Die Insel der Toten

Tja ja Uchana. Ich war schon ziemlich herumgekommen um das Meer der Fünf Winde, aber die Tegarische Steppe bildete einen weißen Fleck auf meiner persönlichen Landkarte. Für einen Gnom wie mich, genauer für Tikkmikk Rasfareen, war der Karneval natürlich der perfekte Anlass, diese Lücke zu füllen und so hatte ich das Gold meiner letzten „Tour“ gepackt und mich auf ein Schiff gesetzt.
Allerlei buntes Volk trieb sich hier herum, nicht nur Tegaren, sondern auch Moraven oder Araner, hie und da sogar welche wie mich, von der anderen Seite des Meeres. Immerhin gab es einiges zusehen, wie die „Himmlischen Vier“, eine nahezu legendäre Bardengruppe, ein spektakuläres Spiel namens „Hau den Sakul (welches leider nur für grobschlächtige Menschen wie den Waeländern gemacht war) und ein Wirtshaus; Der besoffene Hauke. Letzteres hatte einen verheißungsvollen Namen, denn wo der Wirt trunken war, konnten die Spesen nicht hoch sein – immerhin gab es einen treuen Stammkunden.

Wie ich so gemächlich und selbstverständlich ohne jegliche Arglist durch die Straßen Uchanas stapfte und mir meinen Weg zum Hauke durchfragte, erschallte plötzlich ein Ruf hinter mir: „Da ist er! Haltet ihn!“ Ein zweiter folgte: „Unsere Attraktion! Unsere Attraktion!“

Verwirrt drehte ich mich um und sah plötzlich zwei große Kerle in merkwürdig bunter Aufmachung und geschminktem Gesicht auf mich zu rennen. Auf mich…?
Was auch immer die von mir wollten, es konnte nichts Gutes sein! Ich nahm meine Beine in die Hand und begann zu rennen, was die kurzen Dinger so hergaben. Dabei versuchte ich mich ständig in eine Seitengasse zu flüchten, doch die beiden Wahnsinnigen waren dicht hinter mir!

Plötzlich tauchte vor mir ein gar merkwürdiges Pärchen auf. Eine kleine, beinahe zierlich zu nennende Dame mit braunrötlichem Haar und einer Kleidung aus Tierpelzen und einfachem Stoff zur Linken und ein großer, muskelbepackter Kerl zur rechten. Er trug nicht einmal Pelze und nur einen Hauch von Kleidung, sodass der Blick auf den Oberkörper frei war, auf dem… getrocknetes Blut klebte. Appetitlich!
Ein Plan war schnell in meinem Kopf herangereift und mit einem lauten „Hussa!“ sprang ich zwischen den beiden durch. Wenige Sekunden später hörte ich ein Rumpeln und Poltern und ein Blick über die Schulter zeigte mir Gewissheit: die vier waren übereinander gefallen und es begann ein kurzer, heftiger Disput. Allerdings erhob sich dann plötzlich der Barbar und rannte mit lautem Brüllen auf mich zu.
Scheiße. Dummer Plan.

Ich wollte gerade in eine Seitengasse abbiegen, da riss mich dieses Monster mit einem Satz um und ich fühlte mich, als hätte mich eine Kutsche überrollt. Ohne, dass ich mich wehren konnte, packte er Mann meine Arme und hielt sie fest, wie ein Schraubstock. Dann näherten sich die Frau und die beiden Wahnsinnigen.

„Danke, endlich haben wir… oh! Das ist er gar nicht!“ Irritiert blickte Dumm zu Dümmer. Der wiederum bestätigte: „Ja, wirklich nicht! Das ist ja doof.“
Der erste erklärte nun, als mich der Barbar endlich los gelassen hatte: „Es tut uns sehr leid, beim Zirkus ist uns ein Kleinwüchsiger abhandengekommen!“

Wütend stampfte ich auf: „Ihr Vollidioten! Ich bin nicht kleinwüchsig, ich bin ein waschechter Gnom!“
Dumm und Dümmer erwiderten nun aus einem Mund: „Quatsch, die gibt’s nicht. Ihr seid kleinwüchsig, wollt ihr nicht mit in…?“

Ich mochte klein sein, ich mochte nicht sonderlich kräftig sein, doch wenn Blicke töten könnten, dann hätten die beiden nicht nur eine nasse Hose bekommen. „Verpisst euch, sonst suche ich euch nachts heim und vergifte euren ganzen, vermaledeiten Zirkus!“
Die beiden folgten der Anweisung, sodass ich mich nun mit den merkwürdigen Gesellen unterhalten konnte.

„Wer seid Ihr so?“
„Mein Name ist Leana, ich komme aus Moravod“, erklärte die Frau.
„Ixcalotl Cuauhtl Ohticue aus Nahuatlan, Iquibalam!“, faselte der Hüne hinterher. Bei den Namen zog ich erstmal die Augenbraue hoch: „Kurt aus Iquibalam?“

„Nein! Sprecht ihr nicht unsere Sprache!?“

Da konnte ich nur die Augen rollen. Eine dermaßen „intellektuelle“ Aussage passte einfach zu gut zu dem dümmlich-kantigen Gesicht. Vorerst sollte ich es bei Kurt belassen, der Mann fand es wohl echt nicht witzig!
Leana versuchte es um einiges diplomatischer und lud mich in den Betrunkenen Hauke ein, wofür Kurt scheinbar einen Gutschein gewonnen hatte. Das Angebot nahm ich gerne an, wollte jedoch vorher noch einmal mein Glück beim Dosenwerfen probieren. Hoffnungsvoll gab ich fünf Goldstücke für den ersten Wurf, immerhin kannte ich mich vom Jonglieren her mit solchen Dingen aus.

Und ich traf perfekt! Zwar nicht die Dosen, nicht die Wand, auch leider nicht Kurt sondern den Besitzer der Wurfbude… „Verfluchte Kleinwüchsige, schert euch fort!“
„Verdammte Tegaren, ich bin ein Gnom! G – N – O – M! Was ist denn los mit euch?!“

Zur Antwort pfefferte der Mann mir lediglich seinerseits einen Ball entgegen. Den unterlief ich elegant, doch das Zeichen war klar. Schulterzuckend ging ich zu den anderen zurück und zu dritt kehrten wir in den „Betrunkenen Hauke“ ein.

Der beißende Geruch aus Schweiß, Rauch und Alkohol verschlug einem direkt den Atem, doch schnell gewöhnte man sich an die Masse, die sich irgendwie hier bereits hereingequetscht hatte. Dutzende schoben sich hindurch, stets mindestens einen riesigen Krug in der Hand, aus dem Bier, Wein oder Met schwappte und den Boden in eine einzige Lache aus klebriger Sutsche verwandelte, dass es mehr an den albischen Morast erinnerte, wenn man hindurchstapfte, denn an eine Kneipe Uchanas.
Kurt übernahm die Führung und bahnte uns einen Weg zur Bar, wo er einen Zettel auf den Tresen knallte, ehe wir uns zu einem Tisch gesellten, der wundersamer weise noch frei geblieben war.

Es dauerte nicht lange, da näherte sich eine junge Bedienung unserem Tisch und balancierte dabei eine breite Palette aus Essen und Getränken. Insgesamt vier Portionen Fleisch, Eintopf und Brot sowie zehn Gläser Wein und fünf kleine Schnäpse.

Kurt lud mich ein und binnen kürzester Zeit hatten wir gemeinsam verschlungen, was auf dem Tisch stand. Mit dem letzten Schnapsgläschen prostete ich dem Hünen zu: „Ich denke, ich kann dir nun vergeben, Ixcalotl!“
Darauf stieß er mit mir an, was mir eine leichte Weindusche einbrachte, aber das Glas überlebte überraschenderweise!

„Guten Stoff haben sie hier im Besoffenen Henkel!“
„Betrunkener Hauke, Ixcalotl!“

Während des gemeinsamen Mahls hatte ich erfahren, dass Leana eine Schamanin aus Moravod war und Ixcalotl ein Priester des fernen Nahuatlans. Sie kannten sich beinahe ein Jahr und hatten zusammen so manch ein Abenteuer erlebt, zuletzt sogar in KanThaiPan. Dort war ihr dritter Gefährte in einem Kloster zurückgeblieben, während sie wieder hergekommen waren um zu feiern. Nun standen ihre Zukunftspläne höchstens in den Sternen und ich vermeinte hier eine Chance zu riechen, aus dem einfachen Gauklerleben herauszubrechen…

Plötzlich erhob sich Leana und schlenderte zur Theke. Ihr Ziel war scheinbar ein junger Mann, der nach menschlichen Maßstäben wohl gut aussehen mochte – allerdings hatte der den Arm bereits um eine junge Frau gelegt. Wollte die Moravin etwa Sabotage betreiben?
Schließlich erreichte sie das Paar, doch sie legte die Hand um die Hüfte der Dame, einem durchaus schönen Ding! Irritiert blickte der Mann sie an, dann schob sich Leana zwischen die beiden und flüsterte dem Mädel etwas ins Ohr, dass diese errötete – plötzlich küssten sich die zwei, erst zaghaft, dann wilder und plötzlich eilten sie die Treppe empor.

Achtungsvoll erhoben sich meine Augenbrauen, während Ixcalotl die überzähle Portion Essen in sich stopfte, als wäre gerade nichts geschehen und der soeben geprellte Mann saß mit derart offenem Mann da, dass ich gerne ein Zielwerfen veranstaltet hätte! Im nächsten Moment bestellte die arme Seele zwanzig Schnäpse und lud alle nahestehenden ein – wozu der Huatlani und ich natürlich gehörten!
Doch all der Lärm der Feiernden, das Schwappen des Alkohols und das gelegentliche Reiern einiger übermütiger Junggesellen waren nicht laut genug um ein unablässiges Stöhnen aus dem oberen Stockwerk zu übertönen. Schnell waren wir über alle Maßen belustigt und entwickelten ein Trinkspiel, welches mit dem Auf und Ab der beiden Damen zu tun hatte.

Das Ergebnis war, dass Leana, als sie VIER Stunden später herunterkam, eine Bande restlos betrunkener Tresenwächter entdeckte, von denen zwei einstmals ihre Gefährten und nun nahezu besinnungslos waren – wobei sich Ixcalotl im Vergleich zu mir noch recht gut hielt!

