Von grimmigen Wölfen und dummen Schafen

Langsam stiegen die Temperaturen wieder an, wenngleich es die Gesamtsituation in Waeland kaum verbesserte. Es war immer noch schrecklich kalt und der Gedanke an wärmere Tage ging einher mit dem Feldzug Asars, der sich hartnäckig in seinem Kopf festgesetzt hatte.
Ixcalotl war darum nicht gerade unglücklich, als ihn eine Nachricht aus Nahuatlan erreichte und zur Rückkehr aufrief. Der Zöllner verabschiedete sich in seiner wortkargen Art von uns und machte sich auf den Weg zurück in seine Heimat.
Blieben nur noch Leana und ich, wie früher. Allerdings war es mir unangenehm in ihrer Nähe zu sein. Während sich für sie scheinbar nichts verändert hatte, erschien mir unser Verhältnis erschüttert. Natürlich würde ich noch immer alles tun, um sie zu unterstützen, doch war die Leichtigkeit aus der Freundschaft gewichen. Was wir getan hatten, sollte Eheleuten vorbehalten bleiben und war für mich mehr als „der Sport“, wie es Leana ausdrückte. Aber ich hoffte, dass irgendwann wieder alles ins Lot kam.
Abends saßen wir trotz allem beieinander in einem Wirtshaus, sie mit einem Wein (hier in Waeland zwar aus Honig gewonnen, aber sie schien sich daran zu gewöhnen) und ich mit einem Humpen gut ausgekochter Milch und redeten über unser Training und die Pläne für die nächsten Reisen.
In letzter Zeit waren diese Planungen immer konkreter geworden, denn unsere Lehrstunden gingen dem Ende zu und das Fernweh ergriff uns.
Da trat des Abends einer von Asars Dienern zu uns an Tisch: „Jarl Asar wünscht euch zu sehen.“ 
Bereitwillig folgten wir ihm, nicht, dass wir eine große Wahl hätten, wenn der Herr der Aeglirer ruft. Dieser erwartete uns in seiner großen Halle und schien ebenfalls gerade das Essen beendet zu haben. Er lächelte, als er uns erblickte und rief: „Schön, dass ihr so rasch gekommen seid.“
Wir setzten uns neben ihn, tauschten unsere Grüße aus und bedankten uns ein weiteres Mal für seine Gastfreundschaft. Die üblichen Floskeln eben. Dann kam es zum eigentlich Gespräch und Asar verriet rasch, was er von uns wollte.
„Es ist mittlerweile einige Zeit her, dass ihr mir dieses wunderschöne Erbstück meiner Familie zurückbrachtet. Vorher besaß ich lediglich eine Leihgabe meines Vetters Erik. Ein ebenfalls sehr schöner Bihänder, aber nun habe ich keine Verwendung mehr für ihn und er hätte ihn gerne zurück. Da es sich hierbei jedoch um eine äußerst wertvolle Waffe handelt, macht sich Erik einige Gedanken um den Transport. Daher würde es mich freuen, wenn ihr diese Aufgabe übernehmt und meinem Vetter den Bihänder bringt.“
„Es wäre uns eine Freude, Asar. Wohin geht die Reise und wie sieht es mit einer kleinen Aufwandsentschädigung aus?“, erfragte Leana.
„Mein Vetter ist ein Beamter in Diptyche, einer Stadt in Chryseia. Man sagt, sie wäre ein Zentrum für Musik… irgendwas Weibisches. Nichts für ungut“, fügte er noch hinzu und zwinkerte Leana zu. „Ihr beide erhaltet 500 Goldstücke im Voraus und Erik selbst wird euch ebenfalls noch einmal entlohnen. Zudem kann er euch weitere Aufgaben anbieten, was Abenteurern wie euch wohl entgegenkommen wird… ach eine Kleinigkeit habe ich noch vergessen. Mein Vetter ist wirklich sehr besorgt, um den Transport und hat daher einen seiner Männer hergeschickt, um euch zu begleiten.“
Mit diesen Worten trat ein Mann aus einer der Wandnischen, wo er sich vorher im Schatten gehalten hatte. Er war wohl ein wenig größer als ich und wohl sogar noch ein Stück muskulöser. Die Glatze offenbarte gebräunte Haut und stand im Kontrast zu dem dunklen Vollbart, der sein Gesicht zierte. Eine Narbe über dem linken Auge rundete das Bild eines bereits recht erfahrenen Kämpfers ab.
„Seid gegrüßt, ich bin Leonis. Derzeit bin ich ein Söldner im Auftrag von Erik dem Aeglirer aus Diptyche.“
„Grüße, ich bin Leana aus Moravod.“
„Willkommen in unserer Runde. Ich bin Abedi und wir sind die Streiter Ischkurs, die Sieger des Fünfkampfes von Uchano, Helden von Kalimar und Thalassa und die Bezwinger des Minotaurus“, zählte ich unsere Errungenschaften auf.
Leonis nickte anerkennend, auch wenn ihm die einzelnen Namen nichts sagten. An der Stelle war das Gespräch aber auch vorerst beendet und wir gingen los, um unsere Sachen zu packen.
Am nächsten Tag trafen wir uns an dem Schiff wieder, welches uns nach Chryseia bringen sollte: die „Weißer Stern“ mit ihrem Kapitän Alexandros Boffus war zum Ablegen bereit und als eine lange, vernagelte Kiste mit dem Bihänder darin eintraf konnten wir aufbrechen.
Die ersten Momente waren etwas chaotisch und es dauerte merkwürdig lange, bis Leana endlich in Erfahrung brachte, dass die Reise etwa 25 Tage dauern würde. Bei der Vorstellung stöhnten wir zunächst auf, aber ändern ließ sich das nicht. Stattdessen betete ich wie üblich, dass Ischkur uns eine sichere Überfahrt gewähre – oder zumindest unser Leben schützte.
Am zweiten Tag griff die Langeweile bereits um sich und ich ging zu unserem neuen Begleiter. „Leonis, wie wäre es mit einem Übungskampf? Es würde mich sehr interessieren, wie gut du bist.“
Der Söldner schien nur darauf gewartet zu haben: „Sehr gerne, Abedi.“
In der Mitte des Decks nahmen wir Position auf, nur leicht gegen Wind und Kälte geschützt und die Waffen eingewickelt in Tücher, damit wir keine schlimmeren Wunden davon trugen. Leonis überraschte mich gleich zu Beginn, als er sich mit Langschwert und einer Streitaxt aufstellte. Selten hatte ich jemanden beidhändig kämpfen sehen und immer waren es äußerst starke Krieger gewesen!
Dann begann der Tanz! Wir beide waren äußerst zielsicher und ich war froh, dass wir Tücher über die Klingen gelegt hatten. Ansonsten hätte es wohl rasch genug Grund zum Schrubben gegeben. Leonis beherrschte sein Handwerk und seine Hiebe waren äußerst schmerzhaft. Doch selten traf er mit beiden Waffen zu gleich, wodurch er seinen größten Vorteil einbüßte und der Kampf entgegen meinen Befürchtungen ausgeglichen war. Ischkur schien mir selbst in dieser einfachen Situation gewogen!
Plötzlich stolperte Leonis an mir vorbei und sein Langschwert entglitt seinen Fingern. Unsere Blicke folgten der Klinge, wie sie einen hohen Bogen beschrieb… und jenseits der Reling nach unten ging. Zwischen dem üblichen Meeresrauschen ertönte ein leises Platschen.
Schockiert starrte der Söldner seiner Waffe hinterher, doch er gab sich nicht auf!
Mit großer Wildheit setzte er seine Angriffe fort und ich spürte direkt, dass er mit einer Waffe noch besser traf! Doch seinen großen Vorteil hatte Leonis eingebüßt und schließlich trat ich ihm gegen das Knie, dass er auf den rutschigen Planken zu Boden ging. Ehe er aufstehen konnte, ruhte die umwickelte Schneide meiner Axt an seiner Kehle. Anerkennend nickte er mir zu und ich half ihm auf.
„Du bist ein äußerst guter Kämpfer, Leonis. Diese Technik mit zwei Waffen gleichzeitig zu kämpfen ist bemerkenswert.“
„Aber du hast mich übertrumpft und ich habe mein Langschwert verloren.“
Leonis wirkte sehr enttäuscht, doch einen kurzen Augenblick später erhellten sich seine Gesichtszüge. Ich lieh ihm mein elfisches Langschwert mit dem ich ohnehin kaum umgehen konnte. Zwar unterschied es sich nur äußerlich von anderen Klingen, aber es würde ein guter Ersatz sein, bis sich der Chryseier ein neues beschaffen könnte.
„Was mich in meinem Kampf gestärkt hat, war der Glaube an Ischkur“, setzte ich das Gespräch wieder fort.
„Wer ist dieser Ischkur?“
„Ein Gott, der nur im fernen Urrutti bekannt ist, obwohl er der größte aller himmlischen Herrscher ist. Ischkur ist der Herr des Krieges und der Gerechtigkeit und wacht über jene, die das Böse bekämpfen.“
„Krieg und Gerechtigkeit, wie geht das zusammen? Und wer entscheidet, wer das ‚Böse‘ ist?“, hinterfragte Leonis. Er mochte ein Krieger sein, doch das Schwert schien nicht seine einzige Waffe zu sein. Unter seinen Muskeln versteckte sich zweifellos ein scharfer Verstand.
„Kriege sind gerecht, wenn man sie gegen das Böse führt, um deine Fragen zu beantworten. Das ‚Böse‘ tritt in Form von Dämonen auf, aber auch einfacher Menschen, die anderen Leid zufügen.“
„Und was ist mit ihr?“, fragte Leonis und wies zu Leana hinüber, die gerade Flöte spielte. „Glaubt sie an Ischkur?“
„Auf ihre Weise ja. Sie glaubt an Totemgeister der Tiere und der Pflanzen. Da Ischkur auch Herr über diese Wesenheiten ist, glaubt sie an indirekt an ihn. Auch“, setzt ich mit einem Seufzen an. „wenn sie das nicht selbst versteht. Ein direkter Bezug zu Ischkur würde ihre Kräfte noch verstärken!“
Leonis nickte bedächtig, er schien noch einige Zweifel zu haben, aber im Großen und Ganzen schien ihm Ischkur nicht gänzlich abgeneigt. Dann setzte er ein leicht verschmitztes Lächeln auf. „Und was ist mit euch beiden?“
„Was soll sein?“, brummte ich.
