Des toten Mannes Kiste

Es wurde Zeit zum Plündern! Ich packte mir schnell Lillys Krummsäbel, während Ixcalotl ihre Überreste untersuchte, relativ schnell jedoch den turboverwesten Leichnam wegschob. Leana stand immer noch etwas geschockt daneben, aber es musste ja weiter gehen.

Da wir dieses Höhlensystem soweit erforscht hatten, gingen wir zum Eingang zurück, dem einzigen, wo keine schwarze Wand den Weg in die Freiheit versperrte. Zumindest war dies vor einiger Zeit noch so gewesen…


Umso ungläubiger starrten wir auf die feindliche Mauer aus manifestierter, sternenloser Nacht. Mit irgendetwas mussten wir diese Falle ausgelöst haben. Und wir hatten noch gedacht, die Untoten wären das eigentliche Problem. Fluchend begannen wir zu überlegen, wo ein zweiter Ausweg versteckt sein könnte.
Leana meinte, wir sollten bei der Kiste suchen, womöglich verberge sich unter ihr ein Ausweg. Ixcalotl dagegen schlug vor, in einen See zu steigen, welcher vielleicht mit dem Meer verbunden war. Allerdings ließ er sich zunächst von der Schamanin breit schlagen und die beiden schoben die recht große Kiste von ihrem angestammten Platz. Doch wo wir ein Loch, eine Treppe oder sonst irgendwas erwartet hatten, maß der kalte, graue Fels lediglich unser Gefängnis ab. Enttäuscht rückten die beiden ab, um sich die Seen anzuschauen – doch ich war noch nicht fertig mit der Truhe.

Sorgfältig tastete ich das Innenleben ab, was einige Zeit in Anspruch nahm, immerhin konnte ich mich komplett reinsetzen. Doch nachdem ich alle Seiten abgefahren war und den Boden abklopfte…hörte ich plötzlich ein vertrautes, hohles Geräusch. Hastig ging ich dem nach und schließlich klappte ein Stück auf, das Versteck war enthüllt. Mich erwartete zum Glück kein weiteres Gas, allerdings auch nicht der Schatz. Dafür eine Inschrift:

„Dein eigen Schmerz soll der Ausweg hier sein!“

Hastig eilte ich zu den anderen hin. Es dauerte noch einige Minuten, da erblickte ich ein Licht und Ixcalotl, wie er gelangweilt an einem See saß. Kurz danach war ich bei ihm und einen Moment später tauchte Leana – natürlich völlig entblößt – auf, um sich zu uns zu gesellen. Zum Bedauern des Huatlanis zog sie sich dann jedoch an.
„Durch den See geht es für uns nicht weiter. Ich habe meine Möglichkeiten, aber ihr könntet niemals so lange die Luft anhalten. Zudem habe ich die Befürchtung, dass uns das Wasser eher zerquetschen würde, bevor wir es ins Meer schaffen.“

„Nun, dann habe ich eine Lösung für uns“, setzte ich an und berichtete von meinem Fund. Schnell waren wir uns einig, dass man wohl einen Preis zahlen musste, wenn man hier herauswollte. So beschloss Ixcalotl, das Versuchskaninchen zu spielen. Entschlossenen Blickes bereitete er sich durch intensives Blabla darauf vor. Unter anderem begann seine Haut golden zu schimmern!
Dann schnitt er sich mit einem Dolch über die Hand, ehe er furchtlos auf die schwarze Wand zuging. Jeden Moment erwarteten wir einen gewaltigen Lichtblitz und die Pulverisierung des Zöllners. Doch dann hatte er die Abgrenzung erreichte, die blutige Hand nach vorne gereckt, berührte sie – und wurde hineingezogen wie in einen Strudel.

Es ertönte kein Schmerzensschrei, allerdings gelang es uns auch nicht auf anderem Wege, Kontakt zu ihm aufzunehmen. Daher nahmen auch Leana und ich unseren Mut zusammen, schnitten die Hand auf und reckten sie der schwarzen Wand entgegen.

Einen kurzen Ruck später befanden wir uns wieder außerhalb der Höhle und sobald die Sicht wieder klar wurde, erkannten wir, dass Ixcalotl auch bei uns war. Erschreckend simpel hatte das Ganze funktioniert – zum Glück hatte ich die Inschrift entdeckt. Gedanklich tätschelte ich mir die Schulter, doch dann ging es darum, wo wir lang gehen wollten.

„Nun, ich bin zwar kein spezifisch auserwählter Freund des Sadomasochismus, aber wenn wir mittels blutiger Hand durch die schwarzen Wände gehen können, sollten wir mal nachschauen, was die Höhle noch zu bieten hat. Findet ihr nicht?“, eröffnete ich das Gespräch.
Doch meine Gefährten sahen das anders und überstimmten mich und so gingen wir wieder den Strand entlang, wohl mit dem festen Ziel einmal die Insel zu umrunden.

Es dauerte nicht lange, da legten wir ein Nachtlager ein, welches unter Sternenhimmel deutlich angenehmer war als die letzten unter meterdickem Fels und umgeben von Untoten.
Der nächste Tag brachte die Entdeckung einer kleinen, vorgelagerten Insel mit sich. Strömung und unsichere Tiefe waren jedoch nicht sonderlich einladend, sodass wir weiter dem Sand folgend das Gebirge umrundeten, welches den Südostrand der Insel ausmachte.

Da erreichten wir gegen Mittag unser ursprüngliches Lager, also dort, wo wir mit Lilly angelandet waren. Sah eigentlich alles so aus wie…verfluchte Scheiße!
Hektisch suchten wir das Ufer ab, erkundeten den Horizont mit den Augen; doch es musste uns klar werden: das Schiff war weg!

