Im Sommer erreichte ein Brief Leana, welchen sie uns beim abendlichen Bier im „Betrunkenen Rotschopf“ vorlas. Er war von einem gewissen Leonis, der sich selbst wohl den Beinamen Blutdurst gegeben hatte und war neben der Schamanin an irgendeinen Abedi gerichtet.
Der chryseiische Söldner schien derzeit einen Auftrag nicht selbst ausführen zu können, sodass er diesen an seine einstigen Gefährten – in diesem Falle nur die eine – weiterleitete.
Jasemina Alezzia, Gildenoberhaupt von irgendwelchen Magiern in Chryseia, vermittelte wiederum die Bitte einer ihrer Bekannten. Na der Auftrag schien ja begehrt zu sein wie warme Semmel…
Konkret ging es darum, dass Dana NiOrlburgh, stellvertretende oberste Stadtverwalterin von Corrinis, ein Problem mit dem Verschwinden von Personen zu tun hatte mit dem Verdacht, dass ein Vampir dahinterstecke. Alezzia ergänzte das um die Bitte, einen Zwischenhalt in Argyra zu machen, um sie zu besuchen.
Der Begriff Vampir verursachte zunächst Unbehagen, wobei Leana anführte, dass sie mit Leonis und Abedi bereits reichlich Erfahrung gemacht hatte. Mit einer Expertin…ich besah mir noch einmal meinen leeren Geldbeutel, dann sagte ich zu. Kilian zögerte ebenfalls einen Moment, aber letztendlich packte auch ihn sein ermittlerischer Ehrgeiz. Oder die Langeweile, man konnte es schwer zuordnen. Ixcalotl nahm jedoch noch einen tiefen Zug von seinem Starkbier und schüttelte den Kopf.
„Ich habe hier noch reichlich zu tun, daher müsst ihr diesmal ohne mich und meine Axt auskommen.“
Andere Priester hätten vielleicht einen Segen ausgesprochen – der Huatlani prostete uns aufmunternd zu. War auch viel authentischer!
Somit stand alles fest und wir suchten uns eine Kutsche zurück nach Parduna, der großen Hafen- und Hauptstadt Leonessas. Die war rasch gefunden sowie eine edle Gönnerin für die Reisekosten. Nachdem Kilian mit Hundeaugen zu betteln begonnen und Leana zugesagt hatte, für den armen, armen Schlucker die Reise zu bezahlen, hing ich mich noch drauf und die Schamanin gab schulterzuckend nach.
Es waren zwei belanglose Tage in der Box, lediglich durchbrochen von den Übernachtungen in den zweckmäßigen Gasthäusern an der Straße. So erreichten wir munter die große Stadt, wo auch schnell eine Hafenbehörde gefunden war. Alles passte, sogar ein Schiff nach Corrinis über Argyra gab es…
„Dreihundert Goldstücke für eine Einzelkabine wären das dann“, mit dem schmierigsten Grinsen vorgetragen, was ich seit einem Zwischenhalt auf einem scharidischen Basar vor etwa siebenundsechzig Jahren gesehen hatte.
„Leanaaaaa?“, ertönte es lang gezogen von Kilian mit jenem kindlich-bettelndem Unterton, der ihm seltsam zu Eigen sein schien, während die Schamanin bereits das Gold auf den Tresen legte.
„Vergiss es, Kilian“, kam es mittlerweile doch ein wenig entnervt von unserer Gefährtin zurück.
Während der Araner nun irgendwelche Pläne ausarbeitete und Leana mit Vorschlägen traktierte, brachte ich in Erfahrung, dass ein Gemeinschaftszimmer fünfzig Goldstücke kostete und bezahlte die auch. Dann gingen wir…hatte der Asjadi überhaupt etwas geordert? Der Mensch, der als Zwerg hätte geboren werden sollen!
Zunächst suchten wir jedoch auf mein Anraten hin einen Alchemisten auf. Vor allem drängte es mich danach, Heilmittel zu besorgen, denn Gnome waren nicht gerade für ihre Fähigkeit bekannt, viele Treffer auszuhalten. Der etwas dickliche Mann, den wir fanden, hatte auch tatsächlich ein gewisses Angebot…fünfzig Goldstücke für einen Heiltrank machten uns jedoch absolut stutzig und Leana stellte mit ihrer Erfahrung und alchemistischen Grundlagenwissen fest, dass da irgendetwas faul sein musste. Daraufhin verließen sie und ich das Geschäft, während Kilian sich tatsächlich einen zulegte. Kurz darauf kam er wieder heraus, um uns vorzuschlagen, den Alchemisten niederzuschlagen und seinen Laden auszurauben.
„Ich bin Streichen gegenüber nicht abgeneigt, aber zum einen ist das einfach nur brutal und zum anderen hat der Schwachkopf wahrscheinlich nichts, was sich zu stehlen lohnen dürfte“, blockte ich den Araner ab, den die Zusammenarbeit mit der Diebesgilde in Vezza scheinbar nachhaltig geprägt hatte. Kilian zog noch eine Schnute, aber Leana war nahezu schockiert, da beließ er es dabei.
Auf dem Schiff schien es allerdings keine Sau zu stören, dass Kilian eigentlich keine Überfahrt bezahlt hatte. Fünfzig Leute in der Mannschaft und keiner kontrollierte wirklich, wo man unterkam, wenn man nicht gerade einen Schlüssel für eine Einzelkajüte brauchte.
Während Kilian sich so durchschummelte, fasste ich zwei Mitreisende ins Auge, welche nicht sonderlich intelligent aber recht betucht schienen. Von denen würde ich mir meine Fahrtkosten zurückholen!
Einem Würfelspiel waren sie dann auch nicht abgeneigt und ich machte direkt den Anfang. Mit flinken Fingerbewegungen huschten die gewöhnlichen Würfel aus dem Becher in meinen Ärmel. Noch hatten die beiden nichts gemerkt, nun hieß es, meine „Glücksbringer“ unter den Becher zu bringen…da krampfte mein kleiner Finger, die Würfel entglitten meiner Hand und gleich fünf der speziellen Sorte rollten auf die Fläche, um alle miteinander eine wunderschöne sechs zu zeigen.
„Ähm, meine Herren, das ist jetzt etwas…“
„Packt den Betrüger!“
„Bindet ihn an den Mast!“
Fluchend tauchte ich unter dem ersten hinweg und tänzelte den zweiten ebenfalls aus, ehe ich einen Sprung weg machte, um in Windeseile die Takelage zu erklimmen.
„Behaltet doch einfach das Gold und wir vergessen das!“, rief ich runter, nachdem ich zu meiner Beruhigung feststellte, dass sie mir nicht folgen mochten.
Es brauchte einige Zeit, bis ihre Gemüter abgekühlt waren, so konnte ich beobachten, wie der aranische Detektiv auf den Ausguck kletterte, sich bis auf die Unterhose auszog und beschloss, sich zu sonnen. Noch bevor ich meinen Posten verließ, wurde Kilian von einem Matrosen verscheucht, der absolut verwirrt über diesen Passagier zu sein schien.
Die restlichen Tage vergingen ereignislos, ab und ab begeisterte ich die Matrosen mit einiger Gaukelei. Leana versuchte durch Flötenspiel zu überzeugen, aber scheinbar hatte sie den Mund länger nicht an den hölzernen Instrumenten gehabt – er Applaus blieb aus. Kilian schaffte es indes jeden Abend irgendwie eine Koje zu ergattern oder schlief auf dem Boden. Damit hatte er Gold gespart, allerdings ging sein Plan nicht auf, ab und an bei Leana zu schlafen, es sei denn, er tat das, wenn ich schon eingeschlummert war. Ob da etwas im Argen war? Immerhin sah sie nun sein Gesicht, das konnte sich durchaus negativ auswirken…
Zehn Tage dauerte es, bis wir Argyra in Chryseia erreichten und dort für einen halben Tag anlegten. Unsere Sachen verstauten wir in Leanas Kajüte, dann führte uns die Schamanin zur Magiergilde, offensichtlich kannte sie sich recht gut aus hier.