„Nun, ein Mann und eine Frau, die schon länger allein miteinander unterwegs sind… seid ihr ein Paar?“
„Ähm, was? Wir…ein… Paar? Nein, nein! Da waren sonst noch immer… äh… andere dabei! Also wirklich allein waren wir…eigentlich fast noch nie…auf Reisen meine ich.“ Ich spürte wie ich rot wurde. Was war nur los mit mir?
„Aber habt ihr zwei denn nie…?“, setzte Leonis noch an.
„Also ich bin eher der Mann für eine einzige, ernste Beziehung. Und Leana…“, ich seufzte. „Naja, sie ist eine den irdischen Freuden nicht gänzlich abgeneigte Frau.“
„So ganz hast du meine Frage nicht beantwortet“, ließ der Chryseier nicht locker.
Ich stotterte noch ein paar ähms und abers, aber ein Satz wollte mir nicht aus den Lippen rinnen. Dafür war mir die Gesamtsituation etwas zu unangenehm, was der Krieger auch erkannte und beschwichtigend meinte: „Du musst nicht darüber reden, wenn du nicht willst.“
Dankbar nickte ich und wir gingen auf unsere Kajüten, um uns auszuruhen.
Am nächsten Tag trafen wir uns erneut an Deck und Leonis war bereit für eine Revanche. Das elfische Langschwert blitzte verheißungsvoll im Sonnenlicht, ehe es mit Tüchern umwickelt wurde und wir uns auf Position begaben.
Diesmal schien der Krieger besser in Form zu sein und attackierte unablässig mit seinen beiden Waffen. Ich fühlte mich, wie über das Deck gescheucht, doch stets teilte ich aus, wenn er sich durch seine komplexen Angriffe die Blöße gab. So gelang es mir, über den Großteil des Kampfes mit ihm gleichauf zu bleiben, trotz seiner doppelten Zahl an Angriffen. Einen Moment war ich verwundert, dass mir dies so gut gelang, da erwischte mich plötzlich die Axt am Knie und ich knickte ein. Gnadenlos traf mich der nächste Hieb an der Schulter und mir entglitt meine Waffe. Leonis hatte gesiegt!
Er half mir auf und ich gratulierte ihm.
Die nächsten Tage ruhten wir uns jedoch auf, zum einen um uns zu schonen, aber auch unsere Waffen. Der Verlust von Leonis‘ Langschwert musste keine Fortsetzung bekommen. Doch am fünften Tag der Reise, kam dann Kapitän Alexandros zu uns, um uns die Langeweile zu vertreiben. Er habe ein Rätsel für uns und als geprüfte Fünfkämpfer von Uchano sagten Leana und ich natürlich gleich zu. Auch Leonis war sichtlich interessiert, seinen Verstand auszureizen.
„Atemlos lebt es,
Kalt wie der Tod schwebt es,
fühlt keinen Durst, doch trinkt es,
trägt ein Kettenhemd, doch nie klingt es.“
Leonis war am schnellsten und meinte: „Wolken!“ Doch der Kapitän schüttelte nur den Kopf. Dann war Leana an der Reihe: „Meer!“ Auch das war nicht richtig. Einen Moment dachte ich noch nach, dann kam ich darauf: „Ein Fisch! Er gleitet durchs Wasser, ohne atmen zu müssen und hat die ganze Zeit das Maul offen, obwohl er keinen Durst hat. Und die Schuppen sind das Kettenhemd.“ Anerkennend klatschte der Kapitän.
„Sehr gut. Für ein weiteres Rätsel könnt ihr meinen ersten Maat Siggi aufsuchen.“
Das taten wir dann auch, schließlich lagen noch etwa zwanzig Tage Reise vor uns und die Langeweile würde noch aufs Gemüt drücken.
„Was hat Wurzeln, die man nicht sieht,
wächst ständig…“
„Die Berge“, löste Leana. Das ging schnell und auch mir kam das Rätsel bekannt vor. Gab es da in Alba nicht die Legende von einem Halbling, der… leider erinnerte ich mich kaum.
Beleidigt trottete der erste Maat davon. Sportsgeist sah deutlich anders aus!
Zwei Tage später kehrte der Kapitän zu uns zurück.
„Was schreit ohne Stimme,
fliegt ohne Schwinge…“
„Der Wind!“, meinte Leana und ließ auch Alexandros kaum zu Ende zu reden. Diesmal schien er über unseren Erfolg nicht erfreut und ging davon. Ich meinte noch, er murmelte etwas von Klugscheißern. Wofür stellte er Rätsel, wenn man sie nicht lösen sollte?!
Aber der Wettkampf war noch nicht vorbei. Der erste Maat Siggi trat erneut an uns heran.
„Wer Hörner nicht zum Stoßen trägt,
seinen Bauch zu hüten pflegt,
dessen Worte Ohren sengen,
dessen Augen nichts entgeht.“
Während ich an Metaphern hinsichtlich der verbrannten Ohren und der Hörner dachte, brachten Leana und Leonis uns eher auf den richtigen Kurs und suchten ein Tier. Allerdings nutzten alle, die wir kannten ihre Hörner auch zum Stoßen, wenn es nur war, um ein Weibchen zu umwerben. Nach einer Weile gab Siggi dann den entscheidenden Denkanstoß. Es handele sich um ein magisches Wesen und dann dauerte es nicht mehr lange, bis Leana überzeugt vorbrachte: „Ein Drache!“
Während Siggi zufrieden mit uns schien, bemerkten wir bereits feindselige Blicke der übrigen Matrosen. Entweder hatten sie dieses Rätsel selbst nicht gelöst und fühlten sich vorgeführt oder… sie waren schlechte Verlierer. Einer von ihnen hatte zumindest den Ehrgeiz, selbst etwas vorzubringen.
„Was kann nie verliehen oder verdient werden
und wird trotzdem immer verschwendet?“
Es dauerte nicht lange und ich murmelte: „Die Zeit.“ Anschließend brachen die Schiffsmänner jeglichen Kontakt zu uns ab, sie waren erbärmliche Verlierer. Ein süffisantes Lächeln stahl sich auf mein Gesicht.
Die folgenden Tage vergingen ereignislos ohne Übungskämpfe und Rätsel. Doch als ich mich in der sechzehnten Nacht in meine Koje verkroch, war mir nicht viel Schlaf vergönnt. Ein Krachen und Splittern ertönte, ein heftiger Ruck ging durch das gesamte Schiff und plötzlich hörte das allgegenwärtige Schaukeln auf. Alarmiert sprang ich aus der Koje und rannte auf den Gang. Von Leana und Leonis war nichts zu sehen, sie schliefen wohl fest…miteinander?! Ich sollte den Gedanken am besten nicht vertiefen…Leonis war ein vergleichsweise gut aussehender Krieger, ohne Narben… aber sonderlich gut verstanden hatten sie sich auch nicht. Ich schüttelte diese verwirrenden Gedanken ab und ging an Deck.
Das Schiff stand tatsächlich still, aber leicht schief. Um uns herum tobte ein heftiger Sturm und peitschte mir Regen ins Gesicht. Ich blickte umher, doch keiner der Matrosen nahm Notiz von mir. Da erblickte ich Alexandros Boffus, welcher einsam im Regen stand und konzentriert nachzudenken schien.
„Was ist geschehen, Kapitän?“
„Wir wurden von einer dieser riesigen Wellen auf einen Felsen geschleudert. Die Bilge ist zerstört und wir setzen fest, aber wenigstens laufen wir nicht voll. Das Schiff…ist verloren… wir werden mit den Beibooten an eine nahe gelegene Insel schippern, sobald der Sturm sich gelegt hat.“
Bei diesen Worten merkte ich, wie blass der Mann war. Sein Lebensinhalt hing auf dem Felsen und der Sturm hatte ihn wohl alles gekostet, was er in den letzten Jahren aufgebaut hatte. Doch ich würde ihm nicht helfen können – zumindest hatte Ischkur unser aller Leben bewahrt.
Ich ging wieder unter Deck, wo Leana und Leonis immer noch auf ihren (oder ihrer?) Kabinen waren.
Am nächsten Tag erfuhren die beiden dann auch was geschehen war und die Beiboote wurden zu Wasser gelassen. Ich fragte Leana, ob sie den Bihänder aus ihrer Kabine holen wolle, da trat sie nervös von einem Fuß auf den anderen und meinte: „Hm, wollt ihr zwei Männer das nicht machen?“
Ich runzelte die Stirn, nickte aber. Zusammen mit Leonis gingen wir in die Kabine und hoben die Kiste an… welche plötzlich unheimlich schwer geworden war! Was zum…?
