Das Ende unserer Lernzeit in Ministry kam und zu dieser Zeit fanden die Magier in ihren Fremdenchroniken die Person zu welcher der Siegelring aus dem versunkenen Schiff gehörte. Es war Walwar MacBeorn aus Haelgarde. Es handelte sich bei ihm um einen Adeligen, welcher in vielen Ländern Midgards unterwegs war und sich selten scheute, Investitionen einzugehen, um Gewinn zu machen. Sein Gold steckte er unter anderem in verschiedene Gasthäuser in Alba, welche alle den Namen „Zur Goldenen Henne“ trugen. Er versuche damit etwas aufzubauen, was die Magier mir gegenüber als „Kette“ beschrieben. So ganz folgen konnte ich diesem wirtschaftswissenschaftlichen Firlefanz aber nicht.
Feststand jedoch, dass man mit dem Siegelring wohl einigen Schabernack treiben könnte und dieser Adelige sicherlich froh war, wenn man ihm diesen wiederbrachte. Daher begannen wir mit der Planung einer Reise in dieses Alba auf der anderen Seite des Meeres.
Zunächst verkauften wir unsere Ponys, da wir ihnen eine Schiffsreise nicht zumuten wollten. Außerdem schien meines bereits etwas „gebraucht“ angesichts der Lasten, die ich ihm zugemutet hatte.
Anschließend gingen wir zuversichtlich zur Hafenbehörde, um ein Schiff zu finden, was uns nach Alba bringen würde. Jedoch gerieten wir bald in eine gruppeninterne Diskussion, wie wir vorgehen wollten. Ixcalotl wollte stumpf den verlangten Preis von zweihundert Gold pro Person annehmen, da er sich irgendwie mehr Gold bei unserer letzten Unternehmung erarbeitet als wir. Nun war Leana jedoch auf Grund ihrer Ausgaben während der Lernzeit vergleichsweise arm geworden und konnte die Bezahlung nicht aufbringen.
Nachdem wir diese erste Feststellung gemacht hatten, fragte ich den etwas irritierten Verwalter nach einer billigeren Überfahrt. Es stellte sich jedoch heraus, dass kein Kapitän einen geringeren Preis verlangte – zumindest im Rahmen der Schiffsklassen mit denen man auch mehrere hundert Meilen über das Meer segeln wollte.
„Nun gut. Jungs, wer kann mir die Überfahrt zahlen?“, fragte Leana.
„Eigentlich habe ich dich ja schon in den vergangenen Wochen reichlich unterstützt…“, musste ich zunächst feststellen.
„Ich bezahle dir die Überfahrt sicher nicht!“, kam es unwirsch von Ixcalotl, der dabei seinen prall gefüllten Goldsack hinter dem Rücken zu verstecken suchte.
So ging es noch kurz hin und her und schließlich bezahlte ich die Überfahrt für Leana und mich, wonach ich schließlich fast weniger Gold als sie hatte und nahezu mittellos war. Währenddessen war Ixcalotl mehr als zufrieden mit sich und gab großzügig fünfzig Goldstücke an unsere Schamanin ab. So richtig warm würde ich mit dem Nahuatlani nicht werden…
Zumindest der Hafenverwalter war am Ende glücklich – dass wir endlich gingen und er sich um die Schlange kümmern konnte, die sich hinter uns gebildet hatte.
Bei dem Schiff handelte es sich um die „Wellenreiter“, einem stolzen Dreimaster mit großer Besatzung und reichlich Platz an Bord, sodass jeder eine eigene Kabine erhielt.
Zu Beginn der Reise und fortan an jedem Tag betete ich zu Ischkur, dass er uns eine sichere Überfahrt bescheren möge. Ixcalotl begann sich die Zeit mit Trommelspiel zu vertreiben, während Leana ankündigte Querflöte spielen zu wollen, um die Matrosen zu motivieren. Zugegebenermaßen etwas der Jugend verhangen konnten der Zollbeamte und ich uns nicht ein kleines, schäbiges Grinsen verkneifen. Etwas erbost griff die Schamanin zu ihrem Musikinstrument und ignorierte uns erst einmal.
Die Tage vergingen zunächst ruhig und sanft glitten wir unserem Ziel entgegen. Der achte Tag brachte jedoch eine überraschende Wendung, als sich zwei schnelle, aber kleine Segler links und rechts neben uns in Stellung brachten. Die johlende und mit Schwertern fuchtelnde Besatzung machte schnell deutlich, dass es sich hierbei um Seeräuber handelte.
Lediglich zehn Matrosen waren wirklich waffenfähig und das auch scheinbar nicht sonderlich sicher, wie sie sich verzweifelt an ihre Säbel klammerten. Wir waren allerdings zuversichtlich, diesen Mangel ausgleichen zu können und bereiteten uns auf den Kampf vor. Intensiv betete ich zu Ischkur und spürte wie mich seine göttliche Macht durchflutete. Unglaubliche Kraft floss durch meinen Körper und ich fühlte mich stark wie noch nie in meinem Leben. Für alle Umstehenden wurde die Gnade meines Gottes durch das sanfte, goldene Leuchten meiner Kettenrüstung sichtbar.
Fest packte ich meine Axt und erwartete mit Leana auf Backbord die Piraten, während Ixcalotl sich Steuerbord zuwandte.
Dann sprangen die Piraten zu uns hinüber, lediglich sechs an der Zahl. Sie kamen wohl aus allen Teilen der Welt und sahen ziemlich verwildert aus. Ischkurs gerechte Strafe würde sie nun ereilen!
Leana und mir wandte sich ein Mann zu, der wohl aus der tegarischen Steppe stammen mochte, den Gesichtszügen nach zu urteilen. Sein Enterbeil in der Hand ging er entschlossen auf uns zu.
Ich empfing ihn mit einem mächtigen Hieb gegen den linken Arm. Meine Geschwindigkeit verblüffte den Angreifer, sodass seine Ausweichbewegung lediglich verhinderte, dass er sein Gliedmaß gänzlich verlor. Doch sein Zorn anschließend war groß und er deckte mich mit einigen Schlägen ein, dass es mir bei einer Parade schließlich die Axt aus der Hand hieb. Mich hinter meinem Schild schützend griff ich schnell nach der Waffe. Der Mann hatte sich kurz sicher gefühlt und wollte Leana attackieren, da spaltete meine Axt seinen Schädel. Die Schamanin war sichtlich froh, denn eigentlich hielt sie sich aus den Kämpfen lieber zurück, soweit dies möglich war.
Nun konnte ich mich kurz orientieren und erblickte einen weiteren toten Piraten, welcher jedoch zwei Matrosen mit sich gerissen hatte. Bei Ixcalotl sah es auch nicht besonders gut aus, seine Bewegungen wirkten bereits lahm und kraftlos, während sein Gegner, nur einmal getroffen, agil um ihn herumtänzelte. Dann trat ein weiterer hinzu und in Zusammenarbeit wollten sie den Zöllner niedermachen.
