Während unserer Lern- und Ruhezeit bekam ich allerhand Gerüchte mit. In den mir mittlerweile heimischen Spelunken von Corrinis hörte ich immer wieder von einem verfluchten Stück Land, wenige Tagesreisen nördlich von hier. Ein prächtiger Schatz solle dort auf jene warten, die ihn erringen könnten. Doch von den vielen, die sich dorthin wagten, kamen wenige zurück – alle miteinander dem Schwachsinn verfallen und ohne jede Erinnerung, was geschehen war. Leana erhielt indes einen Brief dieser Alezzia aus Chryseia, welchem Karten für ein großes Fest in Fiorinde beigelegt waren. Für den gleichen Anlass häuften sich auch kostspielige Plakate in Corrinis, welche von den „Zauberern Albas“ berichteten, die an Nubliona (also der Sonnenwende) mit großen Feierlichkeiten das Neujahr einläuten wollen.
Bis dahin waren es jedoch noch drei Monate Zeit, sodass ich meine Gefährten dafür gewinnen konnte, dieser Geschichte mit dem „verfluchten Land“ nachzugehen. Im Zuge weiterer „Nachforschungen“ erfuhren wir, dass es sich dabei um das verlassene Gebiet der MacNonons handelte und der herausragende Gegenstand ihres einstigen Besitzes sei eine Goldkrone gewesen – womit das Ziel unserer Reise klar war.
Ehe wir aufbrachen, erstand ich mir noch ein Pony für das ich seltsamerweise Papiere in die Hand gedrückt bekam. Bei den durchgeknallten Bürokraten von Corrinis war wohl alles ein wenig anders. Mit einem kurzen Besuch beim Alchemisten schlossen wir unseren Aufenthalt auf der Stadtinsel vorerst ab und machten uns auf den Weg. Neben Anduil und Leana war nun auch wieder Kilian dabei, welcher die vergangenen Monate mit kleineren Ermittlungen beschäftigt gewesen war und sich uns nun wieder anschloss.
Nach zwanzig Kilometern erreichten wir bereits das erste Gasthaus, das „Singende Wiesel“. Da die Sonne jedoch noch am Himmel stand und uns der späte Herbst nicht mit allzu harschen Temperaturen quälte, reisten wir noch etwas weiter. Als wir noch einmal die gleiche Strecke hinter uns gebracht hatten, erwarteten uns „Pfeil und Bogen“ mit trockenem Stall für mein Pony und warmen Betten für meine Gefährten und mich. Die Atmosphäre war gemütlich, die Menschen mit Essen und Trinken beschäftigt. Ein paar lumpigen Bauern das Gold beim Kartenspielen aus der Tasche zu ziehen, erschien mir hier zu einfach, sodass wir allesamt früh zu Bett gingen.
Der nächste Tag verging ähnlich ereignislos. Die große Seestraße entlang des Tuarisk ermöglichte schnelles und bequemes Vorankommen, wenngleich erschreckend wenig los war. Vielleicht war es einfach nur Zufall, dass wir Niemanden trafen…
Abends erreichten wir das Gasthaus „Der einsame Priester“, wo ich den rundlichen Wirt mit ein wenig Gauklerei überzeugen konnte, uns vieren die Wasserschläuche kostenlos zu füllen. Eine kleine Fingerübung tat hier und da mal ganz gut. Nebenbei bemerkte ich, wie Kilian mit Leana sprach, wobei ich mir nach den Ereignissen in Vezza gut vorstellen konnte, worum es da ging. Allerdings schien ein wenig Porzellan zerbrochen, die beiden schliefen in der Nacht auf getrennten Zimmern.
Am nächsten Morgen hörte ich eine Weile vor dem Aufstehen, wie Glas zerbrach, doch das gemütliche Bett hielt mich noch ein wenig zurück. Beim Frühstück erwartete Anduil uns bereits ungeduldig, wenngleich mit seinem Engelsgesicht der Unschuld – soweit seine … „Fresse“ ein solches zuließ. Beim Aufbruch bemerkte ich auch, was zu Bruch gegangen war: ein Fenster hatte gelitten und ein Blick zum lustig pfeifenden Anduil verriet mehr, als der Wirt wohl erkannt hatte.
Gegen Mittag hatten wir die Hälfte der Strecke zu Tidford geschafft und fanden den Waldpfad, den wir laut Wegbeschreibung folgen mussten, um zu den Ruinen des MacNonon-Anwesens zu kommen. Von sorgfältig gepflegten Pflastersteinen mit dem Tuarisk im Blick ging es nun zwischen die Bäume auf festgetretene Erde. Recht mildem Wetter verdankten wir es, dass es sich dennoch angenehm reiten (oder für die anderen: laufen) ließ.
Hier trafen wir auch das erste Mal andere Reisende: einige Waldarbeiter auf dem Weg zurück zur Hütte.
„Seid gegrüßt“, eröffnete Anduil das Gespräch.
„Grüße, Reisende. Was treibt exotisches Volk, wie Ihr es seid auf diesen Pfad? Seid Ihr etwa auf dem Weg zu dem verfluchten Anwesen?“
Damit bestätigten sich die Gerüchte, dass es schon durchaus einige gewesen waren, die ihr Glück versucht hatten und offensichtlich gescheitert waren. Erhöhte den Reiz dieser Aufgabe für mich ungemein!
„Wir sind lediglich dorthin unterwegs, um es womöglich in Besitz zu nehmen!“, wiegelte Anduil ab, was jedoch nicht sonderlich überzeugend klang.
„Tut euch keinen Zwang an, uns ist egal, was ihr macht. Können euch nur raten, vorsichtig zu sein. Bisher kam keiner wieder!“
„Wart ihr bereits selbst dort gewesen?“, hakte unser albischer Gefährte nach.
„Um der Dheis Albi willen: Nein! Wir haben lediglich aus der Ferne die Ruinen betrachtet und die Abenteurer, die sich dorthin wagten.“
Das klang annähernd so, als würden sich die Männer das eine oder andere Mal an den Verrückten bereichern, die wieder zurückkamen. Anduil gab mit seinem Blick zu verstehen, dass er ähnlich dachte – doch er legte es nicht drauf an die Männer zu provozieren.
„Wie lange sind die MacNonons schon weg?“, hakte ich nun nach.
„Das ist schon ziemlich lange her. Mein Vater kannte glaube ich gerade so noch die letzten von ihnen. Aber zunächst gab es kein Problem mit dem Anwesen. Man konnte sich holen, was vergessen wurde und Niemandem geschah ein Leid. Doch seit etwa einem Jahrzehnt ist es dort nicht mehr sicher, da begann dieser Fluch.“
Wir bedankten uns für die Auskünfte und reisten noch etwas weiter. Leana suchte uns einen Lagerplatz, ehe sie in den Wald ging, um etwas Nahrung für uns zusammen zu suchen. Einige Beeren sowie kleinere Tiere landeten schließlich im Kochtopf und wir hatten ein gemütliches Abendessen unterm Sternenhimmel. Die anderen erklärten sich direkt bereit, die Nachtwachen zu übernehmen, so ruhte ich friedlich und genoss einen ununterbrochenen Schlaf.
Am nächsten Morgen versorgte uns Leana nach etwa zwei Stunden Jagd und Suche wieder mit einem Frühstück frisch aus der Natur. Dann brachen wir auf und trotteten weiter den Waldweg entlang, bis wir mittags die Ruinen erreichten.