Wir trugen unser Paket zunächst nach oben, dann fragte ich nach: „Warum ist der Bihänder plötzlich so schwer?“
„Nun, ich habe versucht, IHN herauszuholen“, antwortete Leonis. „Doch er war zu schwer gewesen und ich habe es nicht geschafft.“
Ich bemerkte ein unangemessenes, schelmisches Grinsen bei Leana. Das waren mir ja zwei…
Zum Glück versank das Boot nicht unter unserer Last und wir erreichten sicher die nahegelegene Insel, wo wir dann diese Kiste eine Stunde schleppen mussten, bis wir ein kleines Fischerdorf erreichten. Außer den Hütten gab es eine Taverne „Ochs und Bär“ sowie eine Werft mit Hafen, wo zurzeit sogar ein Schiff anlag! Die Matrosen verzogen sich zunächst in die Kneipe und hofften wohl ihren Kummer im Alkohol ertränken zu können, aber die Streiter Ischkurs hielten sich mit so etwas nicht auf. Zielstrebig gingen wir zu dem Schiff und fanden schnell Kapitän Sterdas. Zu unserem Glück war dessen Reiseziel ebenfalls Dyptiche, allerdings beabsichtigte er nur Waren zu transportieren. Wir redeten ihm gut zu und schließlich meinte er mit einem Seufzer:
„Nun gut, aber dann müsst ihr mir ‚helfen‘. Ein Händler verkauft Balsamicoessig und Olivenöl. Essig ist doppelt so teuer wie das Öl. Er besitzt jeweils ein Fass mit den Maßen 8, 13, 15, 17, 19 und 31 Litern. Ein Mann nimmt Öl und Essig zu jeweils 280 Goldstücken ab. Eines der Fässer bleibt übrig, welches ist das und was ist sein Inhalt?“
Zunächst stöhnten wir angesichts dieser mathematischen Herausforderung auf, aber schließlich hatten wir keine Wahl, wenn der Kapitän auf solch merkwürdige Weise unsere Mitreise bezahlt sehen wollte.
Schnell merkten wir an, dass man den Inhalt des fehlenden Fasses anhand der Angaben nicht ermessen kann, was Sterdas mit einem wohlwollenden Lächeln anerkannte. Dann wurde es knifflig.
Leonis schien zwar nicht unbedingt zu dumm für dieses Rätsel, allerdings schien ihm jede Motivation zu fehlen, sich damit auseinanderzusetzen. So riet er zweimal, was den Kapitän sehr ungehalten machte und androhte, bei einem weiteren blinden Rateversuch das Gespräch zu beenden.
Ein erster Ansatz meinerseits war es dann, dass die Literanzahl der fünf gekauften Fässer durch drei teilbar sein musste. Jedoch biss ich mich in der ersten dieser Zahlen fest und konnte diese anhand der Fassgrößen nicht rekonstruieren. Leana brachte dann weitere Möglichkeiten ins Spiel und schließlich hatten wir die Zahl und konnten sie auch abbilden. Da wollte ich lösen, doch zweimal fuhr mir die Schamanin ins Wort, weil sie meinte, wir wären noch nicht sicher. Doch schließlich setzte ich mich durch und legte Sterdas die Lösung dar.
„Das 19-Liter Fass bleibt übrig, die 13- und 15-Liter Fässer enthalten den Balsamicoessig, die 8-, 17- und 31-Liter Fässer das Öl.“
Sterdas applaudierte kurz. „Die Eramona legt in einer Stunde ab, ich erwarte euch dann hier.“
Wir nickten und gingen zur Taverne, um uns kurz von den Matrosen zu verabschieden und eine Erfrischung einzunehmen. Die Wirtin begrüßte uns jedoch sehr ungehalten. Ständig rotzte sie in ein kleines Schälchen und starrte nur auf das verdreckte Glas, das mit einem noch dreckigeren Lappen „putzte“.
„Willkommen in Europosäa, Fremde“, kam es ihr widerwillig über die Lippen und erinnerte mehr an eine Verwünschung als eine Begrüßung.
Wir bestellten Wasser, Bier und Wein. Doch was uns die Frau dann auf den Tresen stellte… mein Wasser war nicht nur trüb, es besaß eine eigentümliche, rötliche Färbung und ich machte Dreckbröckchen aus, die darin schwammen. Ich schob es gleich wieder von mir fort. Leonis‘ Bier hatte dieselbe Farbe wie mein Wasser, lediglich etwas gelblicher Schaum saß darauf. Leanas Wein schien noch am ehesten trinkbar, doch nachdem sie darin nippte, erbrach sie sich fast auf den Tresen.
„Typisch Fremdlinge. Wissen nichts zu schätzen, undankbares Pack!“, fluchte die alte Frau und verteilte dabei Spucke. Leonis wurde rot und wütend packte er seinen Bierkrug und schleuderte ihn gegen die Wand. „Was soll diese Scheiße?!“, brüllte er und verließ schimpfend das Haus. Ich war kein Freund von Wutausbrüchen, doch dieser war angemessen und angewidert folgten Leana und ich dem chryseiischen Söldner.
Die Eramona besaß sieben Mann Besatzung. Die Matrosen waren weniger „geistreich“, aber dafür geselliger als unsere letzte Hochseebegleitung. Wir schliefen die folgenden fünfeinhalb Tage in einem Gemeinschaftsraum ohne, dass es Probleme gab. Zwischenzeitlich durfte Leonis sogar eine Stunde das Ruder führen und machte seine Sache nicht einmal schlecht.
Wir erreichten Dyptiche am späten Nachmittag. Die Stadt mit ihren etwa zweitausend Einwohnern lag auf einem Hügel erhöht vor uns. Es wurde ein mühsamer Weg mit dem besonders schweren Bihänder in der Kiste. Doch schließlich war es geschafft und ohne Probleme kamen wir durch das Stadttor. Ein gewisser Igeas empfahl uns dort das Wirtshaus „Georness‘ Stolz“, das in Sichtweite lag. Wir machten uns auf den Weg dorthin, als uns plötzlich ein Bettler ansprach und um ein wenig Geld bat.
Leonis zückte rasch zwei Goldstücke und erfreut flüsterte der Mann: „Der Mendarch dankt euch.“ Damit ließ er uns ratlos zurück, doch bevor wir nachfragen konnten, war der Bettler wieder verschwunden.
Georness‘ Stolz lag mit seinen zwei Stockwerken imposant vor uns und war mit etwa 150 Menschen prall gefüllt. In der Decke zum 1. Stock war ein Loch gelassen, um zum einen dem gewaltigen Kronleuchter Platz zu verschaffen und den Obenstehenden einen freien Blick auf die Tanzfläche zu gewähren. Wir erblickten eine riesige Theke und machten uns dorthin auf den Weg, zielstrebig durch die Masse der Feiernden hindurch. Doch anstatt, dass wir bedient wurden, schickte uns der Wirt Giotte Jarnes zu einem Tisch. Auch eine der herumlaufenden Damen schien uns nicht zuhören zu wollen, so setzten wir uns waffenstarrend und in Rüstung mit einer beinahe menschengroßen Kiste an den Rand des Wirtshauses.
Doch trotz dieses befremdlichen Anblicks schien keiner Anstoß zu nehmen oder die gerade spielende Bardengruppe fesselte die Masse. Die musikalische Begeisterung der Dypticher äußerte sich hier in beinahe ekstatischen Tänzen. Aber es gab hier auch andere Ausländer, so saßen am Tisch neben uns einige Moraven. Sie würfelten und tranken dabei Unmengen an Bier. Alleine in der Zeit, in der wir warteten, einmal bedient zu werden, erhielten sie drei neue Runden. Besonders sympathisch wurde mir das Ganze nicht. Man konnte den Menschen zwar nicht verbieten, sich dem Laster hinzugeben, aber man konnte diejenigen, welche in schlichter Absicht, ein Bett zu finden, wenigstens angemessen behandeln und schnell bedienen.
Dann trat endlich eine junge Dame heran, welche sich als Larissa Therokles vorstellte. Es stellte sich heraus, dass Georness‘ Stolz aus seiner Lage unverschämt Kapital schlug und zwanzig Goldstücke für die Übernachtung verlangte. Pro Person!
In gewisser Weise verstand ich also Leonis, welcher sich weigerte diesen Preis zu bezahlen, noch etwas zu trinken zu bestellen. Doch ich wollte mir an der Stelle einmal ein wenig Luxus gönnen und kein neues Gasthaus suchen. So bezahlten Leana und ich und bestellten einen Tee sowie einen Wein. Mein Wunsch verwunderte Larissa und am Ende zahlte ich sogar mehr. Nein, dieses Gasthaus würde von mir wahrlich keine Empfehlung erhalten.
Leonis versuchte sich unterdessen anderweitig ein Nachtlager zu verschaffen und sprach eine Dame an. Durch den Lärm konnten wir jedoch nicht hören, was sie sagten, aber sie schien seinen Offerten deutlich abgeneigt und wandte sich schließlich empört ab. Wie ein getretener Hund kam der Krieger zurück und fluchte ordentlich über dieses Etablissement.
Anschließend stellten Leana und ich unsere Sachen im Nebengebäude auf unsere Zimmer, gingen zurück und orderten etwas zu essen. Mein Magen knurrte, die eintönige Schiffsmahlzeit machte mir an sich nichts aus, aber hier und da war etwas Feineres durchaus willkommen.
Leonis versuchte währenddessen ein weiteres Mal sein Glück bei den Frauen, aber trotz seines Aussehens, schien ihm das Schicksal heute nicht gewogen. Dann hockte er sich zu den Moraven und prüfte, was dort getrieben wurde. Viel verstand ich nicht, aber plötzlich erhob sich mit gerötetem Kopf. „Ich bin ein Streiter Ischkurs und was ihr tut ist schändlich!“
Sein Eifer erfreute mich, aber auf anderer Seite war ich jemand, der den Glauben durch eigenes, vorbildhaftes Verhalten verbreiten wollte und nicht durch Nötigung. Leonis beließ es zum Glück bei mahnenden Worten und es artete in keine Wirtshausschlägerei aus. Unterstützt wurde das durch Leana, die ihre Landsleute erfolgreich ablenkte. Der Krieger verzog sich an das andere Ende des Gasthauses und da ich sonst alleine wäre, hockte ich mich eben auch zu diesem merkwürdigen, moravischen Haufen.