Leana und ich brauchten uns gar nicht abzusprechen und eilten dem Begleiter direkt zur Hilfe.
Während die Schamanin alles tat, um die Aufmerksamkeit von dem in Bedrängnis geratenen Nahuatlani abzulenken, zerschmetterte Ischkurs Macht mittels meiner Axt den Schädel eines weiteren Piraten. Im Hintergrund stach ein anderer wieder einen Matrosen ab, woraufhin sich dessen Freund auf ihn warf. Jeweils durchbohrt von ihren Waffen rollten sie sich ineinander verschlungen auf den Planken, bis beide tot liegen blieben.
Nun wandte ich mich dem dritten Seeräuber zu, der gerade Ixcalotl zu Boden zwang. Der hatte gesehen, was ich mit seinen Begleitern angestellt hatte und zögerte wohl kurz, ob er sich ergeben sollte. Dummerweise entschied er sich für einen schwächlichen Versuch, mich anzugreifen. Mit einem Hieb schlug ich ihm den Säbel aus den Händen und mit dem nächsten öffnete ich seine Bauchdecke, dass die Gedärme geräuschvoll auf dem Boden prallten. Einen Moment lang vermochte der wohl aus Süden kommende Mann auf dieses Grauen zu starren, dann fiel er rücklings von der Reling.
Der letzte Angreifer näherte sich uns nun. Seine Lage war aussichtslos, doch er wollte wohl verzweifelt Rache für seine Begleiter üben. Er schien ein äußerst fähiger Kämpfer, denn er focht mit zwei Säbeln zugleich und in einer mir fremden Sprache brüllte er uns bitterliche Flüche zu.
Zur Antwort versetzte ich ihm erst einmal einen ordentlichen Treffer, der ihn fast aus den Stiefeln warf. Der Anführer der Piraten erzitterte sichtlich vor Ischkurs Macht und traute sich gar nicht erst, mich noch zu attackieren. Stattdessen versuchte er sein Glück bei Leana, um überhaupt jemanden mitzunehmen. Doch die Schamanin tänzelte ihm geschickt aus, sodass er sich beim Ausfall die Blöße gab. Mit einem wuchtigen Hieb sprengte ich seinen Brustkorb und sofort tot sackte der Pirat zu Boden.
Damit waren die Angreifer besiegt – Ischkur hatte seinen Zorn schrecklich wüten lassen. Es erfüllte mich mit Ehrfurcht, dass mein Gott mir solche Kraft verliehen hatte und ich ging direkt auf die Knie und betete.
Währenddessen kümmerte sich Leana um den Zöllner und die Matrosen schmissen die Leichen über Bord. Die beiden Piratenschiffe waren längst verschwunden, zu arg hatten sie Blut spritzen und Gedärme fliegen sehen.
Zwölf Tage später erreichten wir endlich Haelgarde, die große Handelsstadt in Alba. Unsere Zeit an Bord hatte gereicht, um uns rudimentäre Brocken Albisch anzueignen bzw. Leana hatte sogar einiges Geschick in dieser Sprache erlangt und sprach beinahe fließend.
Die „Goldene Henne“ lag in Sichtweite des Hafens, sodass wir unser Reiseziel schnell gefunden hatten.
Es handelte sich um ein vergleichsweise durchschnittliches Gasthaus, was zum Zeitpunkt unserer Ankunft aber recht gut besucht war. Hier schlug Lage wohl Qualität. Und, wie sich nach einem Gespräch mit dem Wirt herausstellte, dies galt besonders für den Preis.
„Grüße, Wirt. Wie viel kosten Zimmer hier für die Nacht?“
„Gruß euch, mein Name ist David und ein Einzelzimmer hier kostet zehn Goldstücke für die Übernachtung.“
„Mit Essen?“
„Natürlich ohne!“
Da klappte uns spontan die Kinnlade herunter. Wir begnügten uns vorerst mit einem Abendessen und beschlossen auf Walwar zu warten, welcher, so David, heute noch kommen wollte, um den Gewinn des Hauses abzuholen. Das dürfte bei der Wegelagerei ja eine Menge sein.
Nach und nach zogen die Gäste von dannen. Tatsächlich schien es mir, dass nur die wenigsten die überteuerten Kosten für die Übernachtung auf sich nahmen. Aber wenn es diesem David bzw. Walwar lukrativ vorkam…
Schließlich trat jemand ein, der direkt unsere Aufmerksamkeit erregte. Er war ziemlich groß, selbst Ixcalotl musste er um einen Kopf überragen. Dazu trug er einen teuren Pelzmantel sowie einen dieser merkwürdigen Röcke, dessen grelle Farben und bizarren Muster sicher im Dunkeln leuchteten.
Zielstrebig ging er in den hinteren Bereich der Wirtschaft, wo er wohl seine Investitionsgeschäfte abwickelte, denn mit Sicherheit war diese auffällige Gestalt Walwar MacBeorn. Das bestätigte auch David, der dafür kurz zu uns hinüberhuschte. Leana bat ihn, den Adeligen nach Abschluss der Geschäfte zu ihnen zu schicken.
Kurze Zeit später kam der Mann auch und er machte einen zufriedenen Eindruck, die Geschäfte liefen wohl besser, als ich das eingeschätzt hatte. Leana eröffnete das Gespräch, immerhin sprach sie am besten Albisch.
„Seid gegrüßt, Walwar MacBeorn. Meine Begleiter Abedi, Ixcalotl und ich, Leana, haben vor einigen Wochen einen Siegelring gefunden, welchen die Magiergilde von Ministry als den Euren identifizierte. Es erschien uns als das einzig richtige, ihn Euch zu überbringen, bevor jemand Unheil anrichtet.“
Diesen Worten ließ ich Taten folgen und übergab Walwar den Ring. Dieser musterte ihn kurz, aber ohne wirkliche Begeisterung. Dennoch wandte er sich anschließend mit breitem Lächeln wieder Leana zu.
„Vielen Dank für diesen Fund. Sagt, schöne Frau, wo habt Ihr den Ring gefunden?“
„Wir fanden ihn in einem auf Riff gelaufenem Schiff.“
„Hm, ja. Das kann durchaus sein, vielleicht wurde er mir gestohlen. Es ist sehr schön, dass Ihr mir den Ring gebracht habt. Hier, euer Schaden soll es nicht sein!“
Dabei schob er jedem von uns ein kleines Säckchen Gold rüber, ohne Ixcalotl und mich eines Blickes zu würdigen. Ich brauchte nicht einmal hineinzuschauen, um zu wissen, dass das nicht einmal die Reise hierher wieder wettmachte. Auch Leana schien zu merken, dass wir hier übertrumpft wurden.
