Heimat: Alba
Größe: 97 cm
Gestalt: schlank (selbst für einen Gnom)
Bekannte: Leana, Ixcalotl, Kilian, Anduil, Pomu
Mein Name ist Tikkmikk Rasfareen und ich wurde vor einigen Jahren im Artross-Gebirge geboren, genauer gesagt in Gimil-Dum, der Hauptstadt der albischen Zwerge. Meine Mutter hörte auf den klangvollen Namen Bellyantropa, während mein Vater Hixxeltikk Rasfareen gerufen wurde. Wie für Gnome gewöhnlich kam ich gemeinsam mit einem Zwillingsbruder auf die Welt: Lexxoneas.
Unsere Kindheit war recht unbeschwert, wenngleich uns kein sonderlicher Reichtum erwartete, als wir aus unserer Mutter herausgepurzelt waren. Vater war ein fähiger Handwerker, insbesondere ein Schlosser, der mit seinen schlanken Fingern so manches Kunststück vollbrachte – doch man darf nicht vergessen, wo wir lebten. Gimil-Dum war die Stadt des Handwerks schlechthin und die Gilde vom Runenkreis war legendär für ihre Thaumaturgen. Somit war der Konkurrenzdruck enorm und wir nutzten einen anderen Vorteil, den die Stadt bot: ihre Nähe zu den Menschen.
Häufig unternahm mein Vater mit der gesamten Familie daher Handelsreisen, um überall in Alba und vor allem im nahen Thame seine Schlösser zu verkaufen. Hier konnte man deutlich höhere Preise erzielen – auch weil Hixxeltikk ein Talent dafür besaß, besonders eindrucksvolle Schlösser zu bauen, die vielleicht auch das eine oder andere Mal über andere Mängel hinwegtäuschen – und zudem etwas häufiger Schabernack treiben, wenn man ständig den Ort wechselte. Letzteres nutzten Lexxoneas und ich natürlich zu jedem Zeitpunkt aus, wenn wir Hixxeltikk nicht zur Hand gehen mussten. Es lag in unserer gnomischen Art, wir waren jung und natürlich mussten wir unsere Grenzen ausloten. Nicht selten kam es daher auch zu Streit mit dem einen oder anderen Albai, der allzu aufmerksam auf die Schnürung seiner Schuhe achtete. Aber es waren nur Kleinigkeiten und wir kamen meist mit einem Lächeln und großen Hundeaugen davon.
Während Lexxoneas gerne bei der Herstellung und Bearbeitung von Schlössern half, war es mir eine Freude, ebenjene zu testen, sobald sie fertig waren. Im brüderlichen Wettstreit maßen wir uns ständig aneinander, wer den anderen eher zur Verzweiflung bringen konnte. Aus Gründen der familiären Eintracht möchte ich an dieser Stelle lieber nicht erwähnen, wer häufiger sein Handwerkszeug in die Ecke pfefferte!
Allerdings würde ich lügen, wenn ich behaupten würde, dass mich diese Arbeit stets voll und ganz fasziniert hätte. Nein, nein, was ich zu lieben lernte, waren die Feste, die wir auf unseren Reisen zu Gesicht bekamen. Ausgelassen tanzten und sangen die Menschen, häufig zur Musik von Barden und zum Schauspiel der Gaukler. Es war etwas ganz anderes, als die Feiern der Zwerge, bei denen man sich zwar reichlich Bier gönnte, aber der Gesang selten über ein tiefes Brummen herauskam. Und einen jonglierenden Langbart hatte ich auch noch nicht gesehen.
Es waren diese Jahrmärkte, auf denen ich das Gefühl hatte, zu Hause zu sein, wo ich jede Sekunde genoss und Spaß hatte, wie nie zuvor. Selbstverständlich stritt ich jedes Mal mit meinem Vater, wenn wir weiterzogen und eine Feier hinter uns ließen.