Es handelte sich zum Großteil um Boten, welche sich trotz ihrer schlechten Bezahlung ein ordentliches Feierabendbier gönnten. Einer von ihnen tat das sogar schon seit mehreren Monaten, da er sein Ziel – einen gewissen „Magnus“ – nicht aufgefunden hatte. Der Alkohol schien ihm mittlerweile den Verstand zerfressen zu haben und ich war mir nicht einmal sicher, dass es wirklich einen „Magnus“ gab…
Zu meiner Erleichterung forderten die Moraven weder Leana noch mich zum Glücksspiel heraus. Das hätte ich deutlich abgelehnt. Stattdessen wollten sie uns Rätsel stellen. Da waren wir Sieger des Fünfkampfes von Uchano natürlich in unserem Element und durch die Übungen vor einigen Tagen auch gut aufgewärmt.
„Will man vieles von mir haben,
muss man mich erst begraben.“
Leana antwortete innerhalb weniger Sekunden: „Samen!“ Der Mann namens Platon nickte anerkennend und prostete uns zu.
„Sitzt einer auf dem Dach und raucht,
obwohl er keinen Tabak braucht.“
Diesmal war es an mir, rasant zu antworten: „Schornstein!“
Ein Mann namens Krateos wollte, dass wir aus drei leeren und drei vollen Wassergläsern eine abwechselnde Reihenfolge erstellten. Leana schüttet eines um und das Rätsel war gelöst!
„Es ist manchmal kalt wie Eis
und manchmal heiß wie Feuer.“
Ich überlegte kurz und stellte dann mit einem Schnauben fest: „Liebe“.
Dann kam das kniffligste Rätsel. Der Mann namens Ilgios forderte uns auf ein Glas so zu leeren, dass es exakt zur Hälfte gefüllt war. Allerdings wählte er dafür Gläser an denen man dies nicht abschätzen konnte und wartete darauf, dass wir einen Trick fanden. Währenddessen hockte er die ganze Zeit mit einem dümmlichen Grinsen vor uns und hielt sein Bierglas schräg.
Weder Leana noch ich kamen darauf, denn all unsere Vorschläge hinsichtlich Hilfsmittel oder schätzen wurden mit fast kindlicher Stimme abgelehnt: „Mag ich nicht!“ Das zehrte wirklich an meiner Beherrschung und schließlich gaben wir auf.
Ilgios erklärte uns darauf, dass ein Glas immer halbvoll sei, wenn man es schräg halte. Stirnrunzelnd akzeptierten wir das, aber einige Tage später kamen wir darauf, dass der Alkohol dem Mann den Verstand benebelt hatte.
Die letzten Rätsel wurden von Zwillingen gestellt und waren nach Ansicht der Moraven die schwersten. Im Vergleich zu dem vorhergegangenen Schwachsinn waren sie jedoch erfrischend.
„Ich bin scharf wie eine Schneide
oder stumpf wie ein Stein,
auch wenn ich den Kampf meide,
soll ich es nennen mein.“
Leana kombinierte rasch zur Lösung: „Verstand!“
„Solange ich bei meinem Herren bleibe,
helfe ich ihm nicht,
wenn er mich aber fortgibt,
so nütze ich ihm.“
Gleichzeitig antworten wir mit Gold und Geld und beides war richtig. Damit waren wir durch und die Männer schienen ersichtlich zufrieden. Insbesondere Leana schien ihre Gunst gewonnen zu haben und einer überreichte ihr einen tiefblauen, wallnussgroßen Saphir, der leicht zu schimmern schien. Auf ihre Frage, was diesen Edelstein besonders machte, lachten die Männer nur und von irgendwo hörte ich: „er leuchtet blau!“.
Für mich wurde es nun jedoch Zeit zu gehen, während die Schamanin begann, sich mit den Männern zu betrinken. Was auch immer heute noch geschehen sollte, ich wollte nicht zwingend Zeuge werden.
Beim Hinausgehen bemerkte ich Leonis, welcher auf einem Tisch lag. Irgendwie schaffte er es, dort zu schlafen und von den Menschen um ihn herum störte sich auch keiner daran.
Ich verbrachte eine zweifellos angenehmere Nacht im Bett, nur gestört durch den einen oder anderen Betrunkenen, der nicht gerade leise schlafen ging. Und durch den Nachbar, welcher seinen Nachttopf immer wieder auffüllte.
Am nächsten Morgen wirkte Leana ein wenig verschlafen und Leonis trotz des unangenehmen Schlafplatzes recht erholt. Ihn hatte wohl keiner herausgeworfen und er begrüßte uns, als wäre nichts gewesen. Nun, andere Länder, andere Sitten.
Wir bestellten Frühstück, wobei ich für den Söldner zahlte, dem dieses Gasthaus definitiv zu teuer schien. Oder er wollte diesem Sündenpfuhl kein Geld überlassen, zumindest ging er nun in seiner neu entdeckten Leidenschaft für den Glauben auf Leana los.
„Dein Verhalten ist doch krank!“
„Was?!“, blaffte sie zurück und verschluckte sich fast.
„Eine Frau ganz allein in einer Männerrunde… hast du denn keine Ehre?“
„Bitte?! Was soll ich denn getan haben, oh edler Krieger?“
„Du hast doch mit ihnen geschlafen. Mit einem oder mehreren oder am Ende noch mit allen gleichzeitig. Da stimmt doch was nicht mit dir. Abedi, wie kannst du nur mit ihr reisen?“
Ich zuckte mit den Schultern. „Was sie auch tut, wenn es nicht gottgefällig ist, wird sie die Strafe früh genug ereilen. Solange sie an unserer Seite für das Gute zu streiten vermag, ist sie mir willkommen.“
Leana schien von dieser Erläuterung allerdings nicht sonderlich angetan und schwieg vorerst. Erst als Larissa herbeikam machte sie wieder den Mund auf und fragte nach dem Mendarchen. Die Dame wurde ein Stück blasser und stotterte leicht bei ihrer Antwort.
„Er ist eine einflussreiche Person in Süd-Chryseia. Man sagt er sei der Herr von der Ruinenstadt Thalassa. Öfter hört man den Namen ‚Bettlerkönig‘. Ihr solltet nicht weiter nachfragen, es kann gefährlich werden.“
Wir runzelten die Stirn, waren aber weitestgehend zufriedengestellt und folgten dem Ratschlag. Nach dem Frühstück wollten wir dann aufbrechen und zu Erik gehen, Leonis konnte uns führen.
Also standen wir auf, holten die Kiste mit dem Bihänder und machten uns auf den Weg. Da trat uns plötzlich eine überwältigende Schönheit entgegen, dass Leonis und ich unser Transportgut fallen ließen. Es war eine Elfe mit langen Haaren bis über die Taille und ebenmäßig-heller Haut. Ihre tiefgrünen Augen standen leicht schräg und waren forschend auf uns gerichtet.
„Mein Name ist Jasmina Thylos Alezzia, Erzmagierin der Gilde vom Siebenstern und…“
Was folgte war ein Gewirr von Titeln von denen ich mir keinen merken konnte. Vielleicht hatte Leana ja Recht, dass man nicht jedes Mal alle aufzählen sollte. Aber immerhin war ich nicht der einzige mit dieser Leidenschaft!
„…ich habe euch eigentlich gestern erwartet. Aber wie dem auch sei, liefert euer Transportgut bei Schatzmeister Erik dem Aeglirer ab, ich begleite euch. Hinterher werden wir sprechen, ihr müsst für eure kommenden Aufgaben geprüft werden.“
Wir nickten und sie ging, nein, schwebte voran. Unsere Blicke folgten ihren eleganten Bewegungen bis sie sich noch einmal umdrehte und die Augenbrauen hob. Einen kurzen Moment paralysiert, hoben wir dann sofort die Kiste auf und folgten ihr.
Dann grübelte ich kurz. Die ursprüngliche Reise hätte fünfundzwanzig Tage dauern sollen, nach sechzehn erlitten wir Schiffbruch und brauchten weitere sechs, um Dyptiche zu erreichen. Da wir keinen Umweg gefahren waren, hatten wir somit drei Tage gespart. Wir waren also definitiv früher da, als geplant… leider war dies nicht das letzte Indiz dafür, dass in dieser Stadt und insbesondere in der Magiergilde ein großer Kult um bewusstseinsmindernde Gestalten zelebriert wurde.
Auf dem Weg erzählte Leonis ein wenig über seinen Auftraggeber. Erik war nur zur Hälfte Waeländer, hatte aber auch so noch genug Schwierigkeiten gehabt, sich in Dyptiche nach oben zu arbeiten, wo er nun den Posten als Schatzmeister bekleidete. Anschließend fragte uns Alezzia aus, welche Kompetenzen wir vorweisen könnten.
„Nun, wir sind die Streiter Ischkurs, weitgereiste Abenteurer“, setzte ich an. „Wir haben den Fünfkampf in Uchano gewonnen und das Biest von Kalimar besiegt und werden dort als Helden gefeiert. Außerdem waren wir bereits einmal hier in Chryseia, genau genommen in Thalassa. Wir durchquerten das dortige Labyrinth und töteten den Minotaurus, weshalb man uns auch dort mit Ehrfrucht betrachtet. Natürlich sind wir auch gute Freunde von Jarl Asar.“
„Thalassa…nun, von dem Vorfall habe ich nichts gehört. Der Süden Chryseias ist unzivilisiert, wir ignorieren gerne seine Existenz. Ich denke, es wird notwendig sein, euch eigens zu prüfen.
Was ist größer als Gott,
böser als der Teufel,
die Armen haben es,
die Reichen brauchen es.“
Ich kannte das Rätsel bereits und löste: „Nichts.“
Alezzia wirkte einigermaßen zufrieden, aber mich ließ irgendwie das Gefühl nicht los, dass sie dieser Welt ein wenig entrückt war. Es schien zwar, dass sie sich für uns interessierte und etwas von uns wollte, aber es blieb für mich bei diesem Schein. Wirklich Glauben schenken, konnte ich ihr nicht. Irgendwie beruhigte es mich, als wir bei Erik ankamen und sie sich vorerst von uns verabschiedete. Wir sollten dann später zu ihr in die Gilde kommen.