„Walwar, würdet Ihr uns einige Zeit eine Wohnung in der „Goldenen Henne“ bezahlen?“, begann sie die weitere Verhandlung.
„Nun, Ihr dürft gerne in meinem Haus nächtigen, Leana. Ich besitze ein äußerst prächtiges Anwesen in der Stadt, genug Platz für uns zwei.“
„Und meine Freunde?“
„Die finden doch sicher was, sind doch gestandene Abenteurer.“ Der süffisante Ton brachte mich fast dazu, mich zu vergessen, doch ich beherrschte mich. Jähzorn war keine der Tugenden, die Ischkur von den Menschen forderte.
„Nun, es wäre mir deutlich lieber, wenn wir hier unterkommen könnten.“
„Aber sicher doch, Leana. Ich scherze lediglich“, darauf winkte Walwar David herbei. „Mein Freund, würdest du ein Doppelzimmer für die Dame und mich bereit machen. Ihre Begleiter beziehen Betten im Gemeinschaftsraum.“
Der Wirt nickte geflissentlich und wollte schon davonwuseln, da hielt Leana ihn auf.
„Ich hätte gerne ein Einzelzimmer. Und meine Gefährten jeweils auch eines.“
Walwar lächelte verschmitzt. „Nun, Abedi und Ixcalotl sollen ihre Einzelzimmer meinetwegen bekommen. Und wenn du es kuschlig magst, nehmen wir uns eben…“
„Ich schlafe alleine!“ Und Leana sah wirklich nicht mehr so aus, dass sie zu Scherzen aufgelegt war. Ich musste daran denken, wie sie im Kampf in Raserei verfiel und der Gedanke, dass sie Walwar die Augen auskratzte, belustigte mich zugegebenermaßen ein wenig.
Walwar gab sich mit dem Korb zufrieden, veranlasste alles dementsprechend und ging dann hinaus. Erleichtert seufzte ich auf.
„Dieses Alba geht mir ziemlich…“, begann ich auf Tegarisch, da setzte sich wieder jemand zu uns an den Tisch. Allerdings war diesmal der Anblick etwas angenehmer.
Eine umwerfend schöne Frau setzte sich zu uns, wenngleich sie bereits etwas älter als wir war. In ihren Händen trug sie vier Bierkrüge, die sie uns großzügig hinstellte.
„Hallo Reisende, mein Name ist Sylvana“, hauchte sie mehr, als das sie es sagte, und strich sich über das eng anliegende Kleid, welches ihre ansprechenden Kurven deutlich betonte. „Ich bin die Frau Davids und immer sehr neugierig, was Menschen aus fernen Ländern zu erzählen haben.“ Ihre Worte unterstrich sie mit einem aufreizenden Augenaufschlag.
Dem Bier folgte Schnaps, welchen ich dankend an Leana weitergab. Eine Runde jagte die nächste und der Zöllner und die Schamanin kamen richtig in Erzähllaune. Etwas distanziert betrachtete ich das Schauspiel der immer röter werdenden Köpfe, die immer geschwollenere Zungen beinhalteten. Gegen Ende des Abends wurde ich aus dem Geschwätz nicht mehr wirklich schlau, allerdings hatte die Zahl der Gläser auch längst das überschritten, was ich zu zählen im Stande war.
Etwas misstrauisch war ich dieser Sylvana gegenüber schon. Aber trotz der Tatsache, dass ich kein guter Menschenkenner war, schien es mir, dass diese Frau nur eines wollte. Und ihre entsprechenden Offerten wurden immer deutlicher. Sie schien auch nicht abgeneigt mit Ixcalotl und Leana…
Meine abschweifenden Gedanken wurden jäh unterbrochen, als plötzlich Ixcalotl laut anfing zu beten! Bis jetzt hatte ich gar nicht wirklich mitbekommen, dass es sich bei dem Zöllner um einen gläubigen Mann handelte. Irgendetwas lallte er von einem „Iggiballa“, schrie plötzlich vor Freude auf und ein Ruck schien durch seinen Körper zu fahren. Das musste spätestens das Zeichen sein, endlich schlafen zu gehen. Bevor der Nahuatlani anfing Amok zu laufen…
David schien meine Gedanken lesen zu können und kam hinüber. Er machte einen säuerlichen Eindruck, kein Wunder, versuchte seine Frau ihn offensichtlich vor seinen Augen mit dahergelaufenen Fremden zu betrügen.
„Ich denke, es wird nun Zeit, dass ihr zu Bett geht. Es ist schon spät und morgen muss ich wieder früh aufmachen…“ Es war ein deutlicher Befehl.
„Isch will aber noch nisch geh…*hicks*… möschde noch bisschi mit meinen neuen Freunden f-f-feiern!“, begehrte Sylvana auf. Als sie aufstand um sich gegen Davids sanften Druck zu wehren, kippte sie prompt gegen ihn.
Nun sprang auch Leana auf. „Aba willisch! Isch denge, wi sin al jenuch um *hicks*… äh… su mache… *hicks*…“. Wir werden nie erfahren, was sie eigentlich sagen wollte, denn sie rutschte aus und war eingeschlafen ehe sie den Boden berührte.
Ixcalotl verhalf sein göttlicher Zorn immerhin dazu, nicht einzuschlafen. Allerdings gelangte er nur krabbelnd die Treppe hoch. Alles andere wäre bei seiner Balance auch selbstmörderisch gewesen!
Leana trug ich in ihr Zimmer, dann ging ich in meins und schlief beruhigt ein, dass sich meine Freunde nicht an einem Ehebruch beteiligten.
Doch der Friede währte kurz. Gerade war ich eingeschlafen, da ertönte bereits ein Hilfeschrei. „Sylvana! Sylvana!“ Es war eindeutig David, der da rief.
Mein Kampfinstinkt war geweckt und ich sprang blitzschnell aus dem Bett. Im Vorbeigehen griff ich meine Axt und den Schild – eine Sache der Gewohnheit, wenn es mich nachts aus dem Bett riss.
Die Rufe kamen aus dem Schlafzimmer des Wirts, wo er ratlos herumstand und immer wieder laut den Namen seiner Frau rief. Das Fenster war geöffnet, es gab keinerlei Spuren von einem Kampf.
„Was geschehen?“, fragte ich in meinem gebrochenen Albisch.