Ein Teich diente meinem Pferd als Tränke und auch wir konnten noch einmal unseren Wasserschlauch auffüllen. Dann besahen wir uns die Überreste der Gebäude. Teilweise waren sie ineinander gestürzt und von Unkraut überwuchert worden, dass kaum noch erkennbar war, wie viele Häuser hier mal standen. Dort würde man sehr wahrscheinlich nichts finden, sodass wir unsere Schritte zum Friedhof lenkten. Etwa zehn Grabsteine standen südlich der Ruine und waren allesamt lediglich mit Vornamen gekennzeichnet. Ihre Clanzugehörigkeit schien für die Angehörigen eindeutig zu sein. Die Gräber waren nicht übermäßig verziert, allerdings schien durchaus ein respektabler Steinmetz am Werk gewesen zu sein. Der jüngste Todesfall schien etwa 150 Jahre her, wenn wir (genau genommen Leana) die verwitterte Schrift richtig entzifferten.
Anschließend wandten wir uns dem auffälligsten Objekt zu, das sehr wahrscheinlich nicht zu den MacNonons gehörte. Es handelte sich um einen zwanzig Meter hohen Obelisken aus dunklem Stein auf dessen Oberfläche allerlei verworrene Symbole und Zeichen aufgeprägt waren. Kilian brauchte nicht lange, um uns zu informieren, dass dieses Ding magisch war. Leana präzisierte: es handele sich um ein Weltentor.
„Ich habe bereits einmal Erfahrungen damit gemacht“, schilderte die Schamanin. „Mit meinen Gefährten Leonis und Abedi wurden wir in eine fremde Welt geschleudert, wo uns etliche Dämonen erwarteten. Es war eine seltsame Insel gewesen, auf der die Sonne niemals gänzlich unterging. Es war ein harter aber auch lohnenswerter Kampf gewesen, bis wir wieder nach Midgard gelangten.“
Während Leana von Kämpfen und Errungenschaften redete, schienen die Symbole auf dem Obelisken für mich immer neue Formen anzunehmen und wunderschöne Muster zu bilden. Fasziniert blickte ich auf den Stein und machte bereits einen Schritt vor, ehe die Schamanin sich vor mich stellte.
„Was hast du vor?“
„Ich will den Obelisken berühren und sehen, was passiert!“
„Wir sollten zunächst genauer überlegen und das Ding noch etwas untersuchen“, schallt sie mich und enttäuscht blieb ich stehen.
Da schien ein ähnlicher Sog die Schamanin zu erfassen, welche ich sogleich mit denselben Worten aufhielt. Währenddessen lief Kilian auf den Obelisken zu, scheinbar ebenfalls ergriffen von dem schönen Muster. Anduil und ich sahen uns an und zuckten beide mit den Schultern. Mal sehen, was geschehen würde…
Der Ermittler berührte meine zärtlich den Stein, woraufhin alle Symbole in grünem Licht erstrahlten und eine Art Pforte erschien, hinter der nur Schwärze zu erkennen war. Ehe Kilian wusste, wie ihm geschah, wurde er bereits hindurch gezogen.
„Nun, den sind wir los…gehen wir wieder zurück?“, scherzte Anduil. Vermutete ich zumindest.
Doch ehe weitere Worte fielen, war die Schamanin ihrem einstigen Liebhaber bereits gefolgt. Seufzend schloss ich mich an und sah noch, wie sich der albische Krieger an einen Baum festband und sich erst dann in freudiger Erwartung eines überraschenden Ergebnisses auf dem Weg zum Obelisken machte.
Sobald ich die Pforte durchschritten hatte, schien es, als würde ich durch einen langen, dunklen Tunnel fallen. Um mich herum flogen etliche Gegenstände; Bücher, Tische, Laternen und Kronleuchter. Da hörte ich ein tiefes Fauchen und ein Drache glitt an mir vorbei. Er öffnete sein gigantisches Maul, mit dem er zehn meiner Sorte vertilgen könnte, und sandte mir einen gewaltigen Feuerhauch entgegen. Mit einem Schrei auf den Lippen erwartete ich die verzehrenden Flammen – da spürte ich festen Boden unter mir.
Rasch klappte ich meinen Mund zu und sah mich um. Neben mir knieten Leana und Kilian, kurz nach mir erschien Anduil – ohne Seil, was ihn wie einen Schlag traf. Zu viert befanden wir uns also…auf einem Burghof. Hohe Mauern umfassten den steinernen Platz, der einige Gebäude sowie einen hohen Burgfried beherbergte. Außerdem stand hinter uns ein Obelisk wie jener vom Anwesen der MacNonons, der jedoch auf eine flüchtige Berührung meinerseits keine Reaktion zeigte.
Aber wir waren nicht allein! Vor uns standen vier Menschen, die uns neugierig musterten, sowie ein Zwerg. Etwas abseits hatten sich zwei Elfen an eine der Hütten gelehnt und schienen uns nur beiläufig zu mustern.
Während dieser Beobachtungen fiel mir insbesondere nach Leanas Erzählung eine Sache auf: die Sonne stand im Zenit, wo es doch in Alba gerade dunkel wurde. Also waren wir wirklich in einer anderen Welt…oder einer anderen Zeit?
„Na, da sind ja wieder Neue“, begrüßte uns einer der Menschen.
„Wieder? Wer seid Ihr und was meint Ihr?“, fragte Leana nach.
„Wir sind Abenteurer und auf der Suche nach dem großen Schatz hierhergekommen. Allerdings können wir nicht mehr zurück und sitzen seitdem hier fest. Während unserer Zeit hier sind immer wieder neue Gesichter dazugekommen und sitzen entweder seitdem mit uns hier fest oder sind im Labyrinth gestorben.“
„Wie lange seid Ihr denn schon hier?“, hakte ich fassungslos ein – ich selbst wäre wohl längst wahnsinnig geworden.
„Es dürfte wohl bereits ein Jahr sein“, meinte der Wortführer der Menschen niedergeschlagen.
„Und das Labyrinth? Was genau meint ihr?“
„Unter dieser Burg erwarten euch verhexte Gänge voller verfluchter Kreaturen in einer gottlosen Finsternis, die schon dutzenden Abenteurern zum Verhängnis wurden. Man kann zwar mittels einiger Artefakte flüchten, wenn man in Lebensgefahr ist, doch kommen wir erst wieder nach Hause zurück, wenn wir haben, was wir suchen.“
„Habt Ihr schon einmal versucht, die Burg zu verlassen? Irgendetwas muss es da draußen doch geben!“
„Pah! Geht doch auf den Turm hoch, dann seht Ihr, was diese verdammte Burg umgibt.“
Dem Ratschlag beschloss ich Folge zu leisten, während sich Anduil mit den Elfen und später auch dem Zwerg unterhielt. Leana und Kilian gingen währenddessen die Burg ab.
Der Burgfried besaß im Erdgeschoss eindrucksvoll verzierte Wände, welche allerlei Bilder von Schlachten, Anbetungen und unbekannten, mystischen Kreaturen zeigten. Der Boden war mit einem Schachbrettmuster versehen und das einzige Mobiliar schien ein Thron zu sein, der auf einer kleinen Erhebung mir gegenüber stand. Ich schenkte der ganzen Szenerie zunächst kaum Beachtung und nahm die Wendeltreppe nach oben. Einen kurzen Moment lang hatte ich das Gefühl, die Platten hätten sich verschoben. Doch als ich genauer hinsah, schien es, als hätte ich es mir eingebildet.