In der Magiergilde der offensichtlich recht reichen Stadt wurden wir schnell zu Alezzia vorgelassen, sobald ihr Name gefallen war.
Sie offenbarte sich als schöne, aber unnahbare Elfin in grünem Gewand und langen, blonden Haaren – fast so lang, wie ich hoch! Leana begrüßte sie recht herzlich, aber als ihr Blick auf Kilian und mich fiel, wirkte sie ein wenig irritiert.
„Seid gegrüßt, Ihr wisst, dass ich Jasmina Thylos Alezzia, Erzmagierin der Gilde vom Siebenstern bin. Doch ich weiß nicht, wer Ihr seid, die scheinbar neuen Gefährten von Leana.“
„Tikkmikk Rasfareen“, machte ich knapp den Anfang.
„Herr Asjadi. Kilian Asjadi“, setzte der Araner fort.
„Nun denn…da weder Abedi noch Leonis hier sind, habe ich nur ein Geschenk für euch, Leana“, wandte sich Alezzia wieder an die Schamanin und überreichte ihr eine Kette.
„Aber was ist mit uns? Dieser Abedi hat doch überhaupt keinen Bedarf für ein Geschenk, sonst wäre er hier!“, begehrte ich auf, aber Alezzia ignorierte mich. Da hatte ich das Gefühl, eine seltsame Aura läge in der Luft und neugierig blickte ich durchs Zimmer, ehe mein Blick an einem merkwürdigen, gelben Stein hängen blieb, der auf dem Schreibtisch der Erzmagierin lag. Diese Schwingungen schienen mächtig – selbst für einen, der mit Magie unvertraut war. Und irgendwie ließ mich das Gefühl nicht los, dass sie Leana ungemein bevorzugten!
Nachdem sich die beiden Damen genug lieb gehabt hatten, schilderte uns Alezzia endlich etwas Nützliches.
„Meine Freundin Dana NiOrlburgh, Stadtverwalterin von Corrinis, hat sich vor einiger Zeit an mich gewandt, in der Hoffnung, dass ich Kontakt zu fähigen Ermittlern habe. In dieser großen Stadt an der Grenze Albas und Erainns verschwinden seit Wochen spurlos Leute und aus eigener Beobachtung vermutet sie, dass es ein Vampir sein könnte. Näheres solltet Ihr mit ihr besprechen. Für euch habe ich jedoch noch Verstärkung – ein starker Arm und kluger Kopf können wohl kaum schaden.“
Mit diesen Worten trat ein Mann ins Zimmer, der zunächst weniger durch seine Statur auffiel – durchschnittliche Größe für einen Menschen, wenngleich die Oberarme kräftig wirkten – als vielmehr durch sein Gesicht. Der bräunliche Teint und die recht gepflegten, schulterlangen, schwarzen Haare konnten nicht von seinem Mund ablenken. Ich weiß nicht, wer da einmal für eine Umsortierung gesorgt hatte, aber er musste die Kraft eines Ogers besessen haben. Keine zwei Zähne ragten in dieselbe Richtung, sofern sie noch im Fleisch steckten und der Kiefer hing merkwürdig schief. Das versucht-sympathische Lächeln und das freundliche Leuchten in den Augen halfen ein wenig darüber hinweg, aber prädestiniert für die Brautschau war der Mann nicht gerade. Dazu kam ein deutlich abgenutzter und zum Teil eingerissener Filzhut…
„Grüße, ich bin Anduil aus Alba. Ich würde sagen, wir sind dann jetzt Kollegen.“
Das übliche Kreuzverhör sparten wir uns, immerhin hatte er die Empfehlung von Alezzia. Zu irgendetwas würde er schon taugen. Wir verabschiedeten uns dann auch schon von der Elfin, ehe wir den Alchemisten der Gilde aufsuchten. Der wirkte gleich deutlich seriöser und war dennoch recht preiswert. Mit einer kleinen Lebensversicherung im Gepäck, ging es dann zurück zur Endeavour, die dann kurz vor Einbruch der Dunkelheit ablegte und Kurs auf den Tuarisk nahm, jenen Grenzfluss zu Alba an dessen Mündung ins Meer die große Stadt Corrinis lag.
Es brauchte noch drei langweilige Tage an Bord, ehe wir das Festland erreichten, wo der Hafen für die großen Schiffe war. Scheinbar war es nicht möglich, mit einem Kaliber wie der Endeavour direkt an der Insel von Corrinis anzulanden.
Aber eine Fähre war schnell gefunden und sicher schiffte uns der Mann hinüber zur großen Handelsstadt mit an die viertausend Einwohnern.
Kaum waren wir durch die Pforte der Stadt geschritten und hatten somit den Kai hinter uns gelassen, da blickte sich Kilian um und vermutete wegen der zweiten, inneren Mauer und einiger Türme, das Herz der Stadt und damit die Verwaltung südlich von uns. Leana fragte kurz einen umherlaufenden Einwohner, der das bestätigte und wir machten uns auf den Weg.
Wäre da nicht Anduil gewesen! In weiser Voraussicht dessen, was noch kommen wird, stürzte er in den „Silberkessel“, um sich ein Bierchen zu besorgen. Kilian und ich folgten, zunächst etwas irritiert, aber von der grundsätzlichen Idee sehr angetan. Leana indes beschloss alleine vorzugehen. Wann war sie denn so langweilig geworden?
nach einer Runde Dünnbier – für Kilian auch ein paar mehr – machten wir uns dann auch auf den Weg zur Stadtverwaltung, wobei wir jedoch noch das eine und andere Gasthaus auf seine Tauglichkeit für eine Übernachtung überprüften.
Dann standen wir an der Zugbrücke zum Tor ins Innerste der Stadt. Sie spannte sich über einen tiefen Burggraben, der nicht gerade einladend wirkte. Uns im Weg standen zwei Männer der Stadtwachen mit ungewöhnlich geschlossenen Helmen für albische Verhältnisse und Hellebarden in der Hand, die sie bei unserm Nahen theatralisch kreuzten, um den Zugang zu versperren.
„Seid gegrüßt, wir wünschen…Dana zu sprechen, oberste oder stellvertretende Stadtverwalterin hier!“, eröffnete ich das Gespräch, wobei ich leider vergaß, wie die Dame mit Nachnamen hieß oder was genau für eine Stellung sie innehatte.
„Für Fremde NiOrlburgh, ich weiß nicht, warum Ihr sie mit Vornamen ansprechen wollt. Wer seid Ihr und was wollt Ihr von ihr?“
„Wir kommen im Auftrag von Alezzia, Erzmagierin aus Argyra. Wir sollen ihr als Ermittler helfen.“
„Habt Ihr dafür einen Beweis? Ich kenne diese Alezzia nicht.“
Nun, Leana hatte den Brief, aber scheinbar war sie hier nicht weit gekommen, sonst gäbe es dieses Problem sicher nicht…
„Lasst uns einfach kurz mit Dana NiOrlburgh sprechen, dann ist das geklärt.“
„Nein, ohne entsprechenden Ausweis dürft Ihr die Burg nicht betreten.“
„Dann überbringt Ihr eine Nachricht von uns!“
„Ich bin doch kein Briefträger. Beauftragt einen Boten.“
„Und der darf dann rein?!“, fragte ich ungläubig.
„Nein, aber er kann eine Botschaft abgeben.“
„Und die überbringt Ihr dann? Ich dachte, Ihr seid kein Briefträger?!“, glotzte ich ihn aus großen, unverständigen Augen an.