„Meine Frau wurde entführt! Seht, das Fenster steht offen und sie ist weg!“
Da ich keine Spuren einer gewaltsamen Entführung sah und an die Trunkenheit der Dame denken musste, kam mir jedoch ein anderer Gedanke: „Frau durch Fenster um machen Feier?“
„Nein, sowas hat sie doch noch nie gemacht! Meine Sylvana doch nicht.“
„Aber Frau heute sehr voll mit Bier. Sie nicht wollen schlafen. Sollten warten, morgen sie wieder da.“
Ich konnte mir bei bestem Willen nicht vorstellen, dass eine betrunkene und offensichtlich sehr lüsterne Frau einfach von ihrem Mann ins Bett geschickt werden konnte. David schien sich zu beruhigen.
„Na gut. Wir sollten wirklich eine Nacht darüber schlafen. Morgen ist sie bestimmt wieder da…“
So gingen wir wieder zu Bett, die Schnapsdrosseln, welche meine Gefährten darstellten, waren nicht erst aufgestanden.
Am nächsten Morgen stellte ich meinen Irrtum fest. Sylvana war nicht wiedergekehrt, doch diesmal war es David, welcher ziemlich ruhig war. „Warten wir noch bis zum Mittag!“
Die Zeit nutzte ich, um das Zimmer des Wirts sowie die Stelle draußen unter dem Fenster zu untersuchen. Die Nachbarn, welche mit mir sprechen wollten, hatten die Nacht ebenfalls nichts gesehen und nichts gehört. Leana und Ixcalotl tranken während dieser Zeit viel Wasser, um die Alkoholdämonen aus ihrem Körper zu schwämmen. Ganz helfen wollte es aber nicht und als die Sonne ihren Höhepunkt erreichte, machten sie immer noch einen äußerst lädierten Eindruck.
David kam zu uns, sichtlich besorgt, aber da war noch etwas anderes. Irgendetwas an seinem Verhalten war schon die ganze Zeit seltsam gewesen…
„Nun, meine Freunde… ich muss etwas gestehen. Ich habe Sylvana entführen lassen.“
Wir staunten nicht schlecht, ließen den Wirt aber weiter sprechen.
„Ich war es leid, dass sie immer wieder fremde Männer angegraben hat. Ich wollte ihr einen Denkzettel verpassen, doch der Entführer und ich hatten ausgemacht, dass er sie heute Morgen wiederbringt. Aber es gab keine Nachricht von ihm. Was soll ich denn nun tun?!“
Zunächst musste ich dem Verlangen nachgeben und sagen: „Du sein dumm. Nicht gedacht an andere Wege? Wie sprechen?“
„Ich gebe zu, ich habe Mist gebaut. Aber bitte helft mir, meine Sylvana wiederzufinden!“
„Wie heißt denn der Entführer?“, fragte nun Leana.
„Sein Name ist Flynn. Flynn MacGungbang aus dem Elendsviertel.“
Im Folgenden erklärte er uns den Weg zum dem „Geschäft“ des Verbrechers. So war die ganze Sache natürlich ziemlich einfach, wenngleich wir immer noch zwei Stunden brauchten, bis wir uns durch Haelgarde durchgekämpft hatten und zwischen den dahinrottenden und allgemein sehr baufälligen Häusern des Elendviertels standen.
Flynn selbst war „stolzer“ Besitzer eines Bretterverschlages, welches sich Gebäude schimpfte. Zunächst wollten wir sicher gehen, dass wir richtig waren und klopften an.
Ein Mann öffnete uns. Fettige Strähnen seines blonden Haares hingen ihm ins Gesicht, welches ebenfalls keinen sonderlich gepflegten Eindruck machte. Beim Sprechen offenbarte er lückenhafte, gelbe Zahnreihen, aus denen unangenehmer Gestank quoll. Wer würde ihm nicht vertrauen?!
„Hallo, wer seid ihr und was wollt ihr?“
„Seid Ihr Flynn MacGungbang?“
„Ja, der bin ich“, und er reckte sein Kinn stolz empor.
„Nun denn, wir suchen Sylvana…“
„Ah ja!“, der Mann schien direkt zu verstehen. „Sie ist unten, aber gerade noch mit drei anderen beschäftigt. Ihr könnt später wiederkommen, um ihre Dienste in Anspruch zu nehmen. Sie ist gut…aber ich warne euch vor, sie ist auch sehr teuer! Also bringt nachher lieber prall gefüllte Goldsäcke mit.“
Ich musste mich beherrschen, um dieser widerlichen Kreatur nicht hier und jetzt den Schädel zu spalten. Aber ein Überraschungsangriff wäre womöglich die bessere Lösung und so blieb ich ruhig, als Leana sagte: „Wir sehen uns dann später.“
Flynn nickte und zog die Tür zu. Wir drei gingen in eine Seitengasse und begannen direkt uns vorzubereiten.
Dann drangen wir in das Haus ein. Im Erdgeschoss befand sie nichts weiter, als ein paar dreckige Liegen, nichts von Interesse. Einen Aufbau gab es nicht, so konnten wir direkt in den Keller vordringen.
Aber wir wurden bereits erwartet!
Flynn stand mit drei Kumpanen bereit, aber von Sylvana war nichts zu sehen. Der scheinbare Anführer dieser Bande spie aus und schmetterte uns entgegen: „Ihr Narren. Das Elendsviertel ist mein Gebiet. Denkt nicht, ich hätte nicht längst gewusst, dass ihr kommt. Nun werdet ihr drin sterben, denn Sylvana gebe ich nie mehr her!“
Dann stürmten wir aufeinander zu und ein wildes Hauen und Stechen setzte ein. Leana und Ixcalotl gingen jeweils in Zweikämpfe, während ich mich neben einem Handlanger auch mit Flynn herumschlagen musste.
Wir schlugen uns durch den gesamten Keller, wo allerlei Unrat herumlag. Ich verlor den Überblick, was meine Gefährten taten, denn meine Kontrahenten schienen ein eingespieltes Paar zu sein und deckten mich mit etlichen Angriffen ein. Schließlich stolperte ich über herumliegende Lumpen! Am Boden liegend schützte mich nur mein Schild vor den wilden Hieben meiner Feinde, doch er sollte mir lange genug Schutz geboten haben. Unter dem Axthieb von Flynns Handlanger spaltete er sich mittig auf. Unbrauchbar geworden, schleuderte ich ihm diesen Rest ins Gesicht und sprang auf.
Flynn war nun einen Moment alleine mit mir und ich konnte sein Unbehagen direkt spüren. Im Vertrauen auf Ischkur ließ ich meine Deckung offen und schlug wie wild auf ihn ein. Ein Treffer gegen das Bein ließ mich hinken, doch mein Gott bewahrte mich vor Schlimmeren. Ebenso ein Hieb gegen den Arm, welcher nahezu wirkungslos abglitt. Dann waren Flynns Kräfte erschöpft und mit einem ordentlichen Schwinger meiner Axt hieb ich seinen rechten Arm nahezu ab, mit dem nächsten schickte ich ihn zu Boden.