„Lilly wird mit ihnen wohl ein Signal ausgemacht haben, mit dem sie das Schiff wieder herruft“, keuchte Leana. Weiteres brauchte sie nicht mehr zu sagen, es war uns allen klar: wir waren am Arsch. Es sei denn, dieser ominöse Schatz selbst bot irgendeine Möglichkeit, diesen Ort zu verlassen – oder nach einigen Monaten tauchten die Piraten wieder auf, um ihre Kapitänin zu suchen. Das erste und einzige (weibliche!) Mitglied der Bruderschaft der Blutschädel, welche Männern gerne die Genitalien abtrennte. Nun ja…

Doch wir wären keine Abenteurer, wenn wir uns in den Sand gesetzt und geweint hätten. Stattdessen machten wir uns wieder auf den Weg in den Norden und kämpften uns durch den dichten Dschungel. Rasch waren mehrere Tage vergangen und mein Kopf drohte unter dem ständigen Tiergebrüll zu bersten sowie mein Körper mit anhaltenden Schweißausbrüchen auf das Klima reagierte.

Dann erreichten wir endlich den nördlichen Strand, wo der Wind vom Meer aus einige Abwechslung verschaffte. Half uns allerdings bei der Suche kaum weiter, sodass es ohne viel Rast weiterging, bis Leana uns wieder einmal ein Nachtlager organisierte. Bisher war sie eigentlich recht zuverlässig gewesen, doch wie ich die riesigen Spinnennetze sah, rollten sich mir die Fußnägel hoch.

„Ähm, Leana, hast du die Netze gesehen? Die Viecher müssen riesig sein…“, stammelte ich in einer nicht sonderlich männlichen Stimme.
„Ach kein Problem, Tikk. Die sind schon lange verlassen, das erkenne ich doch auf einen Blick!“

So viel Selbstbewusstsein verschaffte meiner unruhigen Seele etwas Ruhe und so schlugen wir unser Lager auf. Ich übernahm dann die dritte Wache und versuchte mit meinen scharfen Gnomenohren alles zu erahnen, was sich da näherte.

Und da…hörte ich es auch schon knacken. Die anderen konnten noch nicht lange schlafen, da schien sich etwas von hinten an mich anschleichen zu wollen. Blitzschnell drehte ich mich herum, zückte Kurzschwert und Dolch… und blickte auf Augenhöhe in die klickenden Greifzangen zweier Spinnen. Dicker, schwarzer Pelz überzog ihre Körper, geprägt durch ein braunes, kreuzartiges Muster. Sie waren mindestens so groß wie die Wölfe Albas und schienen Appetit auf Gnom zu haben!

„Spinnen!“, brüllte ich und setzte direkt todesmutig zum Angriff an. Der erste Schlag saß sogar gegen eines der vorderen Beine, prallte jedoch wirkungslos am chitinartigen Panzer ab. Dafür hörte ich sogleich ein Klicken, gefolgt von einem tiefen Schmatzen. Das Gift der Wolfsspinne wirkte so schnell, dass ich den Schmerz durch den Biss schon nicht mehr spürte. Binnen weniger Sekunden verschwamm die Welt um mich herum und ich ging zu Boden.
Dunkel nahm ich die Welt um mich herum wahr, dem Tode unvergleichlich nahe, während sich langsam alles zu drehen begann und sich eine Schwere auf meine Glieder legte – das Vieh begann mich einzuwickeln! Alles in mir schrie auf, wollte sich wehren, doch meine Muskeln waren dem Gift vollkommen erlegen. Kein Körperteil wollte mir gehorchen und nach und nach flutete der Schmerz meinen Schädel, dass an Gegenwehr nicht mehr zu denken war.

Plötzlich knisterte es in der Luft, ich hörte Donnerschläge und nach einem grellen Aufblitzen ließ mich die Spinne auf den Boden sinken. Unter einem lang gezogenen Schrei näherte sich Ixcalotl und zerschmetterte die Spinne mit Leichtigkeit. Rasch riss er mir anschließend die ersten Fäden vom Leib und begann mich zu versorgen. Im Hintergrund hörte ich Leana, welche ein urtümliches Wort auszustoßen schien – keiner mir bekannten Sprache zuzuordnen, doch die Spinnen schienen dem Klang vollkommen unterworfen und verkrochen sich ins Dickicht.

Nachdem Ixcalotl mich mit seinen Heilkräften einigermaßen wiederhergestellt hatte, brachen wir direkt auf. Ein zweiter Angriff der Spinnen könnte für mich tödlich enden und Leana erlitt auch noch einige böse Sprüche in der Folge.

An diesem dann eher frühen Morgen entdeckten wir im Zwielicht einen Höhleneingang, welcher in das riesige, westliche Gebirge der Insel hineinführte. Dorthin sollte unsere weitere Expedition führen, nachdem sich Ixcalotl und Leana einen Moment Zeit für die Meditation nahmen. An sich war eine so ruhige Art der Erholung ja nichts für mich, aber ihr Nutzen erschien mir so groß, dass ich mir diese Fertigkeit dringend auch aneignen sollte.

Dann begannen wir mit der Erkundung der Höhle, wobei ich nach der dritten Abzweigung wieder jegliche Orientierung verlor. Zum Glück war ich nicht bei den Zwergen geblieben, da wäre ich ja vollkommen ausgetikkt.

