Wir hatten gerade zu Abend gegessen, wofür man uns diesmal erstaunlich penetrant und mit Nachdruck eine Bezahlung abverlangt hatte, da kam ein Novize zu uns.
„Feanor ist von seinen Besorgungen in Candranor zurückgekehrt und wünscht euch zu sehen“, erklärte der junge Mann und verschwand sogleich wieder. Wir zögerten indes keinen Moment, standen auf und machten uns auf den Weg zum Arbeitszimmer des alten Magiers, das wir umgehend betraten.
Feanors Raum wirkte so wie immer, angefüllt mit Wissen, das aber nicht steril in den Regalen alterte, sondern wild aufgeschlagen und verteilt auf dem großen Schreibtisch herumlag. Die Gedanken des Zauberers ruhten wohl nie und ebenso wenig schien seine Arbeit einen Halt zu finden. Dutzende Bücher waren offen und das obwohl unsere Reise sich ihrem Ende näherte – oder?
In einer Ecke ruhte der uns wohl vertraute Hausdrache Gero, der trotz seines vergleichsweise harmlosen Äußeren einen bleibenden Eindruck hinterlassen hatte, als er damals in der Mallachtéara zu neuer Größe gekommen war. Feanor selbst saß an seinem Schreibtisch, vornüber gebeugt und den Blick der doch mittlerweile recht abgestumpften Augen in den Zeilen alter Schrift vertieft. Neben seinem Schreibtisch stand sein Magierstab ungewöhnlich gerade und frei, während an seiner Spitze im sanften, goldenen Schein eine der Rosen der Macht glomm. Ich erinnerte mich noch gut, wie diese offene Verwendung der alten Magie meine Skepsis erregt hatte – und ich muss gestehen, noch immer nicht ohne Zweifel zu sein. Wir hatten dem alten Zauberer nun sämtliche Artefakte beschafft… würde er sie immer noch zerstören wollen, wenn er diese Macht in den Händen hielt?
Feanor blickte auf und lächelte, als er uns sah: „Ah, ich hörte, dass ihr angekommen seid und schickte einen Schüler nach euch! Erzählt, wie ist es euch ergangen?“
„Seid gegrüßt“, begann Miyako, während wir vor dem großen Schreibtisch Platz nahmen. Dann hielt sie einen Moment inne, um sich zu sammeln, woraufhin sie mit knappen Worten unsere Reise nach Norden beschrieb. Wir heuerten ein Schiff und eine Mannschaft an, fuhren in den Jokulsund und lösten die Mysterien des Eispalasts. Schließlich hatten wir die Wasserrose erhalten und waren zurückgekehrt – soweit, so knapp und wir präsentierten Feanor den weißen und blauen Edelstein, ebenso legten wir wieder die Bernsteinrose vor.
„Oh, was ein Glück! Dann besitzen wir nun tatsächlich alle acht Rosen!“, jauchzte der alte Magier in nahezu jugendlicher Begeisterung. Seine Augen leuchteten, während er voller Faszination die beiden unbekannten Artefakte musterte. Es bedurfte keiner großen Worte, um die Erfüllung zu sehen, die es dem Zauberer bereitete, diesen großen Erfolg endlich errungen zu haben. Nicht unbemerkt blieb währenddessen auch das Zittern seiner alten Hände.
„Das ist wunderbar“, wiederholte Feanor. „Nun ist es an mir, unsere nächsten Schritte darzulegen. Zumindest hoffe ich, dass wir diesen Weg gemeinsam zu Ende gehen. Ich habe bisher immer versucht, euch das zu erklären, was ich kann und was ihr brauchtet und ihr habt stets alles so ausgeführt, wie es sich Niemand besser wünschen kann.“
„Natürlich werden wir Euch weiter begleiten. Bis die Rosen zerstört und die Seelen der Alten Meister ihre Ruhe haben“, erwiderte ich. Der Zauberer nickte, während der die von uns mitgebrachten Rosen nun wieder sicher in Schatuellen verstaute.
Dann setzte er wieder an: „Wir werden umkehren, was vor so vielen Jahrhunderten geschehen ist. Dafür ist jedoch mehr nötig, als nur die Rosen inne zu haben. Wir müssen dorthin, wo sie geschaffen wurden und herausfinden, wie das bewerkstelligt wurde.“
„Wie sollen wir an dieses Wissen kommen? Das alles liegt weiter zurück als der Krieg der Magier!“, warf Nicola skeptisch ein.
„Zunächst müssen wir nach Tura! Ja, Nicola, der Konvent der Küstenstaaten besitzt in seinen Bibliotheken ein Buch, das uns helfen kann. Es heißt ‚Die größten Magier der westlichen Welt‘ und wird uns einiges verraten können. Zumindest doch, wo das legendäre Gildenhaus der Alten Meister einst gestanden haben soll. Bisher weiß ich nämlich nur, dass dies ungefähr in Alba war. Das wird dann unser zweiter Anlaufpunkt sein. Dafür habe ich glücklicherweise ein Schiff gewinnen können, das uns zuerst nach Tura und dann nach Haelgarde bringt.“
„Wo liegt dieses Tura genau?“, hakte Miyako nach.
