako in die Zange ihrer beiden Angreifer geraten. Von links und rechts hieben sie wie Holzfäller auf sie ein – ein Ausbruch nach vorne war nicht möglich, dort warteten nur weitere Wegelagerer in unübersichtlicher Anzahl. Und direkt hinter der KanThai standen die Pferde… Schlag um Schlag entging sie, doch für jeder ausgewichenen Attacke wurde sie mehr und mehr zusammengepfercht, die Banditen kesselten sie mit ihren Angriffen ein… dann ein direkter Hieb von oben, ein Schlachtbeil, das sie in zwei Hälften spalten könnte. Ihr Schwert zuckte hoch, lenkte den Schlag zur Seite ab. Doch der zweite Angreifer war da und schlug mit all seiner Kraft gegen den ausgestreckten Waffenarm Miyakos.

Ein ekelerregendes Ploppen erklang und es schien als würde das Gliedmaß beinah aus seiner Verankerung gerissen. Die Schulter war verdreht, das Gelenk ausgekugelt. Das neue Schwert Miyakos fiel in den Dreck, während sie reflexhaft an den baumelnden Arm fasste. Die Rüstung hatte Schlimmeres verhindert – doch nun war ihre Waffenhand unbrauchbar.

In diesem Moment taumelte Olo. Der Halbling war bereits brutal zusammengeschlagen worden: ein Bein hinkte, ein Arm war nur noch eingeschränkt zu bewegen. Den Morgenstern, den er zweihändig führte, konnte er kaum noch einsetzen… und der Blick auf die scheinbar nicht enden wollende Gegnerflut vor ihm, brachte wohl selbst diesen Sturkopf zum Verzweifeln. Wankend fiel er dem Hünen entgegen, der ihn weiterhin zu malträtieren suchte. Dann fiel der Angriff von oben herab, todesverheißend wie eine Guillotine.
Aber Olo riss sich aus seiner halbtoten Trance. Wie durch eine Berührung des Schicksals beseelt, schleuderte er den Morgenstern empor, hielt den Griff quer zur Attacke… und der zersplitterte.

Der Halbling wurde umgerissen. Er klammerte sich noch immer an sein Leben, doch nun war seine ikonische Waffe zerschmettert. Der Händler wälzte sich im Dreck, schien dem Wahnsinn erlegen… da stürzte er sich mit dem Schrei einer verletzten Bärenmutter auf seinen Angreifer. Im, durch aufgewirbelten mit Blut vollgesogenen trüben, Sonnenlicht glänzte Eisen auf – Olo hatte sich kurzerhand das Kurzschwert eines seiner früheren Opfer gegriffen und war nun auf Rache aus. Der unerwartete Vorstoß riss den Hünen von den Beinen und wie ein verfluchter Geist hackte der Halbling auf ihn ein, bis Rippen brachen. Von dem gemütlichen Teefanatiker war nicht mehr viel zu erkennen…voller Blut und Dreck, wie er war.
Und ich tauschte Schlag um Schlag mit meinem Gegner aus. Merkte, wie die Kräfte nachließen. Wie lange standen wir hier schon? Die Sonne hatte sich kaum bewegt, doch in meinen Augen war sie dunkler geworden. War alles dunkel geworden.

So standen wir in Mallachtéara. Verfluchtes Land. Eine dunkle Sonne über uns, Blut unter uns. Eine leere Ebene, die wir mit Verzweiflung zu füllen begannen. War es unsere eigene oder die der Feinde? Wir hielten Stand, oder glaubten es zu tun. Wie ein Verdurstender, der Salzwasser einsog. Wir hielten Stand, auch wenn wir in Stücke gehauen werden würden. Was konnte es nützen? Dutzend Feinde am Boden, Dutzend vor uns. Mehr. Sie kamen wie eine unablässige Flut und auch wenn wir sie immer wieder zurückschlugen, so war es doch eine Naturgewalt, die sie immer wieder herantrieb. Und so halten wir Stand. Wie Kinder, die gegen Wellen kämpfen.

Dunkle Gedanken… doch ich riss mich los! Sah die Welt wieder klarer. Blut klebte an mir, mein rechter Arm war taub; gefühllos. Doch ich hatte noch meine Waffe und ich würde diesen Kampf nicht aufgeben. Die Augen weit aufgerissen, stürzte ich mich mit einem Kriegsschrei auf den Lippen auf meinen Gegner. Der Ausbruch roher Gewalt überraschte den Mann so sehr, dass er nicht einmal das Schwert rechtzeitig hob – und nur noch ungläubig auf den Speer starren konnte, der sich knapp unter seinem Sonnengeflecht in ihn gebohrt hatte. Keuchend ging er vor mir auf die Knie. Ich riss meine Waffe frei und schlug ihm den Griff seitlich gegen den Schädel. Haut platzte auf, Blut floss aus der Brust und endlich hatte ich diesen Angreifer besiegt.

Natürlich rückte bereits der Nächste heran. Muskelbepackt, in geordneter Rüstung und mit einem Langschwert, wie fast alle, die uns mittlerweile attackierten. Doch beim vorletzten Schritt, den er von mir entfernt war, stolperte er über die feuchte Erde und fluchte laut, als sein volles Gewicht abrupt auf dem linken Knöchel lag. Ein boshaftes Grinsen huschte über mein Gesicht. Einige Meter hinter mir wälzte sich währenddessen immer noch der verrückte Rachegeist mit dem Kurzschwert in der Hand mit seinem Gegner am Boden. Wahnsinnig stach er auf den Banditen ein, doch der weigerte sich, zu sterben. Und Miyako kämpfte weiter. Das Langschwert in der rechten Hand schien ungewohnt und das Gefecht hatte darüber hinaus seinen Tribut gefordert. Ihre Bewegungen wirkten träge, die Abwehr mühsam. Doch sie kämpfte. Und man merkte noch immer, dass sie eine außergewöhnliche Kämpferin war.