Zur allgemeinen Erheiterung versuchte ich noch ein wenig zu Jonglieren, verlor jedoch meine Bälle, als mich einer der herumtorkelnden Menschen anrempelte. Es dauerte einige Zeit, bis ich sie wiedergefunden und damit die bescheuerten Scherze der Herumstehenden beenden konnte! Dann forderte Leana mich zum Tanzen auf, was ich in meinem Zustand auch mitmachte, wenngleich die Frau nach allen möglichen Körpersäften roch und durchgeschwitzt war, dass der Pelz sich fast schon erhob, um zu flüchten. Das lustige Herumhampeln brachte dennoch enormen Spaß und um uns herum bildete sich eine große Gruppe nicht minder unbegabte Trunkener, welche zum Ausspruch, dass morgen ein Bardenseptett namens Faun auftreten werde, Lieder anstimmte und wild herumsprang.

Doch auch in dieser Nacht wurde es irgendwann Zeit, schlafen zu gehen. Ich steuerte relativ zielsicher auf den Gemeinschaftsraum zu, doch Leana und Ixcalotl nahmen sich ein Doppelzimmer – was einen nicht zu übersehenden, lüsternen Blick des Priesters auslöste. Die Schamanin blockte jedoch rasch ab und fand heraus, dass es zwei Einzelbetten waren.

Am nächsten Mittag erhoben wir uns langsam wieder und stapften in die Stube, um uns mit etwas Essen den Magen zu füllen. Das der unverschämte Wirt des Betrunkenen Haukes für eine läppische Suppe fünf Goldstücke verlangte rief zwar gewaltige Empörung hervor, doch waren wir noch nicht ausgenüchtert genug, um Alternativen zu suchen.
Leana und Ixcalotl setzten sich zu mir und die Schamanin begrüßte mich mit einem gepflegtem „Guten Morgenfick!“

Ich prustete in meine Suppe und starrte sie entgeistert an! Was war denn in sie gefahren? Ihr Totemtier musste eine Nymphe sein…
„Guten Morgen, Tikk, alles in Ordnung?“, fragte sie nun nach.

„Oh…ich habe mich wohl verhört…vielleicht sollten wir es bei Tikkmikk belassen…“

Die beiden lachten, nachdem sie verstanden hatten, was meine „feinen Gnomenohren“ versehentlich an mein Gehirn weitergegeben hatten.
Nach dem Frühstück suchten wir noch einmal eine Wurfbude auf, doch an der großen Schlange konnte lediglich ich mich vorbeidrängen. Zwar hallten dabei einige „Verdammte Kleinwüchsige“-Rufe hinter mir her, aber da musste ich mich genau genommen, nicht angesprochen fühlen.

Diesmal traf ich wesentlich besser, gewann fünf Goldstücke und zwei Bier, wovon ich eines direkt an Ixcalotl abtrat. Leana zauberte von irgendwoher ebenfalls zwei Humpen her, die wir genauso gerne in Empfang nahmen. Oder meinte ich zu sehen, wie der Huatlani eines wegstellte? Ein Sinneswandel, oder war er einfach zu schwach?

Wie wir so durch die belebten Straßen Uchanas liefen, gerieten wir in einen Strom Menschen, die eifrig auf ein riesiges Zelt zuhielten: der Zirkus! Grinsend nickte ich den anderen zu: das würde ein Spaß werden!
Dumm und Dümmer erkannten mich tatsächlich wieder und winkten uns eifrig durch. „Für euch natürlich kostenlos! Es tut uns wirklich sehr leid!“

Ein kleines, böses Lachen erschallte in mir. Gnome sollte man nicht ärgern!
Ixcalotl nahm mich rasch auf die Schultern, zum einen, damit ich über die hundert Köpfe starren konnte und zum anderen, weil sie mich sonst noch verlieren würden. Gemeinsam begannen wir direkt zu buhen, ehe es überhaupt losging. Leana hielt sich verhalten zurück, ihr Schädel brummte wohl noch gewaltig.

„Meine Damen, meine Herren, bitte Ruhe. Hier ist jemand, der etwas sagen möchte!“, rief Dümmer durchs Zelt. Dann trat ein unscheinbarer Mann in die Manege und trug mit lauter Stimme sein Anliegen vor:
„Hört mich an! Ich bin auf der Suche nach Abenteurern, welche wirklich kompetent sind. Seit einiger Zeit suche ich eine Gruppe erfahrener Recken, die einen gefährlichen Auftrag erfüllen können, doch was sich bisher bei mit mir gemeldet hat, ist einfach zum Heulen gewesen. Wenn sich jemand für gut genug hält, kann er mich heute Abend im Betrunkenen Hauke aufsuchen!“

Der Mann schien in der Tat am Rande der Resignation zu stehen, da baute ihn das aufbrandende Buhen nicht gerade auf. Die Meute wollte etwas anderes sehen und ehrlich gesagt: ich auch!

Zunächst hielten sich Dumm und Dümmer leider zurück und ein Clown trat auf, der lächerlich mit einigen Bällen jonglierte und die schlechtesten Witze erzählte, die ich jemals gehört hatte. Vielleicht war ich da auch durch die Umstände beeinflusst, aber Ixcalotl lachte ebenso wenig wie ich. Nur Leana beging wieder einen Stilbruch und kriegte sich kaum noch ein – der Alkohol musste noch wirken!

Es folgte ein Messerwerfer, welcher zielsicher das erste Messer am oberen Rand ansetzte und sich in einer geraden Linie nach unten arbeitete. Seine zugegebenermaßen recht akkuraten Würfe riefen einige Begeisterung hervor. Der Mann begann zu grinsen, nahezu überheblich einige Possen zu reißen, ehe er einen Wurf ausführte. Das Publikum heizte ihn immer weiter an und gerade hatte er sich mit dem Rücken zur Zielscheibe gestellt und den Dolch geschleudert – da erschallte ein lauter Schrei und einer der Zirkusleute deutete empört auf die Klinge in seinem Fuß, ehe er wie ein sterbender Schwan niederging.
„Die Veranstaltung ist beendet, ich hoffe diese spaßige Einlage führte zu Unterhaltung höchster Couleur!“, grölte Dumm in ungewöhnlich sprachgewandter Art.

Dann trat er selbst mit seinem Kollegen Dümmer an und sie begannen eine Vorführung mit wilden Tieren zu geben, unter anderem einem riesigen grauen Tier mit Stoßzähnen, welches aus dem südlichen Rawindra kam. Doch ich ließ mich von dieser primitiven Darstellung nicht beeindrucken, zückte meinen ersten Jonglierball und schleuderte ihn zielsicher gegen den Schädel von Dumm. Zunächst ignorierte er diese Attacke, da warf ich einen zweiten und traf wieder direkt die Hohlbirne, sodass der Mann, soeben auf einem Bein stehend und selbst versuchend, artistisch zu sein, aus dem Gleichgewicht kam und gegen die „Elefanten“ kippte. Ein lautes Tröten erschallte und das Tier schleuderte ihn mit dem Rüssel in die aufbrüllende Menge. Der Grauhaut schien es nun endgültig zu reichen und begann und stellte sich auf die Hinterbeine. Dabei riss sie mit den Stoßzähnen eine der Haltestangen des Zelts um und schlitzte es teilweise auf.

Nun wurde es Zeit zu gehen! In der rasch aufkeimenden Panik war mein Zutun zu dieser Sache zum Glück unentdeckt geblieben und wir schlossen uns einfach den Flüchtenden an, wobei wir theatralisch vor Angst schrien, abwechselnd mit Buhrufen auf Dumm und Dümmer sowie ihren Zirkus.

Bei einer kleinen Wurfbude in der Nähe organisierte ich mir neue Jonglierbälle, dann stromerten wir weiter über das festliche Uchana. Eine Losbude rückte in unsere Aufmerksamkeit und hoffnungsfroh näherten wir uns, wobei sich bei Ixcalotl bereits ein breites Grinsen abzeichnete.
Doch als wir angekommen waren, zogen die Menschen dort rasch die Läden herunter und riefen laut: „Wir haben geschlossen!“

Empört griff der Huatlani den Mann am Kragen. „Ich will Lose kaufen, das lief sehr gut bei mir!“
„Nein, euch verkaufen wir nichts mehr!“
Da zog Ixcalotl wirklich sein Schlachtbeil. Ungläubig starrte ich ihn an, während sich Leana einfach nur die Hand vors Gesicht legte und etwas von „unsympathisch“ redete.

Die lauten Rufe des Ladenbesitzers alarmierten binnen weniger Sekunden die Stadtwache, welche sich näherte. Schnell packte unser Priester des Todes seine Axt wieder weg und kam von seinem hohen Ross herunter. Zu seinem Glück, beließen die Gesetzeshüter es dabei und an uns gewandt meinte er: „Lasst uns in den Betrunkenen Halle gehen.“

„Betrunkener Hauke, Ixcalotl!“
„Ja, den!“

Der Idee schlossen wir uns an und begannen nach einem vorzüglichen Mittagessen Karten zu spielen. Relativ schnell war klar, dass Leana verlieren würde, doch zwischen Ixcalotl und mir entwickelte sich ein Duell der großen Taktiker. Wobei ich mit jeder weiteren Runde vermutete, dass da etwas mit dem Blatt des Huatlanis nicht stimmen konnte…denn mit meiner natürlich einwandfreien, ehrlichen Spielweise kam ich einfach nicht dagegen an!
Schließlich verlor ich auch gegen Ixcalotl und empörte mich im Spaß, dass er betrogen haben muss, wenn er mich besiegen kann! Insgeheim glaubte ich fest daran…

Da erspähten wir nicht weit weg von uns den Mann aus dem Zirkus, welcher dringend vernünftige Abenteurer gesucht hatte. Allerdings sah es nicht so aus, als wäre er bisher fündig geworden – offensichtlich missgelaunt schickte er gerade eine offensichtlich betrunkene Gruppe fort und raufte sich hinterher die Haare. Der perfekte Zeitpunkt für uns, nun selbst anzutreten und das Angebot des Mannes zu hören.