Es gab keinerlei Zwischenebene, sodass ich nach viel zu vielen, viel zu hohen Stufen oben angekommen war. Durch ein Loch konnte ich nach unten auf das Schachbrettmuster sehen – es lag weiterhin ganz ruhig da. Dann schaute ich über die Mauern der Burg hinaus und spürte tiefe Ernüchterung: weit und breit war nur eine trostlose, steinig-graue Wüste zu erkennen. Jeder Versuch, dieses Gefängnis auf einem anderen Weg als über das Labyrinth zu verlassen, wäre die Unterschrift unter das eigene Todesurteil.
Nach diesem ernüchternden Ausblick traf ich mich mit den anderen im Burghof. Leana hatte herausgefunden, woher die anderen Gestrandeten Essen und Trinken bekamen: ein magischer Tisch ließ sich in etwa mit den Worten „Tischlein, deck dich!“ dazu verleiten, köstliche Speisen zu präsentieren. Bei diesem Schmaus konnte uns Anduil berichten, was Elfen und Zwerge hierher getrieben hatte. Das fiel ihm zwar schwer, da es hier kein Bier gab, doch er gab sich beachtliche Mühe.
So schien es, dass beide ein mächtiges Artefakt ihres Volkes suchten. Interessant wurde dies ab dem Punkt, als klar wurde, dass sie dabei ein und dasselbe meinten: die legendäre „Nachtklinge“. In Zeiten der Not in einem fernen Land seien ihre Völker gezwungen gewesen, gemeinsam dieses mächtige Artefakt zu erschaffen. Seitdem scheint sich der Streit, wem die Waffe eigentlich gehöre, nicht beigelegt worden zu sein. So baten sie auch beide Anduil und damit uns alle, ihnen das Schwert zu bringen. Es brauchte nicht lange, bis wir uns einig waren, dass wir uns bei diesem Streit besser raushielten.
Nach dem Mahl trotteten wir neugierig zum Eingang des Labyrinths. Ein kleiner Vorraum enthielt dutzende kleiner Zylinder mit einer interessanten Aufschrift: „Naéf Ô’re“. Leana erklärte, dass es sich dabei wohl um den „Notausgang“ handelte, den die Menschen bereits erwähnt hatten. Es war uns zumindest ein kleiner Trost, dass wir im Zweifelsfalle die Möglichkeit zum Rückzug hatten. Doch bevor wir uns hineinwagten, wollten wir zunächst einmal schlafen – es müsste eigentlich schon Nacht sein, doch auch in dieser Welt fernab von Midgard schien die Sonne an den Himmel gefesselt.
Soweit es ging, verdunkelten wir daher eine freistehende Hütte und schliefen recht unbequem auf dem harten Steinboden.
Am nächsten „Tag“ beschlossen wir, gemeinsam den Turm zu untersuchen, in der Hoffnung, die Bildergeschichten könnten Geheimnisse über das Labyrinth bergen. Bis wir wieder müde wurden, studierten wir die Darstellungen verschiedenster Schlachten und erwarben uns somit ein nicht geringes Wissen über die Seemeister und ihren Krieg der Magier. Für mich persönlich eine extrem langweilige Tätigkeit, die ich so bald nicht wiederholen wollte – aber womöglich könnte uns das Wissen noch nützlich werden. Eine geheime Karte fanden wir indes nicht, sodass wir halb enttäuscht, halb erleuchtet zu Bett gingen.
Sobald wir wieder erwachten, packten wir so viel Essen in unsere Taschen, wie hineinging und machten uns auf dem Weg zum Labyrinth. Die reich verzierte Tür aus Sternensilber schwang verheißungsvoll vor mir auf und um uns herum begannen grüne Kristalle in den Wänden zu leuchten – im gleichen Moment fiel die erste Tür hinter uns zu. Entschlossenen Blickes übernahm ich die Führung und wir liefen eine lange Treppe hinunter. Es hatte begonnen!
An ihrem Ende erwartete uns ein dreißig Meter durchmessender, kreisrunder Raum. Uns gegenüber befand sich eine silberne Tafel auf der etliche Buchstaben wie wirr herumzuliegen schienen. Entschlossen trat Leana auf eine Platte, die davor auf dem Boden lag und die Zeichen begannen sich zu formen.
„Viel Spaß“, las die Schamanin mit hochgezogenen Brauen vor.
Dann ging es los. Zwei Türen standen zur Auswahl, von denen wir zunächst die rechte wählten. Ab hier wurde es dunkel, was Leana jedoch mit einem schnellen Wink beheben konnte. Ohne Fackel oder Lampe schien die Luft eigenartigerweise aus sich selbst heraus zu leuchten.
Es brauchte nur eine Sackgasse, bis ich schon wieder begann, dieses Labyrinth zu verabscheuen. Ein immer wieder ertönendes Schaben ließ uns an die Warnungen der anderen Abenteurer denken: dieser verrückte Irrgarten schien sich beständig zu verändern. Daher werde ich Euch an dieser Stelle nicht mit genauen Wegbeschreibungen quälen – abgesehen davon, dass mir die stundenlange Wanderung im Labyrinth ohnehin in ihren Details entfallen war.
Der erste spannende Raum fiel durch eine in seiner Mitte aufgezeichnete Windrose auf. Ihr Sinngehalt blieb jedoch ein Rätsel, denn die zu erwartenden Angaben wie die Himmelsrichtungen fehlten gänzlich. Stattdessen entdeckte Anduil einen kleinen Ring, der wie in den Boden getreten war. An den Finger gesteckt, schien es ihn wieder in die Vertiefung – also zur Windrose – hinzuziehen. Das könnte durchaus nützlich sein, um in dieser sich beständig veränderten Unterwelt einen Orientierungspunkt zu haben: vorausgesetzt, es handelte sich hier um einen fixen Punkt.
Der Albai drückte das Schmuckstück Kilian in die Hand, wodurch dessen ohnehin auffällig ausgeprägter Richtungssinn weiter verstärkt wurde.
Kurz darauf entdeckten wir in einem ansonsten kahlen Raum eine unscheinbare, kleine Öllampe. Den meisten von uns waren die Geschichten von einem „Geist in der Lampe“ bekannt. Die Aussicht, drei Wünsche erfüllt zu bekommen, lockte mich – der Rest blieb jedoch skeptisch stehen. Sie fürchteten eine Falle, irgendetwas Böses, was sich uns offenbaren und angreifen würde. Über diese Ängstlichkeit konnte ich nur die Stirn runzeln, hockte mich auf den Boden und begann gemütlich an der Lampe zu reiben.
Es brauchte nur wenige Momente, da stieg Rauch hervor, welcher zunächst formlos beinahe zwei Meter in die Höhe stieg, ehe sich langsam aber sicher die Konturen eines Menschen hervortaten; der Unterkörper fest mit der Lampe in meinen Händen verbunden.
„Ein neuer Abenteurer“, stellte der Dschinn mit gelangweilter Stimme fest. „Was wünscht Ihr?“
„Darf ich mich vorher mit meinen Gefährten beraten?“
„Sicher, sicher…“
Die Lampe im Schlepptau lief ich zu den anderen hinüber. „Seht mal, alles halb so schlimm. Jetzt brauchen wir nur noch eine gute Formulierung für einen Wunsch. Wie wäre es mit: ‚Zeige uns den Weg‘“.
„Dann zeigt er in eine Richtung und das war es. Nein, er soll uns die Krone bringen!“, erwiderte Leana.
„Wir sollten uns wünschen, dass er uns bringt, was immer wir benötigen, um wieder zurück nach Hause zu kommen“, erweiterte Kilian den Wunsch derart, dass wir eigentlich ziemlich sicher bekommen müssten, was wir brauchten. Anerkennend nickten wir ihm zu und er brachte seine Forderung vor den Dschinn.