Der Wachmann verzog jedoch keine Miene und schien nicht im Geringsten nachvollzuziehen zu können, warum das jemand als… seien wir so ehrlich: bescheuert ansah.
Ärgerlich gingen wir erst einmal, ehe ich mir in einer Kneipe eine stille Ecke suchte, wo ich aus dem Kopf heraus, Alezzias Brief niederschrieb, mit einigen Änderungen, soweit es meine mäßige Kenntnis der Vallinga und des Chryseiischen erlaubte. Der erste Versuch war eine totale Katastrophe, der zweite kam dem Original schon näher, wenngleich meine Schrift deutlich fahriger wirkte, als die eines geübten Schreiberlings. Vielleicht würde es ja etwas werden…
Diesmal übernahm Kilian das Reden.
„Meine Herren, verzeiht das Missverständnis, wir haben soeben den Brief von Alezzia wiedergefunden.“ Mit einem charmanten Lächeln zeigte er das Schriftstück vor, welches von den Wachmännern genau überprüft wurde.
„Das soll ein Ausweis sein? In der Form habe ich noch keinen gesehen.“
„Nun, neue Richtlinien in Argyra, da hat sich einiges geändert. Ihr wisst ja, diese Chryseier…“
Der Araner wirkte nicht unglaubwürdig, aber mein Werk hielt der Überprüfung nicht stand.
„Nein, damit kann ich Euch nicht reinlassen.“
„Dann würde ich sagen, müssen wir das anders klären…“, wobei Kilian zufällig ein nicht leichter Beutel mit klimpernden Münzen zu Boden fiel. Gierig griff ihn einer der Wachen und wollte gerade zur Seite treten, da erschallte es von hinten: „Wachablösung!“
Wir fluchten heftig, während die Bestochenen seelenruhig weggingen ohne eine Gegenleistung zu erbringen. Die neuen Wachmänner stellten uns dieselben Fragen und ignorierten geflissentlich, dass ihre Kollegen uns doch soeben einlassen wollten. Diesmal war Kilians Charme jedoch ausreichend, um uns den Weg zu ebnen und wir betraten die Burg, wo wir rasch das Büro der NiOrlburgh fanden. Die war jedoch nicht da, was Kilian für eine schnelle Inspizierung nutzte – jedoch nichts Nützliches fand. Als wir dann wieder den Hof betraten, kamen andere Wachen auf uns.
„Ihr dürft hier nicht herumlaufen! Oder habt Ihr einen Ausweis?“
„Sicher, wir wurden gerade von euren Kameraden am Tor durchgelassen.“
„Es ist eines durch das Tor zu gehen, aber etwas anderes durch die Burg zu spazieren!“
„Ähm…aber wenn wir durchs Tor gehen, sind wir in der Burg?“
„Geht jetzt!“
Und so wurden wir von weiteren bürokratischen Schranken herauskomplimentiert. Um zusammenzufassen… man muss zunächst einen Boten beauftragen, eine Nachricht zu schicken, welche dann von der Wache angenommen wird, dann auf mysteriöse Art und Weise zur Stadtverwalterin gelangt (die Männer selbst sind ja keine Briefträger!). Dann erhält man womöglich den Passierschein A38 für die Brücke und das Tor, muss aber offensichtlich erneut vorstellig werden, wahrscheinlich einen zweiten Boten anheuern (der dann sicher mit demselben Prozedere durchgeschleust werden müsste), damit man auch die Flaniererlaubnis innerhalb der Burg erhält. Weitere Maßnahmen nicht ausgeschlossen.
Verfluchte Scheiße, ich weiß, warum ich Vesternesse schon verlassen habe, als ich noch ein Kind war!
Genervt begann ich eine Weile am Straßenrand in Sichtweise des Tores zu gaukeln, wobei ich einiges an Silber sammelte. Größter Spender war Kilian und Anduil profitierte mit mir – ich musste Pacht für seinen Hut bezahlen!
Da näherte sich Leana, welche uns informierte, dass sie den langen und umständlichen Weg gegangen war und einen Boten an NiOrlbrugh geschickt hatte. Womöglich würde es dann zum Treffen außerhalb der Burg kommen. Da wollte ich auch ganz sicher nicht mehr hinein…
Nachdem wir für sehr wenig Gold eine kleine Karte von Corrinis mitsamt Umgebung erstanden hatten, machten wir uns auf den Weg in Mami Deborens Eintopfpalast.
Wie der Name bereits vermuten ließ, handelte es sich um ein gemütliches Gasthaus, dessen ältere Wirtin einen mütterlichen Charme ausstrahlte. So waren die Preise verhältnismäßig akzeptabel, sodass wir für eine Woche Zimmer und Verpflegung für fünfunddreißig Goldstücke erhielten. Kilian musste natürlich weiter handeln und machte Deboren einige Komplimente, wie gut sie sich gehalten habe und ob sie nicht eher die Tochter der Frau Deboren sei… es machte etwas betreten, dem zuzuschauen, aber immerhin sparte er sich ein paar Münzen.
Leana hatte währenddessen eine Antwort auf ihren Brief erhalten und nach dem Mittagessen – wunderbarer Eintopf, wer hätte es geahnt – las sie vor, dass sich Dana NiOrlburgh heute Abend mit uns im „Alt-Corrinis“ zu treffen wünsche. Wir würden sie an ihrem dunkelgrünen Mantel erkennen.
„Sie will sich nachts treffen? Und sie war bei Tage nicht im Büro…wenn was an der Vampirsache dran ist, sollten wir auch sie als mögliche Verdächtige in Betracht ziehen!“, verkündete daraufhin Anduil, wobei er theatralisch mit Knoblauch in der einen und Göttersymbol in der anderen Hand herumwedelte. Ich wusste nicht so ganz, ob er das ernst meinte oder ob er überhaupt selbst wusste, ob er es ernst meinte, aber ich persönlich glaubte noch nicht so ganz daran, dass es sich wirklich um einen Vampir handelte.
Wir unterhielten uns noch ein wenig über Belanglosigkeiten, dann gingen wir ins Alt-Corrinis, welches in einem guten Viertel der Stadt lag und dementsprechende Preise auffuhr. Zur Unterhaltung wurde eine Bardengruppe geboten. Fafofafa oder Fafofen oder Faffen…irgendetwas in der Art.
Dann trat eine junge Frau in grünem, seidenem Mantel ein, welche auf unseren Wink hin, zu uns kam.
„Ihr müsst die Freunde Alezzias sein, nicht wahr? Ich bin Dana NiOrlburgh!“
Wir stellten uns kurz vor, dann legte ich hier da, was ich über die Stadtwache dachte. Um es abzukürzen: bürokratische Arschlöcher, die einem die Arbeit erschweren und zu viel Langeweile haben und sich obendrein bestechen lassen – letztes ergänzte Kilian. Das Mädchen lachte nur und meinte, sie fände mich lustig. Lustig?!
„Zur eigentlichen Aufgabe. Hier ist eine Liste der vier verschwundenen Personen des letzten Monats. Zudem wurde ich selbst Zeuge, wie ein Mann in eine dunkle Gasse gezerrt und in den Hals gebissen wurde! Wir wissen nicht, wer das gewesen ist, aber ich bin fest überzeugt, dass ein Vampir hinter dem ganzen steckt.“
„Warum genau seid Ihr euch da so sicher? Gibt es andere Beweise?“, hakte ich nach.
„Nun, da waren Blutflecke am Boden…“
„Ihr wisst schon, dass Vampire Blut trinken und nicht verschütten?“
„Kann ja danebengegangen sein. Andere Augenzeugen gab es nicht…“
„Seid Ihr euch wirklich sicher, dass Ihr das so gesehen habt?“, klinkte sich Kilian ein, einen freundlichen, aber sehr bestimmenden Ton in der Stimme.