„Seid gegrüßt“, eröffnete Leana das Gespräch. „Ihr sucht einige Abenteuer?“
„Ja, verdammt. Bisher kamen nur Trunkenbolde und Amateure zu mir. Einmal mit Profis arbeiten, das wäre ein Traum“, er seufzte. „Wollt ihr euch bewerben? Nennt mir eure Namen und eure Errungenschaften – ich bin Georgis.“
„Ich bin Leana, das ist Ixcalotl und zuletzt Tikkmikk. Und ja, wir haben bereits einiges aufzuweisen! Vor nicht allzu langer Zeit…“
„…einem halben Jahr!“, ergänzte Ixcalotl, wobei Leana die Augen rollte.
„…genau! Da haben wir den Minotaurus im Labyrinth von Thalassa getötet und wurden somit dort zu Helden!“
„Ah ja…“, machte Georgis, der nicht sonderlich überzeugt schien.
„Außerdem haben wir den jüngsten Fünfkampf von Uchano gewonnen!“
Da horchte unser Gegenüber auf. „Der Fünfkampf? Wie oft habt ihr gewonnen, ich hörte, die Streiter Ischkurs hätten zum zweiten Mal in Folge gewonnen. Seid ihr das etwa?“
„Nun ja… ich habe zweimal teilgenommen und gewonnen“, erwiderte Leana.
„Ich war dieses Jahr zum ersten Mal dabei“, ergänzte Ixcalotl.
Georgis sah mich fragend an und mit breitem Grinsen setzte ich den Schlusspunkt: „Ich bin der Azubi hier!“
„Und was ist mit den anderen, ursprünglichen Mitgliedern?“
„Einer verstarb kurz nach dem vorletzten Fünfkampf. Der dritte im Bunde ist nach unserem jüngsten Abenteuer in KanThaiPan verblieben.“
„Ach, ihr wart sogar bereits in KanThaiPan? Nun, da scheint ihr mir durchaus geeignet…Tikkmikk, was könnt ihr denn vorweisen?“
„Nun, ich habe einige Kenntnisse im Umgang mit diversen mechanischen Fallen, aber allgemein einige Erfahrung aus langjährigen Reisen rund um das Meer der Fünf Winde.“
„Wie lang?“
„Nun…etwa sechzig“, meinte ich mit einem schelmischen Grinsen. Erstaunt blickte mich nun die Schamanin an: „So alt seid ihr?“

Die Antwort sparte ich mir, Menschen hatten einfach keine Ahnung von Gnomen…

„Also es scheint mir, als hätte ich endlich jemanden gefunden, der für diese Aufgabe geeignet erscheint! Wunderbar… nun, morgen beginnt die Reise. Für den Auftrag müsst ihr zunächst nach Alba. Dort erfahrt ihr dann alles Weitere.“
„Verzeiht, aber euer Name klingt nicht sonderlich albisch…“, meinte ich mit einem Stirnrunzeln.
„Das stimmt, ursprünglich komme ich nicht aus Alba, aber das spielt ja hier keine Rolle. Nehmt ihr den Auftrag an?“

„Ja“, antworteten wir und schlugen mit Georgis an. Zumindest die Überfahrt würde uns bezahlt werden, wie er dann noch klarstellte, sodass wir außer Zeit nix zu verlieren hatten. Und die hatte ich ja satt…

Der Vermittler verabschiedete sich dann bei uns, während Ixcalotl vorschlug, einen letzten, deftigen Abend im „Betrunkenen Harke“ zu verbringen. Noch ehe wir ihn ein weiteres Mal korrigieren konnten, kam der erboste Wirt herbeigestapft und rief:
„Das ist der ‚Betrunkene Hauke‘! So schwer kann das doch nicht sein!“

Ixcalotl reagierte mit einem gleichgültigen Achselzucken, sodass der Besitzer des Gasthauses sich genötigt sah, Aufklärungsarbeit zu leisten. „Ich nehme an, ihr wisst nicht einmal wer Hauke überhaupt war?! Ja, natürlich nicht…also hört mal genau zu:

Hauke war der Gründer dieses Gasthauses und in ganz Uchana bekannt, weil er so ziemlich jeden unter den Tresen soff. Stets sein eigener, größter Kunde war er quasi ständig betrunken und kam auf die verrücktesten Ideen, die diese Kneipe sehr bekannt machten. Doch eines Tages wollte er ‚das größte Feuer entfachen, was Uchana jemals gesehen hat‘. Um das zu erreichen…zündete er die Hütte an und starb in den Flammen. Hinterher habe ich alles wieder aufgebaut und zu seinen Ehren heißt das Gasthaus nun ‚Der betrunkene Hauke‘“.

Scheinbar interessiert nickten wir, ehe Leana aussprach, was wir alle dachten: „Warum genau ist es jetzt ehrenhaft, dass er sich selbst und die Kneipe abgefackelt hat?“

Doch der Wirt hatte sich bereits wieder anderen Gästen zugewandt und hörte die in seinen Ohren wahrscheinlich blasphemische Frage gar nicht erst. So konnten wir uns wieder dem eigenen Vergnügen zuwenden, doch beließen wir es bei einem Bier oder Wein für jeden, sodass wir nicht mit einem Brummschädel abreisen müssten.
Zum Abschluss des Abends jonglierte ich noch einmal und präsentierte diesmal, was ich in meinen Reisejahren gelernt hatte: teilweise bis zu sechs Bälle flogen empor, durcheinander, um die Beine herum und teilweise hinter meinem Rücken. Ab und an hüpfte ich noch auf einem Bein oder schloss einfach die Augen – die Leute waren begeistert und warfen mir anerkennend etliche Münzen hin, um meine Leistung zu belohnen. Theatralisch verbeugte ich mich zum Abschluss, es folgte ein belustigtes Klatschen der Umstehenden und anschließend zogen wir uns alle zurück, um eine ordentliche Mütze voll Schlaf zu nehmen.

Ausgeruht trafen wir uns am nächsten Morgen auf ein Frühstück im „betrunkenen Hirten“, wie Ixcalotl diesmal vernehmen ließ, wonach wir uns zum Hafen aufmachten. Georgis erwartete uns bereits und führte uns zu einem Schiff mit einer Gallionsfigur in Form eines Vogels und unser Auftragsvermittler nannte den passenden Namen: „die Albatros“. Dann verabschiedete er sich auch gleich von uns und wir gingen an Bord. Kurze Zeit später legten wir ab und somit begann die Reise nach Alba.

Leana begann rasch damit, ordentlich Flöte zu spielen – eine hölzerne versteht sich. Währenddessen versohlte Ixcalotl ordentlich Haut…gegerbte und auf Trommeln aufgespannte! Diesem Duo schloss ich mich mit gauklerischen Darbietungen an und fühlte mich schnell heimisch. Des Abends sprachen wir viel über unsere bisherigen Erlebnisse, wobei ich keine Vorlage ausließ, um den beiden einen womöglich leicht fiesen Witz reinzudrücken.

Die ersten beiden Tage vergingen auf diese Art recht ereignislos und bald waren alle Scherze aufgebraucht und die Matrosen belustigten sich nicht mehr sonderlich an unserer Darbietung. Doch am dritten Tag kam endlich etwas Spannung rein, wenngleich es vorerst nur eine Nebelwarnung des Ausgucks war…

Doch dann hörten wir sie. Trommeln, tief dröhnend, dass man die Erschütterungen zu spüren meinte. Ixcalotls Spielzeuge konnten gegen solche Kaliber einpacken. Unruhig liefen die Matrosen durcheinander, einige zückten bereits ihre Säbel und blickten kampfeslustig umher. Aber durch diesen dichten Nebel konnte man nichts erkennen, sodass wir zur Unkenntnis verdammt waren… da zerschoss ein Windstoß die graue Wand und die Sicht wurde klar, wenngleich wir uns direkt wünschten, es wäre anders gekommen: vier Schiffe hatten sich um uns herum gesetzt, allesamt mit schwarzer Flagge am Mast. Die Trommelschläge beschleunigten sich und im nächsten Moment schwang die erste Riege Piraten an Deck, denen rasch noch ein Dutzend folgte. Wie eine Welle schwappten sie übers Schiff und die Überraschung stand selbst dem Kapitän erschreckend ins Gesicht geschrieben.

Im nächsten Moment durchbrach das misstönende Geräusch fallender Säbel den Trommelwirbel der Angreifer und auch zu uns meinte ein goldzähniger Holzfuß: „Waffen nieder.“
Schneller als die anderen gucken konnte, schleuderte ich schon mein Kurzschwert von mir und rief laut und deutlich: „Michse gib auf, michse gib auf!“

Leana schloss sich dem an und selbst Ixcalotl legte zähneknirschend sein gewaltiges Schlachtbeil nieder. Doch wir wurden nicht mit den anderen Matrosen angekettet, sondern warteten scheinbar umringt von einigen der brutaler aussehenden Piraten…bis sich ein durchaus ansehnliches Geschöpf näherte. Die Dame schien noch recht jung, erweckte jedoch mit einem eiskalten Blick sowie zwei Krummsäbeln einen knallharten Eindruck. Das wiederum stand im Gegensatz zu ihrem roten Mantel, welcher einen tiefen Einblick gewährte, dass es selbst mir als Gnom ein wenig warm wurde.

„Ich bin Kapitänin Lilly Blutschädel“, stellte sie sich vor. „Ihr müsst Leana sein und das euer Gefolge?“
Irritiert sahen Ixcalotl und ich zur Schamanin hinüber, welche nicht minder verwirrt antwortete: „Ja…?“
„Sehr schön! Ich habe euch bereits länger gesucht, denn es gibt etwas für euch zu erledigen. Es erschien mir am simpelsten…“
„Uns keine Wahl zu lassen?!“, quakte ich rein.
Ein süffisantes Lächeln umspielte ihre Lippen, der tödliche Blick machte mir jedoch deutlich, dass ich sie nicht unterbrechen sollte. „Ja durchaus. Gebt vorerst eure Sachen ab und zieht euch bis aufs Untergewand aus, ehe ihr mit meinen Männern die ‚Albatros‘ verlasst. Ich warne euch, ich bin die Anführerin der Bruderschaft der Blutschädel und ihr einziges Mitglied – versucht keine Dummheiten!“

Ich zog die Augenbrauen hoch, ersparte mir jedoch einen Kommentar zu der „Ein-Mann-Bruderschaft“, deren einziges Mitglied eine Frau war. Stattdessen ignorierte ich ihre Anweisung und schob mir noch schnell einen Dietrich in den Stiefel, während ich mich entkleidete. Sie brauchte uns zwar noch, doch die Art und Weise, wie sie sich geäußert hatte, legte mir nahe, dass Leana dabei eher im Fokus stand, als ihr Azubi…

Mit den Piraten gingen wir über eine mittlerweile ausgelegte Planke auf eines der anderen Schiffe, wobei wir jedoch lange genug brauchten, um herauszufinden, warum Lilly sich „Blutschädel“ nannte: vor den Augen der gefangenen Mannschaft drückte sie den Kapitän der Albatros auf die Knie und mit einer schwungvollen Bewegung ihres Krummsäbels trennte sie ihm den Kopf von den Schultern. Anschließend packte sie ihn am Schopf und schleuderte ihn untermalt von gutturalen Schreien von Bord, ehe sie das herausspritzende Blut aus dem Torso mit hohlen Händen aufnahm und sich ins Gesicht schmierte. Die Piraten um sie herum schienen das Ritual zu kennen und feuerten sie ordentlich an. Frau oder nicht, die hatte sich durchgesetzt!