Leana und ich schoben uns ständig die Zettel hin und her, welche wir bei den menschlichen Hinterlassenschaften auf der Insel gefunden hatten; aber wir wurden beim besten Willen nicht schlau draus, ob hier irgendetwas zueinander passte. Es war tatsächlich Ixcalotl, dem es gelang, Karte und Realität in Einklang zu bringen, sodass wir einigermaßen gezielt vorgehen konnten, wenngleich uns wohl der Teil mit einem großen „X“ fehlte.

Unter huatlanischer Führung ging es also durch das unterirdische Höhlensystem, was mehr einem Labyrinth als etwas natürlich gewachsenem entsprach. Bald fanden wir wieder eine schwarze Wand, die angriffslustig knisterte und ohne Blutzoll ein Opfer fordern würde. Daran schlossen sich einige größere Hallen an, deren hinteres Ende durch Lavaseen für meine Augen zur Genüge ausgeleuchtet waren. Für Leana mussten wir die heißbrodelnde Masse kurz erklären; ich kannte es von den tiefsten Gegenden des Artross-Gebirges, Ixcalotls Heimat bot wohl gar einige richtige Vulkane.

In einem Seitengang stießen wir plötzlich auf eine Ansammlung alter Bekannter: gleich sieben ehemalige Piraten mit ekelhaft rostigen Klingen erwarten uns. Zwar verrieten die skelettierten Köpfe keinerlei Mimik, doch das tiefliegende, rote Glühen in den finsteren Augenhöhlen offenbarte eine Mordlust, die von jenseits all dessen kam, was ein Mensch an Hass empfinden konnte.

Ich schleuderte meinen Wurfdolch nach alter Manier zielsicher über den Kopf des ersten hinweg, während Ixcalotl neben mir von einem Moment auf den anderen golden zu leuchten begann. Leana startete auf links durch und schlidderte meisterhaft unter dem ersten Angriff eines Skeletts hindurch. Anschließend setzte sie einige Stiche gegen die Knochen, welche zum Teil direkt wegsplitterten. Ixcalotl kam mitsamt seiner großen Axt zur Hilfe und begann einige andere brutal zu bearbeiten – doch die Übermacht spielte sich rasch aus.

Leana wurde kurz nacheinander von den langen Säbeln der Piratenskelette getroffen und brach in sich zusammen. Schnell hastete ich zu ihr, um im Schatten von Ixcalotls Rundumschlägen einen Trank aus ihrem Rucksack herauszuziehen und hastig in ihren Mund einfließen zu lassen. Der Huatlanische Priester vermochte mit großer Gewalt die meisten Skelette wegzudrängen, doch zwei stahlen sich zu mir durch, schienen jedoch von meiner kleinen Gestalt irritiert. Ihre ersten beiden Angriffe galten zunächst sich selbst, dann dem jeweils anderen, was mir ein böses Grinsen entlockte. Dann war ich bereit, selbst zu kämpfen und stürzte mich mit meinen kleinen Klingen ins Getümmel.

Doch mein anfängliches Glück war schnell aufgebraucht und der heroische Gedanke daran, selbst einen Treffer zu setzen wich der panischen Angst vor dem eigenen Ende. Wie ein Wiesel tauchte ich unter den Angriffen ab und scheute vor keiner noch so akrobatischen Einlage zurück, um mich außer Reichweite der langen Krummsäbel zu bringen.

Da hörte ich einen lang gezogenen Schrei Ixcalotls, in dessen Bein sich ein kleiner, rostiger Dolch gebohrt hatte. Ungeachtet dessen kämpfte er weiter – sichtlich in seiner Bewegung eingeschränkt, doch vom Zorn seines Gottes inspiriert.
Aber meine Kräfte reichten nicht, um wie ein solcher Berserker zu streiten, so zog ich mich hinter die beiden zurück, als Leana wieder auf die Beine kam. Schwer atmend stand ich hinter ihnen und versuchte mich einigermaßen wieder zu beruhigen, während ich ihrem Kampf zusah.

Es wurde ein brutales Gefecht, bei dem die beiden alles einsetzten, was ihnen zur Verfügung stand. Bald gab es keinen Heiltrank mehr und die beiden nutzten sogar geheimnisvolle Tätowierungen, welche nach einer flüchtigen Berührung heilende Kräfte entfesselten. Auf der anderen Seite gelang es dem Huatlani vier Skelette in Häufchen zu schichten, die Schamanin ergänzte ebenfalls um einen.

Doch die Kräfte schwanden, die Gegner schienen in ihrem Leben einmal selbst direkt unter dem Kapitän gestanden haben zu müssen. Hinzu kam, dass Ixcalotl bei seinem rücksichtlosen attackieren, quasi keinen Angriff mehr abwehrte. Das verwundete Bein konnte er kaum noch vom Fleck bewegen, wenngleich der Dolch längst im Schädel eines zerschmetterten Gegners steckte.

Da ging Leana wieder zu Boden und ich stürzte mich trotz schlechten Zustands in den Kampf, um ihr zu helfen. Wie jedes Mal ereilte mich jedoch rasch die Realität und nach einem blutigen Treffer vor den Kopf ging ich neben ihr nieder.

Der Tod schien mir diesmal nicht nur ein ferner Alptraum, sondern eine quälende Kälte, die sich von meinen Wunden durch den Körper fraß und es mir unmöglich machte, die Augen offen zu halten. Leana neben mir versuchte durch einige Worte den Kontakt zu mir zu halten, doch sie war selbst alles andere als lebhaft. So bluteten wir beide vor uns hin, da spürte ich plötzlich einen Ruck, jemand zog mir den Kopf nach hinten und Flüssigkeit drang in meine Kehle ein: Ixcalotl flößte mir seinen letzten Heiltrank ein!