Sein Untergebener oder was auch immer er für eine Rolle spielte, schritt nun wieder auf mich zu – doch auch seine Arme waren mittlerweile erlahmt und es war mir ein Leichtes diesen schwerfälligen Aktionen auszuweichen. Schließlich riss ich ruckartig meine Axt empor und zerfetzte die Kehle des Unholds. Fassungslos strich der sich mit der Linken über die klaffende Wunde, versuchte etwas zu sagen. Doch nur Blut strömte aus seinem Mund und im nächsten Moment sackte er zu Boden.
Einen Moment der Ruhe gönnte ich mir und atmete tief ein. Bereits war mir klar, dass ich ohne Ischkurs Hilfe nicht mehr stehen würde. Doch leider schützte mein Gott nur die wahrhaft Gläubigen, wie ich sah. Ixcalotl wurde soeben am Kopf getroffen und sank mit einer üblen Platzwunde gegen die Wand. Schwächlich reckte er sein Schlachtbeil ein weiteres Mal seinem Gegner entgegen, welcher es ihm nur lachend aus der Hand schlug. Doch den Todesstoß wollte er noch nicht setzen, stattdessen lief er zu seinem Mitstreiter, welcher mit Leana rang. Was der Schamanin an Kraft fehlte, machte sie durch Wildheit wett. Sie erglühte in einem Zorn, wie ihn sonst nur Mütter bei der Verteidigung ihrer Jungen in sich trugen.
Sofort eilte ich der Moravin zur Hilfe und erwischte den ursprünglichen Gegner Ixcalotls auf dem falschen Fuß. Kaum hatte er mich wahrgenommen, da traf ihn bereits der erste Streich in die Kniekehle. Es riss ihn zu Boden und ehe er sich neu orientiert hatte, verteilte meine Axt seinen Schädelinhalt auf dem Stein.
Nun gingen Leana und ich gemeinsam gegen den letzten von Flynns Handlangern vor. Die Flucht war ihm versperrt, so entfachte er in sich die Flamme der Verzweiflung und hieb stürmisch auf uns ein. Doch blinder Wut war selten die Hilfe des Kämpfers, denn er öffnete seine Flanke. Meine Axt grub sich tief unter seinen Rippen ein und erreichte die Körpermitte. Als ich sie herausriss spritzte das Blut nur so und der Mann hauchte sein Leben aus.
Unsere Schamanin half zunächst Ixcalotl auf die Beine, der ihr kurz dankte und sich dann zur Meditation in eine Ecke des Raumes zurückzog. Währenddessen überprüfte ich den Status unserer Feinde. Das Ergebnis war für unsere Zwecke perfekt. Die Handlanger waren tot und Flynn hatte noch ein wenig Leben in sich, sodass er uns würde verraten können, wo Sylvana war.
Zu diesem Zweck verarztete Leana ihn, aber ich fesselte ihn sogleich.
„Wo ist Sylvana?!“, leitete die Schamanin das Verhör ein.
„Ich werde nichts sagen, sie ist mein!“
Die Schamanin schlug ihm ins Gesicht. „Wo ist sie?“
„Ich sage euch nichts, hinterher werdet ihr mich töten!“
Leana blickte ich mich fragend an. Ich verstand und hieb dem Mann meinen Metallhandschuh ins Gesicht. „Du nicht in Lage zu handeln. Deine Freunde tot. Du auch wenn nicht sprechen.“
„Aber spätestens, wenn ich etwas sage, bin ich auch tot!“, jammerte der Entführer. Doch ich hatte keine Gnade mit ihm. In Urrutti waren Menschenhändler eine schlimme Plage und zerstörten viele Menschenleben. Einen solchen zu quälen, schien mir nur rechtens.
Aber man musste im Verhör auch andere Mittel als die Faust kennen.
„Wir dich nicht töten, wenn bringen uns zu Sylvana.“
„Ich kann euch den Weg beschreiben! Dann lasst ihr mich frei! Sonst kann ich mir nicht sicher sein.“
Nach dem nächsten Hieb mit der metallenen Faust verteilten sich einige seiner restlichen Zähne auf dem Boden.
„Du! Nicht freikommen! Wir dich geben Behörde, wenn Sylvana frei.“ Langsam weckte diese Kreatur meinen Zorn.
An die anderen gewandt, aber sehr wohl in Albisch, sagte ich: „Sollten schneiden sein Ding ab.“
Flynns Augen weiteten sich vor Angst, aber Leana schien diese Vorgehensweise ebenfalls zu hart zu sein. Nun übernahm sie wieder: „Also Flynn. Du führst uns zu Sylvana, dann liefern wir dich der Stadt aus, du bekommst einen Prozess. Andernfalls überlassen wir dich Abedi.“
Schließlich gab der Mann sich geschlagen und wir konnten los. Die Hände auf den Rücken gefesselt trieb ich Flynn vor mir her, was unsere Geschwindigkeit enorm senkte und uns einige entsetzte Blicke einbrachte. Doch wir waren auch im Elendsviertel und hier scherte sich keiner wirklich um solcherlei Dinge.
Unser Ziel offenbarte sich als matschiger und verwilderter Erdhügel. Es bereitete mir einige Schwierigkeiten, mich mit Flynn nach oben zu schleppen, doch schließlich erreichte ich meine vorgeeilten Gefährten. Der Entführer offenbarte uns einen Geheimeingang hinter einem riesigen Gebüsch.
Ein Gang führte hier spiralförmig nach unten. „Was für Höhle das, Flynn?“, fragte ich den Gefangenen unwirsch.
„Genau weiß ich es nicht. Ich habe sie vor einiger Zeit entdeckt und da keiner Anspruch erhoben hatte, ist sie nun mein.“
Meine Begleiter und ich tauschten zweifelnde Blicke aus und beschlossen extrem vorsichtig zu sein. Von dem Weg nach unten zweigten auf den folgenden Metern immer wieder Türen oder Gänge ab, doch unser erstes Ziel war Sylvana. Und tatsächlich: ohne Schwierigkeiten erreichten wir sie am Ende dieser Höhle, geschwächt und an die Wand gekettet. Doch ihr Gesicht hellte sich auf, als sie uns sah.
„Meine Freunde“, sagte sie mit schwacher, brüchiger Stimme. „Es ist so schön, dass ihr gekommen seid.“ Flynn schenkte sie nur einen hasserfüllten Blick.
Leana kümmerte sich um sie, dann konnten wir nach Haelgarde zurückkehren. Bevor wir Sylvana zurückbrachten, wollten wir jedoch erst den Entführer zur Stadtwache bringen. Allerdings entpuppte sich jene nahe des Elendsviertels als korrupt, denn sie würden Flynn nur als „Ehrenmann“ kennen.