Dann wurden wir jedoch in unsere „Kabine“ getrieben, einem Käfig im Bauch des Schiffes, wo man uns etwas zu Essen und Trinken hinstellte. Alles in allem war ich schon schlechter eingekerkert worden, doch eine Spaßveranstaltung sah anders aus.
Erst am nächsten Morgen ließ sich Lilly Blutschädel blicken und begann zu erklären, warum sie uns so dreist „eingeladen“ hatte:
„Es gibt zahlreiche Geschichten von einem gewaltigen Schatz auf einer einsamen, verwilderten Insel nicht weit von hier. Doch bisher ist Niemand zurückgekehrt, der sich dorthin aufgemacht hatte – was für uns die gute Nachricht beinhaltet: das Gold ist noch da! Mit euch möchte ich nun dorthin und die Beute holen, denn meine Mannschaft ist ehrlich gesagt außer zum Saufen und Kämpfen für nichts geeignet. Sollte uns ein Labyrinth oder Fallen erwarten, so setze ich auf die Erfahrung von euch geübten Abenteurern…und euerm Azubi.“
„Was springt für uns dabei raus?“, setzte ich nach.
„Ich könnte euch einfach töten…aber so schlimm will ich nicht sein, ihr erhaltet ein Viertel des Schatzes für euch.“
„Die Hälfte“, entgegnete ich trotzig.
„Ich sollte euch womöglich töten. Bedenkt in was für einer Situation ihr seid!“, dabei funkelte sie mich ungehalten an.
„Nun, ihr habt uns gehetzt und ein ganzes Schiff aufgebracht, um an uns zu kommen, ich glaube nicht, dass ihr uns einfach töten werdet, nur weil wir ein wenig schwierig sind“, erwiderte ich mit einem Zwinkern.
Lilly lachte tatsächlich kurz auf, wenngleich es eher brutal als freundlich wirkte. „Das gefällt mir. Nun gut, ihr erhaltet dreißig Prozent. Aber nervt mich nicht weiter, Gnom.“

Dann öffnete Frau Blutschädel überraschend den Käfig, hieß jedoch nur Leana, ihr zu folgen, sodass wir weiter versauern mussten. Irritiert folgte die Schamanin indes der Aufforderung, wobei ich meinte ein wölfisches Grinsen auf ihrem Gesicht zu sehen.

Schon waren Ixcalotl und ich alleine und begannen Gedankenspiele über einen möglichen Ausbruch durchzuführen. Während ich die leise Variante mit meinem Dietrich gewählt hätte, bot der Huatlani an, einfach die Stäbe auseinanderzubrechen, was ich ihm angesichts seiner Muskeln ohne weiteres zutraute. Allerdings wurden wir uns rasch einig, dass die Aussicht auf einen Schatz nicht so schlecht war, wir doch recht gut behandelt wurden (den Umständen entsprechend!) und zudem die Chance gering war, zu zweit eine komplette Mannschaft auszuschalten.

„Was Lilly wohl mit Leana anstellt? Hoffentlich nicht so ein Blutschädeldingens!“
„Sie wird bestimmt…ganz schlimme Dinge… mit Leana…tun“, murmelte Ixcalotl mit einem eigenartigen Blick. Nach kurzer Überlegung schien mir jedoch…der Mann hatte wahrscheinlich recht.

Am nächsten Morgen holte uns ein Pirat aus dem Käfig, übergab uns nahezu all unsere Sachen, sofern wir sie ihrer Ansicht nach für das Abenteuer würden brauchen können, und führte uns an Deck. Dort erwarteten uns bereits Lilly und Leana, beide mit einem etwas verträumt wirkenden Lächeln im Gesicht und ganz schön herausgemacht, den Umständen entsprechend. Sie schienen gebadet zu sein…mindestens gebadet. Ein vorwurfsvoller Blick war der Schamanin sicher – während sie ihren Spaß gehabt hatte, waren Ixcalotl und ich in einem Käfig gewesen. Sie hätte da bestimmt was heraushandeln können…

Doch Zeit zum Meckern gab es nicht, wir wurden in ein Beiboot gesetzt und einige Piraten ruderten uns an den Strand der besagten Insel, die wir in der Nacht erreicht hatten. Es dauerte nicht lange, da hatten wir ihn erreicht und die Männer zogen sich wieder zurück. Zudem konnten wir sehen, dass sich alle Schiffe bis auf eines von der Insel zurückzogen und wohl nach der nächsten Prise suchten. „Bevor ihr auf dumme Ideen kommt“, merkte Lilly an. „Auf dem letzten Schiff habe ich noch immer zwanzig Mann, die es locker mit euch drei aufnehmen können. Zudem werdet ihr uns brauchen, um hier weg zu kommen, denn ich glaube nicht, dass Segeln zu euren Kompetenzen zählt.“

Augenrollend nickte ich und wandte mich nun der Insel zu, um zu erspähen, was uns da eigentlich erwartete.

In überwältigenden Ausmaßen ragte ein urtümlicher Dschungel vor mir auf, dessen Grün durch nahezu alle mir bekannten Farben ergänzt wurde – flammendrote Vögel bis hin zu lilabläulichen Gewächsen, die locker größer waren als ich. Ohnehin erschien es mir, als wäre ich hier ein wenig falsch, denn vom Strand an, waren nahezu alle Gewächse mindestens so hoch wie ich!
Linker Hand erhob sich ein kleines Gebirge, welches einen Krater darstellte, wie Lilly berichtete.

In das Gemisch aus Farben und grellen Tierschreien führte ein Weg, der entlang eines Flusses verlief. Dem beschlossen wir zu folgen, denn nicht einmal Madame Blutschädel konnte genaueres sagen, als „hier ist irgendwo ein Schatz“. Womöglich würden wir Spuren früherer Gruppen finden oder eine Art Tempel, was auch immer.

Rasch stellten wir fest, dass die Temperaturen hier deutlich heißer waren als noch in Uchana, sodass wir unnötigen Ballast und die schwersten Rüstungsteile bei den Piraten zurückließen. Dann ging es hinein in den Dschungel, dessen Pracht in den ersten Momenten zwar überwältigend wirkte, rasch aber einen einschläfernden und erdrückenden Eindruck hinterließ. Die Luft war dick, die Tiere laut und ungefähr eintausend Insekten versuchten jeden von uns binnen weniger Sekunden aufzufressen.

Nach einem vollen Tag Marsch entdeckte Leana eine geschützte Lichtung am Rande des Weges, wo wir unser Lager aufschlagen konnten. Zusätzlich entzündeten wir ein Feuer, um Tiere fern zu halten.

„Was ist das eigentlich für eine Sache mit den Blutschädeln, Kapitänin Lilly? Ich habe gesehen, dass du den Kapitän enthauptet hast…“, eröffnete ich das leichte Abendgespräch.

„Nun, wie ihr wohl seht, bin ich eine Frau. Als solche ist es ohnehin schon schwer, sich bei Piraten durchzusetzen. Allerdings bin ich obendrein die Kapitänin der Saubande – wenn ich mich nicht entsprechend aggressiv gebärde, so tanzen mir die Kerle auf der Nase herum. Deswegen enthaupte ich meine Gegner und färbe mein Gesicht mit ihrem Blut“, erklärte sie geduldig, als wäre diese Disziplinarmaßnahme im Standardrepertoire für Kapitäne.

„Also ich kann deine Situation schon verstehen, immerhin ist mir in meinen zweihundert Jahren bisher noch keine weibliche Anführerin begegnet. Da hast du es echt nicht einfach, gerade in diesem Metier“, stimmte ich den Ausführungen selbstverständlich zu.

Dann hieß es zunächst schlafen, wobei Lilly und Leana die erste Wache übernahmen. Ob das noch den gewünschten Effekt hatte, sei dahingestellt, doch der Blutschädel-Anführerin zu erzählen, was sie zu tun hatte, stand auf meiner Liste vergleichsweise weit unten.

Am nächsten Tag ging es weiter den Fluss entlang, bis wir einen See umrundeten und abends eine Gabelung erreichten. Die unablässige Hitze und der stetige Geräuschpegel zerrten an unseren Nerven und ich sehnte mich einfach nur nach einer kühlen Brise. Stattdessen roch es stellenweise zu allem Überdruss noch nach Affenscheiße. Entweder hatten die Viecher allesamt irgendeine Magenkrankheit oder waren einfach dafür geschaffen, Fremde zu vertreiben. Lediglich Ixcalotl machte das alles vergleichsweise wenig aus, seine Heimat schien sich nicht sonderlich von dem hier zu unterscheiden.

Zwischen den beiden Flüssen, die in der Gabelung zusammenliefen, erspähten wir dann tatsächlich so etwas wie ein Lager! Erstaunt eilten wir dorthin, wo wir die umherliegenden Tische und zerstörten Stühle gesehen hatten. Sogar eine Brücke führte über den Fluss, also musste diese Expedition tatsächlich langfristig hier gewesen sein. Doch diesen Außenposten hatte der Dschungel ganz schön mitgenommen, die Möbel waren verrottet, die Waffen verrostet und was auch immer mal hier studiert wurde, die Aufzeichnungen waren dahin. Lediglich ein Zettel fiel Leana in die Hände. Es schien eine Art Höhle aufgezeichnet zu sein und sorgfältig verstaute die Schamanin diesen Fund. Wir alle vermuteten, dass dies irgendwas mit dem Schatz zu tun haben musste!
Zum Abschluss der Untersuchungen kam Ixcalotl zu mir und drückte mir mit breiter Gönnermiene fünf Goldstücke in die Hand. „Die hab ich gefunden, aber ich habe selbst schon genug.“

„Sehr großzügig von Ihnen, Herr Kurt“, meinte ich mit einem Grinsen und einer tiefen Verbeugung. Eingesteckt habe ich die fünf Goldstücke natürlich trotzdem.

Unweit dieser Verwüstung schlugen wir unser eigenes Nachtlager auf und verbrachten eine relativ ruhige Nacht im Dschungel, wenngleich Hitze und Lärm mich früher oder später wahnsinnig machen werden.