Aber auch Groams Kräfte schwanden. Er hielt sich nun deutlich zurück, die selbstmörderischen Vorstöße zu Beginn der Schlacht hatte er eingestellt. Doch die Pferde hinter ihm und das steile Gefälle zu seiner linken sicherten ihn ab und der Stielhammer kreiste in Rundumschlägen gegen die Wegelagerer. Und das mit Wucht. Einer der Männer verwechselten den „Rückzug“ des Zwergs mit Schwäche und glaubte mit dem Schwert den Schlag blocken zu können – schlechtes Eisen brach, der Hammerkopf zog weiter seine Bahn und zerschmetterte die rechte Seite des Kämpfers. Arm, Schlüsselbein, Rippen…alles zusammengeschoben und zersprengt. Schreiend stürzte der Mann zu Boden und ergänzte so den Chor des Wahnsinns, der die Mallachtéara zu erfreuen schien.

Doch auch das von Olo gefundene Kurzschwert schien von minderwertiger Qualität, denn es zerbrach an der Rüstung seines Gegners. Wie ein Troll kratzte der Halbling nun mit bloßen Händen im Gesicht des Mannes herum und drückte beinah ein Auge heraus. Doch der Hüne konnte ihn zurückstoßen und sich wieder erheben. Gemeinsam mit einem zweiten Banditen ging er nun wieder auf den kleinen Krieger los, der sich einfach ein neues Kurzschwert von den Gefallenen nahm. Er schien sich keine Fragen mehr zu stellen oder seinen geschundenen Körper noch zu spüren. Er kämpfte. Und wenn er die Wegelagerer nur aufhielt, dann sollte das schon reichen.
Da sah ich, wie Miyako sich plötzlich so weit zurückzog, wie das Pferd hinter ihr es erlaubte. Ihre Atmung beruhigte sich und sie hielt das Langschwert locker an der Seite, die Klinge nach unten gerichtet. Verdutzt starrten sich ihre beiden Gegner an, zuckten mit den Achseln und rannten auf sie los. Wie eine Schlange zuckte Miyako nun nach vorne. Die explosive Geschwindigkeit überraschte die beiden Straßenräuber, sodass sie Nichts tun konnten, als dem linken der Stahl sanft wie eine Feder über den Hals fuhr, nur um mit einem Streich die Luftröhre zu zertrennen – ehe die KanThai herumfuhr. Sie war bereits an dem anderen Wegelagerer vorbei und schlug mit dem Schwert nun gegen dessen rechte Kniekehle. Der Knall zertrennter Sehnen schallte über das Schlachtfeld und wild kreischend packte sich der Mann an das allmählich erschlaffende Bein. Wahnsinnig vor Schmerzen wirbelte er herum und attackierte Miyako wieder – unterstützt von dem nächsten Angreifer, der nachrückte.

Indes schien mein Gegner kaum einmal ein Schwert in der Hand gehalten zu haben. Der verstauche Knöchel behinderte ihn, ebenso wie die Toten, die um uns herumlagen – meist durch Groams Hiebe gefällt und verstümmelt. Gerade warf der Mann sich mir entgegen, schien mich mehr mit seinem Gewicht als der Waffe treffen zu wollen. Doch ich wich nur leicht zur Seite aus und verpasste ihm einen Stich in die Flanke. Er stand nun zwischen Groam und mir und rutschte aus, vielleicht aus Panik vor dem nächsten Rundumschlag des Zwergs. Dabei flog seine Waffe davon. Wie ein auf den Rücken geworfener Käfer, zappelte der Räuber am Boden, packte das Langschwert seines Vorgängers, der neben ihm lag, und sprang wieder auf die Beine. Sodass ich perfekt zustechen konnte. Die Spitze der Silberwaffe bohrte sich über den Kehlkopf durch die Haut und zerriss die Halsschlagader. Der Wegelagerer sank wieder zwischen die anderen zu Boden.

Und die Schlacht tobte weiter. Ein neuer Angreifer, ein neues Duell. Es war das stetige Hin und Her – Miyako überwand einen weiteren Gegner und schien sich auf die ungewohnte Hand eingestellt zu haben. Dann wurde Groam neben mir entwaffnet: einer der Räuber hatte sich einfach gegen den langen Stiel der zwergischen Waffe geworfen und sie ihm damit aus der Hand gerissen. Laut brüllte der Krieger nun: „Ilfarin, jetzt!“
Blitzschnell reagierte ich, machte einen Ausfall an meinem Gegner vorbei und erwischte den mitsamt Stielhammer zu Boden gestürzten Mann im Rücken. Die Speerspitze durchdrang weiche Organe und hinterließ einen verwüsteten Körper, als ich sie wieder herauszog. Ein weiterer Leib, von Schmerzen geschüttelt, der sein Leiden herausbrüllte, um das bisschen Verstand, was uns in diesem Wahnsinn blieb, weiter zu malträtieren.
Und auf der anderen Seite der Pferde wurde Olo immer wieder getroffen. Wie vom Schicksal geführt waren es nie verheerende Treffer – doch ohne seine Rüstung wäre er bestimmt in verschiedene Teile auseinandergefallen.