Dana blickte in ihr Glas und meinte unsicher: „Hm…eigentlich…aber sagt keinem, dass es ein Vampir sein könnte, wir wollen keine Panik in Corrinis!“
„Wir werden ganz sicher nicht wegen der unsicheren Beobachtung einer einzelnen Person irgendetwas behaupten“, meinte ich, wobei ich die Augen verdrehte. Mit so einer Stadtverwalterin machte das Wachsystem der Burg fast schon wieder Sinn. Als nächstes berichtete sie uns noch, dass die Entführer auf Einhörnern durch die Straße reiten. Unsichtbare Einhörner mit Flügeln!
„Für die nächsten Tage seid Ihr freie Ermittler im Auftrag des Barons“, führte Dana nun weiter aus und überreichte uns eine eiserne Marke mitsamt einem Zettel, der näher erläuterte wer wir waren und was für Befugnisse wir hatten.
„Bitte klärt dieses Verschwinden auf; es begann vor einem Monat und mindestens fünf Menschen hat es erwischt. Seit etwa zwei Wochen ist nichts geschehen, aber das muss nichts heißen.“
„Wir tun unser Bestes, Frau NiOrlburgh“, antwortete Kilian. „Aber um auf die Sache mit der Bestechung zurückzukommen… bei unserem Eintreffen hier in Corrinis haben wir direkt alle Einwohner unter Generalverdacht gestellt, insbesondere die Wache, die offensichtlich bisher nichts dazu beigetragen hat, die Verschwundenen zu finden. Daher mein Bestechungsversuch, um sie zu prüfen und sie haben das Gold angenommen. Ich würde Euch bitten, diese aus dem Dienst zu entfernen und mir eine Aufwandsentschädigung zukommen zu lassen.“
„Ich werde das prüfen lassen. Wie sah der Wachmann aus?“
Und dann begannen Anduil und Kilian gemeinsam ein Phantombild zu beschreiben, welches spezifischer und genauer kaum hätte sein können…
„Er trug einen Helm!“
„Ja, einen eisernen! Und sogar zwei Augen hatte er im Schädel.“
„Und ganz lange Zähne, unglaublich lange!“
„Ein Kettenhemd trug er auch und eine Hellebarde in der Hand.“
„Ein Bart, ein unglaublich mächtiger Bart, buschig wie ein Busch!“
„Und eine Hakennase, meine Güte, was war das ein Zinken. Ein Wunder, dass die unter den Helm gepasst hat…hatte ich schon erwähnt, dass er einen Helm trug?“
Während ich mich beinahe vor Lachen unter den Tisch geworfen hatte, blieb Dana erstaunlich ernst und meinte abschließend erneut, dass es prüfen lassen werde. Dann kam sie zum eigentlichen Thema zurück.
„Eure Belohnung wird zweitausend Goldstücke betragen und wir werden Euren Unterhalt hier in der Stadt bezahlen. Nun bleibt mir nur noch, Euch viel Erfolg zu wünschen.“
Mit diesen Worten erhob sich Dana NiOrlburgh und ging. Sobald wir dann auch unser Dünnbier fertig hatten, verließen wir ebenfalls das Alt-Corrinis.
Dann studierten wir kurz den Zettel, welcher die Namen und Anschriften der Vermissten beinhaltete. In der Reihenfolge ihres Verschwindens waren das Saire MacSorom, Radbod, Tigg und Laella. Von dem fünften, den Dana selbst gesehen hatte, war die Identität gänzlich unbekannt.
Anhand der Stadtkarte stellten wir fest, dass Radbod fast direkt gegenüber von Dolores‘ Eintopfpalast wohnte. Ähm, Deborens Eintopfpalast natürlich!
Da es noch nicht gänzlich finster war, beschlossen wir, noch rasch dort nachzusehen, ob wir etwas finden würden. Kaum hatten wir die Tür geöffnet – dankbarerweise hatte uns Dana alle Schlüssel ausgehändigt – schlug uns ein übler Gestank entgegen. Irgendetwas musste hier arg verfault oder gar verwest sein. Und kaum, dass wir alle eingetreten waren, kamen uns Ratten entgegen! Aber keine kleinen, handelsüblichen, sondern die Sorte „Riese“ – groß wie Hunde.
Rasch waren die Waffen gezückt, während Leana noch gebieterisch einige Worte in einer unbekannten, urtümlich klingenden Sprache rief. Man merkte deutlich, wie sich das Fell der Ratten aufstellte und sie zu fauchen begonnen, einen Moment zögerten. Zwei von ihnen rannten gar direkt an uns vorbei ins Freie so schnell ihre Beine sie trugen.
Aber dann ging der Tanz los und wenngleich die Riesenratte fauchend auf mich zusprang, gelang es mir mit Leichtigkeit, ihren Angriff auszuweichen und ihr direkt einen Stich mit dem Kurzschwert und direkt danach mit meinem Dolch in die Seite zu setzen. Fiepend ging das Vieh nieder und krümmte sich im Tode zu einem dreckigen Fellknäuel zusammen.
Anduil indes zückte Schwer und Axt und begann mit großer Freude um sich zu schlagen, als würde er nicht gegen Ungeziefer, sondern gegen Bestien der Finsternis kämpfen. Kilian neben ihm wirbelte in gewohnter Manier seinen Kampfstab umher und hielt sich damit seinen Gegner auf Abstand, eher er mit einer Drehung die Annäherung wagte – zugleich mit einem Feger die Beine der Ratte zerschmetternd. Ein nachgesetzter Tritt vor den Schädel, begleitet von einem ordentlichen Krachen, beendete ihr räudiges Leben.
Die nachströmenden Ratten waren scheinbar schneller als die anderen und entgingen mit boshafter Gewandtheit meinen Stichen und Anduils gewaltigen Hieben, die stattdessen das eine oder andere Möbelstück in der Hütte in Brennholz verwandelten. Kilians an Rundumschläge grenzende Schwünge fanden allerdings ein weiteres Ziel und zerschmetterten den Hals einer weiteren Ratte, dass sie sich nach Luft ringend aufwarf, um nur Sekunden später elendig niederzugehen.
Leana hatte wieder ihren meisterhaft gefertigten Dolch gezückt, dessen glänzende Klinge verheerend in das Fleisch einer Ratte einfuhr und ihr das Leben abließ wie einem Fass das Bier. Nachdem sogar die Frau getroffen hatte, schien sich Anduil an der Ehre gepackt und mit lautem Gebrüll landete er einen Treffer mit der Axt mitten auf dem Schädel der Ratte. Einige Gehirnstückchen flogen in meine Richtung, ich schaffte es gerade noch, auszuweichen!
Derart abgelenkt, übersah ich beinahe eine Riesenratte, die gerade von der Kommode auf mich zugeflogen kam. Im letzten Moment ließ ich mich fallen und schlitzte von unten den Bauch des über mich wegsegelnden Ungeziefers auf. Damit saute ich mir endgültig die Klamotte ein – zum Glück war ein Fluss nicht weit.
Kurz darauf täuschte Kilian einen Hieb rechts, einen Schwinger links an, nur um einfach zentral einen Hieb zu setzten, der durch das Maul in die Kehle der letzten Riesenratte fuhr. Krächzend verreckte das Vieh und sichtlich zufrieden mit sich, zog der Araner seinen „Wanderstab“ wieder heraus.