Mit einem Seufzen verschwand er wieder in seiner Flasche…kurz darauf fiel scheppernd eine goldene Krone vor unsere Füße. Sie war von normaler Größe und trotz ihrer Goldbeschichtung weitgehend schlicht – abgesehen von den Juwelen, die in sie eingearbeitet worden waren.
„Haha! Da haben wir doch schon gleich unseren Schatz!“, jubelte ich laut.
„Das war ein ziemlicher Schnelldurchlauf“, meinte Anduil mit einem Grinsen. Doch es brauchte nur wenige Momente, bis wir realisierten, dass wir auch noch den Ausgang finden müssten. Aber zumindest war der Schatz gesichert!
Einen Raum weiter fanden wir wieder etwas Interessantes. Eine Holztruhe mit einfachem Schloss, welches meinen flinken Fingern binnen weniger Sekunden zum Opfer fiel, enthielt wertvolles Geschmeide sowie einiges Gold, das wir direkt unter uns aufteilten. Das fein gearbeitete Schmuckstück behielt ich vorerst bei mir – natürlich nur, bis wir es verkaufen!
Als wir weitereilen wollten, hielt Kilian uns an. „Ich habe da vorne etwas gespürt. Irgendetwas Lebendiges geht hier um.“ Erstaunt blickte ich den Ermittler an, der wohl noch das eine oder andere Geheimnis in sich trug. Leben konnte bedeuten, dass sich vielleicht einer der verschollenen Zwerge herumtrieb – oder eben etwas Gefährliches. Meine Neugier war auf jeden Fall geweckt und Leana ging es genauso, während Anduil sich nur mäßig begeistert unserem Vorstoß anschloss.
In dem Raum, der folgte, erwartete uns jedoch weder etwas Böses noch Gutes, sondern eine hundsgroße Eule, welche auf einer „Sitz“ hockte und uns mit beinahe tellergroßen Augen begutachtete. Sie begann mit einem Rätsel, welches wieder einmal von Menschen, Bergen und Werkzeugen berichtete, die allesamt der Lösung zum Opfer fielen. Gelangweilt lehnte ich mich zurück und war schon bereit, „Zeit“ als Antwort zu nennen, da nannte die merkwürdige Rätsel-Eule den letzten Vers: „Aus gerade mache ich krumm.“
Verdutzt blickten wir das Tier an.
„Antwortet richtig und ich gebe euch einen Tipp, der zum Ausgang führt. Antwortet falsch und eure Reise beginnt von neuem.“
Leana hatte ebenfalls zunächst „Zeit“ im Sinn gehabt, während Anduil nun über „Druck“ nachdachte. Einer von Kilians Vorschlägen war Dunkelheit, doch das schien mir nicht recht einleuchten zu wollen. Wir debattierten einige Minuten über das für und wider – insbesondere den letzten Vers, der so gar nicht zu den üblichen Beschreibungen von „Zeit“ passen wollte. Da hatte ich, wohl durch meine jahrhundertelange Rätselerfahrung, eine simple, vielleicht dämliche Erklärung parat:
„Ich glaube, es könnte der Rücken gemeint sein, welcher sich mit dem Alter zunehmend krümmt!“
„Könnte sein…aber bist du nicht auch dreitausend Jahre alt und dein Rückgrat ist gerade?“, fragte Leana mit einem schnippischen Grinsen.
„Ich bin weit älter als das! Ich war da, als die Götter aus ihrer Ursuppe krochen. Außerdem habe ich mich gut gehalten“, flachste ich zurück. Das mit dem Alter stimmte natürlich trotzdem!
Also präsentierten wir der Eule die Lösung, welche uns eigentlich direkt eingefallen war. Zustimmend blinzelte sie mit den Augen und neigte leicht den Kopf. Dann sprach sie erneut mit ihrer huhuhenden Stimme zu uns.
„Bedenkt eines, wenn ihr durch das Labyrinth schreitet: der Ausgang liegt gegenüber vom Eingang!“
Dann schien sie einzuschlafen. Hätte hilfreicher sein können…
Wir setzten also unsere Odyssee durch leere Räume verbunden über kurze Gänge fort, bis wir einen seltsamen Raum mit lediglich einem Kerzenständer fanden. Darauf befanden sich zehn kleine Kerzen, welche jedoch allesamt erloschen waren. Als wir uns näherten spürten wir eine leichte Brise ohne bestimmte Herkunft, die sie umwehte. Es lag wohl nahe, dass der Wind dafür verantwortlich war, dass hier kein Licht brannte.
Es waren Momente wie diese, die unbegründete Neugierde zu wecken schienen. Was wohl geschehen mochte, wenn man sie alle wieder anzündete? Ohne Grund würden sie sicher nicht in diesem Labyrinth herumstehen. Doch woher sollte man die Flamme nehmen? Es offenbarte sich, dass tatsächlich Niemand eine Fackel dabei hatte, weswegen Leana immer wieder magisches Licht heraufbeschworen hatte – nicht enorm anstrengend wie mir schien, aber es hatte etwas vom lästigen Mücken-Verscheuchen. Da ließ Anduil den Blick zu seinem Gürtel hinabwandern…
„Hey Leute, ich hab ja eine Lampe dabei! Und Öl!“
Einen Moment standen wir komplett verwirrt herum und starrten uns fassungslos an. Wie hatten wir es zu viert geschafft, das Ding zu übersehen?
Nach einer Minute betretenen Schweigens, entzündete Anduil ohne weitere Worte seine Lampe und begann nacheinander, Kerze für Kerze an das Licht zu halten und behutsam wieder auf dem Ständer zu platzieren.
Doch irgendetwas geschah um uns herum und es war wohl eindeutig dagegen, dass die Kerzen entfacht wurden. Mit jedem Flämmchen wurde der Wind stärker und es erforderte hohes Geschick unseres albischen Kriegers, dass er den Docht einigermaßen schützen konnte. Schließlich stellte sich noch Kilian vor ihn, um einen menschlichen Schild zu bieten.
Als es am Ende beinahe mich selbst von den Füßen riss stellte Anduil die letzte Kerze auf den Ständer und mit einem Schlag kam der Wind zum Erliegen. Im selben Moment begann es im gesamten dreißig Meter durchmessenden Raum hell zu leuchten, wie durch Leanas Zauber. Scheinbar hatten wir einen magischen Lichtschalter gefunden. Während wir nun weiter voranschritten, stellten wir fest, dass dies für das gesamte Labyrinth galt, wodurch Anduils Lampe einen wichtigen, aber nur sehr kurzen Auftritt hatte. Nun gut, wir hatten sie ja auch lange genug ignoriert.
Plötzlich stolperten wir in einen Raum, der sich krass von den bisherigen Unterschied. Zwar maß er wieder dreißig Meter von Wand zu Wand, doch vier große Lavabecken hüllten den Raum in feuriges Licht sowie stickige Hitze. In der Mitte war ein Altar platziert, auf dem ein frisch geopferter Mensch sein Leben aushauchte. Neben ihm, in einer dunklen Robe, stand ein weiterer Mann, der düstere Beschwörungsformeln aus einem dicken, schwarzen Folianten vorlas. Wie gebannt starrten wir auf diese Gestalt, als er plötzlich zu einem Ende kam. Mit einem lauten Knall schloss er das Buch und legte es auf den Altar, während sich aus der Leiche des Opfers ein durchscheinender, formloser Schemen erhob… nach wenigen Sekunden nahm er die Gestalt des Toten an und stürzte zusammen mit seinem Meister auf uns los!