Bei der nächsten Kaserne hatten wir mehr Glück, denn der Offizier war fest entschlossen, den Entführer zu verurteilen. Allerdings schien auch hier meine Empfehlung der Entmannung nicht gut anzukommen. Vielleicht sollte ich dieses urruttische Bestrafungsritual in meiner Heimat lassen…
Dann brachten wir Sylvana zu ihrem Mann zurück und noch ehe wir die Frau aufklären konnten, beichtete David seine Tat. Doch anstatt empört zu gehen, meinte Sylvana, sie würde einsehen, dass sie ihm manchmal Unrecht getan hatte und gelobte Besserung. Ungläubig sahen wir zu, wie die beiden sich gegenseitig verziehen, als wäre nichts gewesen. Diese Albai waren speziell. Sehr speziell. Und geizig.
David gab uns lediglich die Zusage, dass wir zwei Wochen kostenlos bei ihm in der „Goldenen Henne“ nächtigen dürften und verteilte an jeden zehn speziell behandelte Fladenbrote, welche extrem lange haltbar waren, so seine Aussage.
Wir beließen es dabei und kehrten zum Hügel zurück. Diesmal war ich es, der an den anderen beiden vorbeispurtete und still in mich hineinlächelte, während ich meinen Gefährten zusah, wie sie sich hochquälten.
Nun begannen wir mit der genauen Erkundung dieser Höhle und fanden zunächst linkerhand einen kleinen See, welcher äußerst einladend aussah. Das Wasser war klar und offenbarte keine Gefahren, doch Leana und ich blieben skeptisch. Zwar hatten wir bereits in der Tegarischen Steppe gute Erfahrungen mit heilendem Wasser gemacht, aber sicher konnte man sich da nicht wirklich sein. Aber zum Glück hatten wir Ixcalotl dabei, welcher zunächst seine Hand hineintunkte und nach einer kurzen Zeit wohlig grinsend komplett hineinstieg.
Seinem Beispiel folgend entkleideten wir uns auch und stiegen in den See. Das Wasser war angenehm warm und trieb jeden Schmerz aus unseren Muskeln. Nach kurzer Zeit und einigen Bahnen bemerkten wir, dass sich unsere Wunden geschlossen hatten und wir waren vollkommen erholt.
Verblüfft entstiegen wir dem See und rüsteten uns wieder aus. Solche Orte mussten wahrlich von Telipina gesegnet sein, dem Bruder Ischkurs und Spender des Lebens.
Zunächst fanden wir eine kleine Höhle, in der eine Bärenmutter und ihre Jungen schliefen. Wir entfernten uns schnell, ehe wir ihr Misstrauen heraufbeschworen.
Anschließend entdeckten wir eine Holztür, hinter der wohl ein weiterer Ausläufer dieses unterirdischen Systems versteckt war. Als wir kurz hineinlugten erspähten wir vier Skelette, welche zu einem Dasein als Untote wiedergekehrt waren und knarzend auf uns zugingen. Hastig knallten wir die Türen wieder zu und begannen uns für den Kampf vorzubereiten. Es würde mir eine Freude werden, diese Kreaturen der Finsternis aus dieser Welt zu verbannen. Leana und Ixcalotl schienen nicht minder entschlossen und nachdem Ischkur uns mehr oder weniger direkt allen seine Gunst gewährt hatte, stürmten wir den Raum, wo die Skelette bereits auf uns warteten.
Ich lockte direkt zwei zu mir, während Leana und Ixcalotl jeweils eines übernahmen. Die Waffen dieser einstigen Krieger waren zwar bereits rostig, doch das hinderte die Biester nicht daran, ordentlich auszuteilen. Lebende würden niemals dermaßen in die Offensive gehen und ich merkte rasch, dass ich diese Klappergestelle unterschätzt hatte. Von zwei Seiten attackierend drängten sie mich gegen die Wand.
Ixcalotl wurde ebenfalls von seinem Gegner durch den Raum getrieben. Es war erschütternd gegen etwas so ausdrucksloses und gleichzeitig Unheilverkündendes zu kämpfen, wie ein Skelett, dessen Schädel von einem Axthieb aus lang vergangener Zeit halb zertrümmert war.
Leana kämpfte wieder mit dem Mut einer Bärin, doch darüber hinaus vernachlässigte sie ihre Abwehr. Doch die tückische Intelligenz dieser Kreaturen reichte aus, um die Blöße zu erkennen und ein schneller Stich mit dem rostigen Langschwert fuhr der Schamanin einmal durch den Leib. Ein Aufschrei ertönte und sie sank zu Boden, auf dass Ixcalotl nun ebenfalls zwei Kontrahenten vor sich hatte.
Es drängte mich meinen Gefährten schnellstmöglich zur Hilfe zu eilen, doch noch hielt mich der Wall aus Knochen und Stahl auf. Immer wieder stießen sie durch, ich merkte, dass mein Schild mir fehlte. Meine Treffer hingegen glitten allzu oft am Knochen ab und zerschmetterten nur das, was diese Kreaturen nicht mehr brauchten. Doch Ischkurs Zorn gegenüber diesen Monstren war grenzenlos. Er zog meinen Arm weiter, obwohl die Muskeln längst unerträglich brannten, er ließ mich die Drehung vollführen, wo meine Beine versagen wollten. Und dann landete ich ihn, den Treffer gegen die Halswirbel. Ein Knirschen ging durch die Höhle und der Totenschädel knallte zu Boden. Die Knochen, eben noch von dem einen Gedanken erfüllt, mir das Leben zu entreißen, sackten kurz darauf nieder.
Dieser erste Erfolg erfüllte uns Streiter Ischkurs mit neuer Zuversicht, welche noch weiter verstärkt wurde als Leana wieder aufstand – mit Schaum vor dem Mund und wie wild auf die Feinde ansetzend.
Da fiel mein Blick auf Ixcalotl! Der Zöllner schien der Überzahl zu erliegen. Unerbittlich hieben sie auf ihn ein, trotz der gewaltigen Axt, die dieser Nahua vernichtend zu führen suchte. Schließlich landete er sogar einen Treffer und zerfetzte etliche Rippen seines Gegners – doch was scherte es diese Wesen? Ixcalotl zögerte zu lange, denn wo dieser Schlag Herz und Lunge eines Menschen in Stücke gerissen hätte, schien das Skelett nur grausig zu lachen… und hieb mit der Axt gegen den Hals des Zöllners. Der riss sein Beil nach oben und parierte gerade noch so, aber der Treffer warf ihn zurück, sodass das Schwert des anderen Skelettes beinahe seinen Schädel spaltete! Doch diesmal schien dem Nahua das Schicksal gewogen und mit einer gekonnten Rolle entwischte er auch diesem Hieb.