Am nächsten Morgen machten wir uns rasch wieder auf den Weg, wobei die anderen beschlossen, dass wir vorerst der Nase nach durch den Dschungel schlagen sollten. Ich wäre zwar lieber dem Fluss gefolgt, immerhin konnte ich an dessen Rand, überhaupt etwas von meiner Umgebung erkennen, doch wenn Ixcalotl vor mir lief, war das Gestrüpp meistens platt genug getreten, dass ich laufen konnte – von dem ursprünglichen Weg war nicht mehr viel außer gute Absicht zu erkennen.

Dabei fiel mir allerdings auch auf, dass der Huatlani des Öfteren nervös umher blickte und seine natürliche, leicht bronzene Haut sich leicht erhellte. Als ich ihn fragte, was denn los sei, erwiderte er ehrlich, dass er sich unwohl fühle und das Gefühl habe, ständig Stimmen zu hören.

Zwar flüsterten diese ihm keine Hassbotschaften oder Mordaufträge ein, aber ich empfahl ihm, Bescheid zu geben, wenn es schlimmer wurde. Immerhin war Ixcalotl bereit zu sagen, dass es ihm nicht sonderlich gut ging, was ich bei seinem doch eher ungehobelten Verhalten für bemerkenswert hielt.

Am Ende des Tages schienen wir wohl etwas weitergekommen zu sein, doch letzten Endes sah man nicht mehr als vorher und verdrossen schlugen wir das Lager nach Leanas Anweisungen auf, die sich scheinbar mit Urwäldern aller Art auskannte.

Den folgenden Tag entdeckten wir einen abzweigenden Trampelpfad, welchem wir nun folgten. Ich überließ diese Entscheidungen weitgehend den erfahrenen Abenteurern, sogar Lilly hielt sich zurück. Die meiste Zeit lief sie schweigend hinter Leana her und ab und an meinte ich ein wenig Sabber heruntertropfen zu sehen…vielleicht war es auch einfach Schweiß, aber mir gefiel die Vorstellung, dass Madame Blutschädel schmachtend auf den Arsch der Schamanin starrte.

Der Pfad führte uns an einem kleinen Gebirge entlang, was ein wenig Abwechslung in das Grün brachte…da hörte ich plötzlich ein lautes Krachen und Donnern, gefolgt von einem unnatürlichem Schrei, der aus den Abgründen der Hölle selbst emporkommen musste.
Im nächsten Moment verfinsterte sich der Himmel, wobei die normalen Geräusche des Dschungels erstarben. Der Boden erbebte und im nächsten Moment fiel mir mit einem gewaltigen Schmatzen eine Leiche vor die Füße. Alle Knochen zerschmetterten, die Glieder wurden in entsetzlichen Winkeln vom Körper weggespreizt. Und es folgten weitere; dutzende tote Körper regneten vom Himmel!

Lilly Blutschädel schien dieses Weltuntergangsszenario schlicht zu ignorieren und stapfte zwischen den Leichen den Weg weiter entlang, als würde nichts geschehen.
„Komm, Lilly, wir müssen hier weg!“, schrie Leana so panisch, wie ich mich fühlte.
„Was ist denn los?“
„Leichen regnen vom Himmel! Wir werden alle sterben!“, japste ich nur und nahm meine kurzen Beine in die Hand und spurtete los. Das hier war Wahnsinn!

Kurze Zeit später eilten mir die anderen hinterher, nachdem sie die Kapitänin nicht hatten überzeugen können. Irgendwas war seltsam an der Sache und kaum hatten wir diesen Abschnitt des Weges verlassen, hellte sich die Welt wieder auf und beinahe glücklich vernahm ich den üblichen Lärm des Urwalds. Dennoch war ich immer noch verängstigt und rollte mich auf dem Boden zusammen, wenngleich ich mir nach einigen Minuten nicht mehr sicher war, ob das alles tatsächlich so geschehen sein konnte…

Eine Stunde später kehrte Lilly Blutschädel zurück und berichtete uns von einer Art Altar, den sie entdeckt hatte. Einige Knochen schienen darauf hinzudeuten, dass dort vor langer Zeit etwas geopfert wurde, allerdings vermochte sie nicht genau zu sagen, was. Aber sie hatte auch etwas Nützliches geleistet und überreichte Leana einen weiteren Zettel, der noch einen Teil irgendeines Höhlensystems zeigte. Die Schamanin und ich überlegten einige Zeit, ob die irgendwie zusammenpassten, aber da mussten noch einige Teile fehlen.

Nun gingen wir den ursprünglichen Weg weiter durch den Dschungel, in Erwartung des nächsten Lagers oder irgendetwas anderem, das uns weiterhelfen konnte.

Plötzlich rumpelte es im Geäst über uns gewaltig und im nächsten Moment stürzte eine zwei Meter lange Schlange auf Ixcalotl!

Vollkommen perplex ging er direkt in den Ringkampf mit dem Biest über, während wir gewahr wurden, dass wir in irgendein Nest gestolpert sein mussten! Einige weitere näherten sich uns, sodass jeder genötigt war, seine Waffen zu ziehen und sich ins Gefecht zu stürzen.

Nun, fast jeder. Leana dagegen rief laut: „Die sind gar nicht gefährlich!“ Damit ignorierte sie auf bemerkenswerte Weise, wie gerade eines der Tiere Ixcalotl zu beißen versuchte, während eine andere bereits genüsslich zischelte, als sie mich als ihren Mittagshappen auserkor.
Nach etlichen Momenten, als wir bereits unsere ersten Angriffe gesetzt und sich die Schlangen ein, zwei Mal revanchiert hatten, erkannte sie dann, dass die Hitze einfach nicht gut für Denkarbeit war, zog ihren imposant aufblitzenden Dolch und attackierte gemeinsam mit uns die Schuppenviecher.

Zwar hatte ich an die fünfzig Jahre Erfahrung im Kampf mit dem Kurzschwert, aber man könnte nicht behaupten, dass ich jemals wirklich geübt hätte, mit einer Waffe umzugehen. Gegen die Menschen der Stadt war wegrennen und verstecken noch immer die beste Abwehr gewesen.
Gegen eine zwei Meter lange Schlange würde das wohl nicht helfen und meine mangelnde Erfahrung mit ihren ruckartigen Angriffen, machte es noch schwerer, überhaupt einen Treffer zu landen.

Auch Ixcalotl tat sich in seiner unpassenden Situation schwer – mit einer Axt hätte er das Vieh wahrscheinlich binnen eines Atemzugs zerteilt, doch im Ringkampf sah das alles wieder anders aus. Leana brauchte ja eine Weile, bis sich dazu herabließ, den Pöbel bei seiner Arbeit zu unterstützen, aber ihre neue Freundin Lilly machte eine ordentliche Figur. Beinahe wie eine Künstlerin zog sie die Krummsäbel durch die Luft, jeder Angriff ein Pinselstrich – die Farbe: das Blut der Schlangen. Rasch segelte ein abgetrennter Kopf durch die Gegend, der mich dennoch versuchte zu beißen, als er vorbeiflog. Der nächsten Schlange bohrte sie die Klinge schlicht durch den Schädel und nagelte sie somit in den Boden.

Dann bewiesen wir, warum wir all die Mühe wert gewesen waren! Mit einem schließlich überragend gezielten Stich attackierte ich aus äußerst gut rückgelagerter Stellung genau in dem perfekten Moment, als die Schlange attackierte, sodass ich dank meiner absoluten Präzisionskünste einen unmittelbar verheerenden Treffer landen konnte…Spaß bei Seite, ich stolperte rückwärts, die Schlange attackierte direkt wieder und spießte sich dabei selbst auf meinem Kurzschwert auf. Aber hey, es war immerhin MEIN Kurzschwert!

Indes rief Leana einige Worte einer mir unbekannten Sprache und zwei der Biester verzogen sich direkt ins Unterholz, während Ixcalotl aufsprang und mit einem lauten Schrei seine Kontrahentin einfach der Länge nach zerriss, ehe er sie ins Gebüsch warf.

Lilly vollendete unsere Darbietung mit einem Stich in die Mitte zur Fixierung und einem schwungvollen Kopfabtrenner zur Vollendung – die letzte Schlange war tot.

Damit war unser erstes Scharmützel als Gruppe glimpflich verlaufen, trotz der anfänglichen Überraschung. Erstaunt darüber, dass ich dazu etwas beigetragen hatte, konnte ich nicht anders, als ein wenig kindlichen Stolz zu verspüren. Tikk der Schlangentöter!

Leana organisierte uns dann zwei Stunden später ein Nachtlager und wir betteten uns wie gewohnt zur Ruhe…bis abends ein lauter Ruf Ixcalotls erschallte: „Ich habe eine gewaltige Schlange in meiner Hose!“

Die Damen kicherten, wenngleich sie dennoch zur Hilfe eilten. Ich blieb jedoch liegen, auf eine Massenveranstaltung im Zelt des Huatlanis legte ich es nicht sonderlich an. Sollten die beiden mit Ixcalotls Schlange alleine glücklich werden!

Am nächsten Morgen erfuhr ich dann, dass es sich um eine richtige Schlange gehandelt habe. Die Enttäuschung, die dabei aus der Stimme meines neuen Freundes herausklang, machte deutlich, dass er die Wahrheit sagte. Schade eigentlich, immerhin schien die Libido unserer Frauen nahezu stündlich nach Befriedigung zu schreien.

Im Verlauf des Tages entdeckten wir eine Flusskreuzung, wo der Weg nahezu endete. Den kläglichen Resten des Pfades folgten wir einem der Ströme entlang, ohne, dass ich auch nur noch den Hauch einer Ahnung hatte, in welche Himmelsichtung wir liefen oder ob das eigentlich sinnvoll war.

Dabei näherten wir uns einem Berg und landeten tatsächlich mitten in einem der ausgestorbenen Basislager. Ähnlich verfallen wie das andere, hielt es nahezu nichts für uns bereit, nicht einmal fünf Goldstücke. Doch ein weiteres Papier mit Höhlenkarte schaffte den Weg in Leanas Tasche, sodass nicht alle Suche umsonst war.
Nun gingen wir zurück, folgten einem der anderen Flüsse und erreichten bald eine Anhöhe, wo uns zum einen die schmerzlich vermisste, kühle Brise um die Nase strich, und zum anderen ein Ausblick erwartete, der ein wenig Seelenfrieden zurückgab. Das weite, tiefblaue Meer lag vor uns und wir erblickten den lang gezogenen Strand…wo ein Schiffswrack herumlag! Es schien bereits ordentlich verrottet, doch unser Interesse war geweckt, sodass wir so schnell unsere Füße uns trugen, zum Strand hineilten.