Matt lächelnd dankte ich ihm, nicht fähig ihm wieder im Kampf beizustehen, doch zumindest verschwand die Todeskälte aus meinem Leib. Ixcalotl erwiderte meinen Dank mit einem grimmigen Lächeln und drehte sich zu den letzten beiden Gegnern um. Da traf ihn eine volle Breitseite vor die Brust und der stürzte über mir zusammen.

Es folgte ein Moment des unsicheren Verharrens. Wir erwarten den Henkersschlag, das Ende unseres Lebens, hier auf der reudigen Insel mitten im Nirgendwo. Doch der Hieb kam nicht. Auch nach einer Minute nicht.

Langsam begannen wir uns zu regen, uns verdutzt anzusehen: aber die beiden Skelette verzogen sich hinter ihre zerschmetterten Gefährten zurück und verharrten so regungslos wie vorher. So gaben wir uns einen Ruck und krochen zurück in die Halle, aus der wir gekommen waren. Dort gab es einen See, zu dessen Ufer wir uns mühsam zerrten. Für wenige Meter brauchten wir nahezu eine Stunde, dann nahmen wir gierig wie Ertrinkende einige Schlucke und die dünne Hoffnung bestätigte sich. Leana hatte die vergangenen Tage am Lagerfeuer von einem See in der tegarischen Steppe erzählt, welcher heilsame Kräfte hatte. Dieser hier war dem ähnlich und so soffen wir wie die Tiere das Wasser heraus, dass sich die Oberfläche fast schon absenkte.

Nach einer halben Stunde waren unsere Wunden geschlossen, als wäre nichts gewesen. Die Gnade oder eher die Teilnahmslosigkeit der Skelette hatte uns gerade noch einmal vor dem Tode gerettet. Hier musste eine höhere Macht im Spiel gewesen sein, vielleicht wurde es doch Zeit gläubig zu werden…hm, nee – Untote waren einfach dumm.

Dann näherten wir uns den beiden ehemaligen Piraten, welche sich direkt wieder angriffslustig in Formation brachten. Aber sie waren noch angeschlagen, während wir nun regeneriert und in der Überzahl waren. Im Vorbeigehen las ich einen Stein auf, wog ihn kurz in der Hand, nahm maß und schleuderte mit aller Kraft meines gnomischen Körpers dem vorderen der beiden entgegen. Es knackte ordentlich, als ich der Stein vor die Stirn prallte, sich hindurchbohrte und somit die gesamte vordere Schädelseite zertrümmerte. Das Skelett sackte zu Boden! Ich hatte einen Feind erlegt!

Ixcalotl erhob währenddessen ebenfalls die Hände, es knisterte und flackerte zwischen seinen Fingern auf und plötzlich entluden sich mit einem gewaltigen Aufleuchten ein halbes Dutzend Blitze und schossen dem verbliebenen Gegner in die Brust. Es gab ein Zischen und Rauchen und die Knochen wurden, soweit nicht direkt verkohlt, in alle Richtungen davongeschleudert.

So schnell war unsere Rache vollführt. Bei den Überresten entdeckten wir dann tatsächlich einen Zettel, der herrenlos auf dem Boden herumlag – der letzte Teil der (Schatz-)Karte!

Unser Meisterkartograph Ixcalotl nahm sich der Sache an und unter seiner Führung ging es zunächst zurück zu den heilsamen Seen, von deren Wasser wir nach Leanas Vorschlag noch etwas in unsere Schläuche abfüllten. Irgendwie hätte ich erwartet, dass es da einen Haken gibt, doch tatsächlich gelang es ohne Probleme.
Dann führte uns der Huatlani an den Lavaseen vorbei, bis ein weiterer kam, welcher Salzwasser enthielt.

Da erreichten wir eine kleine, unscheinbare Seitenhöhle und dort stand vor einer dicken großen Truhe eine ziemlich abgerissene Gestalt. Ein einstmals schicker Mantel in Fetzen, rissige Lederstiefel und auf dem nahezu fleischlosen Schädel ein Dreispitz, versehen mit Löchern und Spinnweben. Am Gürtel mit der rostigen Schnalle hing jedoch ein beachtliches Schlachtbeil, das den Zahn der Zeit im Gegensatz zum Rest des untoten Piratenkapitäns unbeschadet überstanden hatte.

Doch er machte keinerlei Anstalten, eben jene Waffe zu ziehen, sondern stand nur mit verschränkten Armen vor seiner Truhe und machte mit jenen fleischigen Resten seines Gesichts eine ziemlich gelangweilte Mine. Einige Skelette um ihn herum offenbarten, dass wir womöglich nicht die ersten waren, die sich hierher verirrt hatten. Daher kam Leana auf eine uns zunächst brillant erscheinende Idee.

„Grüße, Kapitän.“
„Willkommen in meiner Hölle“, erwiderte der Untote mit einer tief nachhallenden Stimme, als käme sie aus einem Brunnen.
„Ihr habt nicht die Absicht, uns anzugreifen?“
„Ich bin schon so lange an diesen Ort gebunden und habe so viele Schatzsucher ermordet…wenn ihr es darauf anlegt, kann ich euch gerne zerschmettern, doch sonderliche Lust verspüre ich dazu nicht.“
„Ich dachte, ihr wollt euren Schatz für immer und ewig verteidigen?“, stutzte ich.
„ICH will gar nichts dergleichen. Das ist ein elender Fluch, der mich hier festhält und ich würde einiges geben, wenn es damit endlich vorbei wäre.“

Leana gab uns einen Wink, sodass wir uns kurz zurückzogen. Sie bot uns an, dass sie dieses Problem wohl würde beseitigen können – Ixcalotl und mir erschien dies eine sinnvolle Alternative dazu, in die Klinge des untoten Kapitäns zu stürzen. So gaben wir der Schamanin unsere Zustimmung.