„Oh, das ist die größte Stadt von Tevarra, einem der Küstenstaaten“, klärte uns Ricardo auf. „Hach, wie wird das schön sein, wieder einmal etwas Heimatluft zu riechen.“
„Das denke ich auch. Mit dem Covendo Mageo de Cevereges Lidrales sind wir zudem an äußerst fähigen Leuten. Ich kenne die Bibliothekarin in Tura auch sehr gut“, erklärte Nicola. „Sie ist Waelingerin und ihr Name war Wikki, indes hat sie den Nachnamen aber von ihrem chryseischen Mann übernommen, der glaube ich Pedeia hieß. Sie kann uns auf jeden Fall helfen, dieses Buch zu finden…“
„Das sollte aber alles stattfinden, ohne Aufmerksamkeit zu erregen“, mahnte Feanor. „Ihr habt bereits reichlich Erfahrungen mit jenen gemacht, die die Rosen für üble Zwecke nutzen wollen. Nun dürfen wir nicht den Fehler machen, auf unseren letzten Schritten jemanden zu verraten, welche Macht wir in unserem Reisegepäck tragen. Woran ich leider anknüpfen muss, dass wir nur noch die eingeschränkte Unterstützung der Gilde des Elementarsterns besitzen.“
„Was?! Was bedeutet das?“, fragte Ricardo nervös nach.
„Ich darf unsere Unternehmung nicht mehr aus dem Gildenschatz heraus bezahlen, doch keine Sorge, ich besitze noch genug Privatbesitz, um all das zu einem Ende führen zu können.“
„Hoffentlich… und wir haben da immer noch ein paar offene Rechnungen aus unserer Fahrt in den Norden“, erinnerte Miyako.
„Nichtsdestotrotz erhaltet ihr alle eine Ehrenmitgliedschaft, wenn ihr das wünscht!“
„Dürfen wir dann hier kostenlos speisen?“
„Nun, ihr dürft zu den Preisen der Studenten speisen. Aber vor allem erhaltet ihr freie Unterkunft und dürft hier lernen. Das dürfte euch sicherlich zu einigem Vorteil gereichen. Außerdem wird es nicht euer Schaden sein, eine gute Beziehung zu einer großen Magiergilde zu knüpfen.“
„Es wird uns eine Ehre sein“, erwiderte ich – etwas lakonisch.
„Ausgezeichnet. Also, meine Freunde, wir brechen in zwei Tagen auf. Wir treffen uns im Hafen Candranors, bei der Estrella d‘Oro!“, erinnerte Feanor und nannte nun auch den Namen des von ihm angemieteten Schiffs. Der war uns tatsächlich vertraut und das sogar im Guten: einst hatte uns der Kapitän Velasco Caminantes auf einer sehr ruhigen Fahrt nach Candranor gebracht. Es stimmte mich zufrieden, dass wir wohl in guten Händen waren, wenn wir wieder einmal eine halbe Weltreise über das Meer der Fünf Winde unternahmen.
Abschließend übergab uns Feanor noch eine kleine Kiste, in der sich acht Edelsteine, die allesamt unterschiedliche Farben und Formen besaßen.
„Dies ist alter Familienbesitz. Es sind wertvolle Edelsteine, die euch hoffentlich für eure Kosten und vor allem eure Mühen im Norden entschädigen können. Ich kenne leider ihren Wert nicht, sodass ihr euch selbst etwas bei den Juwelieren umhören müsst.“
Wir bedankten uns und verabschiedeten uns von dem alten Magier. Sodann gingen wir zu Bett und verbrachten eine weitere, ruhige Nacht im Gildenhaus des Elementarsterns. Es war eine der mittlerweile recht selten gewordenen Nächte auf festem Boden.
Am nächsten Morgen zog es uns zunächst wieder nach Candranor. Wir wollten die Edelsteine von Feanor verkaufen, um uns zumindest für die kommende Reise ausreichend zu versorgen. Solange wir mit dem alten Magier unterwegs waren, würde er sicherlich die Bezahlungen übernehmen – aber wer wusste, was kommen mochte.
Wir stellten rasch fest, dass die Edelsteine durchaus hohen Wert hatten, was ihren Verkauf jedoch zu einer nervlichen Zerreißprobe machte. Denn viel zu haben, bedeutet stets auch viel verlieren zu können. Und insbesondere meine menschlichen Begleiter hätten niemals wieder einen ruhigen Schlaf finden können, sollten diese Diamanten auch nur leicht unter Wert verkauft werden.
Es war eine sehr abstruse Beschäftigung, bedachte man doch, worin unsere eigentlichen Stärken lagen. So liefen wir mehr oder weniger planlos durch Candranor und sprachen mit einem halben Dutzend Juwelieren. Teilweise musste ich mit Maglos vor den Geschäften warten; einmal wurde Ricardo aus einem solchen Laden herausgeworfen. Neugierig begutachtete ich den im Staub liegenden Küstenstaatler, der sich rasch aufrappelte, als sei Nichts gewesen.