Hin und Her. Und nun war es wieder an Groam, der gerade seinen Stielhammer packte und rief, dass ich mich wegducken sollte. Rasch tauchte ich nach links weg und sah aus dem Augenwinkel, wie sich mein Gegner hinter mir aufgebaut hatte und gerade zuschlug – nun verfehlte er. Und Groam hieb ihm staubtrocken den langen Griff seiner Waffe quer ins Gesicht. Es knackte und Blut schoss aus der Nase. Jaulend taumelte der Mann zurück und brauchte einen Moment, um sich zu fangen.

Zeit, die ich nutzen konnte. Olos hünenhafter Gegner stand immer noch, was beinah ebenso unverständlich war, wie der kleine Halbling, der kämpfte, als hätte er Trollblut in sich. Aber für alles kam der Moment und ich stieß zwischen den Pferden hervor und stach über meinen kleinen Freund hinweg auf den halbtoten Barbaren ein. Das silberne Blatt des Stoßspeers brachte zu Ende, was Olo so weit vorangebracht hatte. In den dunklen Augen des Mannes schimmerte in seinem letzten Moment etwas auf, was beinah wie… Erleichterung aussah. Doch für Entsetzen blieb mir keine Zeit und ich zog mich an die Seite Groams zurück, um ihm wenigstens die rechte Flanke freizuhalten.

Mein Gegner hatte mich erwartet. Er schwang ein Schlachtbeil, gegen das meine Rüstung nicht den Hauch eines Schutzes bot. Und das traf mich knapp unterhalb des rechten Schlüsselbeins in die Brust. Rippen knirschten, Blut spritzte aus der aufklaffenden Wunde hervor und ich wurde zurückgeworfen – prallte gegen ein Pferd und taumelte wieder nach vorn. Die Waffe glänzte wieder im matten Sonnenlicht auf, mein Blut darauf kündete verheißungsvoll von Tod.
Doch plötzlich rutschte dieser Berserker vor mir weg, eine Blutlache hatte ihm Pech gebracht. Das Axtblatt ruckte hoch, verpasste mir aber noch mit der flachen Seite einen vollen Kopftreffer. Es schleuderte mich herum und ich fiel mit dem Gesicht voran in den aufgeweichten Matsch.

Würgend und mit schwarzen Flecken vor den Augen drehte ich mich herum, sah meinen gestürzten Gegner. Mein Speer lag vor mir im Dreck. Sämtliche Zähne in meinem Mund fühlten sich locker an, Blut floss mir aus der Nase. Wenige Meter weiter ragte Groam noch immer wie ein Fels in der Brandung auf – einer Brandung aus Leichen.
Halbblind vor den klingelnden Kopfschmerzen sah ich mich um. Olo stand immer noch, auch wenn seine Gegner ihm übel mitspielten. Der tapfere Halbling.
Plötzlich stob eine weitere Blutwolke aus Miyakos Richtung gen Himmel. Diesmal war es aber ihr eigenes gewesen! Entsetzt blickte ich zu dem Wegelagerer hinüber, der sein Langschwert in die Seite der KanThai gerammt hatte. Keuchend sackte diese zu Boden und die beiden Schläger sahen sich zufrieden an.
Noch während diese zu überlegen schienen, wohin sie nun gehen sollten, stolperte ich – zerschunden wie ich war – zu Miyako hinüber und flößte ihr einen Heiltrank ein. Einer von zweien…

Binnen Sekunden schloss sich die soeben erst erlittene Wunde und wie eine Akrobatin sprang Miyako wieder auf die Beine! Die beiden Wegelagerer wussten nicht, wie ihnen geschah, als die KanThai plötzlich wieder auf sie eindrosch und zurücktrieb. Und auch ich hastete zurück zu meiner Waffe und dem Berserker, der sich gerade wieder erhob. Offensichtlich hatte er sich den Knöchel verstaucht, als er ausgerutscht war. Eine Prise Glück, die mir das Leben gerettet hatte.
Doch eines war sicher in dieser Hölle aus Dreck und Tod: ohne meine Freunde wäre ich längst gefallen. Ohne Miyako, Olo oder Groam. Und wir alle wankten und taumelten, hatten heftige Treffer erlitten und wussten nicht mehr so recht, wo wir eigentlich waren und wie wir in diesen Sturm aus blutigem Chaos hineingeraten waren. Dieser Kampf war ein Massaker geworden, wie es keiner hatte kommen sehen. Eine endlose Schlacht, noch immer waren da Plünderer, die unseren Tod wollten. Ich glaubte schon lange nicht mehr, dass das gewöhnliche Wegelagerer waren…doch was spielte es für eine Rolle? Es war ein Hin und Her…eine unabänderliche, ewige Abfolge?

Eingebunden in das, was man als natürlich ansehen könnte. Wie das Auf- und Abgehen der Sonne. Ritualisiert, immer gleich und immer so quälend. Doch oblag es nicht den Sterblichen, daran etwas zu ändern. Sie hatten zu erdulden, das zu erleiden, was ihnen auferlegt wurde. Denn wer konnte das Meer stoppen, Sterne herabholen, den Mond fernhalten?
Dies war eine Schlacht, in der man vergaß, warum man hier war. Was hatte uns getrieben, was hatte das verfluchte Land zu bieten, außer uns an seinem Leid teilhaben zu lassen? Und wer hatte uns geschickt? Hatte uns jemand geschickt?
Und je weiter die Schlacht voranschritt, je mehr wir töteten, je mehr wir zerschlagen wurden… desto mehr vergaßen wir, wer wir waren. Was uns ausmachte. Wir wurden zu etwas, das funktionieren musste. Ein Stoß, ein Schlag, dann die Parade.