Da es keinen schwer erwischt hatte, begannen wir unverzüglich mit der Untersuchung von Radbods Haus, wobei wir schnell die Ursache des Gestanks fanden. Dutzende, vielleicht sogar hundert, Fische lagen in Kisten und hatten ein unrühmlich-verwestes Ende gefunden. Es schien recht einleuchtend, dass er wohl ein Fischer gewesen war und Niemand hatte sich darum gekümmert, dass nach seinem Tod aufgeräumt wurde. Ansonsten gab sein Haus nichts her, sodass wir uns enttäuscht in Dianas Eintopfpalast zurückzogen… Deborens meine ich!
Am nächsten Morgen nahmen wir eine schöne Schüssel Haferbrei zum Frühstück und fragten, was denn die „Mami“ über ihren Nachbar zu erzählen wusste. Das war jedoch nicht sonderlich viel, er war wohl nicht oft dagewesen. Wenn er jedoch mal da war, dann mit seinem Freund und Nachbar Barga, ebenfalls ein Fischer.
Wir beschlossen, uns aufzuteilen. Einerseits brauchten wir noch mehr Marken, die uns als Ermittler auswiesen. Dafür hätten wir entweder noch einmal das Vergnügen, irgendwie zu Dana zu gelangen, oder wir machten es auf…naja, meine Art. Kilian erklärte sich bereit, dass benötigte Material bei einem Schmied zu kaufen. Andererseits wollten wir uns bei Barga erkundigen, was er denn über das Verschwinden seines Nachbars und Freund wusste. Dies übernahmen dann wir anderen.
Nach kurzem Klopfen, öffnete der junge Mann uns auch die Tür und begrüßte uns zögerlich.
„Wir sind wegen Radbod hier. Ihr wart miteinander befreundet, nicht wahr?“, eröffnete ich das Gespräch und versuchte dabei mein von Kilian abgekupfertes Wissen über seriöse Gespräche einzusetzen.
„Ja, das ist richtig. Untersucht Ihr sein Verschwinden?“
„Genau das. Woher kanntet Ihr zwei euch denn, abgesehen davon, dass Ihr Nachbarn wart?“
„Wir sind beide Fischer und haben öfter gemeinsam hier am Mühlteich geangelt. Außerdem sind wir ab und zu zusammen einen trinken gegangen.“
„Hm, interessant. Wann habt Ihr Radbod das letzte Mal gesehen?“
„Da waren wir im Eberkopf gewesen…ich bin früher gegangen, da wollte er noch ein wenig bleiben und sich ‚umsehen‘.“
„Nach Frauen?“
„Nun…“, Barga zögerte einen Moment. „Er war nicht so einer…“
Ich überlegte kurz, ehe ich direkt nachfragte: „Ihr meint, er suchte eher nach Männern?“
„In der Tat, ein kluges Köpfchen habt Ihr ja!“
„Und Ihr zwei…?“, setzte ich noch nach.
„Nein! Ich habe Frau und Kinder!“
Das war zwar kein zwingender Gegenbeweis, aber ich beschloss, es dabei zu belassen. Weiter konnte Barga uns jedoch nicht helfen und wir gingen zurück in Delorens…Deborens Eintopfpalast. Dort wartete bereits Kilian mit dem „Material“, mit welchem ich mich kurz auf ein Zimmer zurückzog. Nach einer Stunde hielten wir vier stattliche Marken in der Hand mit dazugehörigen Briefen, die uns als freie Ermittler im Auftrag des Barons auswiesen. Damit dürfte jeder ausreichend Zugangsberechtigungen für die Stadt haben. Ein Gnom hat eben seine Methoden…
Bevor wir der Spur im „Eberkopf“ nachgehen wollten, beschlossen wir, die anderen Häuser zu durchsuchen, wobei das von Tigg am nächsten zu uns war. Die Namensähnlichkeit zu mir machte das natürlich zu einer Herzensangelegenheit!
Der lebte im Inneren der Stadtmauern, wo er einen angrenzenden Garten pflegte. Entsprechend dreckig war sein Haus, das uns jedoch mit Schimmel weitgehend verschonte, der Mann schien nur wenig Essen gelagert zu haben. Während Kilian und Leana das Mobiliar auf den Kopf stellten, gingen Anduil und ich zu den Nachbarn – es war jedoch nur einer anzutreffen. Der berichtete davon, dass die beiden sich stets über die schönen Blumen am Mühlteich unterhalten hatten, wohin sie auch der eine oder andere Spaziergang geführt hatte. Auch gingen wir der Frage nach, ob eventuell auch Tigg spezielle Bedürfnisse hatte…was sein Nachbar jedoch verneinte.
Leana und Kilian hatten indes nichts Interessantes mehr im Haus gefunden, sodass wir zu Saire MacSoroms Heim gingen, welches nur ein paar Straßen weiter war. Dort gingen wir in gleicher Besetzung vor, also die Schamanin und der Ermittler ins Haus, Anduil und ich zum Nachbar.
Der kannte Saire nur von ihrer gemeinsamen Arbeit an einem Schiff in den Docks am Festland. Auf die ungünstige Wohnsituation gingen wir nicht näher ein, sondern fragten nach persönlichen Dingen. Dabei stellten wir jedoch fest, dass sowohl er als auch Saire sozial inkompetent waren – scheinbar hatten sich die beiden nie über etwas anderes, als die Arbeit unterhalten. Es war auch nur der gemeinsame Schiffbau gewesen, der dazu geführt hatte, dass Saire vermisst wurde: weil er nicht zur Arbeit erschien.
Dementsprechend hatten unsere Schnüffler in der Unterkunft nahezu nur Zeichnungen von Booten aller Art gesehen. Dazu gehörten abstruse Rechnungen, die keiner von uns nachvollziehen konnte. Diese Spur war doch recht kalt. Leana drückte Anduil und mir dann noch einen kleinen Anteil des gefundenen Goldes in die Hand, dann gingen wir zum Haus der letzten Vermissten: Laella.
Dort fanden wir schnell heraus, dass sie wohl als Botin gearbeitet hatte. Eine Urkunde wies sie als besonders eifrig und erfolgreich aus. Leana hatte mit diesem „Cambryger Botendienst“ bereits Bekanntschaft gemacht, daher beschlossen wir, direkt dorthin zu gehen, nachdem kein Nachbar auffindbar war.
Plötzlich meinte Kilian: „Ist doch alles scheiße. Ich geh jetzt ins Gasthaus.“
Den Worten ließ er Taten folgen. Was auch immer ihm für eine Laus über die Leber gelaufen war…manchmal hatte man so gebrauchte Tage.
Die Boten freuten sich, uns zu sehen; genauer genommen: Leana zu sehen. Sie war das letzte Mal scheinbar recht gönnerhaft aufgetreten (weswegen die Zustellung auch extrem beschleunigt wurde), sodass einer bereitwillig wichtige Fragen beantwortete.
Laella war eine sehr gute Botin gewesen, die sich durch Zuverlässigkeit und vor allem durch Pünktlichkeit ausgezeichnet hatte. Ihren letzten Auftrag hatte sie vor zwei Wochen erhalten, als sie mit einem Paket nach Fiorinde aufgebrochen war. Dieses war nie angekommen. An der Stelle fragten wir auch mal nach, welche Reputation denn der Eberkopf aufzuweisen hatte. Scheinbar war es keine Gute, wenn selbst die zum Großteil aus Studenten bestehende Botenvereinigung die Nase rümpfte. Dann verabschiedeten wir uns und überlegten auf der Straße, wohin wir nun gehen sollten. Da warf Anduil ein, dass er gerne den Müller besuchen würde, der auf einer Insel am Rande des Mühlteiches lebte. Dabei blieb der Albai recht hartnäckig, sodass wir schließlich nachgaben und mit ihm dorthin gingen – wenngleich die Wahrscheinlichkeit, dass der Mann etwas Wichtiges gesehen hatte, gering war.