Schließlich gelang es meinen Begleitern drei Edelsteine für einen ordentlichen Preis zu verkaufen. Ich war mittlerweile nur noch froh, nicht mehr länger mit irgendwelchen Wucherern und Hehlern diskutieren zu müssen. Wir kehrten sodann zum Gildenhaus des Elementarsterns zurück.
Dann war es wieder so weit: wir brachen auf. Feanor hatte dafür eine große Kutsche geordert, welche uns mit unserem spärlichen Gepäck aufnahm… und dazu drei kleine Kisten für die Rosen der Macht und noch einen Koffer für die persönlichen Habe des Magiers. Ich fragte mich durchaus, was der Zauberer alles mitnahm und er klärte uns sogar auf, dass für das angedachte Ritual eine Menge an verschiedensten Materialien erforderlich sei. Diese hatte er bereits besorgt und sorgfältig verstaut. Das leuchtete ein, wenngleich ich schon einen beschwerlichen Transport vor uns sah.
Zunächst wurde uns dies jedoch von der Kutsche abgenommen und anschließend verstauten wir alles sorgfältig auf der Estrella d’Oro. Das Schiff nahm keine anderen Gäste außer uns auf, womöglich hatte Feanor eine entsprechende Goldsumme ausgeschüttet.
„Kein Wunder, dass der Elementarstern die Ausgaben gekürzt hat“, feixte Nicola entsprechend und wir konnten uns ein Lächeln kaum verkneifen. Tatsächlich musste der alte Magier einen Reichtum angehäuft haben, der den Patriziern Valians in Nichts nachstand und sogar Adelige anderer Länder vor Neid erblassen ließ.
Valesco Caminantes erkannte Miyako und mich vage wieder, aber wohl auch nur, weil wir ein durchaus ungewöhnliches Duett waren, das ihm bereits das letzte Mal aufgefallen sein musste. Da wir nun gemeinsam mit einem alten, schwerreichen Zauberer reisten, sowie einem Magier, der sich beinah ebenso alt gab und einem jungen Studenten der mystischen Künste, würde sich der Eindruck wohl verstärken. Wenngleich ich nicht mutmaßen wollte, was so alles auf dem Meer der Fünf Winde herumreiste.
Die Reise nach Tura in den Küstenstaaten dauerte etwas länger als zwanzig Tage und verlief ausgesprochen ruhig. Wir liefen keine Zwischenhäfen an und hatten stets guten Wind, sodass die Mannschaft beschäftigt war. Wir selbst waren mittlerweile recht gut darin geübt, uns selbst zu unterhalten, wenngleich ich mir den einen oder anderen allzu grüblerischen Gedankengang gerne erspart hätte.
Dann erreichten wir bereits die große Hafenstadt von Tevarra. Sie wirkte äußerst weitläufig und chaotisch, aber auf ihre eigene Weise modern. Hohe Wälle wirkten gleichermaßen schützend wie beengend, während im Hafen einige Schiffe vor Anker lagen, die ihren militärischen Zweck offen herausstellten. Durch wahllos enge Gassen sowie breite Prachtstraßen konnte man sich durch die wahrlich bunte Menge drängen, die aus Menschen verschiedenster Herkunft bestand. Sogar einige KanThai waren darunter, was Miyako mit stiller, kleiner Glückseligkeit zu erfüllen schien. Meine bisherigen Abstecher in die Küstenstaaten waren stets kurz gewesen und so war ich immer wieder aufs Neue verblüfft, wie vielfältig hier alles schien.
Alleine wäre ich mit Sicherheit erst einmal verloren gewesen in dem Gassenlabyrinth der Stadt, doch Feanor führte uns zielsicher zu einem äußerst vornehmen Gasthaus an einem großen Platz. Es nannte sich „Zum goldenen Krug“, wenn man es recht übersetzte, und bot uns einen geräumigen Schlafraum sowie eine zusätzliche Schlafkammer, die wir mit den mitgebrachten Kisten belegten.
„Sollten wir die Rosen der Macht nicht lieber bei uns behalten?“, schlug ich vor, nachdem wir unsere Zimmer bezogen hatten.
„Ich habe bereits sorgfältig darüber nachgedacht“, erwiderte Feanor. „Aber ich habe das Einzelzimmer mit sorgfältigen, magischen Sicherungen versehen. Diese dürften für mehr als ausreichenden Schutz sorgen.“
Da ich hinsichtlich der Zauberfähigkeiten des Magiers keinerlei Zweifel hegte, nickte ich seine Überlegungen ab – nicht, dass ich ihm wirklich hätte widersprechen können.
Es war bereits recht spät und wir nahmen lediglich noch ein reichhaltiges Abendessen ein, das mit verschiedensten Früchten und Gewürzen gereicht wurde. Dabei spielte ein Barde eine ruhige Weise auf seiner Laute. Es war angenehm ihm zu lauschen, auch wenn zwischendurch einige andere Töne von der Straße hereinklangen. In Tura wurde derzeit wohl groß gefeiert und Ricardo konnte uns aufklären: „Meine Landsleute feiern das Fest des schönen Sommers. Die warme Jahreszeit ist da! Wenn ich mich recht entsinne, sind die Feierlichkeiten stets mehrtägig.“
Wir verließen an diesem Abend jedoch nicht mehr das Gasthaus und gingen rasch zu Bett.