Ein erstes Wurfmesser verfehlte, sodass ich auf meine anderen Klingen wechselte, um dem Beschwörer entgegenzutreten. Mit Geistern hatte ich jahrhundertelange Erfahrung – gewöhnlicher Stahl erzielte da keine Wirkung. So schlossen sich Anduil und Kilian meiner Hatz auf den Hexer an, während Leana sich um den Geist kümmerte.
Ein erster, kleiner Treffer gegen das rechte Knie unseres Widersachers, verleitete ihn zu einem ungeschickten Rückwärtsschritt, bei dem hörbar das Fußgelenk knackte. Die Ablenkung nutzte Anduil sogleich um einen verheerenden Schlag gegen die Wirbelsäule anzubringen. Blut spritzte, Knochen knackten und der Mann stürzte auf die Knie. Der Moment für Kilian es zu vollenden – doch der Vollidiot versuchte stattdessen einen großes Schwinger, der nicht den Beschwörer, sondern mich vor die Brust traf. Die Rüstung federte den Treffer ab, allerdings warf ich dem Ermittler einen herabwürdigenden Blick zu. Peinlich berührt machte dieser einen Schritt zurück, sodass der Weg wieder für die treffsicheren Kämpfer frei war – wartet, seit wann zähle ich mich denn dazu?!
Doch ich überraschte mich selbst, denn der bereits angeschlagene Beschwörer schien kaum noch Anstalten zu machen, mir auszuweichen. So nagelte ich den kurzen Dolch in sein linkes Knie, während das Kurzschwert den Weg durch die Rippen fand. Röchelnd ging der Mann erneut in die Knie und diesmal übernahm des Anduil, ihm sein Ende zu bereiten – mit einem sauberen Schnitt trennte er den Kopf ab, als hätte er Henker gelernt.
Damit war der Mensch überwunden, doch der Geist umschwirrte Leana wie ein durchsichtiges Leichentuch, begierig sich auf einen Körper zu stürzen, um seine Eiseskälte auszusenden. Anduil beschloss der Schamanin beizustehen und zumindest die Aufmerksamkeit des Geistes auf sich zu lenken, während Kilian und ich zu den eher…ungewöhnlichen Methoden übergingen!
Rasch eilten wir zu der Leiche des Opfers, packten sie an Schultern und Füßen und schleppten sie zu einem der Lavabecken. Es machte ein schluckend-schmatzendes Geräusch, als sich die höllische Glut des Körpers annahm, welcher binnen weniger Sekunden verbrannte.
Der Geist blieb – und wurde verdammt wütend. Ein schreckliches Gebrüll in unsere Richtung, ließ Kilian und mich zu Boden gehen. Es war, als hätte uns ein eiskalter Windstoß getroffen. Doch was wären wir für Abenteurer, wenn wir uns davon aufhalten ließen. Ich stützte mich auf meine linke Hand, brachte meinen kleinen Körper in Schwung, sodass ich nach einer kreiselnden Bewegung elegant auf beide Beine sprang. Kilian nickte, als würde er sich herausgefordert fühlen, lehnte sich kurz zurück und kam mit einem Salto vom Boden direkt auf die Füße. Anerkennend nickte ich ihm zu. Vielleicht konnten wir beide noch gemeinsam im Zirkus auftreten.
Währenddessen schaffte es Leana schließlich mit ihrem Dolch tief in die wabernde Gestalt des Geistes einzudringen. Man konnte beinahe sehen, wie der Schweiß auf ihrer Haut gefror als sie der Kreatur so nahe kam, doch es zeigte Wirkung: der Streich zerteilte den Spuk, sodass er in alle Richtungen davonstieb und verschwand. Ein letztes, elendes Heulen zeugte von seiner Vernichtung.
Eilig packten wir einige Tränke des Hexenmeisters ein sowie seinen Ritualdolch und letzten Endes auch den Beschwörungsfolianten. Dann machten wir, dass wir so schnell wie möglich fortkamen.
Hatte dieser Raum soeben noch große Gefahr in sich geborgen, irritierte der nächste wieder durch seine Leere. Das allgegenwärtige Licht offenbarte gerade einmal einen Helm mit einem seltsamen, ledernen Nackenschutz, der bis zur Hüfte hinunter reichte. Das schien eine Aufgabe für unseren Albai zu sein (fragt mich nicht, warum…) und er setzte sich das Ding prompt auf den Kopf. Wieder einmal stahl sich sein sympathisch-dümmliches Grinsen aufs Gesicht und er meinte nur: „Fühlt sich sicher an!“
Doch das war das letzte Mal für mehrere Stunden, dass jemand von uns wirklich etwas zu lachen hatte. Es folgten etliche Versuche, das sich ständig verändernde Labyrinth zu analysieren, bis wir die Logik dahinter verstanden hatten. Doch desto mehr wir ausprobierten, desto mehr schien es uns, als würde hier reine Willkür agieren. Schließlich stieg ich gänzlich aus und überließ Leana und Anduil das gefährliche Fachsimpeln, was einen wohl leicht an den Rande des Wahnsinns bringen konnte.
Da fanden wir endlich wieder etwas Neues, wenngleich nichts Hilfreiches. Unser Weg führte durch einen Raum, der von Ratten nur so wimmelte. Es mussten wohl beinahe hunderte sein, denn selbst eine Feuerkugel von Leana konnte sie nur bedingt eindämmen. Vor allem schienen diese Kreaturen von finsteren Mächten gelenkt, denn anstatt sich ängstlich nach einer Explosion in ihren Löchern zu verkriechen, versuchten sie, die rasch wieder geschlossene Tür aus ihren Angeln zu drücken. Diesmal übernahm Kilian die Aufgabe – und öffnete immer wieder kurz die Pforte, sodass etwa ein halbes Dutzend Nager hindurch kamen, die er gemütlich niederstrecken konnte.
Es war eine effektive, jedoch langwierige Salamitaktik, die nach zwei Stunden endlich zum Erfolg führte. Indes spielten Anduil und ich Karten.
Nachdem der Berg von Nagetieren aus dem Weg geräumt war, ging es weiter. Ich übernahm wie gewohnt die Führung, um Fallen frühzeitig erkennen zu können, da betrat ich den nächsten Raum: vor mir stand ein menschengroßer Spiegel mit einer Umfassung aus Jade. Doch weniger interessierte mich die Beschaffenheit dieses Artefakts, als das, was es zeigte. Ich sah mich – inmitten eines gewaltigen Goldschatzes. Tausende Goldmünzen, edelste Geschmeide und die mächtigsten Artefakte, die man sich nur vorstellen konnte. Ein Griff in die Hosentasche offenbarte zwar keinen Stein der Weisen, doch es war ein wunderbares Bild, was ich inmitten all des Reichtums mit meinem Hermelinpelz anbot.
Erst als Leana mich ein wenig zur Seite zog, verblasste die Illusion und ich kam wieder zu mir. Ein schöner Traum war es gewesen und ein gefährlicher obendrein. Wunderte mich beinahe, dass es hier keinen Toten gab, der bis zu seinem Ende hier herum gestanden hatte.
Doch wir waren in der Gruppe unterwegs, daher konnte auch jeder einmal das gefährliche Spiel wagen und sich seine Träume genüsslich ansehen – ehe wir wieder mit der harten Realität kalter Steinwände und endloser Gänge konfrontiert wurden.