Diese verhandelte noch kurz mit dem Mann, welcher uns dafür einen Teil seines Schatzes zusagte (wobei ich mir dachte, dass wir uns einfach alles nehmen würden). Dann begann sie mit dem Ritual. Die Arme zur Seite ausgespreizt begann sie mit geschlossenen Augen Zauberformeln zu sprechen, welche mir kaum gehört, direkt wieder dem Gedächtnis entströmten – dann riss Leana die Lider hoch und als sie die Arme emporwarf war es, als würde die Schamanin einen dunklen Schleier von dem Piratenkapitän und seiner Truhe nehmen, den sie zugleich in der Luft zerriss. In der Folge leuchtete es hell auf…

…und wir standen in einer leeren Seitenhöhle. Verdutzt blickten wir uns an und Leana meinte: „Damit hatte ich eigentlich nicht gerechnet…“
So standen wir nun da – einsam und verloren auf einer Insel und das auch noch arm. Beim Verhungern hätte ich schon gerne eine dicke Goldkette getragen.

Doch von so etwas ließen wir uns nicht den Tag vermiesen, schließlich hatte ich ja auch schon drei Nahtoderfahrungen binnen einer Woche gemacht. Also machten wir uns auf den Weg aus der verfluchten Höhle raus; zumindest die schwarzen Wände waren verschwunden. Zwei Tage lang reisten wir den Strand weiter südwärts, bis wir ein weiteres Lager früherer Expeditionen entdeckt hatten. Dieser Vorbote unserer Zukunft trug ebenfalls nicht sonderlich zur Motivation bei, selbst nachdem Ixcalotl und ich uns einige Schluck Rum aus einem Fass gegönnt hatten.

Am dritten Tag südwärts erreichten wir wieder die Anlegestelle, wo uns beinahe die Augen aus dem Kopf fielen. In der sonst so verlassenen Bucht lag ein Schiff im Wasser, wie es keiner von uns jemals gesehen hatte:

Die schwarzen Segel hingen wie tot an den drei Masten, wenngleich ein nicht unbeachtlicher Wind wehte. Lange Risse und große Löcher schienen einigen Nutzen genommen zu haben, doch wie das Tuch am Mast zu kleben schien, wirkte es mehr wie ein Schatten aus tiefsten Alpträumen, die sich in den helllichten Tag Midgards geschlichen hatten.
Der Bug wirkte wie ein zweifacher Stachel, mit dem man Wale aufspießen mochte – und war zudem mit nahezu meterlangen Dornen besetzt sowie das restliche Schiff, welches trotz einer dicken Moderschicht einen unnatürlich robusten Eindruck erweckte. Im Gegensatz zum aggressiven Bug wirkte der hintere Aufbau jedoch eher klobig, unpraktisch und irgendwie seltsam verwachsen…er schien mehr wie ein Krebsgeschwür denn wie etwas, in dem ein Kapitän gerne seine Kajüte hatte.

Und am Strand saß eine uns nicht gerade unbekannte Gestalt im Kreise seiner Gefährten: der untote Piratenkapitän mitsamt skelettierter Crew. Einladend winkte er uns heran und hieß uns, Platz zu nehmen. Der Gestank verrotteten Fleisches lag in der Luft, vermischt mit einer Prise gammligen Fischs. Ein Hauch schimmligen Moders rundete dieses nasale Erlebnis noch ab.

„Meine Freunde, ihr habt mir die Freiheit geschenkt! Dafür bin ich euch über alle Maßen dankbar.“
„Ähm, ja. Gern geschehen“, erwiderte Leana fassungslos. Was hatten wir nur getan?!
„Was werdet Ihr nun tun?“, setzte sie dann fort.
„Nun, nach so langer Zeit wieder auf freiem Fuße und in einer gar besonderen Verfassung, sehe ich eine große Zukunft darin, mein altes Gewerbe wieder aufleben zu lassen. Mitsamt meiner alten Crew!“ Die Horde Knochenhaufen knackte und scharrte bei diesen Worten…wohl irgendeine Art der Zustimmung. „Und wie steht’s mit euch, gestrandet auf dieser einsamen Insel? Ich habe ein Angebot für euch… werdet Teil meiner Mannschaft. Eure Fertigkeiten könnte ich wohl gebrauchen.“

„Wie würde es aussehen, wenn wir ablehnen?“, fragte ich vorsichtig nach.
„Nun denn, ihr seht die Insel hier und wisst wie viele Schiffe hier so in der Regel vorbeischauen. Ich würde euch euren rechtmäßigen Teil des Schatzes geben, aber was der euch dann bringt…“
„Und würdet Ihr uns auch mitnehmen? Ohne uns säßet Ihr schließlich noch auf eurer Truhe und würdet Löcher in die Luft starren!“, versuchte ich es anders.
„Ihr werdet Teil meiner Crew, oder ihr lasst es bleiben. So einfach ist das“, kam die bestimmte Antwort, vorgetragen mit eisiger Grabesstimme.

Kurz berieten wir drei uns, doch es gab eigentlich nichts zu diskutieren. Wir mussten hier weg und dann eben bei der erstbesten Gelegenheit versuchen zu fliehen – oder mit dem Piratenkapitän abrechnen.
So nahmen wir das Angebot des Kapitäns an und gingen mit der Mannschaft an Bord. Während die untoten Matrosen ihren alten Aufgaben nachgingen ohne, dass ein Befehl gegeben werden musste, erzählte uns deren Herr seine Geschichte.