Am nächsten Morgen besprachen wir beim Frühstück unser Vorgehen. Feanor würde diesen Tag damit beschäftigt sein, pflichtgemäß einige ranghohe Magier der Stadt zu besuchen. Nicola wollte indes die Bibliothek aufsuchen, da er als Gildenmitglied keine Aufmerksamkeit erregen würde. Ricardo und Miyako beschlossen die Zeit zu nutzen und die restlichen Edelsteine zu verkaufen. Dabei nahm es die KanThai mit Freude auf, dass es wohl ein Stadtviertel ihrer Leute gab, wo sie möglicherweise ein Verhandlungsvorteil hatte. Ich für meinen Teil beschloss sodann im Goldenen Krug zu bleiben. Bei allem Respekt vor Feanors Magie war mir doch wohler dabei, wenn ich ein Auge auf das Zimmer haben könnte – zu mühselig war es gewesen, die Rosen der Macht zusammenzutragen. Außerdem war mir nicht sonderlich danach, mich durch tausende Menschen hindurchzudrängen, um wieder mit irgendwelchen Hehlern zu diskutieren.
So verging ein für mich ein weiterer, eher langweiliger Tag, zumindest in Gesellschaft von Maglos. Am Nachmittag kamen Miyako und Ricardo zurück und wirkten äußerst glücklich. Sie hatten einen guten Preis für die übrigen Edelsteine erhalten und gaben mir bereits meinen Anteil, der sich durchaus sehen ließ. Am Abend kam Nicola zurück, der etwas verschmitzt wirkte und nicht so recht das Buch zeigen wollte, das er ausgeliehen hatte.
Schließlich traf auch Feanor wieder ein und neugierig ließ er sich von unserem älteren Küstenstaatler den Folianten reichen. Verdutzt blickte er auf den Einband, sah dann zu dem Mann mit dem seltsamen Gestell auf der Nase auf und brummte: „Die größten Magier der westlichen Welt! Was ist das denn hier für eine komische Zusammenstellung? Würdest du morgen bitte das Buch holen, das ich dir genannt hatte?“
Nicola nickte schuldbewusst. Er hatte wohl das letzte Mal nicht so genau zugehört, wie es angebracht gewesen wäre. Ein Problem war es jedoch nicht, schließlich war ein Halt von etwa vier Tagen angedacht. Und dieser heutige Tag neigte sich bald seinem Ende. Wir bekamen lediglich noch mit, wie ein Mann vorbeikam und Feanor einige Kräuter lieferte. Er hatte das Aussehen eines Rawindi und trug auch für mich nicht näher erkennbares Kastenzeichen. Der Mann verschwand jedoch genau so schnell, wie er gekommen war und wir gingen dann auch bald schlafen.
Am nächsten Morgen lud uns Feanor ein, mit ihm zu gehen: „Ich besuche meinen Bekannten, Arbrustelias. Er ist ein äußerst bewanderter und fähiger Kräuterhändler, der einige Pflanzen und Tinkturen besitzt, die wir brauchen werden.“
„Um darauf zurück zu kommen: Ihr spracht von einer Art Ritual. Was genau werden wir tun?“, fragte ich nach.
„Wie erkläre ich es am einfachsten…“, grübelte der alte Magier. „Nun, mehr oder minder stellt es eine Reise dar. Zurück zu dem Zeitpunkt, als die Rosen der Macht geschaffen wurden.“
„Eine Zeitreise? Das wird doch keine wirkliche, vollständige Reise sein, oder?“, hakte ich erschreckt nach. Die Erinnerungen an die Tiefen unter Oktrea würden niemals verblassen, auch wenn wir sie niemals mit irgendjemandem würden vollständig teilen können.
„Nein, das nicht. Es wird mehr sein wie eine Vision, denke ich.“
„Und dadurch, dass wir sehen, wie sie geschaffen wurden – dadurch erkennen wir, wie sie zerstört werden können?“, brachte es Nicola auf den Punkt.
„Ich hoffe es. Es besteht keine Garantie, da ein solches Unterfangen nur selten gewagt wurde und noch seltener einen wie auch immer gearteten Erfolg nach sich zog. Doch wenn alles geschieht, wie wir es uns erhoffen… dann wird es uns die Invertation der Erschaffung ermöglichen.“
„Dann werden die Geister der Alten Meister endgültig frei sein“, gab ich hinzu und Feanor nickte bedächtig. Der Moment wog schwer, da er uns einen der vielen Aspekte vor Augen führte, warum wir dieses große Unterfangen angingen. Warum wir uns nicht einfachere Aufträge in ruhigen Gegenden suchten. Es ging um große Gefahren, aber auch persönliches Leid und so kurz vor dem Ziel spürte ich tiefe Rastlosigkeit in meinem Inneren.