Es war eine weitere Odyssee durch das verrückte Labyrinth, als wir einen bisher unbekannten Raum entdeckten. Gewaltige Spinnweben führten von Wand zu Wand, vom Boden zur Decke und appellierten an das Ekelgefühl eines jeden gesunden Menschenverstands. Den hatten wir allerdings schon vor langer Zeit abgelegt, sodass auch die fette Speißspinne, die sich auf uns herabsenkte, zu keiner Panikattacke führte. Das Biest war groß wie ein kleiner Hund und so warf ich ungerührt einen Wurfdolch nach ihr…ein sicherer Angriff, es sei denn, man rutschte aus und stolperte mitten in eines der riesigen Netze hinein.
Während ich in den Fäden hing, wie eine Puppe unter den Händen ihres Spielers, zückten die anderen ihre Waffen. Die großen Beißzangen des Biests klackten und klebriges Sekret tropfte zu Boden – doch der Übermacht war es trotz seiner ekelerregenden Größe nicht gewachsen. Kilian und Leana pferchten es von zwei Seiten ein, geschickt darauf bedacht in kein Netz zu geraten, da kam schon der vernichtende Hieb Anduils, welcher die Spinne der Länge nach in zwei Teile spaltete.
Kurz darauf hatte ich mich befreit und wir verließen den Raum durch eine gegenüberliegende Tür. Gewohnheitsmäßig folgte ein kurzer Gang und hinter einer Tür lauerte erneut Gefahr: zwei übergroße Tausendfüßer ruhten in einem Raum, dessen Boden von schimmernd-schmieriger Flüssigkeit bedeckt war. Als wir hineingingen, begannen die Kreaturen mit rasselnden Geräuschen in unsere Richtung zu krabbeln. Leana sandte ihnen zur Begrüßung eine Feuerkugel entgegen, welche sie jedoch nur kurz aufhielt. Daher zückten wir unsere Waffen und traten ihnen entgegen – stets darauf achtend, nicht auf dem glitschigen Boden auszurutschen.
Anduil und Leana stürzten sich auf einen, Kilian und ich auf den anderen. Die Käfer bäumten sich vor uns auf, dass sie meine Größe mit Leichtigkeit erreichten, und versuchten sich gegen uns zu werfen. Dem auszuweichen war mir ein Kinderspiel und auch das Schliddern wurde durch einige Jahre Zirkuserfahrung mehr zu einem Spaß denn einer Herausforderung. Doch kaum war das Biest an mir vorbei und ich stach mit meinem Kurzschwert zu, da prallte die Klinge nahezu wirkungslos vom Chitinpanzer ab. Kilian stellte das ebenfalls fest, doch immerhin schaffte er es durch reine Kraft einige Teile derart zu verbeulen, dass das Tier unbeweglicher wurde. Nachdem es dann noch immer wieder ergebnislos an uns vorbeirauschte schienen seine Kräfte zu schwinden – es wurde langsamer.
Erneut beugte sich der Käfer auf, beinahe mit letzter Kraft schien mir, da sprang ich nicht zur Seite, sondern nach vorne: den Dolch bohrte ich kurz unter das Maul, mit dem Kurzschwert stach ich tiefer und zog die Klinge nach unten, dass mir blassgrüne Flüssigkeit entgegenlief. Rasch wich ich zurück.
Gerade rechtzeitig, um sehen zu können, wie Anduil den Panzer des anderen Tausendfüßers knackte. Der Anderthalbhänder krachte auf den Schädel ein und zermalmte alles zu einem einzigen, dunklem Brei – ein schnelles Ende.
Erneut stapften wir los, allerdings liefen uns keine weiteren Attraktionen des Labyrinths mehr über den Weg. Stattdessen verbrachten wir eine unschätzbare Zeitspanne (gefühlt: ein Jahr) zwischen den kahlen, steinernen Wänden auf der Suche nach dem Ausgang ohne noch viel darauf zu achten, woher wir kamen oder wohin wir gingen… bis auf Leana. Die Schamanin schien tatsächlich grob im Kopf zu behalten, wo wir ungefähr sein müssten und gab Anweisungen. Zumindest hatten wir so jemanden, der uns eine Richtung gab, damit es nicht so sinnvoll schien, wie es vielleicht war…
Da betrat ich einen weiteren, unscheinbaren Raum – mit einer Karte darin! Hastig hob Leana sie auf und wir alle atmeten auf. Auf der Karte abgebildet waren die Gänge die momentan passierbar waren eingezeichnet und sie veränderte sich entsprechend der realen Verschiebungen. Somit wussten wir, wo wir lang konnten und begannen langsam nachzuvollziehen, wie sich das Labyrinth um uns herum verrückte. Zumindest glaubten wir das, denn zwar fanden wir den Mechanismus heraus – an bestimmten Schwellen tat sich etwas – aber was genau wie verschoben wurde, schien uns absolut willkürlich. Doch die Karte reichte, um uns wieder Hoffnung zu machen, sodass wir weitergingen!
Einige Gänge weiter erwartete uns beim Betreten eine ungewöhnliche Wärme, verknüpft mit dem Gestank von verkohltem Fleisch. Erst befürchtete ich, wir wären trotz Karte falsch gelaufen und wieder bei dem toten Beschwörer – doch eine neue Gefahr lauerte vor uns. Zwei menschengroße Echsen strahlten die Wärme aus ihren Körpern, deren Essenz die reine Glut zu sein schien, zusammengehalten von Kohle. Als sie das Maul öffneten, um uns zur Begrüßung entgegenzubrüllen, war es, als blickte man in einen Vulkan.
Die Tür flog so schnell zu, dass ich mich über meine eigenen Reflexe wunderte. Mit einem großen „Nein zu Feuersalamandern“ auf der Stirn drehte ich mich zu den anderen um und wir suchten einen neuen Weg. Zwischendurch fanden wir eine Puppe mit einer Druckstelle auf dem Kopf, wo sich wohl einst die Krone befunden hatte. Zumindest solange, bis der Dschinn sie uns übergeben hatte.
Dann wurde es interessant. Ein weiterer Raum erwartete uns mit einem großen, torartigen Relief an seiner Seite. Darin waren etliche Hebel und Räder teilweise eingezeichnet, aber manche auch eingearbeitet. Es schien mehr als nur deutlich, dass die schwach glimmende Zeichnung einen magischen Steuermechanismus abgab, allerdings war die Frage nach dem wie nicht so einfach zu klären. Anduil fand immerhin nach einigem Tasten heraus, dass wir noch einen Schlüssel benötigten, um hier weiterzukommen. Das hieß: Schlüssel suchen, zurückgehen, Labyrinth steuern und dann endlich…Freiheit! Wir waren für meinen Geschmack schon viel zu lange unter der Erde, ich hatte doch nicht ohne Grund das elendige Gebirge verlassen, als ich noch ein kleiner Pimpf und die Götter noch nicht geboren worden waren.
Doch vielleicht konnten wir uns diese Lauferei auch sparen, denn laut Karte schien der Weg frei (vorausgesetzt der Ausgang war gegenüber dem Eingang; zu diesem Zeitpunkt vertrauten wir bereits auf einige „falls“).
Allerdings entdeckten wir kurz darauf einen wahren Herrscher des Feuers, gegen den die Feuersalamander wie Schoßhündchen wirkten. Mit seinem rot-geschuppten Körper füllte er nahezu den kompletten Raum aus. Wo er nicht herumlag, da türmten sich Berge von Gold und anderen Schätzen auf. Ein Drache von gewaltiger Größe schien aus irgendeinem Grund ausgerechnet hier seinen Hort platziert zu haben und schien gemütlich zu ruhen.