Rasch waren am Wrack und hatten es ebenso eilig durchsucht, doch es war nur Schrott an Bord, sodass sich bereits eine große Enttäuschung breit machen wollte. Da kam Ixcalotl auf die grandiose Idee, in einem der Fässer nachzusehen und zu unser aller Überraschung: Rum! Sogar noch einigermaßen genießbar, sodass der Huatlani und ich uns direkt ein ordentliches Schlückchen gönnten.
„Bleiben wir doch den Rest des Tages hier“, schlugen wir vor. Die Frauen zogen zunächst skeptisch die Augen hoch, insbesondere Leana. Doch nachdem sich Lilly ebenfalls einen Humpen Rum gegönnt hatte, war die Entscheidung gefallen und wir ließen den nervtötenden Dschungel für heute hinter uns, um einmal richtig die Sau herauszulassen. Rasch war mein kleiner Körper mit Alkohol gefüllt, dass ich fürchtete zu platzen, während Ixcalotl gerade angeheitert wirkte. Meinen Respekt, der Mann vertrug was!

Währenddessen entwickelte ich die Idee, die unbrauchbaren Säbel zu nehmen, die herumlagen und in die Balken zu stechen. Anschließend konnte man sie mit einer der herumliegenden Kugeln umwerfen – wer die meisten traf gewann! Mein huatlantischer Gefährte ergänzte um die Idee, die Schräglage des Schiffs auszunutzen. Allerdings wandelte ich seinen Vorschlag dahingehend um, bergab zu spielen…andersherum müsste ich schieben. Dieser neuen Sportart frönten wir einige Stunden lang, bis die Säbel zu zerbeult waren. So, meine Freunde, ward das „Säbelbowling“ erfunden!

Leana und Lilly hatten sich während dieser Zeit in ihr Zelt am Strand zurückgezogen und gingen ihrem eigenen Sport nach. Ich sagte ja: „stündlich“.
Aber für das abschließende Lagerfeuer am Deck des Schiffes (wir waren wirklich gut angetrunken), gesellten sie sich aber zu uns und wir unterhielten uns ein wenig. Irgendwann kam Frau Blutschädel dann auf das Thema Männer zu sprechen, wobei sie Leana einen für ihre Verhältnisse ungeheuer zärtlichen Blick schenkte.

„In meinem Leben wurde ich bisher von Männern nur enttäuscht. Entweder haben sie mich mit irgendwelchen Hafenhuren betrogen, mich sogar für solche sitzen lassen oder versucht, mir meinen Platz streitig zu machen. Etliche gönnten mir meinen Aufstieg nicht, doch ich wusste immer, wie ich meinen Körper einzusetzen hatte. Wer mir in die Quere kam, wurde umgarnt, betrunken gemacht und in mein Lager geführt. Dort entblößte ich mich vor ihnen, ließ mich auf die Knie…um ihnen im nächsten Moment mit einer scharfen Klinge die Männlichkeit zu nehmen! Diese Schreie werde ich nie vergessen und das Gefühl der süßen Befriedigung, welches mich durchflutete, ungleich jeder anderen Verzückung, der ich bisher erlegen war. Absolute Verzweiflung…ich genieße es immer wieder“, dann warf sie einen kurzen, bösartigen Blick in Ixcalotls und meine Richtung, ehe sie gackernd loslachte. Unsicher rutschten unsere Hände schützend an entsprechende Stelle und selbst Leana blieb das Lachen verhalten im Halse stecken.

Damit hatte Lilly das Interesse an jeder weiteren Unterhaltung unterbunden und wir zogen uns in unsere Zelte zurück – wobei der Priester und ich so betrunken waren, dass wir unser Lager auf Deck eingepflockt hatten. Es war eine ruhige Nacht, wenngleich ich irgendwann in eine Ecke gerutscht war.

Am nächsten Tag schüttelten wir den Müßiggang ab und wanderten den Strand entlang. Es war eine angenehme Abwechslung zum Dschungel, doch nach einem ganzen Tag in der heißen Sonne, die sich im Meer augenblendend spiegelte, war ich auch das leid. Elende Wandertouren.
Es war der folgende Tag, da wir endlich eine große Entdeckung machten: in einigen Felsen befand sich ein großes Loch, welches in ein Höhlensystem führte, dessen Größe wir nur erahnen konnten – zumindest wenn unsere Karte dafür gemacht war. So drangen wir entschlossen in die Tiefe ein, gespannt erwartend, was da kommen mochte.

Gerade hatten wir den ersten Abschnitt durchquert und einen langen „Gang“ verfolgt, da vernahmen wir vor uns ein Stöhnen und schlurfende Schritte näherten sich uns. Einen Moment lang hatte ich befürchtet, das hier würde langweilig werden!
Keine zwei Sekunden später traten vier Piraten in das Licht der Fackel. Zumindest waren sie wohl einmal welche gewesen, nun war ihre Kleidung verrottet, ihre Leiber skelettiert und aus den Schädeln funkelte rotes Licht grausig-todesverheißend in unsere Richtung. Ächzend erhoben sie ihre Säbel und attackierten jeden von uns.

Im Vorlauf verfehlte ich mit meinem Wurfmesser, doch mit dem Kurzschwert landete ich tatsächlich direkt einen Treffer, als der Untote auf Schlagreichweite herangekommen war. Zwar war ich nicht der beste Kämpfer, doch ich besaß langjährige Erfahrung darin, Schlägen auszuweichen! Dies konnte ich nun für mich nutzen und hätte das Skelett einen Geist besessen, so wäre dieser wohl wahnsinnig geworden, angesichts des dreisten Gnoms, der einfach mal durch die dürren Stelzen rollte.

Lilly stellte sich nun ungewohnt ungeschickt an und lief dem ersten Angriff des Skeletts direkt in die Arme. Nun ja, er war immerhin der Typ Mann, den sie bevorzugte: tot. Doch sie glich den ersten Patzer rasch aus, schüttelte sich einmal, als wäre der Schnitt dadurch bereits verschwunden und setzte mit einer schwungvollen Dreierkombination zum Gegenschlag an. Erst links, dann rechts und schließlich mit beiden Klingen durch die Mitte – da blitzte das rote Licht nur noch kurz auf, flackerte und der Schädel zerbarst in dutzende Einzelteile.

Leana hatte sich währenddessen erstaunlich gewandelt. Ihre Haut wirkte von einem Moment auf den anderen erstaunlich hölzern und als ich sah, wie der Angriff ihres Gegners einfach von der Rinde abprallte, konnte ich nur anerkennend das Gesicht verziehen.

Doch Ixcalotl hatte einen ähnlich schlechten Start wie Lilly erwischt. Er war zwar nicht selbst sonderlich ungeschickt gewesen, aber sein Kontrahent war womöglich früher einmal Kapitän gewesen. Der Säbel hatte gleich im ersten Angriff das Knie gefährlich angeschnitten, dass der Huatlani es kaum noch belasten konnte. Doch das hielt den Priester nicht davon ab, wie wahnsinnig mit der Axt um sich zu schlagen, wobei er dem Skelettpiraten einige Knochen entriss, die wie Querschläger durch die Höhle flogen.

Lilly eilte mir zur Hilfe und zertrennte mit einem kräftigen Angriff die Wirbelsäule gleich an zwei Stellen, dass der ehemalige Pirat einfach in einem einzigen Knochengewirr zu Boden ging. Das nutzte ich, um loszueilen – denn ich hatte erspäht, dass Ixcalotl zu Boden gegangen war! Ein zweiter Treffer gegen das schwache Bein hatte ihm sein Gleichgewicht geraubt und sein Gegner stand über ihm, der Kiefer klapperte, als wolle das Skelett lachen. Doch im nächsten Moment war ich schon hinter ihm und zerschmetterte so schwungvoll, wie es mein kleines Schwert ermöglichte, das Knochengerüst. Und siehe da, gemeinsam mit Ixcalotls Vorarbeit: der Gegner ging nieder!

So wandten sich alle Blicke auf Leana, welche just in diesem Moment ihren Dolch in eine der Augenhöhlen versenkte, dass es knirschte und knackte, bis der Schädel auseinanderfiel. Ha, selbst Untote hielten uns nicht auf!

Die Schamanin untersuchte kurz die Wunde des Priesters, die sich jedoch nicht als extrem schlimm erwies und ließ mir ebenfalls ein wenig Hilfe zukommen. Ein Verband zierte anschließend meinen Oberarm, wo ich einen leichten Schnitt erlitten hatte.

Nun stapften wir weiter durch die Höhlen, wobei sich Leana stetig Notizen auf einem kleinen Zettel machte. Immer wieder glich sie mit den bisher gefundenen Karten ab, doch Ähnlichkeiten waren nicht eindeutig zu erkennen. Waren die Dinger einfach nur verwischt oder gab es hier mehr als ein Höhlensystem?
Plötzlich standen wir vor einer schwarzen Wand! Genau genommen, war es weniger eine Wand, sondern mehr wie… nichts. Da wo der Gang weitergehen sollte, blickten wir einfach in lichtlose Finsternis, die auch nicht dem Fackellicht wich. Vorsichtig näherte ich mich, besah mir das Ding und kam zu dem Schluss, dass es wahrscheinlich keine tödliche Falle war. Zumindest hatte ich diesen Entschluss solange, bis Leana meinte, es handele sich um Magie und zwar nicht die von der guten Sorte. Zum abschließenden Test warf ich einen meiner Wurfdolche gegen das Nichts – es blitzte auf und ein strahlendheller Dolch schoss zurück, der einen Moment brauchte, bis er die Energie wieder abgegeben hatte. Nun gut, das mit der Falle war eine Fehleinschätzung, aber das kann auch den besten passieren… hätten wir Ixcalotl vorgeschickt, der überlebte wahrscheinlich alles, wie der aussah.

Leana gab noch die Einschätzung ab, dass dieser Gang einmal einen anderen Zugang zum Höhlensystem dargestellt habe, aber durch Magie versiegelt wurde. Warum konnte sich nicht einer von uns auch nur ansatzweise vorstellen, bisher gab es hier ja nichts außer verrotteten Resten.

Die Erkundung schritt voran, unter anderem fand Leana einen Trank und wir durchschwammen einen Fluss, wobei Ixcalotl mit zwei erstaunlichen Armzügen nahezu direkt drüben war während die Schamanin ihre Last hatte. Ihre Beine mussten aber bei den ganzen sportlichen Einheiten mit Lilly auch schon ganz schön schwach sein!