Der Müller war direkt anzutreffen. Zunächst war etwas skeptisch, was denn ausgerechnet Ermittler bei ihm wollten, aber er ließ sich dann doch auf ein Gespräch ein.
„Ist Euch vor einigen Wochen nachts etwas Besonderes aufgefallen? Allgemeiner gesagt: habt Ihr in letzter Zeit auffällige Beobachtungen machen können?“
„Nun… da ist tatsächlich etwas. Vor zwei Wochen habe ich beobachtet, wie jemand von der Brücke zur Stadt aus nach Süden verschleppt wurde! Ich meine es waren zwei gewesen, die da einen mit sich geschleift haben.“
Da waren wir doch alle sehr verblüfft. Ausgerechnet der Müller hatte diese elementare Beobachtung gemacht, wo doch an der Brücke und auf den Türmen der entlanglaufenden Stadtmauer Wachen standen, die scheinbar nichts gesehen hatten – sonst hätten sie doch Meldung machen müssen?! Kilians Bestechungstheorie erschien plötzlich relevant… und Anduil besaß offensichtlich eine Spürnase für heiße Spuren. Eine knollige, nicht sonderlich schöne Nase, aber zumindest mit feinem Sinn.
Vorher wollten wir uns jedoch den Basar ansehen, der in der Richtung der Entführung lag. Dank der Karte fanden wir schnell den Weg und sobald wir nur noch hundert Meter entfernt waren, brauchten wir nicht einmal mehr diesen Wisch. Es roch nach Fisch. Nicht nach der vergammelten Sorte, zumindest meistens, aber wie wir dann feststellten, waren es solche Unmengen, dass sie eine Geruchswolke produzierten, die sich wie vor einem Sturm tief über den Boden legte.
Wir drei teilten uns auf, um möglichst viele Personen abfangen und befragen zu können. Das wurde rasch ermüdend, denn kaum einer wollte sich lange mit einem Ermittler beschäftigen, fast wie automatisch kam ein „Nein, ich habe nichts gesehen, kenne die Verschwundenen nicht und weiß auch sonst nichts“. Da fiel mir eine Frau ins Auge, welche nicht sonderlich interessiert am Fisch durch die Massen glitt und auffällig unauffällig war.
„Seid gegrüßt, habt Ihr in letzter Zeit etwas Ungewöhnliches in dieser Gegend bemerkt?“
„Nein, gar nichts! Alles normal hier!“
„Keine nächtlichen Besonderheiten?“
„Nein, nein!“
„Kanntet Ihr zufällig Radbod, Saire MacSorom, Tigg oder Laella?“
Kurz weiteten sich ihre Augen, dann meinte sie nur noch: „Nein! Ich sagte doch, ich weiß gar nichts!“ Anschließend machte sie auf dem Absatz kehrt und verließ den Basar. Vorsichtig setzte ich direkt zur Verfolgung an und konnte ohne Probleme beobachten, wie sie in einem Haus nicht weit entfernt zum Basar verschwand. Dies lag genau entlang der Route, die der Müller beschrieben hatte!
Rasch holte ich Anduil und Leana herbei und erklärte die Lage. Es drängte sich geradezu auf, in das Haus einzudringen und eine Untersuchung anzustellen. Zudem roch es hier intensiv nach verrottetem Fleisch, was wir noch nicht direkt zuordnen konnten…oder wollten. Zunächst beschlossen wir, uns auf die Lauer zu legen. Wieder eine Idee Anduils, der bisher seinen 6. Sinn erfolgreich unter Beweis gestellt hatte. Zwar würde es mich wundern, wenn ausgerechnet heute nach zwei Wochen der nächste Bürger Corrinis‘ entführt werden sollte…
… aber ich irre mich in letzter Zeit ja häufiger. Gegen Mitternacht hörten wir von der Brücke am östlichen Stadttor – wo auch der Müller Gestalten gesehen hatte – einen Körper über den Boden schleifen. Kurz darauf näherten sich zwei Männer, die einen dritten hinter sich herzogen. Unbehelligt huschten sie in die Hütte, in der sich auch noch die auffällige Dame vom Fischmarkt befinden musste.
Direkt schlich ich hinterher und lugte durch ein Fenster in das Haus hinein, doch die drei Menschen waren bereits weitergegangen. Der Raum an sich war fast komplett leer. Fast schon wie aus Gewohnheit zückte ich meinen Dietrich und machte mich ans Werk. Das Schloss war nicht so ohne und ich brauchte einige Minuten länger als gewöhnlich, doch letzten Endes musste es kapitulieren!
Auf leisen Sohlen huschte ich hinein und ging zunächst zur Treppe nach oben. In ihrer Nähe standen auch einige Fässer, die bis zum Rand mit Fisch gefüllt waren. Ein wenig durchrühren bestätigte das nur – hier war nichts versteckt.
Im oberen Stockwerk entdeckte ich jedoch auch nichts weiter Spektakuläres… Betten, Kleiderschränke mit Klamotten für Mann und Frau sowie ein Fläschchen mit der Aufschrift „Schönheitselixier“. Grinsend packte ich den Trunk ein, vielleicht würde Leana damit etwas anfangen können. Sie schien ohnehin eine Gesichtskur nach der anderen zu machen. Wobei eigentlich Anduil den deutlich größeren Bedarf hatte…
Als ich wieder runterging, stand die Schamanin zwischen all den Fässern und suchte den Boden ab. Ich wollte ihr gerade zur Hilfe kommen, da sie doch etwas hilflos wirkte, da blieb ich mit dem Fuß an einem metallenen Griff hängen. Breit grinsend zeigte ich auf und Leana trottete misslaunig herbei. Da suchte sie zehn Minuten herum und ich brauchte nur einen falschen Schritt zu machen. Bevor ich die Falltür öffnete, erklärte die Schamanin noch, dass Anduil bei Brücke und Stadttor nachsehen wollte, wo der Entführte herkam. Ich nickte nur, dann schlich ich die Treppe runter, die sich unter der Falltür verborgen hatte. Schwaches, rötliches Licht einer Fackel erhellte die Finsternis, sodass ich einen sturzfreien und vor allem geräuschlosen Weg zu der Tür hatte, die mich am Ende der Stufen erwartete.
Vorsichtig drückte ich sie auf und lugte behutsam in das dahinterliegende Zimmer. Der Raum dort war von zahlreichen Kerzen erhellt – wenngleich es eher ein schummriges Licht bot und die vier Gestalten, die direkt ins Auge fielen, mit großen Schatten versah. Diese Gruppe stand um einen länglichen, großen Tisch herum, auf dem eine fünfte Person ruhte. Ein seltsames Gefühl beschlich mich und daher stahl ich mich schnell wieder nach oben, wo Leana mit Anduil wartete. In aller Kürze schilderte ich meine Beobachtungen – es war offensichtlich, dass wir nun schnell eindringen sollten, um den Mann retten zu können.
„Lasst uns noch die Wachen holen!“, warf Anduil ein.
„Die Wachen unter deren Augen mindestens zweimal die Entführer lang gelaufen sind und die nichts dagegen unternommen hatten?“, fragte ich verwirrt nach.
„Kompetent sind sie nicht, das stimmt. Aber zumindest könnten sie das Gebäude umstellen, um denen jegliche Fluchtmöglichkeiten zu versperren.“
Gänzlich überzeugt war ich nicht, aber da Anduil nicht umzustimmen war, mussten wir ohnehin warten. Zu zweit könnte es doch recht brenzlig werden. Also eilten wir schnell zum Stadttor, wo im Turm ein halbes Dutzend Wachsoldaten herumhockten und Däumchen drehten.