Es brauchte einige Momente, bis wir in der Lage waren, einen klaren Entschluss zu fassen, so sehr faszinierte uns dieses Bild. Während das Gold scheinbar verzweifelt danach schrie, mitgenommen zu werden, triumphierte der Verstand. Die Tür war nicht weit und wir beschlossen, es durch die Höhle des Löwen zu wagen. Kilian und ich waren da relativ selbstsicher, während Leana und Anduil scheinbar ein letztes Mal zu ihren Geistern, Göttern oder was-auch-immer beteten. Da überkam die Schamanin plötzlich eine Art göttliche Eingebung: „Ein Gegenstand, den wir gefunden haben, macht uns für Drachen unsichtbar!“
Also setzte sich Anduil die Krone auf, Leana nahm seinen Helm, mit dem er sich ja so sicher gefühlt hatte. Woher auch immer diese plötzliche Weisheit zu kommen schien, Kilian zuckte nur mit den Achseln und tänzelte geräuschlos zwischen Gold und schuppigem Tod zur anderen Seite und glitt durch die Tür. Ich folgte ihm, wenngleich ich etwas länger brauchte. Allzu oft musste ich gegen die Versuchung ankämpfen, nicht doch noch eine kleine Münze oder winzigen Edelstein einzustecken. Aber ohne größere Probleme erreichte ich dann auch Kilian und damit die andere Seite.
Anduil folgte. Wir hielten alle den Atem an, als der große und recht ungeschlachte Albai Schritt für Schritt durch den Raum tat. Für seine Art ungewöhnlich grazil und still setzte er Fußzehe für Fußzehe ab, verlagerte ganz langsam das Körpergewicht und wiederholte dieses Spiel – bis er die Mitte des Raumes erreichte. Plötzlich öffneten sich die Augen des Drachen, verdrehten sich seltsam und das Maul öffnete sich. Die Zähne waren lang wie Schwerter, der Schlund groß genug, um Anduil in einem Stück zu verschlucken. Doch in einem raschen Schnappen schloss der Geschuppte seine Beißer. Ein Gähnen. Das wohl schrecklichste Gähnen, das ich in meinen eintausend Jahren als Abenteurer gesehen hatte. Aber eben doch nur ein Gähnen.
Anduil kam also unbeschadet bei uns an und wunderte sich wohl selbst darüber, wie gewandt er bei uns angekommen war.
Dann fehlte nur noch Leana. Dass die kleine, zierliche Schamanin da scheitern könnte, wo der große Anduil Erfolg hatte, schien eigentlich ausgeschlossen. Allerdings wirkte sie reichlich nervös und klammerte sich fest an den Helm auf ihrem Kopf. Die ersten Schritte wirkten zwar unruhig, doch fanden ihren Weg an Münzen und Schuppen vorbei. Da war sie kurz vor dem Kopf des Drachen, der just in diesem Moment rauchwolkenuntermalt ausatmete. Erschreckt tat Leana einen Schritt zurück – mitten in einen Goldhaufen hinein. Die Münzen prasselten in alle Richtungen davon und sofort glitten die Augenlider des Geschuppten nach oben. Suchend glitten die geschlitzten Pupillen durch den Raum, schienen jedoch durch die Schamanin hindurch zu gleiten. Der Helm!
Da erscholl die Stimme des Drachen durch den Raum. Wie ein Gewitter im höchsten Gebirge, mehrfach wiedergeworfen und immer weiter, bedrohlich verstärkt. Ein Klang aus tiefsten Höhlen, grausam und zugleich faszinierend. Es schien, als würden die Worte einen lähmen, während alles in einem schrie, wegzulaufen.
„Du hast etwas bei dir… ich kann dich nicht sehen. Warum denn so schüchtern?!“
Leana hatte alles in sich zusammengenommen und war losgesprintet. Kaum hatte der Drache die letzten Worte ausgesprochen, flog sie uns entgegen durch die Tür, die wir hinter ihr so schnell wie möglich zutraten. Keine Sekunde zu spät, denn als der Drache seinen Satz beendet hatte, war seine Stimme in ein tiefes Brüllen übergegangen und gewaltige Hitze strömte uns aus dem Raum entgegen. Die Tür begann weiß zu glühen und einen Moment fürchteten wir, sie würde schmelzen.
Doch sie hielt stand. Wohl kein menschliches Wesen in diesem Raum hätte überlebt, aber diese seltsame Tür hatte dem Drachenfeuer widerstanden.
Nach dem Schrecken beschloss Leana zunächst, zu meditieren und so ihre innere Ruhe wiederzufinden. Wir anderen spielten unterdessen Karten oder erzählten chauvinistische Witze während die Schamanin nicht zuhörte.
Eine Stunde später endete die Suche nach Ausgeglichenheit und mit neuer Kraft spornte uns die Moravin an, weiterzugehen. Mit neuem Mut ging es dann auch voran.
Wir eilten durch fledermausverseuchte Räume, fanden ein magisches Buch, welches der Zauberin einen Versetzungsspruch dorthin ermöglichte, wo man einen Kreidekreis gezogen hatte, und entdeckten einige Truhen, welche meinen Dietrichen nicht lange standhielten und somit einiges an Gold offenbarten. Rasch war das in unsere Taschen gesickert, sodass wir bereit waren, in einem weiteren Raum zwischen dutzenden Bienenstöcken hindurch zu laufen. Zwar stießen Kilian und ich welche um, doch schnelle Füße trugen uns aus zur Tür, ehe sie uns malträtieren konnten.
Im Anschluss wartete ein seltsamer Raum voller mysteriöser Schlüsselsymbole, die auf den Boden gemalt waren. Das musste wohl der Raum sein, in welchem wir das Instrument fanden, das große Schaltpult zu bedienen. So suchten wir zwei Stunden lang elendig den Boden ab, bis wir endlich einen großen, massiven Schlüssel in den Händen hielten.
Dann ging es weiter. Mittlerweile waren wir alle recht müde und erschöpft. Jeglicher Gefahr, die das Labyrinth bereithielt wurde nicht mehr mit jugendlichem Leichtsinn begegnet, sondern mit erschöpfter Resignation ausgewichen. Da entdeckten wir das Grab des Erbauers dieses Labyrinths. Kilian schlug vor, dieses zu plündern, wovon wir ihn zum Glück abhalten konnten. Wer weiß, welch untote Gestalt sich erheben würde.
Aber hierher würde sich wahrscheinlich nichts anderes wagen, sodass wir unser Lager hier aufschlugen und einige Stunden Schlaf suchten.
Als wir wieder einigermaßen ausgeruht waren, beschlossen wir, zurück zum Steuerpult zu gehen, von wo aus wir hoffentlich die Kontrolle über dieses verrückte Labyrinth gewinnen konnten. Der einst offene Weg zum Ausgang hatte sich mittlerweile wieder so oft verschoben, dass es unmöglich schien ohne das Kontrollzentrum zum Ziel zu kommen – vielleicht hatte irgendeine höhere Macht etwas dagegen. Wir wollten dabei Eile an den Tag legen, denn die Geisterangriffe hatten wohl Wunden geschlagen, die nicht einfach so wieder heilten, sodass Leana und Anduil noch immer leicht matt aussahen.
Doch ein schnelles Durchqueren dieser elendigen Räume schien uns nicht vergönnt und kurze Zeit nach unserem Aufbruch erwartete uns ein grässliches Gespenst, das sich bedrohlich vor dem Ausgang postierte. Rasch forderte ich Leana auf, mir dieses Mal den mächtigen Dolch anzuvertrauen, denn wenn hier jemand mit kleinen Klingen umgehen konnte, dann war das wohl Tikkmikk Rasfareen, der noch dem jungen Tin das Massieren mit Akupunkturunterstützung beigebracht hatte!