Groam stieß einen sicherlich unflätigen Kriegsschrei aus, als er einen der Angreifer am Knie erwischte. Der Mann hatte schon seit einiger Zeit gegen den Zwerg in seinem Berserkerrausch standgehalten. Doch schließlich hatte auch ihn das Glück verlassen und Groam vollzog sein unbarmherziges Urteil, indem er den Stielhammer noch einmal auf den Brustkorb des daniederliegenden Wegelagerers krachen ließ, ehe der sich erhob, um wieder auf ihn loszugehen. Die Leiche auf die der Mann gefallen war, verhalf zu einem Dämpfer, dennoch zerplatzten die Organe unter der Wucht des Aufpralls. Der Zwerg war im Begriff, sich eine Mauer aus Toten zu errichten.
Und auch um Miyako scharten sich mittlerweile die Toten. Als wäre sie als Rechtshänderin geboren und hätte nicht bereits einige schwere Wunden erlitten, attackierte sie einen großen Erainner, der ein Schlachtbeil führte. Er blutete bereits stark aus einer Wunde knapp oberhalb der Lende, da erwischte in Miyako noch auf der anderen Seite. Unter Schmerzen und inneren Blutungen ging er zu Boden, fiel zu den anderen Toten oder im Sterben begriffenen.

Indes rang ich mit meinem Gegner. Dem Schlachtbeil wollte ich lieber nicht zu nahe kommen und ich blieb sehr zurückhaltend. Während er einen Schlag um den anderen setzte, immer wieder verfehlte und dabei die Erde zu unseren Füßen umpflügte. Lange würde er das nicht mehr durchhalten können, es war nur noch eine Frage der Zeit… da kam mir Groam zur Hilfe und hieb dem Mann das stumpfe Ende des Stielhammers in die Seite. Sofort setzte ich nach und stach ihm vor die Brust. Doch obwohl er taumelte, konnte er das Blatt seines Beils zwischen sich und die Speerspitze bringen. Keuchend trieb es ihn ein wenig nach hinten.
Da hörte ich hinter mir einen Schrei.

Olo war zu Boden gegangen. Die unablässigen Angriffe seiner beiden Gegner hatten seinen Körper bezwungen, wenngleich sein Geist noch immer brannte und er wie ein Berserker schrie. Ein Kriegsgott war wahrlich in den kleinen Mann gefahren. Wenn er nur noch ein wenig durchhielt, dann könnte ich ihm den zweiten Heiltrank geben.
Doch in ebendiesem Moment war der Krieger vor mir wieder bereit, hatte seine Benommenheit abgeschüttelt und griff an. Es war ein brutaler Hieb, den ich mit dem Speer abzulenken versuchte. Aber der Schaft war durch Dreck, Blut und wer weiß was noch schmierig geworden…und entglitt mir. Fluchend ließ ich mich fallen, prallte dabei auf meinen geschundenen rechten Arm, packte aber gleich wieder mit links die Waffe. Am Boden liegend rollte ich mich noch vor einem weiteren Angriff weg und kämpfte mich wieder auf die Beine. Ehe ich zu Olo hätte loslaufen können, griff mich der verdammte Räuber wieder an.

Dann…ein ersticktes Kreischen. Mir blieb die Luft weg, das Herz stockte. Zögernd wand ich meinen Kopf. Und sah zwischen all den Leichen, der aufgeworfenen Erde und den verstreuten Innereien einen Mann neben Olo knien. Der gerade mit einem boshaften Grinsen im Gesicht sein Kurzschwert aus dem Hals des Halblings herausriss.

Ein blutroter Vorhang warf sich über meine Augen. Nackte Wut schoss empor und ich schrie in meiner Muttersprache, wünschte dem Bastard auf alle Arten den Tod. Dann wollte ich losstürmen, das Urteil vollstrecken…doch mein Gegner packte mich an der Schulter, riss mich herum. Sein Grinsen sagte mir, dass er noch nicht fertig mit mir war. Hasserfüllt stach ich nach ihm, doch er machte nur einen Schritt zur Seite, wischte den nächsten Angriff weg. Dann traf ihn ein schwerer Hammerkopf schräg gegen den Kopf. Knochen splitterten und Gehirnmasse spritzte in alle Richtungen davon.

Sofort wandte ich mich um und rannte zwischen den Pferden hindurch, um den Bastard zu kriegen, der Olo umgebracht hatte. Und der gerade mit einem anderen zusammen auf Miyako eindrosch. Die KanThai war mittlerweile leichenblass und obwohl sie eine herausragende Kämpferin war, konnte selbst sie mittlerweile kaum noch das Schwert heben. So schlugen sie es ihr aus der Hand. Und danach bekam sie ein Schwert in den Bauch.
Meine Schmerzen und meinen Zorn wild herausschreiend stach ich mit dem Speer in der linken Hand in den Rücken von Olos Mörder. Fluchend zuckte der zurück, prallte mit seinem Gefährten zusammen. Und mit der rechten, schmerzenden Hand ließ ich meinen letzten Heiltrank für Miyako fallen, die ihn sogleich packte und trank. Wieder schlossen sich Wunden, wenngleich der Schock über die Schmerzen sich ins Gesicht eingebrannt hatte.

Von der anderen Seite der Pferde her hörten wir, wie Groam den letzten, dort stehenden Gegner niederwarf und dann mit dem Hammer zermalmte. Den letzten?
Ich sah mich um… auf der Seite, wo Groam und ich ursprünglich gestanden hatten, war Niemand mehr. Und bei Miyako, die mittlerweile wieder stand, und mir waren es nur noch diese zwei. Und einer davon war Olos Mörder. Sein boshaftes Lächeln war mittlerweile weggewischt. Die Entschlossenheit in unseren Gesichtern, der blanke Hass, den ich ihm entgegen schrie. Blutverschmiert wie wir waren, ein Anblick, als wäre ein Alptraum Realität geworden.