Ich hingegen verlor immer mehr Kraft an das verbliebene Monster vor mir, welches immer wieder meinen Angriffen auswich und selbst schwere Treffer setzte. Aber es gelang mir zumindest mit einem unerwarteten Tritt den Angreifer zurückzudrängen. Diesen Moment nutzte ich um einen Heiltrank zu mir zu nehmen, der meine Kräfte wiederbrachte.
Mit neuer Kraft erfüllt schmetterte ich nun auf die finstere Brut zu und nun war ich es, der die Oberhand hatte. Ein Hieb links, einer rechts, immer weiter trieb ich das Biest, was seine Waffe nicht schnell genug zu führen vermochte. Schließlich trennte ich den gesamten Arm ab und in einer fließenden Bewegung folgte der Kopf.
Leana stürzte sich währenddessen lebensverachtend auf eines der Skelette und wäre dabei beinahe von dessen Schwert aufgespießt worden. Aber das Schicksal schien ihr gewogen und nun wälzte sie sich mit der Bestie am Boden, bis sie schließlich einfach den Schädel packte und ihn immer wieder gegen einen Stein schmetterte. Es knackte, knirschte und schließlich zersprang der bis dahin intakte Kopf unter ihren Fingern.
Verblüfft sah ich zu ihr hinüber, dann zu Ixcalotl, welcher inzwischen auch durch einen Heiltrank neue Kräfte gewonnen hatte. Diese nutzte er für gewaltige Hiebe mit dem Schlachtbeil, die einen normalen Menschen vor Furcht hätten erzittern lassen. Dann war auch ihm Ischkur hold (wenngleich der Nahua ihn anders nannte) und er kappte die Wirbel in mittlerer Höhe. Der Oberkörper fiel zu Boden, doch das garstige Leben wollte nicht weichen. Emotionslos trat ich auf das kriechende Etwas zu und mit einem Hieb trennte ich den Schädel vom Hals.
Erleichtert atmeten wir auf, gingen zurück zum See und ließen dort unsere Wunden genesen. Außerdem gönnten wir uns einige Stunden der Meditation, um unsere Ruhe nach dem heftigen Kampf wieder zu finden.
Nun setzten wir unsere Erkundung fort, stellten jedoch fest, dass sich lediglich sechzig Goldstücke zwischen den Knochenhaufen befanden, welche wir gerecht aufteilten.
Als ich an der nächsten Tür lauschte vernahm ich ein wildes Flattern – genug um unser Misstrauen zu schüren. So bereiteten wir uns wieder einmal in aller Form auf den Kampf vor, dann rissen wir die Pforte auf. Bevor wir blinzeln konnten, schwärmten uns fast ein Dutzend Fledermäuse um die Ohren, fest entschlossen, unser Blut zu rauben.
Ixcalotl zögerte nicht lange, packte eines der Biester kurzerhand und ließ es seinen Händedruck spüren. Die Augen quollen rasch aus den Höhlen, da schmetterte der Nahua das Tier gegen den nächsten Felsen, wo es zerschellte.
Mit dieser Aktion begann der Kampf inmitten der schwarzen Flügelschar, die uns immer wieder zu beißen versuchte. Durch meine golden erstrahlende Rüstung konnten sie nicht einmal hindurchbeißen, dennoch waren sie extrem lästig. Ixcalotl erwischte dank der Größe seiner Axt immer mehrere zugleich und Leana war mit ihrem Dolch einfach wendiger, was deutlich besser geeignet war um diese Blutsauger aus der Luft zu stechen.
Es blieb jedoch das Ungeziefer was es war und bald hatten wir die Viecher abgeschlachtet, dass sich der Boden färbte. Besonders Leana letztes Kunststück war bemerkenswert, als sie dem Sturzflug ihres Gegners so geschickt ausgewichen war, dass dieser in die offene Klinge geflogen war.
In der einstigen Fledermauswohnhöhle fanden wir jede Menge Unrat, dessen Durchsuchung den Bruchstück eines großen Schwertes und einen Heiltrank zu Tage brachte. Dies war die letzte Kammer gewesen und ein wenig enttäuscht schlurften wir zurück zur Stadt. Mit dem wenigen Gold, das wir momentan unser eigen nannten, war eine Ausbildung nicht zu bezahlen.
Zumindest die Nacht war angenehm und am nächsten Morgen konnten wir ausgeruht das kostenlose Frühstück zu uns nehmen. Immerhin etwas…
Ein kurzer Fußmarsch brachte uns zur Magiergilde, wo wir das Bruchstück des Bihänders abgaben. Die reich verzierte Klinge war unsere letzte Hoffnung, das nötige Kleingeld zusammenzubringen.
Anschließend erstand ich auf dem Markt einen neuen Schild, zum Glück zu einem annehmbaren Preis. Dann betrachteten wir drei das schwarze Brett, auf dem verschiedene Aufträge angeboten wurden. Leana wies auf die Möglichkeit hin, als Boten zu arbeiten. Leider musste ich sie aufklären, dass diese unglaublich schlecht bezahlt wurden, sodass wir uns dieses Angebot aus dem Kopf schlugen. Ich liebäugelte ein wenig mit der Variante, Teil der Stadtwache zu werden. Zumindest für eine gewisse Zeit könnte man somit durch die Tage kommen und würde entsprechend ausgebildet werden.
Aber unsere Hoffnung ruhte auf dem Bruchstück des Schwertes und tatsächlich erwartete uns am folgenden Tag in der Magiergilde Haelgardes eine freudige Nachricht:
„Dieses Heft war womöglich einst Teil einer mächtigen, magischen Waffe aus dem hohen Norden, genauer: aus Waeland. Zumindest ist dies unsere Vermutung. Wärt ihr bereit, es an uns zu verkaufen?“
Wir berieten uns kurz, dann trat Leana mit ihrem besten Albisch hervor:
„Wir sind neugierig, ob dieses Gerücht stimmt und wollen eine Zusammenarbeit vorschlagen. Ixcalotl, Abedi und ich gehen nach Waeland und holen dort Informationen über das Schwert ein. Sofern es uns möglich ist, werden wir auch die fehlenden Bruchstücke mitbringen.“
Was folgte war eine harte Feilscherei, die so gar nicht nach meinem Geschmack war. Der Magier versuchte unablässig uns zu übervorteilen und rausrücken wollte er das gute Stück auch nicht. Schließlich konnten wir uns aber mit einer gewissen Härte meinerseits und Leanas Charme andererseits durchsetzen, dass wir 200 Goldstücke jetzt für die Reise erhielten sowie 1500, wenn wir innerhalb von einem Monat mit dem Bruchstück wiederkämen. Pro Person versteht sich.