„Mein Name ist Kapitän Robin Allen. Damals war diese Insel unser Versteck gewesen. Hier haben wir alles gelagert, was wir brauchten und was wir nicht direkt in Gold oder Rum umsetzen konnten. Wir waren die besten Piraten und dementsprechend in allen Ländern rund um das Meer der Fünf Winde gefürchtet. Natürlich vergrößerte sich somit auch der Schatz, welcher dann auch Begehrlichkeiten anderer Piraten weckte. Dies war die Zeit, als sie kam; die Schamanin. Sie versprach mir, dass Niemand den Schatz würde stehlen können und, dass ich ihn ewig beschützen könne.“ Robin spie kurz aus. „Was die Schlampe mir nicht gesagt hat: ich wurde mitsamt meinen Männern in die Höhlen der Insel eingesperrt und war verflucht, untot zu bleiben und meinen Schatz ewig zu verteidigen, bis mich endlich jemand vernichtet. In der ersten Reaktion schlachteten wir sie natürlich ab, ehe sie fliehen konnte – doch das löste den Fluch auch nicht. Damit begann das lange Warten bei dem glaube ich einige meiner Männer ihren Verstand verloren… bis dann endlich ihr kamt, meine Freunde. Ihr habt uns aus dem Gefängnis befreit und nun können wir gemeinsam die Weltmeere unsicher machen!“

Angestrengt lächelten wir und versuchten die nächsten Tage Gespräche zu vermeiden. Zumindest hatte Robin zunächst nur vor, „alte Bekannte“ zu besuchen… die waren natürlich schon alle tot, aber es verschaffte den vielen Unschuldigen auf See etwas Zeit. Wenn sie doch nur ahnen könnten, was auf sie zukam! Wir stellten fest, dass es mehr als hundert Untote waren, die hier noch mit ihren Kapitän danach dürsteten, zu morden und zu brandschatzen; einfach aus Freude.

Es war die dritte Nacht, als wir wach wurden – irgendetwas fühlte sich anders an. Ein Blick aus dem Fenster konnte keine Erklärung liefern, so gingen wir drei an Deck, wo wir feststellten, was los war. Bei nahezu kompletter Stille machten sich alle Mann zum Kampf bereit und wir jagten mit dämonischer Geschwindigkeit über die See hinweg – direkt auf ein großes, dreimastiges Schiff zu.

„Das wird eine Freude… ein albisches Handelsschiff und so wie es aussieht mit einer ordentlichen Söldnerabteilung an Bord“, hörten wir dann schon Robins scharrende Stimme neben uns. Doch ehe wir irgendwie reagieren konnten, krachte das verfluchte Schiff gnadenlos in die Steuerbordseite der Händler, wobei es das andere Schiff fast in zwei Stücke zerfetzte. Im nächsten Moment sprangen nahezu alle Untoten unter Führung ihres Kapitäns hinüber. Lediglich drei Stück verblieben mit uns auf dieser monströsen Ausgeburt von einem Boot.

Wir sahen uns entschlossen an, zückten die Klingen und bereiteten uns auf den Kampf vor. Dann machte ich den Anfang, sprang auf eines der Skelette zu und rammte ihm mein Kurzschwert in den verdorbenen Leib. Ixcalotl und Leana attackierten die anderen und so fielen wir unseren „Verbündeten“ in den Rücken. Dem ersten Gegenangriff wich ich geschickt aus, setzte dann selbst einen weiteren Stich gen Innereien. Doch der Untote reagierte gänzlich witzlos. Mit einem Hieb seines Krummsäbels fegte er mir die Waffe aus der Hand und hieb mir dann quasi mit der Rückhand und der flachen Seite der Klinge direkt auf den Schädel. Es wurde…ja, es wurde mir schon wieder schwarz vor Augen verdammt!

Als ich dann endlich wieder etwas vor mir, über mir oder überhaupt etwas wahrnehmen konnte, lag ich am Boden und spürte angetrocknetes Blut an meinem Gesicht haften. Bald danach wusste ich wieder, wo ich war und warum – der Ixcalotl vor mir war jedoch neu. Mit seinem eigenen Gegner schien er kurzen Prozess gemacht zu haben, zumindest dem zersplitterten Schädel dort hinten nach zu urteilen. Ich erhob mich wieder, nachdem ich die Reste der Ohnmacht abgstreift hatte und wollte zur Hilfe zu kommen. Doch der Huatlani blockte soeben mit dem Griff seines Schlachtbeils einen Angriff, schlug direkt noch einmal mit der quer gehaltenen Stange mitten ins Gesicht des Piratenskeletts, ehe er dann von rechts das Beil drüber zog, sodass Haut- und Knochenreste durch die Gegend spritzten.

Zu zweit eilten wir dann Leana zur Hilfe. Unser Erscheinen und erste angetäuschte Attacken brachten den Untoten direkt aus der Balance, was die Schamanin eiskalt nutzte und mit ihrem mächtigen Dolch seinen rechten Arm abtrennte. Knarzend starte das Wesen aus toten Höhlen auf den Stumpf, dann fiel es in sich zusammen.

Wir verloren keine Zeit und eilten zum Heck des albischen Schiffes, welches immer weiter auseinanderbrach. Dort hatten wir Robin Allen ausgemacht und hofften durch seine Vernichtung würden wir etwas ausrichten können. Leana zeigte nun auch, dass sie die Zeit der Geduld für beendet sah und ließ aus ihren Händen ein grünlich-flammendes Schwert entstehen, welches sie beidhändig umgriff und mit tödlicher Geschwindigkeit führte. Dann setzten wir über und landeten mitten im Getümmel.