In der Tat war es so, dass ich seit meinem letzten, versuchten Kontakt zu den Lebenskräften – nahe dem Eispalast – einen gedämpften Sinn zu haben schien. Als läge ein Schleier vor meinen Augen und Watte um meine Ohren. Wie ein eisiger Stich war es in meinem Herzen, da ich spürte, dass ich Schwierigkeiten hatte die Macht des Lebens wahrzunehmen.
So beschloss ich, als wir nach dem Frühstück zu Arbrustelias gingen, auf Methoden zurückzugreifen, die eher primitiveren Kulturen nahestanden. Es war mehr die Sache von Schamanen und anderen, welche nicht in der Lage waren, den gesamten Geist der Natur zu erfassen, doch mochte es in dieser speziellen Situation auch von Nutzen für mich sein. Ich erstand einige Kräuter, denen der äußerst kundige Mann sinneserweiternde Wirkungen zuschrieb. Zusätzlich versorgte er mich noch mit einem Kraut, das mich am nächsten Tage wieder aufpäppeln sollte.
Ricardo kaufte sich noch einige, äußerst teure Heilkräuter, die sogar die Macht besitzen sollten, abgetrennte Gliedmaßen wieder anzufügen. Dem verlangten Preis nach, sollten sie das auch. Anschließend kehrte ich in das Gasthaus „Zum Goldenen Krug“ zurück, den Küstenstaatler im Gefolge. Man konnte sich nie sicher sein, ob solche Kräuter tatsächlich den gewünschten Effekt erzielten und so war es weise, wenn man sich in Begleitung in Rausch versetzte. Der junge, zumeist drogenaversive Mann schien mir dafür eine recht geeignete Wahl und er war mit Freude dazu bereit. Neugierig beobachtete er also, wie ich die Kräuter nach den Weisungen von Arbrustelias anzündete und mit tiefen Lungenzügen begann, den Rauch zu inhalieren. Dann dauerte es nicht mehr lang, bis sich ein seltsames Kribbeln über meine Haut ausbreitete, ich schließlich das gesamte Gefühl verlor und körperlos zu schweben begann. Die schillernden Gerüche Turas drangen auf mich ein, gefolgt von den zahllosen, würzigen Geräuschen, die Menschen und Tiere verursachten. Meine Sinne drehten im Kreise und ich nahm alles und zugleich Nichts war, ich glitt dahin…
Am nächsten Morgen erwachte ich mit einigermaßen zerschlagenem Kopf und zögerte nicht lang das sogenannte „Frischekraut“ einzunehmen. Es verhalf mir wieder zu meiner gewöhnlichen Konstitution und beruhigt blickte ich mich um. Meine Gefährten waren wohl bereits beim Frühstück und ich machte mich nun auch auf den Weg. Und ich merkte, so unkonventionell und primitiv es auch war: ich hatte wieder engeren Kontakt mit der Natur geknüpft.
Ich fand meine Gefährten im Speiseraum des „Goldenen Krugs“ vor, wo Miyako sich gerade bei Feanor für etwas bedankte. Nur halb bekam ich mit, worum es ging, was wohl auch daran lag, dass es nicht ausgesprochen wurde. Aber scheinbar hatte der alte Magier ein weiteres Mal seine Zauberkräfte bewiesen.
Am nächsten Tag brachen wir auf, nachdem es in Tura Nichts mehr zu erledigen gab; Nicola hatte nun das richtige Buch aus der Bibliothek entliehen. Feanor holte nun die Rosen der Macht aus dem Einzelzimmer – wir konnten einen kurzen Blick hinein werfen und erkannten eine Art Spinnennetz, das den gesamten Raum über- und durchzogen hatte. Die Fäden hatten einen seltsamen, metallischen Glanz und ich konnte und wollte mir nicht recht vorstellen, welche Folgen eine Berührung haben könnte.
Schließlich wieder an Bord der Estrella d’Oro nahmen wir Kurs auf Haelgarde – eine weitere Reise von mehr als zwanzig Tagen. Doch diesmal waren wir nicht die einzigen Gäste an Bord, denn Feanor hatte eine ihm altbekannte Person gefunden, die uns begleiten sollte.
Es handelte sich um eine gewisse Amabella O’Daisy, die trotz ihres Namens aus südlicher Richtung, womöglich Eschar zu kommen schien. Das sie dies aber eher geheim halten wollte, schien mit einer unbestimmten Abneigung der Küstenstaatler gegen ihre südlichen Nachbarn zu erklären zu sein. Wie dem auch sei, Amabella war ungefähr so alt wie Nicola und schien eine Expertin in den magischen Bereichen zu sein, die wir für das Ritual benötigten. Und obgleich sie umfassend eingeweiht schien, wirkte sie recht verschlossen. Es war kaum zu bezweifeln, dass sie uns vier als wenig mehr ansah, als ein paar Handlanger. Das mochte sie halten, wie sie wollte: Ich beschloss, sie nicht größer auszufragen.