Immer mehr verfestigte sich in mir der Entschluss, dass ich nicht jedes Mal nach Gimil-Dum zurückkehren wollte oder überhaupt auf einen Ort festgelegt war. Doch wehe mir, ich sprach das an, dann schallte es von meinen Eltern wider, dass ich noch viel zu jung, für so einen Wahnsinn sei und es überhaupt für die Familie wichtig war, dass ich bliebe, um sie eines Tages versorgen zu können.
Aber schließlich kam jener für uns Zwillingsbrüder schicksalshafte Tag, als Lexxoneas zur Prüfung des Runenkreises ging. Für mich war das nicht in Frage gekommen, allein der Gedanke daran, über Jahre hinweg mit den wohl unlustigsten Gesellen der zwergischen Gesellschaft zusammenzuleben, jagte mir einen Schauer über den Rücken. Doch mein Bruder hatte mehr von dem Handwerkerehrgeiz unseres Vaters abbekommen und war fest entschlossen, ein Thaumaturg zu werden, sozusagen den nächsten Schritt auf der Karriereleiter zu tun.
Den ganzen Tag war er weg, doch abends kam er mit allem, was seine kurzen Beine hergaben, herbeigesprintet: „Ich wurde angenommen! Bald werde ich meine Ausbildung in der Gilde vom Runenkreis beginnen!“
Hixxeltikk war zu Tränen gerührt und ich witterte eine Chance für mich, dem schnöden Alltag des Artross-Gebirges zu entrinnen.
Noch dieselbe Nacht sprach ich lange mit Lexxoneas, bis ich ihn überzeugt hatte, dass es für mich nichts Lohnenswertes in Gimil-Dum gab und ich aufbrechen musste, um die Welt zu sehen.
Dann packte ich meine Sachen und verschwand in der Morgendämmerung, meinem Bruder die schwierige Aufgabe hinterlassend, meinen Abgang zu erklären. Doch mein Vater hätte mich nicht gehen lassen, meine Mutter schon gar nicht. Ihre Bedenken kann ich heute zumindest etwas nachvollziehen, immerhin war ich damals kaum mehr als ein Kind und stolperte naiv in die große Welt hinein.
Erste Haltestelle war zunächst Thame, dann ging es quer durch Alba, immer den Jahrmärkten hinterher. Einige Wochen lang genoss ich das freie Leben und konnte tun und lassen, wonach mir der Sinn stand. Mein kindliches Alter konnten die Menschen kaum erkennen, sodass mir auch die eine oder andere Alkoholeskapade nicht verwehrt blieb.
Dann kam der Winter und mein Geld ging. Keine Jahrmärkte fanden mehr statt und grimmig gingen die Albai ihrer Arbeit nach, als wären sie die miesepetrigen Vettern der Zwerge. So blieb mir nichts, als mich bettelnd durch Haelgarde zu schlagen, immer auf der Suche nach ein wenig Brot, um meinen Magen zu füllen, welcher trotz seiner geringen Größe unablässig knurrte. Es waren graue Tage, an denen ich oft verzweifelt einschlief – doch die Rückkehr ins Artross-Gebirge kam mir nicht in den Sinn. Zu groß war die kindliche Angst vor den erbosten Eltern, insbesondere vor meinem Vater Hixxeltikk, der garantiert nach dem „Taschengeld“ fragen würde, welches mir einen schönen Sommer ermöglicht hatte.
Gekleidet in Lumpen schlurfte ich durch die Straßen Haelgardes, manches Mal gelang mir die Verkleidung als Menschenkind um etwas Suppe von den Priestern erbetteln zu können. Da erblickte ich einen Mann, der gerade aus einem protzigen Gasthaus trat. Gegen die Kälte trug er einen feinen Pelzmantel, an den Fingern glitzerten ekelhaft dicke Goldringe und das Haupthaar war frisiert, als würde er noch heute jemanden den damit verzierten Kopf in den Arsch schieben wollen. Neid und Abscheu schossen in mir hoch, angesichts solchen Reichtums, der nicht nur ungerecht den Armen gegenüber war sondern im Allgemeinen eine Beleidigung des guten Geschmacks darstellte.
Wütend überlegte ich mir, was ich dem Poser für einen Streich spielen konnte, als Rache der kleinen Leute.