Die Schamanin übergab mir tatsächlich ihre pechschwarze Waffe, welche sich in meine Hand einfügte, als hätte sie schon immer dorthin gehört. Mit einem diabolischen Grinsen im Gesicht stürzte ich mich dem Poltergeist entgegen und für einen Moment überlegte es sich wohl, ob es sich hier den richtigen Ort zum Spuken ausgesucht hatte!
Dann stürzte sich das Monster jedoch auf mich, als wolle es mich ertränken. Ich spürte bereits die eisige Kälte, die von ihm ausging, rollte jedoch flink zur Seite. Nicht ohne den Dolch in meine linke Hand fliegen zu lassen, mit der ich einen Streich im Vorbeigehen setzte. Geister zu bekämpfen war eine seltsame Angelegenheit, denn man spürte keinen Druck, wenn man traf. Das schreckliche Geheul der Biester bei der Berührung mit magischen Waffen machte es jedoch mehr als deutlich.
Was folgte war mehrere wilde Hiebe des Gespensts, denen ich jedoch mit Leichtigkeit entging. Schließlich setzte ich zu einem waghalsigen Salto über die Geistergestalt an und hielt dabei den Dolch bereit. Ich katapultierte mich mustergültig über es und zog die Klinge dabei durch das, was der Kopf sein musste – die nebulösen Schwaden richtig interpretiert.
Was folgte war ein markerschütternder Todesschrei, ein endgültiger, denn der Geist verschwand. Ich drückte Leana ihren Dolch wieder in die Hand und wir gingen weiter.
Da stolperte Kilian über etwas, das sofort unsere gesamte Aufmerksamkeit fesselte. Es war ein Schwert in einer Scheide aus schwarzem Material. Ohne zu zögern zückte der Ermittler die Waffe und wir erstarrten, als wir die Kunstfertigkeit erkannten, mit der sie geschmiedet worden sein musste. In der Hand des Araners wirkte sie leicht wie eine Feder, doch die Klinge mutete an wie der geschliffene Tod. Der Griff war mit Golddraht umwickelt, ansonsten jedoch dunkel belassen, so wie der Rest des Schwerts. Am Ende der Blutrinne vor dem Griff war ein kleiner Rubin eingelassen, welcher schwach im allgegenwärtigen Licht funkelte. Ansonsten schien es, als wären Schriftzeichen auf die Klinge geprägt, die jedoch kaum erkennbar waren. Leana murmelte etwas von zwergischen und elfischen Buchstaben…das konnte nur bedeuten: wir hatten die legendäre Nachtklinge gefunden, nach der Elfen und Zwerge so lange gesucht hatten.
„Lass das Ding lieber hier“, grummelte ich nach dieser Erkenntnis. „Bevor sich die Idioten den Kopf einschlagen.“
Doch Kilian wählte mit einem verschlagenen Grinsen eine geschicktere Lösung. Das eigene Schwert zog er aus der Scheide und hängte es sich so um, die Nachtklinge wanderte in die gewöhnliche Ummantelung. Dann noch den Mantel darüber gezogen…fiel nicht mehr auf; das Schwert der Dämonenschlächter.
Einen Raum weiter fanden wir ein vier Meter durchmessendes Wasserbecken vor, welches umgehend von unserer Schamanin zum Baden genutzt wurde. Wie üblich wartete sie nicht, bis wir wegsahen oder störte sich überhaupt daran. Fehlte eigentlich nur noch dieser im heißen Öl aufgeplatzte Mais, den sie in Uchana ab und an angeboten hatten, während wir es uns gemütlich machten.
Neben ein wenig Erholung, schien das Bad auch Leanas Erinnerung angespornt zu haben und sie erinnerte sich, wie sie die Attacken des Geistes heilen konnte, die noch immer wie dunkle Male an Anduil und ihr klebten. Was folgte waren einiges Zauberbrimborium während dem Kilian und ich dösen konnten. Anschließend wirkten die beiden deutlich gesünder, vor allem bei der Schamanin war die nahezu krankhafte Blässe verschwunden. Verdammt elendige Biester, diese Geister.
Dann erreichten wir ihn endlich wieder: den Raum mit der seltsamen Torzeichnung an der Wand. Sobald der Schlüssel eingesteckt war, begannen die Linien stärker zu leuchten, dann schwang die Pforte zweiflüglig vor uns auf und offenbarte einen weiteren Raum:
An den Wänden befanden sich lauter Kristalle, welche Licht spendeten, während sich zu unseren Füßen eine Miniatur des Labyrinths offenbarte. Räume und Gänge in einer Größe, dass selbst ich sie wie bei einem Kinderbaukasten durch die Gegend schieben konnte.
Eifrig begannen Leana und Anduil das Modell hin und her zu schieben, dann lockten sie scheinbar per Hebel die Positionen ein und schließlich war der Weg frei!
Selten in meinem Leben war ich so schnell gerannt, wie ab diesem Moment. Der Gedanke, endlich wieder frische Luft zu atmen, entfesselte Kraft in meinen kurzen Beinen, dass ich mühelos mit den anderen mithalten konnte…die normal liefen.
Dann standen wir in dem Raum des Ausgangs, nahezu gleich dem Eingang und hastig stürmten wir die Treppe nach oben, wo uns bereits eine jubelnde Menge aus Elfen, Menschen und dem einen Zwerg erwartete.
„Lasst uns alle an den Händen fassen, dann kommen wir womöglich gemeinsam zurück nach Midgard“, schlug Leana vor, nachdem wir sowohl den Elfen als auch Tungdil verkünden mussten, dass wir die Nachtklinge NICHT gefunden hatten…!
Zusätzlich schlug die Schamanin mir vor, etwas von dem Gold an die Menschen abzugeben, damit diese wenigstens etwas hatten, das ihr „Ziel“ gewesen war. Beinahe zähnefletschend und mit einem gierigen Blick blaffte ich ihr ein „Nein“ entgegen. Schützend legte ich dabei die Hand auf meinen erbeuteten Schatz…Schatzzzzzzzzz…
Also stellten wir uns zu vier um den Obelisken auf, hielten uns dabei fest an den Händen. Die anderen Gefangenen standen in Reihen hinter uns und packten uns an die Schultern. Dann war es endlich so weit. Die Spannung war groß, insbesondere für die seit Monaten hier gestrandeten Abenteurer. Dann legte Anduil die Hand auf den Obelisk.
Ein wilder Sog erfasste mich, schleuderte mich dem Stein entgegen, dessen Intarsien erneut grün leuchteten. Kurz darauf wurde alles um mich herum schwarz und ich verlor das Bewusstsein… bis mir der Geruch von Gras und Erde in die Nase stach. Wir hatten es geschafft! Und nicht nur wir vier, auch die Menschen, die Elfen und zu guter Letzt der Zwerg waren hier und fielen sich beinahe vor Freude alle in die Arme. Der Obelisk hingegen war verschwunden, sodass die Gefahr des Labyrinths für immer gebannt war.
Erleichtert standen wir auf und bemerkten fröhlich, dass es noch hell und das Wetter gut war, sodass wir noch einige Meilen zwischen uns und dieses verdammte Landgut der MacNonons bringen konnten.
Zwischenziel: Corrinis. Und danach: Auf nach Fiorinde zu den Zauberern Albas!