Dann entdeckten wir einen unterirdischen See, der still und klar vor uns lag. Ixcalotl kniete vorsichtig am Rand nieder, schöpfte ein wenig mit der Hand und probierte behutsam. Noch ehe er sagen konnte, dass es genießbar war, hatte ich meine Sachen von mir geworfen und war direkt vor ihm ins Wasser gesprungen. Nass waren wir zwar alle, doch der Huatlani bekam die extra Portion Spritzwasser ab!
Im nächsten Moment folgte ein lautes Kichern und die beiden Frauen sprangen nackt in den See.

Ixcalotl übernahm an der Stelle ausnahmsweise die Rolle des ernsten Priesters und erkundete weiter die Höhle, wobei ich auch gemächlich den See wieder verließ. Das allmählich ansteigende Stöhnen der beiden Damen wurde mir doch ein wenig…unangenehm. Aber nun ja. STÜNDLICH!

Plötzlich rief der Huatlani, der in einem Nebengang verschwunden war, laut: „Gegner!“
Langsam trottete ich los, eine große Hilfe konnte ich dem Kämpfer wohl kaum sein. Andererseits würden die Frauen wohl noch etwas brauchen, sodass ich wenigstens Hiebfang spielen konnte…

Aber wie erwartet gab es nichts zu befürchten. Das Schlachtbeil schnappte wie ein wildes Tier immer wieder zu und zerschmetterte die Knochen derart, dass ein feiner Staub auf den Boden rieselte. Es waren zwei Gegner, von denen ich einen kurzfristig mit lautem Geschrei ablenkte, ehe der Priester auch diesen zerschmetterte. Ixcalotl zuckte kurz mit den Achseln und ging weiter, während ich mich beschwerte, dass ich bei der Aktion wieder einen leichten Treffer eingesteckt hatte. Da kamen die Mädels und begannen mich gemeinsam mit einem weiteren Verband zu versorgen. Dabei huschte mir ein schelmisches Grinsen aufs Gesicht…was rasch verschwand, als Lilly mich anblickte und süffisant „Schnippschnapp“ machte. Ich schluckte schwer und ging wieder auf großen Abstand zu Frau Blutschädel. Die war einfach durchgeknallt…im wahrsten Sinne des Wortes, wenn Leana ihr HANDwerk verstand.

Schließlich gingen wir in gemeinsamer Formation weiter durch die Höhlen, bis wir zwei weitere ehemalige Piraten entdeckten, die diesmal mit Streitäxten auf uns losgingen. Blöderweise stand ich diesmal in der ersten Reihe!

Rasch duckte ich mich unter dem ersten Angriff weg und landete sogar gleich einen Treffer gegen das Gelenk! Es brach weg, doch ungerührt wechselte mein Gegner einfach und es folgte ein Schwinger nach dem anderen, dass ich entweder springen und rollen musste, bis mir die Puste ausging. Lilly konnte dagegen einfach parieren, um sogleich selbst zuzuschlagen, wobei sie verheerenden Schaden an den Knochen anrichtete.
Ich wechselte dann rasch mit Ixcalotl und sank erschöpft an der Wand zu Boden. Kämpfen war nicht meine große Stärke und zu meiner Verteidigung erklärte ich Leana, dass ich trotz meiner „dreitausend“ Jahre nie sonderlich habe zu Waffen greifen müssen. Sie murmelte etwas von „notorischer Lügerei“, konzentrierte sich dann aber wieder auf unsere Gefährten. Die erledigten allerdings keine sonderlich gute Arbeit, sodass die Schamanin selbst eingriff. Genau genommen, vollendete sie nur, was die verheerenden Angriffe unserer Gefährten angefangen hatten, doch sie würde bestimmt wollen, dass ich hier so etwas sage wie: „Mit einem gewaltigen Satz, katapultierte sie sich über Ixcalotl hinweg, sodass sie mit den Füßen auf dem Kopf des ersten Skeletts landete. Dieses knickte schlicht in sich zusammen, obwohl die Schamanin natürlich ein Leichtgewicht war und weit entfernt davon, dick zu sein. Hat hier jemand dick gesagt?! Lassen wir das… grazil wie ein Flamingo hatte der nächste Stich das andere Skelett ins endgültige Verderben gestürzt, wobei die Knochen in Form eines Wolfes auf den Boden fielen.“

Nach diesem Kampf waren wir alle jedoch ein wenig erschöpft, sodass wir uns dazu entschlossen, ein Nachtlager einzurichten und uns einige Stunden zu erholen.

Am nächsten Morgen verloren wir keine Zeit und machten uns direkt auf den Weg…unmittelbar in der angrenzenden Kammer befand sich ein weiterer See, aber auch eine Gruppe von drei Skeletten, die mit Langschwertern in der Hand auf uns zu stürmten. Einen Engpass nutzend, übernahmen Lilly und Ixcalotl als unsere Terminatoren zunächst den Kampf, wobei erstere rasch durch Leanas Zauberkraft in Form einer Rindenhaut geschützt wurde. Natürlich, bevor sie den Huatlani unterstützte…

Allerdings schien es mir recht bald, dass sich die kämpfende Masse zur Arbeitsverweigerung entschlossen hatte. Zwar wehrten sie die Angriffe der Skelette ab, doch selbst trafen sie nur sporadisch oder bequemten sich überhaupt, eine Attacke zu planen.

Lilly setzte in dem ganzen jedoch bald Akzente, die klar machten, dass es hier nicht um den Willen sondern um das Können ging. Auf der einen Seite gut, aber im Ganzen viel schlechter. Zuerst ließ sich die Kapitänin entwaffnen, dann setzte sie ihre andere Waffe mit voller Wucht gegen die Felswand. Sie knisterte und leuchtete auf und blieb überraschend in einem Stück. Mit einem Grinsen bemerkte ich, dass die Madame offensichtlich über magisches Arsenal verfügte.

Schließlich war es Ixcalotl, der aus dem Kreislauf aus Not und Elend ausbrach und mit einem sauberen Hieb alle Knochen vom Schlüsselbein bis zur Hüfte zerfetzte, dass der Staub uns nahezu die Sicht vernebelte. Bis dahin hatte es allerdings so lange gedauert, dass ich meine Gauklerbälle gezückt hatte und eine Runde lang mit ihnen spielte.

Ein weiteres Mal zischte es gefährlich auf und Lilly fluchte entsprechend laut, doch dann schaffte sie es endlich ihre Wut zu kanalisieren und hieb ihren Kontrahenten in Stücke.

Doch der Kampf hatte sich bereits so lange gezogen, dass Ixcalotls Kräfte schwanden und ihn schließlich sogar ein verheerender Treffer vor die Brust traf, dass er zu Boden ging! Es fühlte sich für mich an wie ein Erdbeben, vor allem eines in meinem inneren Gerüst von der Vorstellung dieser Welt. Der Huatlantische Kämpfer am Boden?! Meine Gauklerbälle fielen zu Boden und meine Kinnlade klappte herunter.

Leana übernahm den Schutz des regungslosen Kriegers, wurde dafür jedoch mit zwei schnellen Treffern bestraft, die ihr ein wildes Brüllen entlockten. Doch dann stürzte sie sich mit einem lauten Heulen auf ihren Gegner und riss ihm mit bloßen Händen die Knochen aus dem Leib. Hätte der Pirat noch Fleisch besessen, so hätte sie es ihm jetzt wohl vom Leib geschnappt.

Mit diesem erstaunlichen Schlusspunkt endete der Kampf, nachdem sich Leana und Ixcalotl (nach rascher Erstversorgung) kurz zurückzogen, um zu ihren jeweiligen Göttern, Geistern, Tieren oder was auch immer zu beten. Als sie sich jedoch beide nahezu gleichzeitig ächzend an den Kopf griffen, wurde selbst mir klar, dass da etwas nicht stimmte.

Ziemlich missgelaunt kamen sie zu uns zurück, wenngleich sie immerhin ihre Wunden recht gut versorgt hatten.

Die Schamanin durchsuchte noch rasch die Reste der Besiegten, wobei sie neunzehn Goldstücke zu Tage förderte, was wir kläglich unter uns aufteilten.

Kurz darauf erblickten wir bereits zwei weitere Skelette, die sich uns mit Langschwertern näherten. Um dem Elend von vorhin vorzubeugen, griffen wir gleich alle an. Einer der Piraten bot mir sogar direkt eine Blöße an, dass ich ihn mit einem Hieb direkt die Wirbelsäule zerlegen könnte. Doch das Wunschdenken ließ sich leider von meinen bescheidenen Kampfkünsten in Zaum halten, sodass mein Angriff fehlging und ich beinahe Lilly getroffen hätte!

Doch auch Leana folgte dem aktuellen Trend und lief direkt auf. Das Skelett parierte den missglückten Dolchangriff und die Klinge gab ein lautes Zischen und … Fauchen von sich, was deutlich machte, dass die Schamanin es beinahe geschafft hatte, ihre perfekte Waffe zu zerstören.

Ixcalotl brach zum Glück aus dem allgemeinen Elend heraus und setzte einen Hieb an, der jeden Menschen der Länge nach hätte zerteilen können. Doch durch abartige Verrenkungen, welche einem Sterblichen nicht gegeben waren, wich das Mistvieh dieser Verheerung aus. Aber dieses Glück war nicht von Dauer, denn Lilly Blutschädel ließ ihre Krummsäbel gleich den Hämmern der Verdammnis in den wandelnden Knochenhaufen krachen.

Indes hatte ich einmal gewagt einen Treffer des verbliebenen Skeletts zu parieren – die Wucht trieb mir jedoch direkt alle Kraft aus dem Leib, sodass ich mich schnell aus dem Kampf zurückzog. Aus sicherer Entfernung beobachtete ich, wie die Piratenkapitänin den letzten Unhold in seine Bestandteile zerlegte, bis sich nichts mehr regte. Dann hatten wir alle genug für den Tag und betteten uns ein weiteres Mal zur Ruhe.

Den folgenden Umlauf verbrachten wir damit, dutzende Kammern abzulaufen, Fackeln zu verbrauchen und ein einzelnes, schwächliches Skelett niederzumachen. Es bewegte sich so langsam, dass ich sogar mit meinem Wurfmesser traf, ehe Ixcalotl es zertrümmerte. Das Höhlensystem musste riesig sein, denn schließlich wurden wir wieder müde und verblieben eine weitere Nacht darin. Wie lange waren wir nun überhaupt schon unterwegs? Ich hatte bereits die Übersicht verloren und sehnte mich langsam aber sicher danach, endlich einen richtigen Erfolg zu erleben.

Kurz nach dem Aufstehen entdeckten wir die Überreste einer früheren Expedition, darunter siebenundsechzig Goldstücke sowie einen kleinen Krafttrunk. Doch kurz danach fanden wir wohl das, was den damaligen Reisenden zum Verhängnis wurde – oder die damaligen Reisenden, wer weiß?