Ohne Umschweife brachte man uns in das Büro des Schatzmeisters, wo der Aeglirer auf einem Thron saß, vor sich einen gewaltigen Tisch voller Pergamente, Bücher, Tintenfässchen und einiger Federkiele. An den Wänden fanden sich Karten von Dyptiche und Chryseia, mit verschiedenen Notizen versehen, voll mit Pfeilen und Markierungen.
Der Vetter Asars sah ihm trotz des chryseiischen Blutes zum Verwechseln ähnlich. Er war groß, breit und trug die langen Haare in einem Zopf, während ein geflochtener Bart das Gesicht zierte. Eine beeindruckende Gestalt trotz seiner eher ruhigen Arbeit. Bei unserem Eintreten sah er auf und lächelte.
„Ah, Leonis! Sehr schön und ich nehme an, ihr zwei seid die Abenteurer meines Vetters? Habt ihr das Schwert?“
Wir wuchteten die Kiste herein und stellten sie auf den Boden ab. Erik trat heran und öffnete die Kiste. Er sah sehr zufrieden aus und überreichte uns ohne Umschweife tausend Goldstücke, pro Person! Für ihn schien das nur Taschengeld zu sein, so leichtfertig gab er es aus der Hand. Dann meinte auch er, wir sollen nun zu Alezzia gehen und schickte uns hinaus.
Die Gilde zu finden war kein größeres Problem, sie war in Dyptiche wohl bekannt und überall liefen Lehrlinge herum, eine richtige Novizenstadt. Die elfische Gildenmeisterin empfing uns und offenbarte unseren Auftrag.
„Vor drei Tagen wurde der Schüler Vagias Terlas tot in seinem Gemach aufgefunden. Es fanden sich Bissspuren an seinem Hals, wir gehen also davon aus, dass es sich um einen Vampir handelt. Euer Auftrag ist nun, diesen zu finden und zur Strecke zu bringen. Bedenkt, dass dies ein Test ist, wenn ihr versagt, habe ich keine weitere Verwendung für euch. Wenn ihr es jedoch schaffe solltet, dann seid ihr fähig genug, die eigentliche Aufgabe anzugehen. Wie gut kennt Ihr euch mit Vampiren aus?“
Für mich waren diese finsteren Kreaturen etwas, das man unbedingt töten musste. Leana schien etwas mehr zu wissen und daher verzichteten wir auf eine umfängliche Erklärung. Alezzia gab uns noch einen Verweis auf den Schmied, welcher magische und versilberte Waffen bereithielt, welche man benötigte, um diese Kreaturen zu bekämpfen, danach entließ sie uns.
Auch der Handwerker war schnell gefunden und als der Name der Erzmagierin fiel, brauchte es nicht lange, bis der Mann zwei silberne Langschwerter herbeibrachte und sie Leonis in die Hand drückte. Auf den Dolch verzichtete Leana, sie besaß bereits eine magische Waffe. Eine Streitaxt gab es nicht einmal. Dafür erhielt ich mein elfisches Langschwert von Leonis zurück.
Dann waren wir vorbereitet und begannen unsere Recherche im Raum des Novizen Vagias Terlas. Dort fand sich nicht viel, der Täter war gründlich gewesen. Lediglich etwas Blut verblieb am Kopfkissen. Da die Leiche bereits entfernt worden war und sicher erste Nachforschungen seitens der Gilde betrieben wurden, beschlossen wir, den verantwortlichen Ermittlungsleiter aufzusuchen.
Vor dem Raum fragten wir einen der vorbeiströmenden Novizen, ob er wisse, wer diese Person sei. Allerdings wusste der junge Mann nicht einmal, dass es einen Toten gab. Wie das an ihm vorbeigehen konnte, war mir ein Rätsel. Die einzige Erklärung war, dass man diese Ermittlungen geheim halten wollte, sodass wir nicht weiterfragten und einen der ehemaligen Lehrer von Vagias aufsuchten.
Der Meister der Schutzzauber beschrieb den jungen Novizen als fähig und engagiert und war bekümmert über dessen Tod. Entdeckt wurde er von einem seiner Mitnovizen, einem so genannten „Kommilitonen“. Der genannte Mann war sein rechter Zimmernachbar, welchen wir aufzusuchen gedachten, der sich allerdings bei unserer Ankunft irgendwo anders aufhielt. Daher nahmen wir mit dem linken Nachbar vorlieb.
„Seid gegrüßt, dürfen wir eintreten?“, übernahm Leana das freundliche Klopfen. Zwar trugen Leonis und ich unsere Rüstungen nicht, aber es war sicherlich etwas beruhigender, wenn eine Frau das Gespräch leitete anstatt zweier Athleten, der eine mit einem vollständig vernarbten Gesicht.
Eine etwas nervös klingende Stimme antwortete: „Ja… einen Moment.“
Dann öffnete er uns und ließ uns hinein. Das Zimmer war klein und ähnelte dem Vagias Terlas‘ sehr. Zusätzlich war es hier stickig und das Fenster mit einem Vorhang verhüllt.
„Hallo, wir untersuchen Vagias‘ Tod. Wie ist dein Name?“
„Elisias.“
„Hast du vor drei Nächten etwas mitbekommen?“
„Hm…äh, nein… also habe ich nicht!“, wurde die Antwort zittrig vorgetragen. Er wirkte blass, die Augen dunkel. Eine unangenehme Ahnung befiel mich und Leana meinte plötzlich: „Nun gut, einen schönen Tag noch.“ Dann schob sie uns förmlich hinaus. Draußen war viel Betrieb, wohl war gerade eine Unterrichtsstunde vorbeigegangen. Die Schamanin ging mit uns auf die andere Seite des Novizenstroms und sagte fest entschlossen: „Es handelt sich um einen Vampir!“
Sie brauchte uns nicht lange zu überzeugen und wir beschlossen, unsere Ausrüstung zu holen, um das Zimmer zu stürmen. Leana wollte währenddessen die Tür überwachen, damit Elisias nicht fliehen konnte.
Die Rüstung war schnell geholt und voll gerüstet klopften wir bei Alezzia. Verwundert hob sie den Kopf, als wir eintraten.
„Wir haben den Vampir gefunden. Es ist Novize Elisias. Wir sind auf dem Weg, ihn zur Strecke zu bringen und wollten euch informieren. Eventuell wollt Ihr euch uns anschließen?“
Langsam erhob sie sich und noch langsamer sagte sie: „Hm? Ein Vampir bei uns in der Gilde? Das ist aber eine Überraschung. Nun, geht und tut, was ihr tun müsst. Viel Erfolg.“
Etwas verwundert gingen wir also, sie schien keinerlei Bedenken hinsichtlich des mächtigen Untoten zu haben. Doch es sollte ja auch unsere Probe sein… noch glaubte ich, dass die Handlungen der Gilde von Rationalität geprägt sein konnten.
Vor dem Raum bereiteten wir uns nach allen Regeln der Kunst vor und ich spürte, dass es Ischkur wohlgefiel, einen gefährlichen Vampir auszulöschen. Wir hatten Pfähle dabei, um sie in das Herz zu rammen, aber unser eigentlicher Plan war es, das Fenster zu öffnen und somit das Sonnenlicht einzulassen.
Doch als ich die Tür auftrat war Elisias verschwunden. Verwundert blickten wir zu Leana, welche mindestens so verdutzt aussah wie wir.
„Ich habe die Tür die ganze Zeit im Auge gehabt, sie hat sich nicht einmal geöffnet! Hm… ach verdammt“, sie fluchte. „Er wird sich in Rauchform hinausgeschlichen haben. Irgendwo muss er eine Ruhestätte haben und sich dort verstecken. Draußen ist es noch zu hell, also sollten wir im Keller nachsehen!“
Auf dem Weg zum Untergeschoss sprachen wir mehrere Magier an, dass sie uns bei der Suche helfen sollten. Sie wirkten lethargisch, beinahe gleichgültig. Ich hatte eigentlich erwartete, dass sich bei dem Wort Vampir ein jeder überschlug und uns bei Seite stand, aber am Ende waren es lediglich sieben, die mitsuchten. Wie konnte man derart leichtfertig mit einer solchen Bedrohung umgehen?
Im Kellergewölbe der Novizengebäude fanden wir nichts und stürmten in Windeseile zu jenem der Schulgebäude. Irgendwo musste Elisias sein! Einer der Magier bot sich schließlich an, weitere Hilfe zu holen. Wir waren froh, dass endlich jemand, wirkliches Interesse zeigte, uns zu helfen.
Aber…kaum war der Mann weg stutzten wir. Hatte er nicht ebenfalls eine ungewöhnliche Blässe. Ein Blick zu Leana und verzweifelt nickte sie. Ein weiterer Vampir!
Die Schamanin schenkte mir noch einmal neue Kraft, die intensive Vorbereitung von vorhin hatte mir einige Kräfte geraubt. Dann spurteten wir los, ihn zu suchen – mittlerweile war es dunkel genug, dass ein Vampir draußen überlebte und wir folgten unserem Instinkt und liefen durch die Straßen. Ein Magier kam uns entgegen.
„Habt Ihr einen blassen Kollegen gesehen?“
„Ja… einer hat sich gerade Richtung Stadttor aufgemacht. Ist etwas los?“
Wir verweigerten ihm eine genaue Auskunft und rannten los. Ob etwas los sei? Mindestens zwei Vampire trieben in der Akademie ihr Unwesen und keiner schien zu bemerken, dass ein Kollege offensichtlich eine leichte Sonnenallergie besaß! Diese verdammten Magier.
Die Wachen am Stadttor bewiesen jedoch einen noch kleineren Geist. Kein Magister war vorbeigekommen, kein Nebel, keine Fledermaus. Aber ein Wolf. Ein schwarzer Wolf war aus der Stadt nach draußen gelaufen. Laut den Männern nichts Besonderes, so etwas kam hier wohl öfter vor.