Ich fühlte mich wie in eine Schlachtenszene aus den zwergischen Geschichten versetzt. An die hundert Untote kämpften gegen einen durch die Überraschung bereits stark dezimierten Haufen aus albischen Söldnern. Dutzende von ihnen waren bereits durch den Aufprall zerquetscht worden und einige schien es ins Wasser geschleudert zu haben, von wo nun unablässig Todesschreie heraufklangen. Die nackte Angst stand den Albai ins Gesicht geschrieben – die Szene war wie aus einem Alptraum gerissen, doch ohne das beruhigende Wissen, dass es enden könnte. Manche kämpften gar nicht erst, sondern hockten auf den Knien und schrien laut zu ihren Göttern.

Es war an uns, diesem Wahnsinn ein Ende zu bereiten! Ein derartiges Gefühl der Ergriffenheit hatte ich noch nie gespürt – hier ging es um mehr, als ein wenig Gold, hier ging es um das Leben an sich!

Da sahen wir einen Freiraum spurteten hindurch und standen fast direkt bei Robin Allen. Ich warf ein letztes Mal meinen Wurfdolch, der gesessen hätte, wenn der Kapitän es nicht im letzten Moment gemerkt hätte. Verdutzt blickte er zu uns hinüber, da war Ixcalotl bereits da und schlug ihm in den Rücken, dass es knirschte. Mein nächster Hieb galt dem Knie und bohrte sich ebenfalls vielversprechend ins faulige Fleisch. Leana vollführte gar direkt einen Rundumschlag, bei dem sie zwei weitere Untote erwischte, die zur Antwort fauchten, jedoch mit ihren albischen Gegnern beschäftigt waren.

„Verräter“, brüllte der Kapitän auf und schüttelte dann die ganzen Treffer ab, als wäre nichts geschehen. Dann begann er mit einem Rundumschlag, welcher die anderen zurücktrieb, mich jedoch erwischte. Es riss mir beinahe den linken Arm weg und ein zweiter Hieb dieser Art würde mich töten können – doch was zählte das eigene Überleben, wenn man gegen solch einem Übel nachgab?

Es war ein wilder Kampf zwischen Ixcalotl und Robin, bei dem beide mit ihren riesigen Äxten aufeinander eindroschen und Hiebe setzten, die einfachere Menschen allein vom Anblick her die Flucht ergreifen ließen. Diese brachiale Gewalt schien der reinste Wahnsinn – im Gegensatz zu Leana, welche mit ihrem magischen Schwert wie ein grünes Leuchtfeuer inmitten dieser Finsternis wirkte. Die Kraft geballten Lebens schien von ihr auszugehen und wo sie die Untoten traf, versengte sie Fleisch und Knochen mit lautem Zischen.

Plötzlich wandte sich der Kapitän jedoch vom huatlanischen Priester ab und aus einer halben Drehung heraus rammte er der Schamanin die Axt tief in die Seite und riss sie beinahe zur Hälfte auf. Er lachte laut auf, während unsere Gefährtin stürzte ohne noch einen Laut von sich zu geben.

Ixcalotl schlug Robin zur Vergeltung direkt einen Teil des linken Armes weg, was den Untoten zwar weiter in die Rage trieb, aber noch immer nicht fertig machte.
Währenddessen zerrte ich eilig den Wasserschlauch der Schamanin hervor und goss das heilsame Wasser auf ihre offene Wunde, aus der unheilverkündend das Gedärm hing. Doch das Wunder geschah: die Haut verschloss sich, wobei die Organe an ihre angestammten Plätze zurückrutschten. Nicht einmal eine Narbe verblieb auf der Haut. Dann riss Leana auch schon wieder die Augen auf und zückte ihren Dolch.

Freudig jubelte ich auf – nur um gleich selbst einen Treffer abzubekommen. Mein Schlüsselbein zerbarst unter dem Treffer und die Splitter bohrten sich überall hin. Mit aufgeschlitzter Schulter und Brust fiel ich nieder, nur um gleich Leana über mir zu sehen, welche mir nun mein Wasser übergoss und binnen Sekunden verheilte die soeben geschlagene Wunde wieder. Allein dem Schock war es zu verdanken, dass ich nicht schon längst wegen der Schmerzen wahnsinnig war und so stürzten wir uns wieder ins Gefecht.

Gerade rechtzeitig: Ixcalotl hatte Robin bereits genug Treffer zugefügt, dass drei Menschen daran gestorben wären, doch bei diesem untoten Monster reichte das nicht. Aber die Kräfte des Huatlanis schwanden und als er zu einem weiteren Hieb ansetzte, schien er durch Wasser zu schneiden und nicht durch Luft – der Kapitän fing die Klinge mit der bloßen Hand ab und zur Antwort hieb er Ixcalotl das Beil gegen das rechte Bein. Es knackte grauenvoll, dann brach der Priester zur Seite weg.

Mit einem wütenden Aufschrei sprintete ich nun heran, um meinem Freund beizustehen, doch Robin trat mir nur lachend mit dem Stiefel vor die Stirn, dass ich nach hinten fiel und vom Boden aus in das verrotete Gesicht sah, das sich zu einer Grimasse verzog. Langsam erhob er das Schlachtbeil und nahm Maß. Die nackte Angst packte mich und machte mich bewegungsunfähig. Mit zuckenden Augen verfolgte ich, wie die Klinge den höchsten Punkt erreichte, ehe sie gleich niedergehen und mich der Länge nach in zwei Teile schneiden würde.