Da fiel mir ein…ich war ein Gnom! Nun, im ersten Moment, war das keine große Erleuchtung, doch… die Erzählungen der Menschen waren hinsichtlich meines Volkes immer recht eindeutig und ich würde fast so weit gehen, zu behaupten, dass sie vorurteilsbehaftet sind. Im Klartext: die Gnome sind ein Volk der Diebe! Scheinbar hatten wir das im Blut und nun ja, wenn ich dem reichen Fettsack einen Streich spielen wollte, konnte ich mir doch auch gleich selbst helfen, wie schwierig mochte das schon sein?
So schlich ich mich absolut unauffällig, quasi eins mit den Schatten des helllichten Tages, an ihn heran. Perfekt: er sah mich nicht und stolzierte in die andere Richtung davon. Dicht blieb ich an ihm dran, ein Schatten aus Lumpen und Dreck, den man wohl kaum bemerken konnte. Auf eine günstige Gelegenheit wartend, bis der Fettsack endlich an einem Marktstand stehenblieb, um die Ware zu begutachten. Dies war meine Gelegenheit!
Ganz zufällig interessierte ich mich nämlich auch für die Auslage…Schmuck. Naja, man musste sich ja verbessern. So stand ich, ein schattenhafter Dreckhaufen, neben dem Vorzeige-Protzsack – seine gerümpfte Nase musste auf das Angebot zurückzuführen sein, denn immerhin war meine letzte Waschung gerade einmal fünf Wochen her.
Dann ging er weiter, als ich zufällig stolperte und gegen ihn prallte. Ein dicker Geldsack fiel zu Boden, ich schnappte ihn rasch auf, murmelte „Entschuldigung“ und lief weiter.
Nun, ich glaube aus meiner Schilderung dürfte hervorgegangen sein, dass der eine oder andere mein Spionageartiges Vorgehen eventuell bemerkt haben könnte. Es folgte der laute Ruf: „Dieb!“ und ich rannte, was meine Beine hergaben!
Und was die nicht leisten konnten, ergänzte zum Glück mein Verstand und quer durch die mir wohl bekannten Gassen Haelgardes ging eine beispiellose Hetzjagd, der sich einige von den Freunden des Schnösels anschlossen. Alles in allem eine eher ungünstige Situation für mich.
Doch wir näherten uns dem Hafen der Stadt, ich hörte das Wasser vor mir rauschen und die Männer hinter mir schreien. Da blieb mir nur ein logischer Schluss. Nein, ich warf nicht einfach das Gold weg und versuchte ungeschoren davonzukommen. In meiner kindlichen Intelligenz sprang ich in das Hafenbecken. Im frühen Winter.
Viel weiß ich nicht mehr von den folgenden Momenten, nur, dass ich durch die Wogen aus eisigen Schmerzen irgendwie genug bei Verstand blieb, um mich oben zu halten und eine Ankerkette zu greifen. Dann gelang mir auch noch das Kunststück, mich nach oben zu ziehen und durch das enge Loch zu zwängen, wonach ich mir eine gemütliche Ecke suchte, alle nasse Kleidung von mir warf und mich in irgendein dickes Leinentuch wickelte.
Als ich dann wieder erwachte, hatte ich das Gefühl, mich habe der Ausflug ins Wasser krank gemacht. Zum einen wusste ich zunächst mehrere Minuten nicht, wie ich hier überhaupt hergekommen war, es fühlte sich an, wie nach einem schlimmen Besäufnis. Was diesen Eindruck in den ersten Momenten noch verstärkte, war das allgegenwärtige Schwanken. Das war ja perfekt gelaufen. Was meine Leistung natürlich noch steigerte war, dass ich zwar selbst nicht entdeckt worden war, da ich irgendwo zwischen einigen Tauen geschlafen hatte. Doch meine Beute war weg, bestimmt etliche Goldmünzen. Und meine Kleidung auch – oder die Lumpen, die man vielleicht irgendwann mal Kleidung genannt hatte.