Bei dieser Aussage hätte ich am liebsten angefangen zu weinen, doch es blieb keine Zeit, sich über die Dummheit der Schafe aufzuregen, wenn die Wölfe noch frei herumliefen.
Wir liefen die Straße entlang und einen Hügel hoch, weiter hatten die Wachen das Tier nicht gesehen. Einen Moment schien es tatsächlich, als hätten wir versagt und der Magier-Vampir sei entkommen. Doch da entdeckte Leonis eine Spur und führte uns zu einer Höhle. Der Abstieg war matschig, doch wir schafften es, ohne zu stürzen.
Es war ein ideales Versteck für Vampire, der Eingang zum Glück nur durch ein paar Holzbretter versperrt, die rasch zur Seite gefegt waren. Dann betete ich erneut zu Ischkur und auch Leana bereitete sich vor, so gut sie konnte. Und es ging hinein in die Tiefe.
Hatte ich bei Vampiren eher an jene Sorte gedacht, die sich als feine Herren gaben, wurde ich hier überrascht. Es war das reinste Drecksloch, die Blutsauger lebten hier wie die Tiere und versteckten sich vor der Sonne. Verabscheuungswürdige Kreaturen, ich freute mich bereits darauf, sie zur Strecke zu bringen.
Das Höhlensystem schien nicht sonderlich groß, wir hatten schnell einige Sackgassen entdeckt. Dann standen wir vor einer metallbeschlagenen Tür mit zwei eingelassenen, weißen Steinen. Darüber stand „Die Sonne ist unser Feind!“. Leonis zog entschlossen einen der Steine wie einen Griff nach unten und der Raum offenbarte sich uns. Er war etwa zwanzig Meter breit wie lang mit einigen Opferaltären in der Mitte, auf denen Menschen lagen. Über ihnen beugten sich zwei blasse, ausgemergelte Gestalten. Mit einem Fauchen bemerkten sie uns und schlitzten ihren Opfern, die sie eben noch genüsslich hatten verspeisen wollen, die Kehlen auf.
Sie rannten auf uns zu, von rechts kam noch ein weiterer Blutsauger. Doch Leana schleuderte ihnen eine Feuerkugel entgegen, deren Explosion sie kurz aufhielt. Dann stürmten wir mit einem lauten Ischkur-Ruf hinein und jeder stürzte sich auf einen der Vampire.
Mein erster Streich zielte auf den Hals des Untoten ab und beinahe hätte ich ihn direkt abgetrennt, doch er bewegte sich blitzschnell und brachte sich durch einen absichtlichen Rutsch unter die Klinge. Diese Biester waren verflucht schnell und ihr untotes Leben schien keine Erschöpfung zu kennen, was sie zu schwierigen Gegnern machte. Von weiteren schwarzmagischen Fähigkeiten ganz zu schweigen, doch im Nahkampf, Auge in Auge, würden sie zumindest diese nicht gegen uns einsetzen können.
Meinen nächsten Schlag fing der ehemalige Novize einfach mit seinem Arm ab und stieß mich mit einem Tritt vor die Brust zurück.
Währenddessen hieb Leonis zielstrebig auf ein und dieselbe Stelle ein, kurz nacheinander bohrten sich seine Schwerter hinein und hinterließen eine verheerende Wunde. Zumindest ein Mensch wäre nach diesen Angriffen zu Boden gegangen, doch der Vampir blutete nicht und bleckte wie ein wildes Tier die Zähne. Mit seinem Dolch stieß er vor und nutzte den Moment, in dem der Krieger seine Balance wiederfinden musste. Die Klinge bohrte sich durch die Kettenringe und zerschnitt sie, es musste einiges an Kraft dahinter stecken, eine solch kleine Waffe so verheerend einzusetzen. Doch dieser Triumph blieb von kurzer Dauer für den Untoten, da traf ihn Leo erneut mit einer seiner Klingen und scheuchte das Biest vor sich her. Die schnellen Schläge nach einander erweckten den Eindruck eines unablässigen Waffenwirbels und ein ungeübter Mensch hätte den Angriffen nicht einmal folgen können, ehe sie ihn in Stücke rissen.
Leana hatte größere Probleme mit ihrem Gegner, welcher äußerst gerissen war und viele ihrer Angriffe einfach ins Leere gehen ließ. Nach dem letzten sprang er plötzlich nach vorne und umklammerte die Schamanin in der Körpermitte. Der Vampir hob sie an und schleuderte sie anschließend zu Boden, wo sie einen Moment keuchend liegen blieb, was ihr Gegner nutzte um ihr einen Stich zwischen die Rippen zu verpassen. Sie keuchte auf, rang nach Luft. Er hatte ihre Lunge zumindest gestreift. Doch hier hatte er es nicht mit einem einfachen Opfer zu tun, Leana sprang wieder auf die Beine und attackierte ungerührt von ihren Wunden weiter. Hier stand keine Dame aus edlem Haus, hier stand eine Bärin und wütete, als wären ihre Jungen in Gefahr.
Mir gelang es endlich zwei Treffer kurz nacheinander zu setzen, die diese Ausgeburt nicht abwehren konnte. Ich riss damit große Stücke Fleisch aus seinem Leib, doch ohne das übliche Blut fiel es mir schwer abzuschätzen, ob mein Gegner bald vergehen oder noch drei Stunden kämpfen würde. Zumindest Ischkur verließ mich nicht und das goldene Strahlen meiner Rüstung schreckte das Biest ab und wenn es traf, dann verhakte sich der Dolch mehr in dem Kettenhemd, als dass es durchdrungen wurde.
Doch die Vampire ließen nicht nach, ihre Bewegungen waren teuflisch schnell und fast jeder unserer Angriffe ging daneben. Leonis‘ Gegner tänzelte um ihn herum, trotz des geöffneten Körpers in dem geschwärzte und verschrumpelte Organe zu sehen waren. Mehrfach trat er ihm von hinten gegen die Kniekehlen und immer wieder erlangte der Kämpfer mit Mühe und Not sein Gleichgewicht wieder. Zumindest Leana gelang endlich wieder ein Treffer, während mich mein Gegner von den Füßen fegte und auf mich stürzte. Ich packte ihn und warf ihn mit aller Kraft von mir, spürte, wie Ischkur meine Muskeln unterstützte. Doch sie brannten unheimlich, ich wusste, lange würde ich es nicht mehr aushalten. Aber noch war ich entschlossen, ob meine Waffen auf und ging erneut auf meinen Gegner los.
Leanas Treffer hatte ihren Gegner gereizt und er griff wilder an denn je. Schließlich schleuderte er seinen Dolch nach ihr, sie wich gerade so aus und fiel ihm damit direkt in die Arme. Brüllend umfasste er ihren Schädel und versuchte ihn herumzureißen, damit das Genick zerbrach.
Es schien ihr Glück, dass der Schweiß ihren Kopf benetzte und es gelang ihr im letzten Moment aus dem Griff herauszurutschen.
Unterdessen traf Leonis mit einem gewaltigen Hieb das Knie seines Gegners. Unter einem Krachen schien das Gelenk zerschmettert zu werden und der Vampir jaulte auf. Nun war er deutlich geschwächt, seine Bewegungen waren nicht mehr so schnell – aber immer noch so schnell, wie ein fähiger Krieger. Den Schmerz schüttelte das Biest mit einem weiteren Zähnefletschen ab und attackierte wieder, die schiere Blutlust in den toten Augen.
Leanas Gegner hatte seinen Dolch wiedergefunden und ging wie ein Wahnsinniger auf sie los. Ohne Rücksicht auf Verluste setzte er Schnitt um Schnitt, schnitt tief und das Blut lief ihr über den Körper. Speichel floss dem Vampir bereits aus dem Maul, er malte sich schon aus, wie er sie austrinken würde. Da bohrte sich sein Dolch bis zum Heft in ihren Oberschenkel. Die Schamanin schrie auf und ging zu Boden. Es trieb mir die Verzweiflung ins Gesicht, doch die Bärin war noch nicht am Ende. Mit dem gesunden Bein trat sie den Vampir von sich und zog den Dolch aus ihrem Bein, während die andere Hand zur Tasche mit einem Heiltrank wanderte.
Unter entschlossenen Ischkur-Rufen starteten Leonis und ich eine weitere Angriffsserie und verstümmelten unsere Gegner noch ein Stück mehr. Doch mit diesen beherzten Schlägen verlor ich den letzten Rest Kraft und hielt mich nur noch durch den Glauben auf den Beinen. Mein Gott würde es nicht zulassen, dass diese Kreaturen weiter auf Midgard wandelten, nicht, wenn er ein williges Werkzeug zur Verfügung hatte. Und so kämpfte ich weiter – wie der Hammer, der niemals ermüdet.
Leonis entging währenddessen gerade so einem gefährlichen Streich gegen seinen Kopf. In meiner Vorstellung hatte sich die Klinge bereits neben seinem Ohr in den Schädel gebohrt, doch der Krieger war äußerst gewandt und dem Angriff in letzter Sekunde entgangen.
Wutentbrannt attackierte er ein weiteres Mal und durchschlug mit seinen Schwertern erst das rechte, dann das linke Schlüsselbein. Tief gruben sich die Klingen hinein und trafen sich im Zentrum des Brustkorbs. Leonis hatte ein „V“ in den Oberkörper gerissen. Ungläubig starrten ihn die toten Augen des Vampirs an, dann verging er zu rotem Nebel.
Unvermittelt stürzte sich jedoch Leanas Gegner von hinten auf ihn und rammte den Dolch in seinen Rücken. Der Söldner ächzte und sank neben der Schamanin zu Boden, ihre verzweifelten Blicke trafen sich.
Rasch warf ich dem Krieger einen Heiltrank zu, den er prompt abkippte. Seine Wangen färbten sich wieder rötlich ein, Leben strömte zurück und er stand auf. Leana war trotz ihres Trunks zu geschwächt, um uns noch zu helfen, aber nun waren es auch „nur“ noch zwei gegen zwei.