Doch da tauchte plötzlich Leana hinter dem Kapitän auf, riss dessen Kopf am Unterkiefer nach hinten und rammte den Dolch rechts in die Kehle, um ihn dann mit einem lauten Schrei nach links zu reißen. Kein Blut floss, aber es zerriss die Wirbel, dass der Schädel nur noch an einigen Sehnen hing während Robin Allen auf die Knie ging. Das Schlachtbeil entglitt ihm kraftlos und polterte ungefährlich vor mir zu Boden. Plötzlich flackerte alles um ihn herum und es schien einen Moment, als würde alles auf den endgültig toten Kapitän zugezogen werden – ehe es ihn zerfetzte und ein Sturmwind über das Deck fegte, der jeden noch stehenden Untoten zu Staub zermalmte.

Leana half Ixcalotl und mir wieder auf die Beine, dann winkten wir die Überlebenden des albischen Schiffes heran. Gemeinsam eilten wir mit ihnen auf das verdorbene Schiff Robin Allens während das Handelsschiff endgültig in zwei Teile zerbrach und im Meer versank. Wir hatten überlebt und das Übel gebannt – doch es gab keinen Siegesschrei. Lediglich zehn Albai hatten überlebt, vollkommen traumatisiert. Zehn von ursprünglich hundert. Somit waren wir drei verantwortlich für den Tod von an die neunzig Unschuldigen, weil wir nicht wussten, was wir taten. Es traf uns wie einen Hammerschlag und wir brauchten einen Moment, ehe wir uns wieder gesammelt hatten und gemeinsam mit den Söldnern (leider ebenfalls keine Seefahrer) das Schiff klarmachten. Es hatte zusammen mit dem Ableben seines Kapitäns die schaurige Aura verloren und die Segel waren wieder normal nutzbar – soweit nicht durch Löcher unbrauchbar. Wir flickten wo wir konnten und dann setzten wir uns in Bewegung.

Ohne erfahrenen Steuermann benötigten wir fünfzehn Tage, bis wir Haelgarde erreichten. Später erfuhren wir, dass man für die Strecke eigentlich drei brauchte, aber nun gut…wir waren froh, es überhaupt geschafft zu haben. Die Matrosen verließen direkt das Schiff und suchten die Hilfe von Heilern auf, während wir drei Abenteurer zunächst den Schatz Allens unter uns aufteilten: 6000 Gold.

Dann merkten wir, wie sich eine große Menge am Hafen versammelte sowie einige Wachen: das Schiff machte Eindruck und keinen guten. Doch als der Hauptmann Leana und Ixcalotl sah, schien er sie zu erkennen und winkte ab. Scheinbar waren die zwei schon für ihre auffälligen Reisemittel bekannt! Der Trubel löste sich auf und wir begannen mit der Planung unseres nächsten Schritts. Mit dem Schiff konnten wir eigentlich nichts anfangen, daher wollten Leana und ich es verkaufen. Plötzlich meinte Ixcalotl:

„Aber Leute. Lasst uns das Schiff behalten! Ist doch perfekt.“
„Was zur Hölle willst du mit dem Ding machen? Piraterie?“, entgegnete ich entsetzt.
„Nein, nein. Ich habe gehört Bo(o)tendienste sollen lukrativ sein!“

Gerade wollte ich ihn zurechtweisen, wie wenig ein Bote verdiente…da fiel mir sein breites Grinsen auf. Nicht schlecht, nicht schlecht. Da hat der Priester tatsächlich einen Gnom verarscht!
Lachend beschlossen wir also das Ding zu verkaufen. Leana und ich holten Angebote ein, während Ixcalotl es bewachte.

Nach einiger Suche hatten wir zwölftausend Gold als höchstes Angebot ausgemacht, welches wir als angemessen anerkannten. Ixcalotl schien das jedoch zu wenig. Er wollte stattdessen zu einem gewissen „Asar“ in Waeland und sich dort ein Angebot einholen – doch die Schamanin wehrte das ab. Der Jarl war wohl ein Kriegstreiber und sie wollte ihm nicht eine solche Waffe an die Hand geben. Also schlugen wir am nächsten Tag auf das Angebot ein und warteten noch einige Zeit, bis das Gold herbeigeschleppt wurde. Solange verblieben Ixcalotl und ich auf dem Schiff – Leana verließ es jedoch so schnell sie konnte. Ihr reichte es mit dem verfluchten Teil.

Der Kapitän kam und überreichte uns zähneknirschend das Gold. „Hier ist ja noch so einiges zu machen…“, murrte er.
„Seid nicht böse, das Gold ist nicht weg. Es hat nur jemand anders“, feixte Ixcalotl. Dann verzogen wir uns, den neuen Reichtum genießend.

Auf dem Weg zu Leana fragte ich den Huatlani dann mal, was eigentlich aus dem Schlachtbeil des Kapitäns geworden war. „Das hat sich einer der Albai geschnappt… er will es nicht verkaufen“, maulte er unzufrieden. Ich legte ihm eine Hand auf die Schulter…den Ellbogen… und schüttelte ruhig den Kopf.
„Das nächste Mal: einfach fragen!“ Dann huschte ich davon.

Am Abend traf ich die beiden dann im Gasthaus schon bei Wein und Bier sitzend. Mit breitem Grinsen überreichte ich Ixcalotl das schmerzlich vermisste Schlachtbeil.

„Was das angeht, kannst du dich auf alle Vorurteile gegenüber Gnomen verlassen!“

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4 thoughts on “Des toten Mannes Kiste

  1. Ixcalotl

    > Zum Bedauern des Huatlanis zog sie sich dann jedoch an.
    Ey! Wann hat Ixcalotl jemals seine Gier nach Weiblichkeit gezeigt?! (nicht dass er anders orientiert wäre.. aber.. es ist nicht so extrem!!!)

    Der Titel gefällt mir sehr gut 😀

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