Dann griffen Miyako und ich gleichzeitig an, trieben die beiden Banditen auseinander. Ich scheuchte den Bastard vor mir, der sich umsah und an Flucht zu denken schien…da stolperte er über eine herumliegende Leiche. Die Öffnung in der Deckung nutzte ich, fiel aus – und bohrte den Speer tief in die Eingeweide des Mörders. Keuchend ging er in die Knie, blickte mich aus langsam brechenden Augen an… und kippte hintenüber.

Der Zorn brannte noch in mir; half, die Schmerzen auszublenden. So wandte ich mich gemeinsam mit Miyako und Groam dem letzten Wegelagerer zu. Diesem Angriffshagel hielt er keine fünf Sekunden stand und es war wieder einmal der Hammer, der das Ende brachte.
Dann war es vorbei…und nicht vorbei. In Richtung Osten, wo Groam und ich gekämpft hatten, standen zwei Wegelagerer, die ungläubig zu uns hinüberstarrten. Wir, die wir immer noch standen. Es schien einen Moment, als wollten sie fliehen – da sahen sie etwas hinter der Biegung um den nächsten Hügel herum. Plötzlich schien ihr Kampfeswille wieder entfacht und mit hoch gehobenen Waffen stürmten sie uns euphorisch brüllend entgegen. Und um die Ecke kamen in ebendiesem Moment acht weitere Angreifer. Zehn neue Gegner.

Der Zorn verschwand, verdrängt von einem Gefühl der letzten, endgültigen Resignation. Ich wechselte ein letztes Mal einen Blick mit meinen beiden verbliebenen Kampfesgefährten. Erschöpfung brannte in unseren Augen, der Tod schien förmlich an uns zu haften. Dann blickten wir wieder zu der heranstürmenden Meute. So würde es also enden. Zumindest mit der Waffe in der Hand, falls dieses archaische Gebot irgendeinen Trost bieten konnte.

In ebendiesem Moment sprang ein großer Schatten von den Hügeln zu unserer rechten Seite und landete mitten in der Gruppe von Wegelagerern. Da waren plötzlich wieder die Schreie, der Chor des Grauens kehrte zurück. Körper flogen durch die Luft, nicht selten in Stücke gerissen. Es war ein gewaltiger Ausbruch von Macht, der vor uns stattfand und nur allmählich konnte ich erkennen, was da überhaupt geschah. Eine gewaltige, geschuppte Kreatur wütete zwischen der Räuberbande. Sie wirkte wie eine überdimensionierte Echse, die sogar kleine Flügel besaß, was aber sicherlich nicht zum Fliegen reichen konnte. Dann sickerte langsam die Erkenntnis ein.
Etwa eine Stunde, bevor wir in diesen Alptraum geraten waren, hatte sich Gero auf den Weg gemacht, um sich etwas Essbares zu suchen. Und nun war er wieder da – nur in fünffacher Größe.

In dieser monströsen Gestalt fegte er durch die Banditen und hackte sie allesamt in Stücke. Es war ein Schlachtfest dem keiner entkam und nach einer Minute lagen alle zehn Wegelagerer in ihrem eigenen Blut. Dann trottete Gero uns entgegen, während Groam ihm entgegenschritt, um dankend seine Flanke zu tätscheln. Miyako renkte sich indes die Schulter ein, wobei sie zischend Luft einzog. Dann lief sie einige Meter, bis sie eine Stelle gefunden hatte, die nicht blutverschmiert war und ließ sich ins Gras fallen. Und ich taumelte zu Olos Körper und fiel neben ihm auf die Knie. Ich sah die leeren Augen, das viele Blut und langsam festigte sich die Gewissheit. Und Tränen flossen mir über die Wangen, während ich endlos, verbittert zum Himmel emporschrie.

Nachdem Groam sich bei Gero bedankt hatte, lief er los, nahm ein herumliegendes Kurzschwert und beendete das Leiden derer, die noch lebten und sich in ihren letzten Atemzügen wanden. Niemand von ihnen hatte überlebt.
Dann trat Groam an mich heran und legte mir eine Hand auf die Schulter. Ich blickte zu ihm auf und erkannte auch in seinem Gesicht Gram und die Trauer des Verlusts grub Falten hinein. Er wies auf den größten, nahen Hügel, auf den durch die langsam aufgezogenen, dunklen Wolken ein kleiner Sonnenstrahl fiel. Schweren Herzens erhob ich mich und machte mich auf den Weg, nahm eine Schaufel von Olos Pony und begann ein Loch an ebenjenem Punkt zu graben, den der Zwerg gesehen hatte. Er selbst packte den Körper des Halblings und hob ihn sanft hoch. Schweren Schrittes kam er zu mir emporgestapft – Miyako half mir mittlerweile dabei, die Erde auszuheben.

Wir hüllten den Leichnam unseres Freundes in seine Decke und legten ihn behutsam in sein Grab. Und bedeckten ihn wieder mit Erde. Miyako sammelte einige Steine, um die aufgeworfene Erde zu bedecken und Groam lief plötzlich zurück aufs Schlachtfeld, um mit dem zerstörten Morgenstern Olos zurückzukehren. Die blutige, mit spitzen Dornen versehen Kugel legte er ans Kopfende des Grabes.
Ich konnte Nichts sagen. Die Trauer lähmte meine Zunge und wieder flossen salzige Flüsse über mein Gesicht. Ich konnte nicht einmal über diese Ungerechtigkeit und Grausamkeit nachdenken. Mein Kopf war leer…bis auf ein Gefühl von alles verschlingender Dunkelheit.
Auch der mittlerweile wieder auf Normalgröße geschrumpfte Gero kam zu uns und, auch wenn er es vielleicht nicht ganz verstehen konnte, stand mit gesenktem Kopf am Grab des kleinen Halblings mit dem großen Herzen.