Meine Hiebe waren tumb, ihnen fehlte es an meiner gewohnten Präzision, doch es musste reichen, dass ich überhaupt noch stand. Ischkur schützte ich mich vor schweren Treffern, das Leuchten meiner Rüstung war ein Trost in diesem dunklen Moment, da unser Überleben alles andere als sicher war. Und plötzlich gab sich der Vampir eine Blöße! Er hatte zu seinem Gefährten hinübergeblickt, welcher gerade von Leonis attackiert wurde und einen Augenblick, an seinem eigenen „Überdauern“ gezweifelt. Das bewahrheitete ich mit einem Schlag mitten in den Schädel. Knirschend gingen die Knochen auseinander, doch statt Blut zu verspritzen, verging auch dieser Vampir zu einem roten Nebel.
Nun gingen Leonis und ich gemeinsam auf den letzten Vampir in diesem Raum vor. Zwei wirbelnde Schwerter und eine Axt mit göttlicher Unterstützung kamen wie eine Sintflut über ihn und die Treffer kamen im Sekundentakt. Wir waren eingespielt, als hätten wir schon immer gemeinsam gekämpft und schließlich fixierte der Krieger mit seinen Treffern den Vampir, dass ich mit einem mächtigen Streich beinahe den Kopf von den Schultern trennte. Bevor ich das Werk jedoch beenden konnte, verwandelte sich auch dieser Untote in rötlichen Nebel und verließ die Kammer auf der anderen Seite.
Wir packten Leana und machten uns schleunigst auf den Weg zurück nach Dyptiche.

Mindestens zwei Vampire warteten in der Höhle noch auf uns, eher mehr. Dies war eine Aufgabe, bei der wir Unterstützung brauchten und diese verdammten Magier sollten alles aufbieten, um diese Vampire auszurotten. Wie eine Seuche waren sie über die Stadt gekommen und keiner schien es bemerkt zu haben.
Vollgeschmiert mir unserem und vor allem Leanas Blut stolperten wir in Alezzias Zimmer.
„Wir benötigen eure Heilung!“
Zum Glück beherrschte die Elfin im Gegensatz zu den meisten Magiern auch einige Heilzauber und konnte uns schnell versorgen. Doch danach wurde es schwierig mit ihr. Wir forderten die Unterstützung der Magiergilde und bessere Ausrüstung, einige Heiltränke und dergleichen. Teilnahmslos hörte sie uns an, sagte, dass sie vielleicht ein paar Magister werde auftreiben können, gab uns stolze zwei Heiltränke. Das war die verdammte Magiergilde, von einer Vampirpest befallen! Hätten wir es nicht besser gewusst, hätte ich gesagt, sie beschützt diese elenden Blutsauger. Ich war kurz vorm zerplatzen, dass es so wenig Rückendeckung für den Einsatz gab. Wenigstens wies sie uns an, zum Alchemisten zu gehen und dort weitere Mittel einzuholen.
Vorher meditierten wir, doch ich war wegen dieser Erzmagierin und ihrer Neigung, am allerliebsten nichts zu tun zu verärgert, um mich zu beruhigen. Leana und Leonis bekamen dies besser hin und der Krieger holte anschließend seine komplette Vollrüstung, um für den endgültigen Kampf gewappnet zu sein.
Der Alchemist war ebenso so zögerlich, doch blutbefleckt und zornig, wie ich war, schien er wenigstens nicht größere Lust zu verspüren, mich zu verärgern und gab vier Heiltränke an uns aus. Nun etwas besser ausgerüstet trafen wir bei der Höhle ein, wo sich unglaubliche fünf Magister und Alezzia versammelt hatten. Leonis baute sich vor uns auf.
„Wir kämpfen hier nicht gegen irgendwelche Blutsauger! Es sind Verräter aus den eigenen Reihen, eine Bedrohung für ganz Dyptiche! Wir wissen nicht, wie viele noch da drin sind, doch eines sage ich euch, wir werden da hineingehen und wenn wir hinauskommen, wird es keine Vampire mehr geben, die diese Stadt bedrohen könnte! Für Ischkur!“
In den letzten Schlachtruf stimmte ich ein und gemeinsam rannten wir in das Höhlensystem, bereit, die Biester zu vernichten.
Bereits an der „Opferstätte“, wo wir vorhin drei Vampire bezwungen hatten, verloren drei Magister ihren Mut und blieben dort, um „Untersuchungen anzustellen“. Spätestens hier fragte ich mich, ob es diese Menschen wirklich wert waren, beschützt zu werden. Doch gleich vertrieb ich diese lästerlichen Gedanken. Man konnte Schafe nicht dafür verurteilen, Schafe zu sein. Auch wenn sie unsagbar dumm waren.
Aus dem Raum führte ein weiterer Gang und als wir in den letzten Abschnitt dieser Höhle eindrangen, erblickten wir die Opferstätte.
Eine Reihe von Särgen stand aufrecht in Nischen an den Wänden, ansonsten war hier kaum etwas bearbeitet, die Blutsauger lebten tatsächlich wie niedere Kreaturen. Doch sie waren nun in die Enge getrieben und würden alles geben, um zu überdauern.
Elisias war da, auch der Schutzmagus und drei weitere Vampire. Alezzia stürzte sich mit einem grün aufflammenden Lichtschwert auf den abtrünnigen Magister, die Lehrer unsererseits gemeinsam auf Elisias. Für die Streiter Ischkurs blieb wieder jeweils ein Kontrahent.
Diesmal war ich besser auf die Gegner eingestellt, auf ihre raschen Bewegungen und es gelang mir, kurz hintereinander zwei Hiebe in der Seite zu platzieren. Doch der Vampir bleckte nur seine langen Reißzähne und stürzte sich mit seinem Dolch auf mich wie ein Besessener. Zwar gelang es mir, jeden Schlag abzuwehren, doch die Hiebe gegen mein Schild fühlten sich mehr an wie Keulenschläge und es dauerte nicht lange, bis ich wieder verzweifelt um Luft ringen musste und mir meine Seite stach. Ich hatte seit dem letzten Kampf nur wenig Energie regeneriert und musste nun den Preis dafür zahlen.
Leonis focht zu Beginn ebenfalls souverän, doch bald waren seine eigenen, großen Worte verhallt und der schnelle und einfache Sieg blieb verwehrt. Es würde mühselig werden und anstrengend und in der Vollrüstung lief ihm schnell der Schweiß über die Stirn. Doch er war entschlossen… bis ihm bei einem ungeschickten Angriff das Schwert aus der Hand glitt. Der Vampir lachte auf, doch es schien als hätte der Krieger diesen Moment der Ablenkung geplant. Mit dem anderen Schwert stach er einmal durch den Oberschenkel und dem Knirschen nach zu urteilen sogar durch den Knochen!
Ein Mensch wäre zu Boden gegangen und hätte vor Schmerz um seinen Tod gebettelt. Doch der Vampir machte weiter, wenngleich seine Bewegungsfreiheit eingeschränkt war.
Mein Gegner setzte mir weiter zu, versuchte irgendwie den goldenen Panzer zu knacken. Doch Ischkurs Gunst war bei mir, jeder Hieb glitt an seinem göttlichen Schild ab. Das machte den Vampir aggressiver. Schließlich ließ er seine Deckung ganz offen und sprang mir entgegen.
Ich ließ ihn über meinen Schild abgleiten, sodass er hinter mir auf den Boden landete. In einer fließenden Bewegung hieb ich mit der Axt auf sein linkes Bein und versuchte es abzutrennen. Der Vampir jaulte auf, doch untotes Fleisch war zäh, ich schaffte es nicht. Mein Gegner rollte aus meiner Reichweite und stand wieder auf. Er würde weiterkämpfen, auch wenn das Bein nur noch halb an seinem Körper hing.
Leana hielt sich unterdessen zäh, aber der Frontkampf war nicht ihre Leidenschaft. Gegen einen so schnellen Gegner war es kaum möglich, einen Treffer anzusetzen, vor allem wenn die Klinge so klein war, wie die eines Dolches. Aber zumindest hielt sie die feindlichen Angriffe aus, ihre Rindenhaut schützte sie, so wie mich mein goldener Panzer.
Leonis bekam einen Tritt vor die Brust und fiel auf den Rücken, er sah einen Moment aus wie ein zappelnder, in Stahl gehüllter Käfer. Der Vampir setzte nach und schlug auf den Kopf ein, aber der Helm verhinderte alles Schlimmere. Gewandter als erwartet erhob sich der Krieger dann und hieb wieder auf seinen Gegner ein. Aber sein Angriff wirkte unsicher…sah er überhaupt etwas?
Mit dem Unterarm streifte er sich den Helm vom Kopf und rieb das Blut aus den Augen. Diesen Moment nutzte der Vampir und trat gegen das Fußgelenk, in der Hoffnung, Leonis werde wieder zu Boden gehen. Und es knackte hörbar, aber die stählerne Gestalt blieb auf den Beinen. Der Knöchel schien maximal verstaucht und der Krieger ging unvermittelt in den Angriff über.
Einer der Magister ging zu Boden, der Vampir hatte ihm mit bloßer Hand die Kehle aufgerissen. Bei dem Anblick stockte Leana einen Moment…und blieb zwischen einigen Steinen stecken. Ihr Gegner kam näher, um ihre Situation auszunutzen und es zu beenden. Doch die Bärenmutter riss ihren Fuß gnadenlos aus der Falle, es knackte, doch grimmig stach sie wieder nach dem Angreifer.
Dann folgten endlich unsere ersten Erfolge! Leonis spaltete den Schädel seines Kontrahenten mit dem einen Schwert und zerfetzte das Gesicht ein weiteres Mal mit dem anderen Schwert. Scheinbar schien sich dieser Vampir nicht einmal mehr regenerieren zu können, denn er verwandelte sich nicht in Nebel. Leonis schlug trotzdem den Kopf ab, sicher war sicher.