Die nächsten Tage lernte ich, was es hieß, wirklich zu schleichen und unentdeckt zu bleiben. Keiner der Matrosen entdeckte mich, wenngleich die tippelnden Schritte, die sich hie und da entfernten, einen gar eigenen Eindruck hinterließen. Als mich dann noch ein Matrose des Nachts an Deck sah, oder vielmehr einen weißen Schemen an der Peripherie seiner Lampe, war es um die Moral der Männer geschehen: ein Geist musste umgehen!
Im Nachhinein eine lustige Geschichte, bei der ich mir jedoch fast jeden Tag in die nicht vorhandenen Hosen machte, wenn ich einen der Matrosen hörte. Als wir nach einer Woche dann endlich den nächsten Hafen erreicht hatten, machte ich so schnell wie möglich, dass ich von Bord kam, denn meine seltenen Ausflüge in die Speisekammer hatten einen noch hungrigeren Magen hinterlassen, als aus meiner Bettlerzeit in Haelgarde.
Doch wo zur Hölle war ich gelandet?!
Nun ihr könnt euch vorstellen, dass es einige Zeit dauerte, bis ich jemanden gefunden hatte, der einem offensichtlich verwirrten, kleinem Gnom erklärte, dass das Ziel des Schiffes eine Stadt namens Diatrava gewesen war. Mich hatte es in die Küstenstaaten verschlagen!
Zunächst lieh ich mir einige Kinderkleidung, die zufällig irgendwo herumlag. Dann setzte ich mein Vagabundieren fort, zumindest waren die Temperaturen trotz des eigentlichen Winters sehr angenehm. Außerdem war die Stadt mehr als doppelt so groß, wie das mir mittlerweile recht vertraute Haelgarde. Das erhöhte die Zahl der potentiellen Spender!
Doch die Konkurrenz war groß. Und organisiert. Wo in Alba Bettler einfach gescheiterte Existenzen waren, hatte sich zumindest in Diatrava ein gewisses System entwickelt, dass nicht einer gewissen Struktur entbehrte. Und fremde Konkurrenz, die sich dann auch noch an angestammte Plätze erdreistete, war nicht gern gesehen.
Ein Tag wie jeder andere war es, als ich vor einem der mittelständigen Gasthäuser um einige Münzen bettelte und mit schlechten Tricks um Aufmerksamkeit fehlte. Es war ein guter Ort, denn die Kundschaft war noch nicht so reich, dass sie abfällig herabblickte und eher einen Schläger zum Gruß vorbeischickte, aber nicht so arm, dass sie nichts geben wollten.
Da packten mich plötzlich die beiden Bettler neben mir und schleiften mich in eine Seitengasse, verpassten mir etliche Hiebe. Zum Abschluss befahlen sie mir, mich nie wieder blicken zu lassen, am besten die Stadt zu verlassen.
Mit aufplatzten Lippen und geschwollenem Auge blieb ich liegen und bemitleidete mich zunächst einige Zeit selbst. Dann ersetzte ein anderes Gefühl den Schmerz: Wut! Die konnten doch nicht so mit mir umgehen, denn ein riesiger Verlust konnten die paar Münzen nicht gewesen sein. Also legte ich mich auf die Lauer, bis sich die beiden Schläger abends entfernten und folgte ihnen mit gebührendem Abstand. Was in Haelgarde noch peinlich gescheitert war, hatte ich an Bord des Schiffes erlernen müssen und so gelang es mir, ungesehen hinterherzukommen, bis sie in ein großes Lagerhaus am Rande des Hafens eintraten. Einige Kisten ermöglichten mir den Aufstieg zu einem Fenster und von dort aus blickte ich hinein in das Versteck…
Dutzende Bettler saßen dort zusammen, redeten miteinander und tranken Bier. Im hinteren Teil des Raumes, abgetrennt durch Regale, standen etliche Betten, die mir nach Wochen auf der Straße wie das Paradies schlechthin anmuteten. Den Elenden schien es nicht sonderlich schlecht zu gehen und jeder, der neu hinzukam, warf einige Münzen in eine große Vase, welche vor den Regalen stand. Daneben hockten zwei auffälligere Gestalten in ledernen Rüstungen, an deren Gürteln Schwerter hingen. Einer von ihnen notierte bei jedem Bettler der zu ihm kam, etwas in ein Buch, wahrscheinlich, wie viel er einzahlte. Der andere blickte lediglich miesepetrig durch den Raum und genehmigte sich ab und zu einen tiefen Zug aus seiner Pfeife. Er wirkte grobschlächtig und machte den Eindruck, als bräuchte er nicht unbedingt sein Schwert, um zu töten.