Doch wir mussten gehen. Hoffen, dass die Zeit uns helfen würde, zu verarbeiten, was hier geschehen war. Wir packten noch, was wir bei den Banditen an Wertvollem finden konnten – vornehmlich die Waffen – und beluden damit das Pony, das Olo getragen hatte. Währenddessen grunzte Groam: „Sechsunddreißig… sechsunddreißig.“
„Was?“
„Wir waren zu viert…mit Gero dann zu fünft. Gegen sechsunddreißig“, erklärte er und machte eine ausladende Geste, um auf das Schlachtfeld zu weisen. Diese unübersichtliche Stelle zwischen den Hügeln Mallachtéaras. Das Land war wahrlich verflucht und es hatte uns in sein Leid miteingeschlossen. Dies war eine Schlacht der Verfluchten gewesen.

Gero berichtete uns nun in seinen einfachen Worten, dass er bei seiner Jagd ein leeres Lager vorgefunden habe, wohl das der Wegelagerer. Daraufhin war er so schnell zu uns geeilt, wie er konnte. Mit einem Artefakt Feanors, welches durch die Benutzung nun leider zerbrochen war, hatte er sich zu dieser Riesengestalt verhelfen können. Das hatte uns gerettet, obwohl ich mich im Moment nicht gerettet fühlte. Natürlich war ich dankbar für Geros Hilfe… aber diese Schlacht hatte in mir etwas zerbrochen und ich glaubte, das auch die anderen tiefe Narben davongetragen hatten, die nicht nur auf der Haut prangten.

Der Hausdrache führte uns nun ins Lager der Wegelagerer. Es war offensichtlich, dass sie keine gewöhnliche Bande gewesen sein konnten und die Vermutung lag nahe, dass ein neuer Spieler bei der Jagd nach den Rosen der Macht dabei war.
In dem großen, hastig verlassenen Zeltlager, das wirkte, als hätte es einem ganzen Heerhaufen gedient, fanden wir zunächst drei Gefangene, die man an einen Baum gefesselt hatte. Es handelte sich um Harmun und seine Frau Fiona sowie ihren Kutscher Dhiarmaid. Sie waren den Wegelagerern vor zwei Tagen in die Hände geraten. Wir befreiten sie und gaben ihnen drei Pferde der Banditen sowie Kurzschwerter, auf dass sie einigermaßen sicher nach Ealalinn weiterreisen konnten. Mit noch etwas Verpflegung ausgestattet, konnte es für sie weitergehen. Es waren freundliche, dankbare Menschen und sie überließen uns den Schmuck und was ihnen sonst noch von den Räubern genommen worden war und preschten los.

Als wir nun das Lager untersuchten, ob sich etwas Aufschlussreiches finden ließe, entdeckten wir in einem großen Zelt, vielleicht das des Anführers, einen Zettel. Er war in Erainnisch beschrieben worden, sodass wir lediglich Bruchstücke entziffern konnten. Es ging um einen faustgroßen Edelstein und Mallachtéara…sowie einer Belohnung von zehntausend Goldstücken. Eine stolze Summe, die für gierige Gemüter den Fanatismus erklären wurde, den sie an den Tag gelegt hatten, um uns zur Strecke zu bringen. Ein Versuch, den sie teuer bezahlt hatten und wir leider auch.

Wir verbrachten die Nacht unweit des Lagers und brachen dann am nächsten Tag zusammen mit den zehn Pferden auf, die den Banditen gehört hatten. Das nahe Schlachtfeld wurde mittlerweile mit einem gewaltigen Ansturm von Krähen bedacht. Und mit zusammengekniffenen Augen sah ich noch ein letztes Mal das Grab von Olo Platschfuß.

Schweigend ritten wir los und erreichten am Nachmittag bereits das Dorf Arthlinn. Die Beute sowie unsere Herde an Pferden brachten wir zunächst zur Kaserne. Dann gingen wir durch die Straßen und merkten, dass die Einwohner bunte Fahnen aufgehängt hatten und einige Spielmannstruppen zogen durch die dicht gefüllten Straßen, um den Arthlinnern Freude und Heiterkeit zu bringen – es war eine richtige Festlichkeit. Dafür, dass es sich um ein vergleichsweise kleines Dorf handelte, mit irgendwas zwischen zwanzig und dreißig Häusern, war wirklich viel los. Es gab sogar eine drei Meter hohe Stadtmauer, die Arthlinn schützte. Ich hatte die Vermutung, dass diese in Mallachtéara auch gebraucht wurde.
Doch obwohl es so viele Menschen waren, ging man uns aus dem Weg. Wir waren voller Dreck und vor allem mit getrocknetem Blut bedeckt, vielleicht waren da auch Reste von anderen Körperflüssigkeiten…oder -teilen. Daher zog es uns auch direkt in das Badehaus, sogar der Zwerg sehnte sich nach Wasser.