Währenddessen landete ich den gefühlt einhundertsten Schlag, meine Glieder schwer und die Axt noch schwerer – und es reichte! Der Vampir wankte einen Moment, die Klinge im Brustkorb. Dann zerfiel er zu rotem Nebel, welcher in eine der Nischen floss. Im offenen Sarg materialisierte sich seine Gestalt, die Augen geschlossen und scheinbar schlafen. Er würde nachher mit den anderen hingerichtet werden.
Gemeinsam eilten Leonis und ich unserer Kampfgefährtin zur Hilfe, doch deren Gegner schien einer der Gewandtesten zu sein. Keiner unserer Hiebe saß und wir waren zu dritt! Von allen Seiten kamen die Angriffe, doch der Vampir war wie Wasser und schien förmlich jedes Mal zu zerrinnen, wenn man ihn hätte treffen sollen.
Leonis ließ plötzlich erneut seine Waffe fallen, aber Ungeschick oder Taktik, der Blutsauger fiel nicht darauf herein. Während der Chryseier sein Schwert wieder aufhob, gelang es mir endlich, meine Axt wieder im untoten Fleisch zu versenken, dann sprang plötzlich eine Masse Stahl gegen den Vampir und riss ihn von den Füßen. Grinsend blickte Leonis mir zu und mit voller Wucht trieb ich meine Axt in den Brustkorb, dass die Knochen barsten. Das Monster röchelte nicht einmal mehr und der neu gewonnene Streiter Ischkurs trennte mit einer sicheren Bewegung den Kopf ab.
Gemeinsam eilten wir nun dem verbliebenen Magister zur Hilfe, welcher verzweifelt seinen Kollegen verteidigte. Seine Zauber hatten nur mäßigen Eindruck auf den Vampir gemacht und es wurde Zeit, dass wir uns mit geballter Waffengewalt um den Blutsauger kümmerten, welcher sich bereits genüsslich über die Zähne leckte und seinen Dolch zückte. Elisias wirkte kein Stück mehr wie der unschuldige und verunsicherte Novize – er zeigte uns nun sein wahres, hässliches Gesicht.
Meinem ersten Angriff entging er mit Leichtigkeit durch eine Drehung zur Seite und packte Leana am Unterarm. Mit einem Hieb gegen ihr Handgelenk zwang er sie, die Finger zu öffnen und ihre Waffe fiel zu Boden. Leonis wollte ihr zur Hilfe eilen, doch der Novize tauchte einfach unter seinen Angriffen hinweg und hieb ihm dafür in die Seite. Der Krieger ächzte trotz der dicken Rüstung. Plötzlich schoss Elisias‘ Fuß empor und traf den Chryseier am Handrücken. Ächzend fiel auch ihm die Waffe hin. Kurz überlegte ich, ob man den beiden demnächst die Griffe ankleben sollte, doch Leana machte zumindest ihren Fehler gleich wett.
Der Vampir wollte sie nun ein weiteres Mal attackieren, doch sie wich geschickt zur Seite aus, ließ aber den Knöchel stehen. Bei den sonst so schnellen und gewandten Bewegungen der Blutsauger, wirkte dieser Sturz befremdlich, doch er gewährte der Schamanin und Leonis eine Möglichkeit, ihre Waffen aufzuheben.
Nun setzten wir erneut an, einen wahren Klingentanz aufzuführen. Doch Elisias schien darin geübt und vermochte es, nahezu jedem Angriff auszuweichen und ließ sich in keine Ecke drängen. Tatsächlich war es Leana, die plötzlich hinter dem Vampir auftauchte und ihren Dolch ins Schulterblatt bohrte. Sie riss die Waffe heraus und stach gleich wieder zu, dass der Blutsauger quiekte. Ich setzte dazu und schlug gen rechte Seite und riss einiges Fleisch heraus. Aber damit weckte ich seinen Zorn und er sprang mich förmlich an. Ich stolperte nach hinten, öffnete meine Deckung und hätte ein leichtes Ziel abgegeben. Doch das stählerne Monstrum schob sich vor mich und verhinderte einen Treffer.
Leonis schien es nun beenden zu wollen. Zwei Treffer trafen den Gegner mitten ins Gesicht, dass er zu Boden stürzte. Elisias war nun nicht mehr zu erkennen, ein Auge fehlte sowie ein großes Stück der Nase. Die linke Seite wirkte eingefallen, als hätte sich das Jochbein aufgelöst. Doch die Angst vorm Vergehen trieb das Biest erneut auf die Beine, nur um wieder zu Boden geschickt zu werden. Leonis hatte den ehemaligen Novizen in seinem Griff. Weitere Schnitte trafen ihn, als er versuchte, davonzukriechen. Dann reckte er sich noch einmal empor, beinahe sah es aus, als würde er vor dem chryseiischen Krieger knien. Der legte die beiden Schwerter wie eine Schere um den Hals… und schnitt in einer fließenden Bewegung hindurch. Nun würde die verlorene Seele des Mannes ihre Ruhe finden können, so hoffte ich.
Es war Zeit für den letzten Vampir, den verräterischen Magister. Dieser musste der Urheber für die Seuche sein und dementsprechend der mächtigste von ihnen allen. Alezzia hatte ihn bisher kaum mehr als in Schach halten können. Und schnell merkten wir, woran das lag. Der Magister schaffte es, sich stets in Rauch zu verwandeln, wenn ein Treffer nahte. Einen alleine hätte er wohl in wenigen Sekunden in Stücke gerissen, ohne auch nur einen Kratzer zu erleiden. Aber wir waren nicht allein, wir waren die Streiter Ischkurs!
Doch dann ging es ganz schnell, erst packte der Vampir Leana und warf sie wie eine Puppe durch den Raum, dann stieß er seinen Dolch in meine Achsel. Massig Blut spritzend ging ich zu Boden und griff hektisch nach meinem Heiltrank. Leonis hielt den Magister solange in Schach, seine Vollrüstung gewährte ihm ausreichenden Schutz…vorerst.
Dann kamen Leana und ich zurück, auch wenn mein Hals immer noch höllisch brannte und mein Verstand über die Angst siegen musste. Die Schamanin schien keine Zweifel zu kennen und warf sich einfach gegen den Vampir. Dieses Manöver kam selbst für ihn überraschend und es gelang ihr tatsächlich, ihn niederzuringen!
Doch die beiden waren eng miteinander verkeilt und weder Leonis noch ich trauten uns, einen Schlag anzusetzen. Das hätte diesen Kampf vielleicht beenden können, aber ein fehlgeleiteter Treffer gegen die bereits geschwächte Schamanin wäre ihr Tod! Leana schien diese Gedanken zu hören und rollte sich von dem Magister herunter. Mir gelang direkt ein leichter Treffer, der den Blutsauger in seiner Aufwärtsbewegung aus dem Gleichgewicht brachte. Somit war er leichtes Futter für Leonis, der mit ordentlichem Knirschen zwei Treffer landete. Aber es reicht immer noch nicht! Bei meinem nächsten Angriff, wich der Vampir wieder aus, als wäre nie etwas gewesen und er ließ derart Leana ins Leere laufen, dass sie den Dolch gegen die Steinwand schlug. Es knackte hörbar, doch ein sonderbares Zischen und ein helles Flackern entlang der Klinge machten deutlich: diese besondere Waffe brach nicht so leicht!
Dann traf ich wieder, zumindest die Aufmerksamkeit des Vampirs ließ nach. Da war plötzlich Leana wieder da, setzte einen Stich gegen den Hals, der Magister wich vor ihr zurück, starrte sie ungläubig an. „Wie kannst du es…“
Da bohrte sich ihr Dolch tief an die Stelle, wo das Herz saß. Entsetzt blickte der Blutsauger auf den verheerenden Angriff und die lässig grinsende Leana. Unglaublich, die Schamanin hatte ihren ersten Vampir und damit den Anführer der Untoten in Dyptiche getötet!
Ich jubelte, dann dankte ich Ischkur intensiv für seine Unterstützung. Leonis verschwendete keine Zeit und trennte jedem einzelnen Vampir, welcher versuchte, sich in einer Nische zu erholen, den Kopf ab. Alezzia kam auf uns zu und heilte die schlimmsten Wunden.
Leana erkundete eine kleine Kammer, die noch hinter dieser Ruhestätte lag. Doch als ich dorthin kam, war nur noch Schrott übrig. Verrostete Waffen und dergleichen. Einer genaueren Untersuchung unterzogen wir sie nicht. Wären sie besonders, hätten die Vampire sicherlich nicht auf einfache Dolche zurückgegriffen.
Wir verließen die Höhle und beschlossen gemeinsam mit den Magistern, diese Höhle zu versiegeln. Ein halbes Dutzend Feuerkugeln erhoben sich und schwebten gemächlich in das ehemalige Vampirversteck hinein. Dann gab es eine gewaltige Detonation, die uns beinahe von den Füßen holte und der Eingang brach in sich zusammen.
Anschließend kehrten wir nach Dyptiche zurück, wo Alezzia jedem von uns zur Belohnung fünfhundert Goldstücke übergab. Eine absolut überwältigende Bezahlung für die Ausrottung von acht Vampiren. Ich hätte diese Aufgabe zwar sowieso erfüllt, allein um Ischkur zu preisen, doch angesichts des Reichtums einer so großen Magiergilde, schlug uns hier der blanke Geiz entgegen.
Leana erhielt obendrein einen neuen Dolch, welcher unverkennbar mächtig sein musste. Ihren alten gab sie an mich weiter. Des Weiteren gab sie eine Flöte und den Saphir an Alezzia, damit deren Leute Untersuchungen anstellen konnten. Die kleine Schamanin griff alles ab, was bei drei nicht auf dem Baum war…nicht nur bei den Männern.
So endete unsere erste Aufgabe in Dyptiche, zur „Probe“ hatten wir eine ganze Vampirpest ausgerottet. Angespannt erwarteten wir, was Alezzia eigentlich von uns wollte …

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