Geduldig wartete ich, bis sich eine Gelegenheit ergab, einzudringen und diese offensichtliche Bettlervereinigung zu berauben.
Nach einiger Zeit blaffte der Raucher den Schreiber an, wonach dieser die Vase unten aufmachte und die Münzen in eine Schatulle fließen ließ. Sorgfältig brachte er ein dickes Schloss an, ehe sie zu seinen Füßen landete.
Dann wurde es langsam leiser und immer öfter starrten die Bettler und ihre scheinbaren Anführer auf den Eingang es Lagerhauses, offensichtlich erwarteten sie noch jemanden.
Schließlich, es schien eine Ewigkeit vergangen, traten zwei Menschen ein, ein Mann und eine Frau. Sie beide trugen bunte Gewänder, welche teilweise wild zusammengeflickt wirkten, teilweise als sollte es genau diesen Eindruck erwecken. Die Frau trug langes, schwarzes Haar und an ihren Ohren blitzten dicke Ohrringe, während der Mann mit einem breiten Grinsen einige Goldzähne offenbarte, am Gürtel hing ein Rapier. Der Raucher erhob sich und begrüßte sie mit barschen Worten, von denen ich wenig bis nichts verstand, da ich in meiner Sprachkenntnis kaum über die gemeine Handelssprache hinausgekommen war.
Anschließend ging eine neue Runde Bier herum, auch für die Gäste und die Träger der Lederrüstung. Es wurde wieder lauter und die vier zogen sich in eine Ecke zurück, während die Bettler zechten.
Dies schien mir eine gute Gelegenheit und ich huschte durch das Fenster hinein. Es gab genug Kinder, die hier ebenfalls mittranken und meine speziellen Freunde waren gerade im Würfelspiel vertieft.
Also lief ich zwischen allen Gestalten umher, verharrte nie so lange, dass einer auf mich achten würde und näherte mich vorsichtig dem Vierergespann. Der Schlüssel des Schreibers hing nahezu arrogant offensichtlich am Gürtel, scheinbar glaubte er nicht, dass hier jemand so dreist war…
„Wo gibbe’s denn noch Biar?“, nuschelte ich und versuchte möglichst betrunken zu wirken. Verärgert starrten mich die beiden Bettleranführer an, während die Gäste neugierig die Brauen anhoben. „Verpiss dich, Dreckssack“, murmelte der Grobe, während der Schreiber noch zu überlegen schien – verflucht, er musste ja wissen, ob ich dazu gehörte oder nicht.
„Aber isch will noch was schu dringen!“, wobei ich vornüber gegen den Schreiber fiel und an ihm herunterrutschte.
„Elendes Balg“, schallte es nur noch, dann traf mich ein Tritt mit der Stärke eines Pferdes, dass es mich herumwarf und einen Meter nach hinten schleuderte.
„Beruhig dich, Forgio. Das ist nur ein Kind“, hörte ich eine rauchig-männliche Stimme, die wohl zu dem Gast gehörte. Kurz spähte ich zu ihm hinüber und einen Moment lang meinte ich, ein Zwinkern zu sehen.
Doch dann machte ich so schnell, wie ich konnte, dass ich von den Vieren wegkam, die sich zum Glück an den Rat hielten und sich nicht mehr für mich interessierten. Allerdings stand ich nun vor einem neuen Problem: wie sollte ich nur schnell mit der Schatulle herauskommen?