Mit der Marke herumfuchtelnd rief Anduil: „Alba Fart, wir sind die Spezialermittler des Barons. Wir haben einige Verbrecher vorgefunden und es erfordert die Unterstützung der Wache bei ihrer Festnahme!“
„Aber wenn Ihr sie ermittelt habt, könnt Ihr sie doch auch gleich selbst festnehmen“, erwiderte einer der Männer mäßig begeistert.
„Auf die Beine sonst missachtet Ihr die Befehle des Barons!“, drohte Anduil und tatsächlich setzten sich die Männer in Bewegung. Keiner von ihnen machte jedoch Anstalten, mit in das Haus zu gehen, um die Entführer dingfest zu machen, so blieb das bei uns drei freien Ermittlern.
Vorher hieß uns Leana jedoch zu warten und begann mit einigen mystischen Gesten verbunden mit leisem Singsang, der sich schmeichelnd in die Ohren legte und auf seltsame Weise unter die Haut ging. Es ging ganz schnell, da fühlte ich einen Moment lang scheinbar jeden Zoll auf meinem Körper, wie er im Takt des Leben hin- und herschwang. Mit einem Mal fühlte sich das ruhiger, tiefer…einfach kräftiger an.
Mit selbst für Gnomen ungewöhnlich großen Augen starrte ich auf meine Arme und Hände: meine Haut hatte sich in Baumrinde verwandelt!
„Das wird im Kampf helfen, verspreche ich euch“, meinte Leana zwinkernd.
Dankend nickte ich ihr zu und Anduil trat die Tür ein.
Die vier Entführer standen noch immer um den Tisch – einer hatte gerade dem Opfer das Herz herausgeschnitten. Die zwei übrigen Männer zückten mit Nägeln gespickte Knüppel und gingen auf Anduil und mich los, während die Frau, die ich am Fischmarkt gesehen hatte, mit einer im Kerzenlicht glänzenden Nadel auf Leana zuschritt. Der vierte fand keinen Platz mehr und beschränkte sich darauf, das Herz in unsere Richtung zu werfen, was einen guten Meter über meinem Kopf vorübersegelte. Anschließend keifte er nur noch wild.
Ich setzte direkt einen leichten Schnitt am Oberschenkel meines Gegners an. Die helle Hose färbte sich schnell rot, auch wenn es nur ein oberflächlicher Treffer war. Definitiv kein Vampir! Doch mir blieb kaum Zeit, meine Entdeckung mit den anderen zu teilen, denn der Knüppel des Mannes traf mich voller Wucht vor die Brust – der Schmerz strahlte in meinen ganzen Körper aus, wenn auch der Schaden an sich gering war. Diese Rindenhaut war zäher als meine Rüstung!
Ich brauchte einige Momente, um mich wieder zu sortieren, dann ging ich wieder in den Angriff über. Da mir mein Parierdolch kaum gegen eine Keule half, setzte ich auch ihn ein, um Attacken anzusetzen und versuchte mit höchster Präzision durch die Verteidigung meines Gegners zu brechen. Das gelang mir dann auch noch zweimal, ein leichter Treffer am Bauch, noch einer am Oberarm. Die Schnitte waren allesamt nicht verheerend, doch mehrten sie sich stetig und ich merkte, wie die Kraft meines Gegners nachließ und seine Bewegungen fahriger wurden.
Da machte es auch nicht sonderlich Mut, dass Anduil, der neben mir kämpfte, mit einem Schwinger seiner Axt die Keule seines Gegners zur Seite riss, nur um kurz darauf mit seinem Schwert tief in die Seite des Entführers einzudringen. Ein Schwall Blut ergoss sich auf den Boden, aber noch schienen wichtigste Organe in Takt! Verbunden mit einer Masse an Adrenalin hielt sich der Gegner des Albais tatsächlich weiter auf den Beinen und ging selbst wieder zum Angriff über (dennoch: kein Vampir!). Ein, zwei Treffer setzte er auch an, doch auch bei Anduil verhinderte die Rindenhaut Schlimmeres. Zudem schien der Kämpfer auch nicht gerade beim ersten Windstoß umzufallen.
Indes wich Leana spielerisch den Angriffen ihrer Gegnerin aus, die ihr scheinbar die Nadel tief in die Haut bohren wollte. Das war auch gut so, denn es war zwar schwer in dem Halbdunkel dieses Kellergewölbes Genaueres zu erkennen, aber ich würde darauf wetten, dass dieses Ding vergiftet war. Wobei ich definitiv nicht mehr wetten sollte…
Die Schamanin ließ sich jedoch nicht beirren und traktierte ihre Gegnerin mit diesem unvergleichlich mächtigen Dolch, gegen den selbst die Nadel klobig und schwerfällig wirkte. Ähnlich wie ich setzte Leana hier einen Treffer, dann dort und auch noch mal an dritter Stelle. Gerade jedoch hatte sie der Frau vor sich einen Ausfallschritt vorgetäuscht, auf den diese prompt hereinfiel. Zur Seite geneigt griff sie an, ehe sie merkte, dass Leana plötzlich fast hinter ihr Stand. Ein schneller Stoß – vergleichbar mit einem heranspringenden Wolf – traf die Kniekehle und zertrennte wichtige Sehnen im Gelenk. Die Entführerin jaulte laut auf, kämpfte aber verbissen weiter. Diese Mörder wollten mit der Waffe in der Hand sterben, so viel stand fest (und auch hier stand fest: kein Vampir!).
Indes attackierte mich mein Gegner immer plumper, beinahe nur noch mit einfachen Hieben von oben, um mir den Schädel zu zertrümmern. Immer wieder wich ich diesen Angriffen aus, nur um kurz danach selbst einen weiteren Stich zu landen. Mittlerweile blutete mein Gegner aus einem halben Dutzend kleiner Wunden, was seine größer werdende Verzweiflung anfeuerte. Schließlich änderte er doch noch einmal seine Taktik und versuchte einen Schwinger. Noch in der Ausholbewegung, warf ich mich in den Angriff, blockierte den Arm mit der breiten Parierstange meines Dolches und schnitt durch die Waffenhand des Entführers. Ein Finger ging verloren und die Keule flog einige Meter davon. Jaulend entglitt mir der Feigling – was mir aber auch einen Moment der Ruhe gewährte, denn dieses waghalsige Manöver war ganz schön anstrengend gewesen.
So sah ich, wie Anduil seinen Gegner mit einem gut koordinierten, gleichzeitigen Angriff mit beiden Waffen in die Irre führte. Dem Schwert entging er noch durch einen halben Schritt zurück, doch da fuhr die Axt in den Oberschenkel des vorstehenden Beins. Erneut schrie der Mann auf, aber noch immer blieb er verbissen bei der Sache und attackierte Anduil erneut – sein Leben hing ja auch davon ab.
Da stieß Leana zu meiner Linken wieder hervor, die Zähne bleckend, als wäre sie ein Raubtier, das ein ahnungsloses Schaf reißen wollte. Ich sah die Klinge bereits durch die Kehle der weiblichen Kontrahentin fahren – da ließ sich diese gekonnt hintenüber fallen und rollte sich rückwärts ab, nur um direkt aufzuspringen und erneut mit der Nadel auf die Schamanin loszugehen.
Nach wenigen Sekunden Pause, griff mich der Herzchirurg an, diesmal mit einer größeren Klinge bewaffnet. Schlag um Schlag, ließ ich locker über den Parierdolch abgleiten und begann wieder meine Taktik der Nadelstiche, denn schnell war auch hier klar: kein Vampir. Dana hatte sich wohl vertan – nicht, dass das überraschend gewesen wäre.
Dieser Gegner schien tatsächlich ungeübter als sein Gefährte und griff noch ungestümer an. Bei seinem nächsten Angriff legte er so viel Wucht hinein, dass er an mir vorbeistolperte und mir den freien Rücken präsentierte. Direkt stieß ich zu und versuchte die Wirbeln zu durchtrennen – das wäre das direkte Ende! Aber leider richtete ich nicht genug Schaden an, ein Kurzschwert war eben kein Schlachtbeil.