Äußerlich gereinigt suchten wir uns sogleich eine Bleibe für die Nacht. Blind für die Feierlichkeiten und die Freude, die die Arthlinner verbreiten wollten, gingen wir schnurstracks in das schönere der beiden Gasthäuser am großen Platz des Dorfes: „Zum Pony“. Auch hier war es natürlich gut gefüllt, aber wir konnten drei Einzelzimmer erstehen. Dann setzten wir uns an den letzten verbliebenen freien Tisch. Und bestellten ein Bier nach dem anderen. Mit rauer Stimme sagte ich dem Wirt, dass er nicht aufhören solle, ehe ich unter den Tisch fiele.

Und so tranken wir, und tranken. Bis tief in die Nacht leerten wir Humpen um Humpen, so viel, wie ich noch nie in mich gekippt hatte. Wir erzählten uns die Geschichten von Olo, an die wir uns erinnern konnten. Gedachten diesem verrückten, kleinen Mann.

Ich erinnerte mich an unser Kennenlernen, wie er noch Schwierigkeiten hatte, meinen Namen auszusprechen. Und wie er mir erklärt hatte, dass „Platschfuß“ von den unter „persönlichem Wohlstand“ leidenden Füßen herrührte. Ein Lächeln zog sich über mein Gesicht, als ich daran dachte und Groam erzählte, wie begeistert der Halbling vom legendären Nes-Tee gewesen war. Eine Suche, die leider nicht mehr zu Ende gebracht werden würde. Eine Träne, ein tiefer Zug aus meinem Bier und die gedankliche Reise ging weiter.
Miyako sprach dann von Caileass und Olos erster Begegnung. Wie der Halbling plötzlich empört den Morgenstern auf den Tisch geknallt hatte und es plötzlich still geworden war im Gasthaus. Groam lachte schallend, als er das hörte und als ich dann die nächste Geschichte auspackte, musste auch ich – nun im Nachhinein – auch etwas lachen. Wie wir aus Crossing gestürmt waren, um den Schwarzalb zu erwischen, der mit dieser mysteriösen Streitaxt unterwegs gewesen war. Caileass und Olo waren auf einem Pferd vorangeprescht…und der Halbling war an einem Gasthaus zurückgeblieben. Bei der ganzen Hektik hatte er erst einmal eine Pfeife schmauchen und Tee trinken müssen. Oh, ich erinnerte mich an meinen Zorn, den ich damals gespürt hatte, über diesen beispiellosen Wahnsinn. Aber es war die verrückte Gelassenheit Olos gewesen, die ihn niemals verlassen hatte.

Und wer außer Olo hätte uns Jeremy bringen können, meinte Miyako dann noch – und wir mussten schallend lachen, während Groam noch nicht so recht verstand, was uns so erheiterte. So erzählten wir ihm von dem seltsamen, aber herzensguten Albai, der so gerne mit uns auf Abenteuer ausziehen wollte… sowie dem Vater des Mannes, der Olo ein blaues Auge verpasst hatte, weil der Halbling unbedingt anzügliche Bemerkungen über die Beziehung eines Hirten zu Schafen machen musste.

Es gab noch so viele weitere Geschichten, die wir uns erzählten, während wir Bier um Bier tranken. Miyako hörte zwar deutlich früher auf als Groam und ich, aber dennoch war sie redseliger denn je und wir schwelgten gemeinsam in Erinnerungen. In Gedanken reisten wir wieder nach Clanngadarn, wo der Halbling seine Angel von einem kleinen Jungen namens Yorric erhalten hatte, darüber sinniert hatte, waffenfähigen Tee herzustellen und zuletzt von Caileass im Kampf gegen Earn MacRathgar mehr oder weniger versehentlich entflammt wurde.

Dann griff Groam den Faden auf, er war ja nach dieser Reise zusammen mit Feanor auf uns getroffen. Die Auseinandersetzung Olos mit dem Magier würden wir natürlich auch nicht so schnell vergessen, als der Halbling ihm kurzerhand Inkompetenz unterstellt hatte. Oh, es war ein schwieriger Start mit unserem jetzigen Auftraggeber gewesen…
Wir näherten uns sodann der jüngeren Vergangenheit. Olo vor Geia, die er schlicht hatte verbrennen wollen; Olo, immer hungrig unterwegs und stets mit der doppelten oder dreifachen Portion Essen – besonders in Arkendale, als er vier Portionen alleine gegessen hatte. Und Olo, wie er mit den Erben Schubidups gerungen hatte. Bei Babajaga hatte er das sehr wörtlich genommen, während er Mumpitz vor vollendete Tatsachen stellen wollte…man könnte ja den Brief einfach finden, nehmen und gehen. Schließlich hatte er noch sein verborgenes Talent enthüllt, weswegen ich ihn Turingóle taufte: der Meister der Geheimnisse, der jedes Rätsel zu lüften vermochte.

Doch dann kamen wir auf die letzte Geschichte dieser Reihe zu sprechen: Olo der Kämpfer. Seine Waffe war im Kampf zerbrochen und sein Körper zerschlagen worden. Doch bis zuletzt hatte er gestanden und ich weiß nicht wie. Ein Fels in der Brandung, der uns anderen den Rücken frei gehalten hatte. Ob wir ohne ihn hier säßen?
Er hatte durchgehalten. Und es waren nur wenige Sekunden gewesen, die zu seiner Rettung gefehlt hatten. Aber nun war das tapfere Herz still.

Groam schleppte mich am Ende des Abends, halb besinnungslos wie ich war, die Treppe hoch und warf mich in mein Zimmer. Wie ein Käfer krabbelte ich ins Bett und begrüßte mit Freude die süße Nacht, die Stille brachte.

Der nächste Morgen begrüßte mich mit Kopfschmerzen und nur langsam quälte ich mich aus den Laken hervor. Miyako und Groam erwarteten mich bereits am Frühstückstisch. Die KanThai hatte weniger getrunken und der Zwerg war es einfach besser gewohnt. Aber nun musste ich damit leben.