Mit einem Abrieb des Schwerts und der Information, dass wir unsere Erkundung in Usegorm beginnen sollten, machten wir uns auf den Weg. Zuerst besorgten wir uns am Marktplatz warme Kleidung, denn Leana berichtete von einem kalten Land, wo fast ganzjährig Schnee lag. Dieses gefrorene Zeug hatte ich noch nie im Leben gesehen und war sehr neugierig, was uns erwarten würde.
7 Tage später (und wieder um einiges Gold leichter) erreichten wir schließlich per Schiff Waeland, mit einigen Brocken dieser Sprache im Gepäck und fest eingemummelt in unsere Pelzkleidung. Um meine Glatze zu schützen trug ich noch eine Wollmütze, die ich mir so tief ins Gesicht zog, wie es nur ging. Meine warme Heimat Urrutti war mir da deutlich lieber!
Es dauerte nicht lange, bis Leana einen ihrer Klasse gefunden hatte; einen Schamanen, welcher so etwas wie den „Seelsorger“ für die Waelinger hier gab.
Wir suchten diesen Mann namens Krakar in seiner hölzernen Kirche auf. Zunächst hielt er uns für Boten und brauchte nicht lange, um mitzuteilen, dass er unsere schlechte Bezahlung bedauere und gerne etwas Trinkgeld geben würde. Aber ehe Ixcalotl Ja sagen konnte, klärte Leana den Mann auf. Seine faltigen Gesichtszüge erhellten sich und hastig forderte er den Abrieb des Schwerts zu sehen.
Krakar bat uns, den nächsten Tag wiederzukommen, bis dahin wollte er die Inschrift übersetzen.
Wir taten wie uns geheißen und suchten ein Gasthaus auf, wo man lediglich ein Goldstück für die Nacht forderte. Zumindest waren die Waelinger nicht so wahnsinnig mit ihren Preisen wie die Albai…
Der nächste Morgen brachte Erleuchtung, denn Krakar hatte das Schwert als jenes erkannt, welches aus dem Geschlecht der Aeglirer kam, genauer aus deren Stammesführergeschlecht. Die Inschrift besagte: „Nur ein wahrer Krieger kann dieses Schwert führen!“.
So schickte er uns zu Asar, dem derzeitigen Anführer der Aeglirer. Dort nahm man uns recht freundlich auf, wenn man die bisherige Schroffheit der meisten Waelinger zum Vergleich nahm.
Wir wurden zu dem Häuptling geführt, dessen Augen glänzten, als er unsere Geschichte hörte. Er rief ein paar schnelle Worte, dann wurde die uns fehlende Hälfte des Schwertes herbeigebracht.
„Dies ist das Erbstück meiner Familie. Nur wir können es tragen – es gehört nach Usegorm! Ich biete euch 6000 Goldstücke, wenn ihr zurück nach Haelgarde reist und mir den fehlenden Teil der Waffe bringt. Vorausgesetzt natürlich, es ist die richtige!“
Diesmal bedurfte es keiner langen Beratung. Die Magiergilde hatte keinen guten Eindruck bei uns hinterlassen und Asar bot schlicht mehr. In unserer momentanen Situation war letzteres ausschlaggebend.
„Euer Entschluss freut mich. Nun denn, ich lasse eines meiner Schiffe bereitmachen. Es gilt keine Zeit zu verlieren!“
Und ehe wir uns versahen, standen wir am Ende dieses Abends auf einem der waeländischen Drachenboote und segelten zurück nach Alba.
Piraten brauchten wir keine zu fürchten, immerhin reisten etwa dreißig bis an die Zähne bewaffnete Waelinger mit uns.
Vier Tage brauchte es, bis wir Haelgarde wiedersahen, wo wir schnurstracks zur Magiergilde liefen. Unser Verhandlungspartner lächelte bereits herablassend, da er vermutete, wir kämen, um aufzugeben.
„Nein. Will Bruchstück zurück“, sagte ich kurzangebunden.
„Ihr…was? Das geht nicht. Es ist Eigentum der Magiergilde!“
„Du nur untersucht, es nicht deins. Geben zurück!“
„Aber das kostet…und außerdem euer Auftrag! Ich habe jedem von euch eine Vorauszahlung gegeben!“
„Kriegst Geld zurück“, und diesen Worten ließ ich Taten folgen. Es war nicht meine Absicht, den Mann zu prellen, aber das Schwert war in meinen Augen noch immer mein Besitz.
Die weitere Diskussion war zwar nicht langwierig, aber dennoch nervenaufreibend. Schließlich gab der Mann resigniert und wehklagend das Schwert zurück und wir drei konnten wieder zum Hafen zurückkehren. Gerade rechtzeitig, denn es hatte sich bereits ein ordentlicher Tumult gebildet und dutzende Stadtwachen standen bereit. Das Drachenschiff verursachte deutlich mehr Unbehagen, als wir angenommen hatten, doch eine Eskalation hatten die Männer Aeglirer zum Glück verhindert.
So konnten wir schnell und unbeschwert zurückreisen und Asar die zweite Hälfte der Waffe überbringen. Seine Augen schienen Feuer zu fangen, so freudig nahm er das Heft entgegen und eilte persönlich zum Schmied, der direkt mit der Arbeit begann.
In der Zwischenzeit gingen wir in seinem Auftrag zum örtlichen Gefängnis und nahmen im Einverständnis mit der Wache einen zum Tode Verurteilten mit, welcher an seine Freilassung glaubte und bereitwillig mitging.
Asar erwartete uns bereit und hielt in seinen Händen einen gewaltigen Bihänder, dessen Klinge leicht gezackt war und um die herum mächtige Flammen schlugen.
„Dies ist ‚Die Flamme des Nordens‘. Erblicket ihre Macht und verzweifelt!“, rief der Herr der Aeglirer aus und sprang mit einem gewaltigen Satz heran und zerteilte den Gefangenen vom Scheitel bis zwischen die Beine. Kein Blut spritzte, das Fleisch war direkt schwarz versengt. Lediglich der Geruch von verbranntem Menschenfleisch erfüllte die Luft und Asar begann, beinahe wahnsinnig klingend, zu lachen.
„Bringt diesen Menschen ihre Belohnung. Sie sollen meine Gäste sein, solange wie sie wollen. Denn sie brachten mir mein Erbe. Nun bin ich der mächtigste Mann Waelands und die anderen Stämme werden schon bald diese Klinge zu spüren bekommen!“
Wir betrachteten noch, wie einige seiner Berater herantraten und zu etwas mehr Umsicht rieten, dann entfernten wir uns.
Die Streiter Ischkurs verbrachten nun einige Monate in Waeland und lernten bei Asars besten Kriegern (und Leana zusätzlich noch bei Krakar).
Doch auch hier kam der Tag, da es uns nach neuen Abenteuern dürstete und wir uns auf den Weg ins nächste Abenteuer machten …