Da die Fahrt, wie ihr Gegenstück nach Tura, nicht gerade spektakulär war, beschlossen Ricardo und Miyako ihre Übungskämpfe wieder aufzunehmen. So ging es Tag für Tag auf die Planken, was durchaus auch die Matrosen begeisterte. Miyako bewies dabei ihre Überlegenheit im Schwertkampf – bis sich einmal, beinah systematisch, eine gewisse Unregelmäßigkeit wiederholte. Oder um es anders auszudrücken: es war nahezu absurd.
Es war ein heißer Tag, sodass man die Konzentration eher schleifen ließ. Kombiniert wurde das mit einem für uns erfrischenden Wind, der die Wellen jedoch ordentlich aufpeitschte. Es war ein wilder Wellengang, wenngleich die Estrella d’Oro dennoch recht weich hindurch pflügte. Doch es schien zu genügen, um Miyako gehörig aus dem Tritt zu bringen. Bereits bei ihrem ersten Angriff fiel sie deutlich zu weit auf und knickte auf dem rechten Bein weg. Ricardo konnte das für einen raschen Treffer nutzen, doch schien das Florett kaum eine Wirkung auf die KanThai ausüben zu können. Diese zog sich rasch einen Schritt zurück. Ricardo setzte jedoch nach, trieb Miyako zurück und… sie fauchte übel auf, als auch noch ihr rechter Knöchel knackte. Sie humpelte dahin, offensichtlich beide Beine im stechenden Schmerz – doch ihr Stolz verhinderte, dass sie aufgab. Angekratzt wurde das jedoch durch unseren Fechter, der sogleich einen nahezu verhöhnenden Tanz um sie herum begann. Miyako hieb ein, zwei und dreimal nach ihm, doch er glitt elegant darunter hinweg, um sogleich selbst einen Treffer zu landen. Doch wirkten seine Angriffe durchaus schwächlich, als wolle er mit der KanThai spielen. Diese blieb plötzlich stehen, beendete den Tanz. Ricardo tat es ihr gleich, prustete etwas. Dann lag er am Boden.
Verdutzt blickte ich ein zweites Mal hin und erst im Nachhinein realisierte ich, wie schnell Miyakos Schwert – glücklicherweise dick mit einem Tuch umschlagen – gegen seine Schläfe gefahren war. Nun hielt sich der Küstenstaatler den Kopf als habe er einen über den Durst getrunken und Miyako kam mit säuerlicher Miene zu mir und ich gab ihr ein wenig entspannende Salbe für die geschundenen Knöchel.
Am nächsten Tag schien plötzlich Nicola Santoro von einer Lust auf Zweikampf ergriffen zu sein. Vollkommen verdutzt gewahrten wir, wie der ältere Zauberer sich mit seinem Magierstab gegenüber Ricardo aufstellte, der nicht gerade glücklich wirkte. Es konnte durchaus nicht positiv für ihn ausgehen, doch er stellte sich schließlich der „Herausforderung“ – und es wurde ein langwieriges Duell. Nicola schien weder kräftig zuschlagen zu können, noch war der Magierstab eine furchterregende Waffe, aber seltsames Glück verhalfen ihm zu dem einen und anderen Treffer. Ricardo nahm diese wie eine Demütigung hin und versetzte seinerseits etwas geschicktere Angriffe… mit selten mehr Wucht. Die Matrosen warfen diesem Schauspiel nur flüchtige Blicke zu.
Schließlich ließ Nicola nach einem weiteren Stich gegen seinen kleinen Wohlstandsbauch den Magierstab fallen und hob die Hände zum Zeichen seiner Niederlage. Ricardo jubelte auf und reckte sein Florett in die Luft – einer der Matrosen schnaubte. Miyako und ich klatschten immerhin… langsam. Ziemlich langsam.
Schließlich war es so weit und wir erreichten, nach langer Zeit, wieder Haelgarde. Es wirkte bezeichnend, nun wieder dort zu sein, wo uns Feanor zum ersten Mal von den Rosen der Macht berichtet hatte. Da es nun dem Ende zuging wirkte der Moment im Rückblich strahlender, als er wohl gewesen war. Schließlich hatten wir damals noch keine Vorstellung gehabt, was uns erwarten würde und wie furchtbar die Macht der Rosen war.
Wir hielten uns in der albischen Hafenstadt nur äußerst kurz auf, da bereits alles besorgt war, was wir brauchten. Feanor organisierte lediglich eine Kutsche, dann nahmen wir die Reise auf. Nicola und Ricardo übernahmen es, das Gefährt zu steuern. Der Rest, also Feanor, Amabella, Miyako und sowie Maglos, nahmen in der Kutsche Platz, wo auch unser Gepäck verstaut wurde.
Mit äußerster Vorsicht fuhren wir die Straße entlang, aßen nur in den Gasthäusern und suchten für die tägliche Rast stets einen Platz etwas abseits des Weges. Wäre es mit unserem Gepäck möglich, wir hätten wohl gänzlich auf die großen Straßen verzichtet.