Während ich mühselig trockenes Brot herunterwürgte und versuchte, eine Katastrophe meiner Eingeweide zu verhindern, näherte sich uns eine Druidin. Ihre einfache Kleidung sowie der Schmuck wies sie als solche aus. Zielstrebig setzte sie sich zu uns und verschwendete keine Zeit:
„Seid ihr die von Feanor geschickten Abenteurer?“
„Ja“, bestätigte Groam knapp. „Wieso?“
„Ich bin Doronvath, die oberste Druidin im Zirkel von Arthlinn. Ich war es, die mit Feanor Kontakt hätte wegen dieser Rose.“
„Gibt es Probleme?“, fragte Miyako nach, da Doronvath nicht unbedingt klang, es wäre sie froh, dieses dem Feuer geweihte Artefakt hier zu haben.
„Nun, die Rose befindet sich schon sehr lange bei uns, wohl schon mehrere Generationen. Aber seit jüngster Zeit hat sie zu leuchten begonnen. Wir Druiden befürchten, dass das Auswirkungen auf Arthlinn und seine Einwohner haben könnte, die wir nicht vorhersehen und wahrscheinlich auch nicht bekämpfen könnten. Daher haben wir uns entschlossen, dass die Rose an einen sicheren Ort gebracht werden soll.“
„Deshalb sind wir hier“, schloss Groam.
„Deshalb seid ihr hier, richtig“, bestätigte Doronvath. „Zurzeit haben wir Wachen am Tempel aufgestellt, es sind sogar Kämpferinnen der Fialla Nathrach da, von der legendären Frauengarde Téamhairs.“
„Könnte es Schwierigkeiten geben, wenn wir die Rose entfernen? Gibt es Kritiker dieses Entschlusses im Dorf?“, fragte ich nun nach, denn im Moment klang es so, als würde der Rest unserer Reise sich einfacher gestalten, als gedacht.
„Ja… es gibt ein, zwei kritische Stimmen, die auf die Tradition pochen, doch die große Mehrheit ist positiv gestimmt. Wir wollen kein Risiko eingehen.“
„Nun…dann lasst uns doch einmal einen Blick auf die Rose werfen“, schlug ich vor, wenngleich mein Schädel nach Bettruhe schrie.
„Wollt ihr euch nicht zunächst noch das Fest anschauen?“
„Was feiert ihr überhaupt?“, fragte Groam.
„Wir halten jeden Mond ein Fest ab, hier in Arthlinn. Daher sind zurzeit auch so viele Besucher hier.“
„Ihr solltet dann vielleicht ein paar Leute nach Westen schicken. Wir hatten auf der Straße ein Scharmützel mit einer riesigen Gruppe Wegelagerer. Hässliche Sache“, meinte der Zwerg trocken. „Waren diese Räuber hier bekannt?“
„Mir wäre Nichts bekannt…leider ist es in Mallachtéara nicht ungewöhnlich, dass Banditen herumstreifen“, erklärte Doronvath betrübt.

Dann gingen wir gemeinsam zum Heiligtum Arthlinns, das auf einer leichten Anhöhe lag. Es handelte sich in seinem Inneren um einen hohen, viereckigen Saal – es gab keine verschließbaren Türen, dafür viele Öffnungen zum Dorf hin. An denen zurzeit die weiblichen und grimmig dreinschauenden Wächter aus der Fialla Nathrach standen – sowie ein Mann, der sich uns als Eallaan vorstellte. Mit vier Metern Höhe war das Heiligtum groß, aber nicht über Gebühr gewaltig. Und es diente offensichtlich als Sammelpunkt für allerlei Artefakte, Bilder und Spruchrollen, die entlang der Wände auf kleinen Podesten aufgereiht waren.
Die rote und leicht schimmernde Rose befand sich in einer Metallfassung inmitten dieser Ansammlung. Zusätzlich hatten die Druiden noch einen Glaskasten um sie gestellt, sodass keiner sie einfach stehlen konnte.
„So seht ihr nun das Leuchten mit eigenen Augen. Wir hier in Arthlinn befürchten, dass dämonische Einmischung im Spiel ist, denn in so vielen Jahrzehnten ist das noch nicht vorgekommen. Das ist höchst seltsam.“
„Interessant…was spricht dagegen, dass wir die Rose jetzt gleich in eine von Feanors Kästchen packen und gehen?“, fragte ich.
„Wollt ihr denn nicht noch zum Fest?“, fragte Doronvath.
„Wir haben in dem Scharmützel, das Groam vorhin ansprach, einen Freund verloren. Mir zumindest ist nicht sonderlich danach, mich zu amüsieren.“
„Oh, das tut mir sehr leid“, meinte die Druidin und ich sah in ihren Augen, dass sie es ernst meinte. „Dann hoffe ich zumindest, dass ihr euch hier etwas erholen könnt. Möge zunächst der Körper sich heilen, bis auch der Geist wieder Ruhe findet. Für Übernachtung und Verpflegung werdet ihr natürlich kein Goldstück ausgeben müssen, dafür kommen wir Arthlinner auf.“

Dankbar neigte ich den Kopf – dann fiel mir etwas ein! Rasch zog ich aus einer Tasche den Brief heraus, den wir im Lager der Banditen gefunden hatten.
„Ihr könnt doch sicherlich Erainnisch lesen?“, fragte ich Doronvath und sie nickte. So drückte ich ihr den Zettel in die Hand und bat sie, uns vorzulesen.

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