Zumindest waren es insgesamt neun Skelette, die da knarzend und knackend auf uns zuhielten. Die Schamanin zögerte nicht lange und jagte tatsächlich eine Feuerkugel mitten in die wandelnden Toten hinein. Mit einem derben Fluch auf den Lippen mussten wir jedoch mitansehen, wie der Großteil der Gerippehaufen tatsächlich der Explosion entging und umso entschlossener auf uns zuhielt.

Zunächst hielt ich mich aus dem Kampfgeschehen zurück, sodass ich umso genauer sehen konnte, was die anderen so trieben.
Ein Gegner stürzte direkt vor Leana zu Boden, erhob sich wieder mühselig, schlug zu…und hieb sich selbst den Kopf ab. Perplex starrten wir auf den Knochenhaufen und ich überlegte einen Moment lang, ob die Schamanin noch ein paar Tricks auf Lager hatte, die bisher nicht herausgekommen waren!

Ixcalotl dagegen erledigte seine Kontrahenten nach der alten Schule, ein Schwinger hier, ein Schwinger da, mal ein gerader Hieb oder auch eine Kopfnuss. Rasch hatte er zwei Skelette niedergerungen und schien nicht sonderlich angekratzt.

Doch Lilly erwischte es böse! Etwas abseits stand sie gegen zwei Skelette allein auf weiter Flur. Zwar hatte sie bereits einige Treffer gesetzt, aber plötzlich erwischte sie eines der Drecksviecher am Oberschenkel und der Stahl fraß sich durchs Fleisch bis auf den Knochen durch. Der knackte hörbar, hielt aber stand. Lilly schrie laut auf, da folgte der Angriff des anderen Untoten und traf sie am Kopf. Benommen ging die Kapitänin zu Boden! Verdammt, das könnte hier doch noch verdammt eng werden!

Zwar mochte ich die Sackschneiderin nicht sonderlich, doch ihre Kampfkraft war nicht zu verachten, so eilte ich schnell zu ihr, um sie gegen die Skelette zu verteidigen. Gerade beobachtete ich noch, wie eines der Skelette bei einem Angriff seine Hand verlor. Sie flog einfach beim Ausholen weg. Beinahe traurig wirkte der Untote, wie er auf den Stumpf starrte, sich schließlich niederlegte und nicht mehr regte. Merkwürdige Kreaturen.

Doch als ich bei Lilly war, nahm ich nicht mehr viel vom restlichen Gefecht wahr, denn ich war voll und ganz damit beschäftigt, ihren Körper vor weiteren Schaden zu bewahren. Allerdings dauerte es nicht lange, bis mir klar wurde, dass aus dieser anfangs heroischen Idee ein Himmelfahrtskommando für mich werden könnte. Rasch erlitt ich den ersten Treffer, dann den zweiten, doch zum Glück waren es wieder nur oberflächliche Schnitte, die ich noch wegstecken könnte. Spätestens nach diesem Kampf würde ich aussehen wie eine dieser scharidischen Mumien.
Trotz meiner nachlassenden Kräfte nahm ich einen der Bastarde mit, als ich mich einer artistischen Vorstellung gleich emporschraubte und seinen Hals zerfetzte.

Doch der nächste Hieb traf mich am Kopf und es wurde dunkel.

Allmählich kam ich wieder zu mir und blickte mich verwirrt um. Eigentlich hatte ich eine fürsorgliche Leana erwartet, die gerade meinen Schädel in die Reihe brachte, denn es fühlte sich an, als hätte Ixcalotl höchst selbst einmal zugeschlagen. Aber was tat unsere Schamanin? Sie kümmerte sich um Madame Blutschädel. Natürlich, unsere geisteskranke Entführerin mit radikalfeministischem Einschlag genoss Priorität vor dem unschuldigen, kleinen Gnom. Das war ein bitteres Gefühl und ich zog die ganze, dann irgendwann folgende, Behandlung durch eine große Schnute!

Nachdem wir kurz rasteten erkundeten wir den womöglich letzten Abschnitt der Höhle…und entdeckten eine Truhe! Hatten wir tatsächlich den Schatz gefunden?! Doch bevor irgendeiner mit Verstand etwas entscheiden konnte, rannte Lilly los und brüllte in einer Mischung aus Gier und Freude, dass wir endlich fündig geworden waren.
Ungeduldig riss sie den Deckel empor, doch es erwartete sie nicht das Glitzern des Goldes, sondern eine dichte, schwarze Wolke, die sie binnen weniger Sekunden umhüllte und ihr schreckliche Schmerzensschreie entlockte. Von einem Augenblick auf den anderen zerfraß es ihren Körper, bis nur noch klägliche Reste auf den Knochen klebten. Doch anstatt einfach zu sterben, drehte sich der Rest von Kapitänin Blutschädel zu uns um und starrte mit leeren Augenhöhlen ihre früheren Begleiter an.

Ein dunkles Zischen entrann dem Rest des Mundes und die Säbel erhebend näherte sich das Ungetüm!

Leana keuchte entsetzt auf, während ich reflexartig einen Schritt zurückmachte, ehe mir klar wurde, dass ich aufhören musste, weg zu rennen. Lediglich Ixcalotl schien nahezu unberührt sein Schlachtbeil zu ziehen und sich mit einem brutalen Lachen in den Kampf zu stürzen.

Ich versuchte dann noch einen Messerwurf zu setzen, doch in Rücksicht auf den Huatlani zog ich im letzten Moment hoch, sonst hätte ich selbstverständlich einen glatten Kopftreffer gelandet.

Leana murmelte währenddessen einige Beschwörungsformeln und plötzlich flammte es zwischen ihren Hände auf: sie… „hielt“ grünes Feuer in der Hand! Es nahm die Form eines Schwerts an und damit stürmte die Schamanin ihrer ehemaligen Bettgefährtin entgegen.

Mit solcher Unterstützung konnte ja eigentlich nichts mehr schief gehen! Solchen Gedanken folgten in der Regel dumme Taten und so unterbrach ich diese Kette nicht und schloss mich dem Kampf gegen die Bruderschaft der Blutschädel an – ihrem einzigen Mitglied und Anführerin.

Wie dumm meine Idee war, merkte ich, nachdem mich beide Krummsäbel direkt vor die Brust trafen, mir einige Rippen zerfetzten und das Fleisch quasi häppchenweise abzogen. Keuchend stand ich einen Moment da, das Kurzschwert entglitt mir. Noch im Tode verächtlich und arrogant, trat mir Lilly direkt ins Gesicht, dass ich nach hinten umkippte und dem Schock des soeben erlittenen Angriffs erlag.

Den restlichen Kampf konnte ich nur noch am Rande wahrnehmen, auffällig war das Flirren des grünen Lichtschwertes. Untermalt wurde es regelmäßig von dem Geruch kochenden Fleisches, wenn Leanas Waffe ihr Ziel fand und die Reste von Lilly Blutschädel weiter malträtierte. Ixcalotl schien sich dem Vernehmen nach eher darauf zu beschränken, Angriffe einzustecken, doch somit räumte er der Schamanin den Weg frei, selbst…

Ein Angriff Lillys galt dann doch Leana und das grüne Licht erlosch. Ein Körper prallte neben mir auf den Fels. Ich meinte Blut zu spüren, das an mir vorbeifloss – es musste ein gewaltiger Treffer gewesen sein. Aber die Schamanin war hart im Nehmen, nach einigen Schluckgeräuschen sprang sie wieder auf, um mit dem todesverheißenden Dolch zu attackieren.

Doch die neuerdings Untote war hart im Nehmen, steckte sogar Ixcalotls Attacken zunächst problemlos weg. Dafür teilte sie heftig aus, ich spürte beinahe die Erschütterungen durch den Boden, als meine Gefährten getroffen wurden. Als ich einmal kurz die Augen öffnete, sah ich, wie Leanas Hals aufgeschlitzt wurde…nein, ich täuschte mich! Gerade so entging sie dem Treffer!

Plötzlich stand Ixcalotl direkt hinter Lilly Blutschädel und ließ seine Axt einer Guillotine gleich niedersausen. Ein Knirschen und Schmatzen ertönte, gefolgt von einem dämonischen Schrei – dann zerplatzte die Kapitänin in einer Wolke aus Fleisch und Knochen. Der Kampf war gewonnen!

Ungerührt trat der Huatlani an die Truhe und kümmerte sich nicht um den Rest. Dabei hatte ich gehofft, dass wenigstens er Interesse daran hatte, was mit mir geschah!
Immerhin sorgte sich Leana um mich… wenngleich nur, weil ihre Favoritin sich nun gegen sie gewandt hatte. Tja, Prioritätensetzung!

Nachdem ich wieder laufen konnte, traten wir zu Ixcalotl, welcher den einzigen Inhalt der Truhe (nachdem das Gas ausgetreten war) in der Hand hielt: einen Zettel.

„Verflucht soll derjenige sein, der versucht meinen Schatz zu finden!“

Missmutig blickten wir auf die Zeilen, die uns nahezu so sehr weiterhalfen, wie „Der Weg ist das Ziel!“. Etliche Fragen standen offen: wo war das Höhlensystem, zu dem unsere bisherigen Karten passten? Wo waren die Reste davon? Wer hatte sie überhaupt angefertigt, sprich, war für die Lager verantwortlich, die sich allenthalben fanden? Wo war denn nun dieser Schatz und lohnte sich all das?

Und die wichtigste und beunruhigendste Frage von allen: wer kümmerte sich nun um Leanas Libido?

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4 thoughts on “Die Insel der Toten

  1. Leana

    Wie immer sehr unterhaltsam. Vor allem dieser Absatz: “Die erledigten allerdings keine sonderlich gute Arbeit, sodass die Schamanin selbst eingriff. Genau genommen, vollendete sie nur, was die verheerenden Angriffe unserer Gefährten angefangen hatten, doch sie würde bestimmt wollen, dass ich hier so etwas sage wie: „Mit einem gewaltigen Satz, katapultierte sie sich über Ixcalotl hinweg, sodass sie mit den Füßen auf dem Kopf des ersten Skeletts landete. Dieses knickte schlicht in sich zusammen, obwohl die Schamanin natürlich ein Leichtgewicht war und weit entfernt davon, dick zu sein. Hat hier jemand dick gesagt?! Lassen wir das… grazil wie ein Flamingo hatte der nächste Stich das andere Skelett ins endgültige Verderben gestürzt, wobei die Knochen in Form eines Wolfes auf den Boden fielen.“” xD

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