Die Reise führte uns zunächst nach Crossing, wo wir kurz versuchten in einem gewissen Stadthaus unterzukommen. Allerdings war die Familie rund um Melodien derzeit nicht in der Stadt und der Bedienstete war uns unbekannt, sodass wir lediglich einen freundlichen Gruß hinterließen. Feanor drängte sodann wieder auf Eile und nahmen die nördliche Straße, hinein in das albische Hochland. Dort musste den vagen Beschreibungen aus dem Buch zufolge das Gildenhaus der Alten Meister einst gestanden haben.
Einen Tag nachdem wir Crossing hinter uns gelassen hatten, mussten wir die Straße verlassen, beschied uns Feanor. Es schien, als müssten wir nun die Kutsche zurücklassen – doch vorerst gelang es mir noch einige Pfade zu entdecken, die gerade noch gangbar für unser Gefährt waren. Am nächsten Morgen mussten wir dieses Unterfangen jedoch gänzlich aufgeben und ließen die Kutsche zurück. Ich hieß Maglos, hier zu warten und das Gefährt zu bewachen, womit er auch außer Gefahr war, wenn bei dem Ritual etwas schief gehen sollte. Auf einen Vorschlag Miyakos hin befestigten wir nun die Kisten mit den Rosen der Macht und den Ritualvorbereitungen an den Pferden und führten sie behutsam durch das raue Hügelland von Albas Nordmarken. Die Gegend wirkte wie ausgestorben. In der Nähe der Straße hatten wir noch kleinere Gehöfte und Schafsherden erblickt, doch schien die menschliche Zivilisation hier einen Bogen gemacht zu haben. Nebst dem üblichen Heidekraut fanden sich hier auch karge Bäume und Büsche, während ein angenehmer Wind alles umspielte.
Je weiter wir vorankamen, desto häufiger hielt Feanor inne, um mittels Zauberei die Umgebung zu erkunden. Ohne dieses Vorgehen hätten wir mit den Beschreibungen aus dem Buch wohl Nichts anfangen können, waren sie doch Jahrhunderte später aufgeschrieben worden, als das Gildenhaus schon zerfallen war.
Und so fanden wir tatsächlich, inmitten der etwas trostlosen albischen Wildnis, jenen Ort, an dem alles begonnen hatte. Den Ursprung der Rosen der Macht.
Es war ein unscheinbarer Stein. Mehr nicht und ohne einen magischen Spürsinn hätte man wohl nicht einmal diesen gefunden. Das gesamte Gebäude war längst zerfallen und das so weit, dass sich wohl nur mit mühsamen Grabungen mehr finden ließe.
„Das ist der Heimstein“, stellte Feanor fest. „Das Kernelement eines Schutzzaubers gegen feindliche Magie, der das Gebäude und seine Einwohner bedroht hätte. Er selbst ist nahezu unzerstörbar, doch vermag die mit ihm verbundene Zauberei nicht die Zeit selbst aufzuhalten. Mehr ist wohl nicht übrig.“
„Aber es ist ein guter Platz“, stimmte Amabella O’Daisy mit ein. „Dies ist stets der erste Stein der verlegt wird und das im Zentrum des geplanten Gebäudes. Hier können wir das Ritual abhalten.“
Sodann schlugen wir unser Lager auf, das wirkte, als wäre hier Nichts von Bedeutung. Einfache Zelte in der Wildnis und nur der Kundige erahnte, dass wir auf den Ruinen eines Gebäudes standen, das einst Heimat für unglaublich mächtige Zauberer gewesen war. Für uns Abenteurer gab es nun wenig zu tun, außer Wache zu halten und schließlich zu schlafen. Doch Feanor und Amabella begannen mit den Vorbereitungen für das Ritual…
Am nächsten Tag erkannten wir bereits erste Grundpfeiler der geplanten Zauberei, die über den Tag hinweg erweitert wurden. Verschiedenste Stäbe mit eingeritzten Zeichen wurden im Boden verankert, ein magischer Zirkel auf den Boden gebracht, sonderbare Linien gezogen und Kräuter sowie behandelte Teile seltener und magischer Tiere ausgelegt. Amablla braute dabei noch einen eigentümlichen Sud in den sie nahezu ausnahmslos mir unbekannte Kräuter hineinwarf.