Da warf ich einen Stein gegen die Vase einige Meter entfernt, welche zu wanken begann, packte den verschlossenen Reichtum und rannte zur Tür, flog nahezu durch sie hindurch und lief weiter. Einen Moment lang waren die Bettler perplex, als diese Vase zerschellte… dann erblickten sie mich, den wohl dreistesten Dieb Diatravas.
Es folgte eine Stunde, während der ich wie ein Irrer durch die Gassen rannte, immer wieder ein Versteck suchend, wo ich natürlich gleich gefunden wurde. Schließlich drängte es mich einfach in Richtung Stadttor, wenngleich dieses um die Uhrzeit geschlossen sein musste.
Doch plötzlich prallte ich gegen jemanden, der sich aus den Schatten vor mich schob und fiel um. Ehe ich mich versah, streifte man mir einen Sack über, fesselte meine Hände und ein Schlag gegen den Kopf schickte mich auf eine Traumreise.
Als ich erwachte, wackelte um mich herum alles. Aber es fühlte es sich anders an, als die Schifffahrt…vertrauter. Eine Kutsche musste es sein!
Meine Regungen blieben nicht unbemerkt, man zog mir die Kapuze vom Kopf und ich blickte in ein breites, goldzähniges Grinsen.
„Ah, Herr Gnom. Schön, dass Sie bei uns sein können.“
„Wirst du mich töten?“, stammelte ich.
„Nein, nein. Ich erkenne Talent, in allen seinen Formen. Und du hast einiges, wenngleich Dreistigkeit und Dummheit allzu fatal auf deinen Erfolg einwirken. Die Schatulle habe ich den Bettlern wiedergegeben, dich durfte ich aber behalten.“
„Aber…das ganze Gold!“, begehrte ich auf.
„Das war die Tagesausbeute, lediglich hundert Goldstücke. Du hast noch viel zu lernen und ich denke, wir können dich ausbilden…“
So wurde ich von Rigo und seinen Leuten aufgenommen. Sie sind ein Teil des Volks der Abanzzi, alle anderen haben den Namen „Fahrendes Volk“ gefunden, da sie ständig in ihren riesigen Kutschen unterwegs sind. Ein kleines Völkchen der Gaukler und Sänger, die zu keiner Feier Nein sagen. Genau perfekt für mich – allerdings haftet den Abanzzi ein ganz eigener Ruf als Diebe an und dies bewahrheitete sich schnell, wie ich lernte. Rigo unterwies mich darin, wie man schnell und einfach an das kam, was man wollte und so brachte ich einige Tricks in Erfahrung, die eher am Rande der Legalität flanierten.
Jahrelang reiste ich mit dem fahrenden Volk durch die Küstenstaaten, ab und an trafen wir auch andere Konvois, an die mich Rigo auch mal für ein paar Monate „verlieh“. Denn trotz aller Freundlichkeit schuldete ich ihm einiges. Aber ich wurde nie genötigt, nie bestraft und erarbeitete mir mit der Zeit einen Status als einer der ihren.
Doch dann kam der Tag, an dem mich wieder eine altbekannte Unruhe packte. Zwar liebte ich das Leben unter den Abanzzi, die ständigen Feiern – das quasi unablässige Leben auf einem Jahrmarkt. Aber das schien mir auch nicht alles sein zu können, ebenso wie damals im Artross-Gebirge. Aber diesmal schlich ich mich nicht einfach davon, sondern sprach mit Rigo wie zu einem Ziehvater und er sah ein, dass es mich in die weite Welt zog. Mittlerweile war er auch nicht mehr der Jüngste und in seiner gemäßigt-ruhigen Art, ließ er mich gewähren.
So verließ ich die Abanzzi und reiste fortan auf eigene Faust durch die Länder rund ums Meer der Fünf Winde, stets auf der Suche nach etwas, das meinem Leben einen besonderen Antrieb gab, etwas Spannendes…
Da traf ich in Uchana nach einigen Wirren auf Gleichgesinnte – unruhige Gemüter, die es in die Welt hinaustrieb, um Abenteuer zu erleben. Freudig schloss ich mich ihnen an und hatte somit wieder ein Ziel vor Augen.