Zur Antwort wirbelte der Mann herum und stach wütend nach mir. Wieder tänzelte ich ihn aus. Das Problem für ihn: er musste schräg nach unten gerichtet attackieren, um mich überhaupt zu erwischen und da er schon wieder zu ungestüm vorging, bohrte er seine Klinge glatt zwischen die Holzbretter am Boden. Den Moment wollte ich direkt nutzen, war jedoch selbst zu fahrig und mein Angriff ging fehl, es brauchte kaum einen müden Schritt zur Seite, dann war auch die Waffe meines Kontrahenten wieder befreit.
Just in diesem Moment stach Leana ihrer Gegnerin binnen weniger Sekunden zunächst in die Hand – sie ließ die Nadel fallen – dann in den Unterleib, dass sie sich der Schamanin krümmend entgegenwarf und schlitzte ihr mit dem letzten Streich die Kehle auf. Blut spritzte an die Decke und gurgelnd ging die erste der Entführer zu Boden. Leana blieb jedoch gefasst, sie badete eher ungern im Blut, einfach nicht gut für den Teint. Ungerührt stieg sie über die Leiche hinweg und attackierte den Mörder, der vor mir geflohen war und nun zumindest seine Keule wieder hatte.
Anduils Gegner war zwar zweimal schwer getroffen worden, doch er kämpfte weiter sehr verbissen und brachte den Frischling unserer Truppe in Bedrängnis. Dessen Bewegungen erlahmten immer mehr und ich hörte seinen lauter und unregelmäßiger werdendes Atmen.
Da blieb mein Gegner mit dem Fuß in der Spalte hängen, die kurz zuvor sein Schwert gebohrt hatte. Er stürzte auf mich zu und vollkommen perplex wurde ich von dem Körper begraben. Dabei spürte ich Druck auf meinen Waffen und hielt entschlossen dagegen, was mir einen Haufen Blut einbrachte, das sich über mich ergoss.
Rasch rollte ich mich wieder ins Freie, doch mein Gegner blieb liegen. Er hatte sich fachgerecht selbst aufgespießt.
Mit einem Hechtsprung brachte ich mich hinter Anduils Gegner, der meine Absicht erkannte und mit beiden Waffen gleichzeitig auf seinen Kontrahenten eindrosch, dass er nach hinten wich. Im Augenwinkel erspähte er mich gerade noch, aber das kam zu spät. Dolch und Schwert bohrten sich in die Nieren des Entführers und verbissen riss ich sie direkt wieder heraus, wobei ich noch weitere Organe mitverletzte. Nun waren der Blutverlust und die Verletzungen endgültig stark genug und der Mann starb.
Keine Sekunde später erblickte ich Leana, die sich wieder um ihren Gegner getänzelt hatte und ehe dieser – geschwächt durch meine vorherigen Treffer – herumwirbeln konnte, bohrte sich der Dolch durch sein Ohr ins Gehirn. Blut strömte mit einem Mal aus Nase, Ohren und Mund und ohne eine einzige Regung ging er tot zu Boden. Wir hatten die Entführer der corrinschen Bürger zur Strecke gebracht!
Nun wandten wir uns dem eigentlichen Raum zu und besahen uns genauer, was diese vier Wahnsinnigen hier getrieben haben. Hinten an der Wand standen etliche alchemistische Apparaturen herum. Außerdem lagen hier die fünf übrigen Opfer: Saire, Radbod, Tigg, Laella und der Unbekannte. Der stellte sich anhand einer Untersuchung seiner Taschen als Breihen Neyha heraus. Diese gesamte Ausstattung wirkte wie ein kranker Mischmasch aus Ritualmorden verbunden mit pervertiertem, wissenschaftlichen Eifer.
Bei den Mördern selbst fanden wir die Nadel – nicht vergiftet, sondern magisch. Die Wette hätte ich schon wieder verloren. Außerdem war da noch eine Trillerpfeife, welche keinen Ton von sich gab. Länger herumexperimentieren wollte ich damit nicht. Das sollten sich vorerst fachkundige Magier ansehen. Schlussendlich war da noch eine Brosche mit einem aufgemalten Horn, die interessant wirkte. Mit dieser Beute zogen wir uns aus dem Mordhaus zurück, informierten die Wache kurz, dass sie die Leichen abtransportieren könnten und gingen in Mami Deborens Eintopfpalast.
Am nächsten Morgen gingen wir nach dem Frühstück ins Alt-Corrinis, wo uns schon Dana NiOrlburgh erwartete.
„Ich hörte, dass Ihr letzte Nacht euren Auftrag erfolgreich zu Ende gebracht habt. Schnell und gründlich, auch wenn es noch ein weiteres Opfer gab. Mit Freude überreiche ich Euch hiermit die Belohnung. Ihr habt Corrinis von einer großen Plage befreit, dafür dankt Euch der Baron.“
Mit diesen Worten überreichte die Stadtverwalterin uns einen dicken Goldbeutel mit der abgesprochenen Belohnung.
„Dabei ist auch eine Entschädigung für die Unterhaltskosten im Eintopfpalast. Ab heute könnt Ihr hier im Alt-Corrinis auf Kosten der Stadt unterkommen. Es ist uns eine Freude für Abenteurer, die sich derart um die Stadt verdient gemacht haben, den bestmöglichen Komfort zu bieten.“
Wir bedankten uns, wonach sich NiOrlburgh verabschiedete. Genüsslich bestellten wir uns dann eine Runde Dünnbier, zu der dann auch Kilian wieder zu uns stieß. Er schien sich von was-auch-immer erholt zu haben, natürlich rechtzeitig, um seinen Anteil einzufordern.
Da trat eine junge, blonde Frau ins Alt-Corrinis ein, sah sich neugierig um und ging dann zielstrebig auf uns zu.
„Seid gegrüßt, ich bin Yke ah Kirnak.“
Der Name strahlte etwas Altertümliches aus. Wenn ich mich nicht sehr irrte, handelte es sich dabei um eine fast nicht mehr vorkommende Namensform, die man einst im Valian zur Zeit der Seemeister gepflegt hatte. Wir stellten uns dann ebenfalls vor, bis die etwas naiv wirkende Dame, die gleichzeitig durch ein nettes Gesicht bestach, zum Punkt kam:
„Ich suche fähige Abenteurer, mit denen zusammen ich den versteckten Schatz meiner Familie suchen kann. Ihr seid durch euren schnellen Erfolg bei der Vermisstensache bereits Stadtgespräch, deswegen dachte ich, dass Ihr die richtigen sein könntet. Natürlich wird es eine großzügige Belohnung geben: alles aus dem Schatz wird Euer sein, mit Ausnahme des Familienjuwels, welches ich für mich haben möchte. Seid Ihr dabei?“
Schätze? Da brauchte die junge Yke kein zweites Mal nachfragen!
Dank dem Lars haben wir jetzt auch noch eine korrekte Schreibweise von Yke ah Kirnak mit einer vagen Andeutung, woher der denn kommt. Am Spielabend kam da ja nur: “Aus der Gegend”, weiß genau, dass ich bei dem seltsamen Namen nachgefragt habe 😛
Jasemina Tylos Alezia schreibe ich aus Tradition falsch, das habe ich aus Abedis Tagebuch übernommen 😉
Ich glaube ich weiß jetzt auch wer unser Breihen/Bryan war. Nicht die unbekannte vermisste Person, sondern die, der das Herz kurz vor unserer Ankunft rausgerissen wurde.
Hab ich dann auch vermutet. Aber ist ja eh nicht so wichtig 😉