Am Abend war es dann soweit – endlich. Amabella erhob sich von ihrem Kessel und füllte einige Krüge mit der seltsamen Flüssigkeit die zweifelsohne magische Eigenschaften besaß. Indes trat Feanor an uns heran: „Nun, meine Freunde, es ist so weit. Ich nehme es nicht für selbstverständlich, dass ihr noch immer hier seid. Ihr habt große Dienste geleistet und nun erbitte ich ein letztes Mal eure Hilfe. Nehmt am Ritual Teil. Das wird nicht so einfach, wie in Candranor – wir werden Schmerzen empfinden. Große Schmerzen womöglich, doch werden sie dadurch gelindert, dass wir zu sechst diese eigentümliche Reise unternehmen werden. Und wir wissen auch nicht gänzlich, was geschehen wird. Wie ich bereits einmal erwähnte, ist dies etwas, das nur äußerst selten gewagt wurde. Kann ich nun, meine Freunde, wieder einmal auf euch zählen?“
Grimmig nickte ich und nahm einen Krug von Amabella entgegen, die es selbst vorzog, still zu bleiben. Auch Nicola und Ricardo nahmen ohne zu zögern den magischen Sud entgegen. Miyako zögerte – angesichts ihrer Ablehnung gegenüber Zauberei rechnete ich bereits damit, dass sie sich weigern würde. Doch wenn die KanThai eines besonders auszeichnete, so war dies ihr eiserner Wille. Mit sichtbarem Unbehagen nahm sie auch einen Krug entgegen und begab sich mit uns anderen in den großen, bizarr anmutenden Zauberkreis rund um den Heimstein. Wir setzten uns jeder in einen Bereich, die durch Linien und diverse Zaubermaterialien gekennzeichnet waren. Amabella entzündete noch einige Räucherschalen, die einen scharfen Geruch verbreiteten. Dieses Ritual verband wohl so ziemlich alle magischen Disziplinen, die mir bekannt waren und vielleicht im Sinne dieser Kombination noch mehr als diese.
„Trinkt“, sagte Feanor und wir nahmen alle gleichzeitig den gebrauten Trunk zu uns. Sodann begann der alte Zauberer eine lange, unglaubliche lange Formel zu rezitieren. Der Anfang wirkte dem Maralinga ähnlich, das uns aufgrund einer so seltsamen Reise bereits bekannt war. Doch immer wieder waren Wörter eigenstreut, die noch fremdartiger klangen. Und schließlich schienen auch die gelehrten Nicola und Ricardo nicht mehr dem folgen zu können, was Feanor sprach.
Dann plötzlich, ich blinzelte nur kurz, hatte sich die gesamte Szenerie verändert. Es hatte keinen Blitz gegeben, keinen Knall – und doch war alles anders.
Wir saßen noch immer zu sechst im Kreis, doch nicht mehr in einem seltsamen Zirkel, sondern inmitten eines großen Nichts. Dann blinzelte ich erneut und wir befanden uns in einem Gebäude. Es hatte… funktioniert. Dies musste das Haus der Alten Meister sein, als es noch gestanden hatte.
Fasziniert blickte ich mich um, ebenso die anderen. Feanor stand sogar auf und begutachtete das Zimmer. Es schien sich um einen Übungsraum zu handeln, der mit Holz ausgelegt war. In den Ecken standen Holzfiguren, die wohl als Zielscheibe genutzt werden konnten. An den Wänden befanden sich mir unbekannte Schriftzeichen, die alles Mögliche bedeuten mochten.
Doch viel Zeit zum Umsehen blieb nicht, als plötzlich zwanzig Männer und Frauen den Raum betraten und acht große Kisten mit sich trugen. Instinktiv wichen wir zurück, doch es war offensichtlich, dass sie uns nicht sehen oder hören konnten. Rasch begann diese große Gruppe mit irgendwelchen Vorbereitungen, während sie in einer unbekannten Sprache miteinander redeten. Was sie taten war mir noch unbekannter, als die Vorbereitungen von Amabella und Feanor – und auch diese zwei schienen nur mit Mühe nachzuvollziehen, was gerade geschah.
Die Kisten indes ließen ihrer Gestaltung nach eine Vermutung zu, was sie beinhalteten. Es hatte stets geheißen, dass die Rosen der Macht aus der Asche der Alten Meister geschaffen wurden…
Die zwanzig Männer und Frauen begannen schließlich ihr Ritual, wobei sie mal sprachen, mal sangen und zuweilen auch nur im tiefen Bass summten. Und dann wurde die erste Kiste geöffnet. Spannungsvoll blickten wir dorthin und sahen, wie sich eine Art goldener Rauch herausschob und langsam aufstieg. Eine weitere Kiste wurde geöffnet und diesmal war es dunkler Rauch. Dann blauer und roter und so weiter.
Bis schließlich acht Farben in der Luft schwebten, beinah fassbar und umwoben von dem magischen Gesang der zwanzig Zauberer. Die einzelnen Rauchschwaden verdichteten sich zusehends, gewannen gewisse Gestalten. Es bildeten sich acht Rosen…
Und da veränderte sich die Szenerie ebenso unvermittelt wie bereits zuvor. Sämtliche Formen waren nach einem einzigen Blinzeln dahin und wir sechs standen in einer endlosen Ebene aus reinem Weiß. Hier gab es Nichts – außer acht Lichtschimmern in uns wohl bekannten Farben, um die herum wir im Kreis standen. Verdutzt blickten wir uns um, wobei wir unbeabsichtigt Gesten vollzogen, deren Verlauf auf bizarre Weisen Linien in der Luft folgten. Deren Farbe veränderte sich mit jeder neuen Bewegung. Noch irritierter als vorhin blickten wir vier Abenteurer uns an, dann sahen wir zu Feanor:
„Wo sind wir?“
Und selbst der alte, weise Zauberer konnte nur mit den Schultern zucken.